KOMMENTAR Von Dr. Stefan Duchateau, Professor für Portfolio- und Risikomanagement „Anleger haben eine verzerrte Wahrnehmung von Volatilität“ Metzingen, 22. August 2016 Nichts fürchten private Anleger mehr als Verluste. Und wo Angst ist, da sind negative Schlagzeilen nicht fern. So liest man in letzter Zeit häufiger, dass die Volatilität an den Kapitalmärkten gestiegen sei. Dabei wird der Eindruck erweckt, dass es noch nie so riskant war Aktien zu kaufen wie heute. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Volatilität, gemessen als Schwankungen der Aktienrenditen um ihren langfristigen Durchschnitt herum, ist im historischen Vergleich gesunken. Sie liegt aktuell für die Aktienmärkte der USA und Europas bei 15% (12% in den USA, 19% in Europa). Insgesamt lag die Volatilität auf den Weltaktienmärkten in den vergangenen 200 Jahren mit einem jährlichen Durchschnittswert von 22% deutlich darüber. Gegen die Behauptung steigender Risiken an den Börsen spricht auch der Vergleich der historischen Renditen. Im Verlauf der vergangenen 200 Jahre, brachten Aktien eine jährliche Durchschnittsrendite von 7,6% ein. In den letzten 25 Jahren ist dieser Wert sogar leicht auf 8% gestiegen. Phasen, in denen die Kurse stärker schwanken als gewöhnlich gibt es natürlich immer wieder. Wie zuletzt etwa beim Brexit, oder im August 2015 als der chinesische Aktienmarkt einige dramatische Momente erlebte. Aber solche Turbulenzen bieten auch gute Kaufgelegenheiten. Das eigentliche Problem ist weniger die Volatilität an sich, als vielmehr die übertriebene Angst der Anleger vor genau diesen Wertschwankungen an den Aktienmärkten. Dies hat zum einen damit zu tun, dass Menschen in der Regel kurzfristig denken und stark auf aktuelle Ereignisse fokussiert sind. Es hat aber auch damit zu tun, dass schlechte Nachrichten einfach eine höhere Anziehungskraft besitzen. Ganz offensichtlich handelt es sich dabei um die Faszination des Schreckens. Dazu passt auch die Legende von den besonderen Gefahren einer Hausse. Geht es an den Börsen aufwärts heißt es, die Anleger müssten jederzeit mit einem Crash rechnen. Längere Aufwärtstrends seien nichts weiter als irrationale Übertreibungen, ausgelöst durch Zocker und eine Masse von leichtsinnigen Anlegern, die blind dem Trend hinterherlaufen würden, während die Märkte sich bereits wieder drehen und auf den nächsten Eisberg zusteuern. Natürlich lauern in der Welt draußen reale Gefahren. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass es so bald zu einem Big One, also einem verheerenden Erdbeben in Kalifornien, einer russischen Invasion in der Ukraine oder einem Angriff Chinas auf Taiwan kommt, ist relativ gering. Niemand hat den Zusammenhang zwischen realer Gefahr und individueller Wahrnehmung besser beschrieben als Harvard-Psychologe Steven Pinker. Seine historischen Forschungen zur Gewalt im sozialen Zusammenleben zeigen, dass wir in einer Welt leben, die noch nie so friedlich war wie heute. Dass viele Menschen einen anderen Eindruck haben, liegt an der Auswahl der Nachrichten die unser Weltbild maßgeblich prägen. Anleger sollten Crash-Propheten deshalb keinen Glauben schenken, sie wollen in erster Linie in die Schlagzeilen. Und die beste Methode um dieses Ziel zu erreichen ist es, den nächsten Kollaps an den Aktienmärkten vorherzusagen. Professionelle Schwarzseher haben dabei nichts zu verlieren. Wenn die Märkte sich weiter positiv entwickeln, werden sie nicht weiter beachtet, alle sind zufrieden. Dreht die Börse jedoch ins Minus, haben sie es schon immer gewusst. Entwicklung des Welt Aktien-Index (Nettorendite in Euro)
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