SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Zeitwort 16.08.1501: Michelangelo unterschreibt den Vertrag für eine David-Statue Von Christiane Recht Sendung: 16.08.2016 Redaktion: Ursula Wegener Produktion: SWR 2016 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Zeitwort können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/zeitwort.xml Autorin: Der Auftrag kam von den Stadtoberen.. Am 16.August 1501 schlossen die Vertreter der Florentiner Wollweberzunft und die Vertreter der Dombauhütte einen Vertrag mit dem 26jährigen Bildhauer Michelangelo Buonarotti über eine Figur des alttestamentlichen David. Die zwei Jahre zuvor in Rom fertiggestellte Pietà für das Grabmal des französischen Gesandten beim Vatikan hatte den jungen Künstler auch weit über die römischen Grenzen hinweg berühmt gemacht. Anfang des Jahres war Michelangelo auf Einladung des Rats der Stadt in seine Florentiner Heimat zurückgekehrt. Florenz hatte sich in diesen letzten Jahren sehr verändert. Die Medici waren vertrieben und an der Macht war inzwischen eine republikanische Regierung nach venezianischem Vorbild. Ganz sicher stand sie noch nicht auf ihren Füßen. Die feudale Bedrohung bestand weiterhin und verlangte eine ständige Wachsamkeit und Verteidigungsbereitschaft. Es braucht eine Weile, bis der frühere Günstling der Medici sich mit seiner neuen Arbeit vertraut macht. Zunächst muss das inhaltliche Konzept für seinen gegen den Giganten Goliath kämpfenden Jüngling gefunden werden. Die herkömmlichen Darstellungen, in denen David dasteht und mit dem Schwert in der Hand über dem abgeschlagenen Haupt des Gegners triumphiert oder mit tödlicher Präzision auf den Feind zielt und den Stein aus der Schleuder schießt, sie überzeugen nicht mehr? Michelangelo entscheidet sich für den Augenblick, in dem David zu allem entschlossen ist, er dadurch zu einer wirklichen Gefahr wird, dass er bereit ist, einen Kampf zu führen, bei dem er auch sein eigenes Leben verlieren kann. Der Augenblick des Entschlusses des eigentlich unzureichend bewaffneten Hirten, den Kampf mit dem hoch gerüsteten Philisterführer aufzunehmen, dieser Augenblick ist für Michelangelo eindeutig über die Tat und über den Sieg stellen. Darin liegt das Neue seiner Davidinterpretation. Die Auftraggeber sind mit der Deutung zufrieden. Dieser David würde nicht nur als der alttestamentliche Vorläufer von Christus gelten im Kampf gegen das Böse, er würde und sollte auch die Wachsamkeit und Kampfbereitschaft dieser noch jungen Stadtrepublik Florenz symbolisieren. Michelangelo ist fasziniert vom Platonismus und davon überzeugt, dass der zu bearbeitende Stein in seinem tiefsten Innern ein verborgenes Bild in sich trägt, ein Bild, das lediglich darauf wartet, vom Künstler entdeckt und aktiviert zu werden. Der Marmorblock, der ihm günstig überlassen worden war, ist von edler Qualität des Materials, doch fast nicht für das Projekt zu gebrauchen. Über Brust und Hüfte, wo wegen der Bewegung der Arme am meisten Material benötigt wird, mangelt es dem Block an Breite. Seit mehr als vier Jahrzehnten versuchen sich unterschiedliche Bildhauer nacheinander daran, inzwischen halten die meisten ihn für unbrauchbar. Michelangelo zeichnet nächtelang, legt immer wieder das Papier auf den Stein, schlägt erneut Teile des Marmors weg.... und legt die Spannung der Figur nicht in ihre äußere Bewegung, sondern in die innere – in die Spannung des Geistes. Heute sehen wir einen jugendlichen David, auf einem Felsstück, leicht federnd mit gespreizten Beinen mit sicherer Bodenhaftung, den Kopf leicht nach rechts gedreht, jederzeit auf den möglichen Angriff vorbereitet. Der linke Arm ist angewinkelt, in der Hand fest die Schleuder gegriffen, Der rechte hängt ruhig herab, die Hand hält den Stein. Die Bereitschaft zum Kampf im Blick fest gehalten, der stark angespannten Muskulatur von Gesicht und Oberkörper. 1 Wer die Florentiner Piazza della Signoria nach Süden geht, kann seine Kopie nicht unbemerkt lassen. 4,34 Meter hoch, dazu auf einem hohen massiven Sockel stehend, symbolisiert er neben Wachsamkeit und Stärke auch die Distanz der Götter und Heroen zu den Menschen. Und ein bisschen den Göttern gleich kommt er schon daher, kolossal und nackt, wie ein Held der griechischen Antike. 2
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