2. Vorlesung Teilchen- und Astroteilchen Grundlagen des Teilchennachweises: Wechselwirkung hochenergetischer Teilchen mit Materie in makroskopischen Mengen 1. Klassifizierung der Teilchen in Bezug auf Wechselwirkung mit Material und wichtigste Begriffe 7 Teilchentypen 1. Neutrinos (neutral, nur schwache Wechselwirkung) 2. Neutronen (neutral, starke Wechselwirkung) 3. Myonen (geladen, e.m. Wechselwirkung Ionisation) 4. Geladene Hadronen p, π.. (e.m. Ww plus starke Wechselw.) 5. Elektronen (e.m. Wechselw.Ionisation plus Bremsstrahlg) 6. Photonen (neutral, e.m. Wechselw. Paarbildung) 7. Teilchen mit langer Lebensdauer: Nachweis eines vom primären Wechselwirkungsvertex separaten Zerfallspunktes (Sekundärvertex). Zwischen Primär- u Sekundärvertex neutrales Teilchen wie Neutron, oder geladenes Teilchen wie Myon. 1 Material Wichtigste Abhängigkeit: die von Z (= Zmed ) von A (für 1,4) (für 3,4,5,6) und Ferner die von Dichte ρ, die aber oft aus den Formeln eliminiert wird, indem man die durchlaufene Strecke d in Einheiten [g/cm²] oder [Atome / cm²] angibt. „Gedichtete Weglänge“ D = Weglänge ℓ[m] mal Dichte ρ [kg/m³] g D cm ² = l[cm ] ⋅ ρ[g / cm ³] Weg oder Dicke Dichte 1cm flüssige Luft hat dieselbe Dicke D wie ~ 1000 cm gasförmige Luft! Wir haben hier ℓ und D durch die Symbole unterschieden. In der Praxis wird das gleiche Symbol verwendet s, x, etc und die Unterscheidung durch die Angabe der Einheit klar. 2 Wichtigste Begriffe für Durchgang durch (Detektor-) Material a) „spezifischer Energieverlust (dE / dx)ion (und entsprechende „Reichweite“ bei kleinen Energien) b) Wechselwirkungs- oder Absorptionslänge λabs für starke WW c) Strahlungslänge X0 für e.m. WW d) Brechungsindex für Licht (Cherenkov- und Übergangsstrahlung) Zu b) und c) Definition von Wechselwirkungslängen Infinitesimale Wechselwirkungswahrscheinlichkeit dP für durchlaufene infinitesimale Dicke dx des Targets oder Detektors T für 1 Teilchen A (Detektoratome B) AtomeB AtomeB dx [ cm ] = σ [ cm ²] ⋅ dx AB cm ² cm³ dP = σ AB [cm²]N T Gegeben NA(x=0) Teilchen A bei Eintritt in Target T NA(x) nach Strecke x dNA(x) = -NA(x) · dP Überlebenswahrscheinlichkeit nach Strecke x (Teilchen hat keine WW erfahren): N A (x) = e −( σAB N T ) x = e − x / λ N A ( 0) dabei hat λ = (σAB NT)-1 die Dimension Länge (oder cm-2, wenn x in Atome/cm² angegeben war.) x = λ→ NA(x) / NA(0) = e-1. Für x = λ ist Fläche des Targets aus der Sicht des Projektils dicht belegt: Anzahl der Atome in Würfel der Fläche 1cm², Länge x: 1cm² · NT ·x · σ = 1cm² → x = 1 / σ· NT ≡ λ Wobei σ hier die „effektive Fläche“ = Wirkungsquerschnitt eines Atoms für die gedachte Art der WW ist. 3 2.) Teilchentypen und ihre Wechselwirkung 1. Neutrinos Schwache WW, geladene Ströme σ ( v µ N → µ − x ) = 0.67 ⋅ E ν 10 − 38 σ( v µ N → µ + x ) = 0.34 ⋅ E ν 10 − 38 Ebenso für ve, ve cm ² GeV cm ² GeV Leptonuniversalität gleiche WQe Neutrale Ströme Nc ( σ nc / σ cc ) ν = 0.3 (σ nc / σ cc ) ν = 0.4 Ferner WW mit Elektronen der Atome σ(νe) m e = ≈ 1 / 2000 σ(νN ) m N (Wirkungsquerschnitt proportional zu Mandelstam s = Quadrat der Schwerpunktsenergie mit s ≈ 2mTarget· Eν) Beispiel: Wechselwirkungslänge von Neutrinos in „Erde“. Mittlere Dichte der Erde ρ = 5.52 g/cm³, σ = σcc + σnc Mit NLoschmidt= NL = 6 ·1023 Nukleonen/g NT = ρ • NL 1 1038 GeV 1015 cm λ = σ ⋅ N = E ⋅ 5.5 ⋅ 6 ⋅ 1023 (cm) = 33E / GeV v v 30 GeV hochenergetische Neutrinos z.B. von SPS λ= 1012 cm = 107 km 3 MeV solare Neutrinos λ= 107+4= 1011km 4 2.) Neutronen σ tot (nN) = 40mb σ abs ( nN) = 33mb totaler WQ elastisch und inelastisch nur „Absorption“ = inelastische WW Targetmassenabhängigkeit σ abs (nKern) = 37.6mb ⋅ A 0.72 A = Zahl der Nukleonen Expect A2/3 für schwarze Scheibe And A1 für transparente Scheibe Wechselwirkungslänge λ int = Absorptionslänge λ abs = Typische λabs: 1 σ tot ⋅ N T 1 σ abs ⋅ N T Wasser: 85cm Eisen: 17cm Luft (20°, 1atm): 700m (Übungsbeispiel: Abschätzung von λabs-1 = σabs · NT für Wasser: σabs = (33mb · 2 + 37,6mb · 160.72) NT = 6 · 1023 H2O-Moleküle / mol · 1mol/18g · 1g/cm³) Charakteristische Länge (Tiefe) von Hadron-Kalorimetern, die die gesamte Energie von Hadronen absorbieren: 0 (10 λabs) ≈ 1-2 m Eisen 5 Totale und elastische Wirkungsquerschnitte pp, np und πp in den drei folgenden Bildern als Funktion von Impuls und √s. LHC ↓ TEVATRON ↓ 6 - Ein Beispiel für eine Wechselwirkung mit „Resonanz“ ∆ –Resonanz bei der invarianten Masse √s = (1.23GeV) 7 3.) Myonen „Schwere Elektronen“, elektromagnetische Wechselwirkung, aber weil Myonen relativ zu Elektronen schwer sind, spielt Bremsstrahlung unwesentliche Rolle, anders als bei Elektronen, siehe 5.) a) Energieverlust durch Stöße mit den Atom-Hüllenelektronen (Ionisation) . Viele Stöße, wenig Energieverlust pro Stoß. Elektronen werden mit geringem Impuls nahezu senkrecht zur Myonbahn aus Atom herauskatapultiert. (Einige bekommen etwas mehr Impuls: δ – Elektronen.) Bethe-Bloch Formel für spezifischen Energieverlust Wichtigste physikalische Beziehung für Nachweis von geladenen Teilchen in Draht-, Ionisation-, Blasen, -Wilson, Streamerkammern etc und in Szintillationszählern oder Halbleiterdetektoren. 8 I/Zmed = (12 + 7/Zmed ) eV = (9.78 + 58.8 Zmed -1.19) eV für Z<13 für Z ≥ 13 Tmax ≈ 2 me c2 β2 γ2 δ/2 = dichteabhängige Korrektur Herleitung von Bethe-Bloch PDG oder Leo oder andere Literatur zu Teilchennachweis Qualitativer Verlauf (genauer Verlauf siehe Bild unten aus PDG): 9 (dE/dx)ion ist Mittelwert. Fluktuationen (δ – Elektronen) Landau –Verteilung des Energieverlustes, bei dünnen Targets charakteristisch anders, bei dicken Targets Gauss-Verteilung b) Vielfach -Streuung am Kern- Coulombfeld ( Rutherfordstreuung) Verwackelt die Richtung des Teilchens und trägt damit zur Messungenauigkeit des Impulses bei. 10 11 4.) Geladene Hadronen a) Bethe-Bloch – Energieverlust durch Ionisation wie Myonen b) Starke Wechselwirkung wie Neutron 2.) mit Hadron-typischem Wirkungsquerschnitt für die erste, primäre Wechselwirkung. z.B. Hadron = Pion σπN = 20 mb statt σnN = 33mb 5.) Elektronen und Positronen a) Bethe-Bloch-Energieverlust: (dE/dx)ion wie bei Myon b) Bremsstrahlung: (dE/dx)brems = 4 α (NL/A) Z(Z+1) re2ln(183/Zmed1/3) E = E / X0 Mit 1/X0 = 4 α (NL/A) Z(Z+1) re2ln(183/Zmed1/3) Energie von e+, e- : E(x) = E0 e–(x/X0) (dE/dx)brems > (dE/dx)ion für E > Ecrit =Ec= 580MeV/Zmed Strahlungslängen für verschiedene Materialien: 12 6.) Photonen a) elastische Streuung (Rayleigh) b) Photoeffekt c) Compton d) Paarbildung [ σ ≈ ω4V2molecule/(6πc4) ] 13 3.) Komplexe Prozesses in dicken Targets / Detektoren: Kaskaden oder Schauer a) Elektromagnetische Schauer Exponentiell zunehmende Zahl von ionisierenden Teilchen. Nachweis der Ionisation mit ionisations- sensitiven Detektoren (Drahtkammern, Ionisationskammern) oder Nachweis von Photonen und geladenen Teilchen mit Szintillationszählern (organisch, anorganisch) oder Nachweis von relativistischen Elektronen über Cherenkovlicht (Bleiglaszähler) Einfaches Schauermodell, Halbierung der Energie, Verdopplung der Teilchenzahl bei jedem Vertex, siehe Skizze oben: Tiefe des Schauers bis zum Abbruch tmax = X0 • ln(E0/Ec)/ln(2) Zahl der geladenen Teilchen im Maximum, bei tmax Nmax = exp( tmax ln2/X0) = E0/Ec Gesamte Spurlänge von geladenen Teilchen in Einheiten von X0 : L= Gesamte Ionisation ~L Detektorlänge muss nur logarithmisch mit der Energie der nachzuweisenden Teilchen wachsen. Zum Vergleich bei 2 GeV: 17X0 LHC (ATLAS): 27X0 . 14 15 b) Hadronische Schauer Hadron wechselwirkt mit Kern des Target über starke Wechselwirkung nach typisch einer Absorptionslänge λabs = 1/(σabsN), siehe 2.) Neutron 16 17
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