96. Sitzung des Nationalrats der Republik Österreich - IV. Gesetzgebungsperiode – 2 August 1932 …..Der nächste Gegenstand der Tagesordnung ist der Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage: Bundesgesetz betr. Grundsätze für die Flurverfassung. Berichterstatter Burgstaller: Durch das vorliegende Bundesgesetz, betr. Grundsätze für die Flurverfassung, erbringt die Regierung neuerdings den Beweis, daß sie im Rahmen der verfügbaren Mittel das möglichste zur Hebung der wirtschaftlichen Fähigkeiten des Bauernstandes, zur Mehrung der landwirtschaftlichen Erzeugung unseres Bundes und zur Durchführung der zur Erreichung dieses Zieles erforderlichen Reformen der Bodenwirtschaft leistet. Es ist ja eine in diesen Zeiten der Not schon oft ausgesprochene Wahrheit, daß unserem Volke und seinen einzelnen Berufsständen niemals durch unverstandene, unerprobte und leichtfertige Schlagworte, sondern nur durch die stille, unverdrossene Aufbauarbeit Hilfe zukommen kann. Ein anerkennenswertes Beispiel solcher ehrlicher Bauernhilfe ist der vorliegende Gesetzesentwurf, der die Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugung, ihre Anpassung an moderne Wirtschaftsweisen aus eigener Kraft, aus Mitteln, die in uns selbst und in unserem Boden schlummern, zum Ziele hat und daher in unserer Zeit der allgemeinen Wirtschaftsnot umso größere Beachtung verdient. Im Gesetzesentwurf finden wir eine organische Zusammenfassung aller jener Maßnahmen, die wir mit dem Ausdruck „Bodenreform“ bezeichnen und deren Durchführung den Agrarbehörden obliegt. Wenn wir näheren Einblick in den Wirkungskreis dieser Agrarbehörden nehmen, so gewahren wir eine Fülle von technisch-wirtschaftlichen Aufgaben, mit denen sich diese Behörden zu befassen haben. Ich nenne nur die Zusammenlegung der landwirtschaftlichen Grundstücke, durch die eine Neugruppierung des bäuerlichen Grundbesitzes nach Gesichtspunkten wirtschaftlicher Zweckmäßigkeit herbeigeführt wird, bei gleichzeitiger Neuvermessung des Operationsgebietes, Neuordnung des Netzes der Verkehrs- und Wirtschaftswege und Entwässerung versumpfter Grundstücke; ferner Gemeinschaftsteilungen, das ist die Zerlegung von Gemeinschaftsbesitz in die vielen einzelnen Anteile, womit deren nachhaltigere Bewirtschaftung herbeigeführt wird, dann die Regelung der Servitute, das ist die Sicherstellung der Holz- und Streubezugsrechte eingeforsteter Bauern- und Häusleranwesen, Sicherung der Ausübung dieser Rechte durch Trennung von Wald und Weide oder Umwandlung der Bezugsrechte in Grund und Boden; Schutz und Förderung der Almwirtschaft; Bau von Güterwegen und Seilbahnen zur Erschließung von schwer zugänglichen Gebieten zwecks besserer und leichterer Abfuhr der dort vorkommenden land- und forstwirtschaftlichen Erzeugnisse. Aus dieser Übersicht geht hervor, daß die Bodenreform eine Fülle von teilweise sogar mit Zwangsmitteln arbeitenden staatlichen Eingriffen in die private Bodenwirtschaft bezweckt, die sich, wenn sie planmäßig betrieben werden, in einer Belebung, Förderung und Modernisierung unserer heimischen Land- und Forstwirtschaft auswirken. Produktionssteigerung, Sicherstellung der Volksernährung aus heimischen Bodenfrüchten liegt nicht nur im Interesse der damit verbundenen Berufsstände, sondern sie ist eine Angelegenheit des Gemeinwohles. Darum werden die Erfordernisse der Durchführung der Bodenreform auch seit Jahrzehnten aus öffentlichen Mitteln finanziert. Daß bei bodenreformerischen Maßnahmen, Kultivierungen, Besiedlungen und dgl. Experimente zu vermeiden sind, die keinen ausreichenden Nutzeffekt des Aufwandes gewährleisten, ist wohl selbstverständlich. Solche Versuche gediehen in den Jahren nach dem Umsturz, können aber heute als abgetan betrachtet werden. Es wird beim staatlichen Hilfswerk der Bodenreform auch weiterhin der Grundsatz eingehalten werden müssen, daß die Gewährung einer Beihilfe aus öffentlichen Mitteln in allen Fällen von dem Ergebnisse einer vorangehenden Rentabilitätsberechnung abhängig zu machen ist. Gerade unter dem Gesichtspunkt der Rentabilität erscheint mir jene Gattung agrarischer Operationen am bedeutsamsten, die den Großteil der Arbeit des Personals der Agrarbehörden für sich in Anspruch nimmt: die Zusammenlegung landwirtschaftlicher Grundstücke und die damit verbundenen Meliorationen. Dieses Verfahren nimmt wegen seiner weittragenden Bedeutung auch um Flurverfassungsgesetze den breitesten Raum ein. Der Zweck der Grundzusammenlegungen, ihre segensreichen volkswirtschaftlichen Auswirkungen sind in den Erläuterungen zum Gesetzesentwurfe so klar und verständlich beschrieben, daß ich mich darauf beschränken kann, ihnen einige grundsätzliche Bemerkungen zur Ausgestaltung des Zusammenlegungsdienstes unter dem Gesichtspunkte der Erfolgswertung hinzuzufügen. Ich halte mich besonders deshalb für berufen, in dieser Frage das Wort zu ergreifen, weil ich Landwirt bin und aus eigener Erfahrung, nämlich durch die kürzlich in meiner Heimatgemeinde Weilbach erfolgreich durchgeführte Grundzusammenlegung, Entwässerung und Bachregulierung, in das Wirken der Agrarbehörden gründlich Einblick nehmen konnte. Wenn man den Sinn der Zusammenlegungen erfassen will, muß man sich zunächst vergegenwärtigen, aus welchen Zuständen sich die heutige Flurverfassung entwickelt hat und wieso diese kulturgeschichtliche Entwicklung zwangsläufig zur Notwendigkeit des Bodenreformwerkes hinführt. In der alten Dorfverfassung bestand der Wirtschaftskreis der Ackerbau treibenden Germanen aus drei Elementen: dem im Eigenbesitz stehenden Hof, dem in Form von Lehen aufgeteilten landwirtschaftlichen Grundbesitz und den Anteilrechten an der Gemeinen Mark, worunter die Wald- und Weidenutzung verstanden wurde. Die Verleihung des Ackerlandes an die Teilgenossen erfolgte in der Regel nicht in einem Stück, sondern es wurden, um dem Gerechtigkeitssinn Genüge zu tun, an jeden Anteilberechtigten mehrere Grundstücke verliehen, die hinsichtlich Geländegestaltung, Lage zur Himmelsrichtung, Kulturgattung, Feuchtigkeitsgehalt, Höhenlage, Entfernung, Abdachung usw. verschiedenartige Merkmale auswiesen; mit anderen Worten: es sollte jeder von jeder Bodeneigenart etwas bekommen, damit der nötige Ausgleich hergestellt und niemand einseitig bevorzugt oder benachteiligt werde. Dadurch wurde schon der Grund zur streifenartigen Grundverteilung, zur Gemengelage, gelegt, die sich bis auf unsere Tage erhalten hat. Durch Erbschaftsteilungen entstanden neue Gliederungen der Feldeinteilung. Dieser Übelstand war in alten Zeiten noch nicht so sehr fühlbar, weil die Ackerwirtschaft damals ja sehr primitiv war und die Feldbestellungsarbeiten unter scharfem gemeinschaftlichem Zwang vor sich gingen. Möglichst gleichzeitig mussten alle gleichartigen Arbeiten: Pflügen, Säen, Einzäunen gegen Weidevieh, Ernten, von den Dorfgenossen verrichtet werden, und möglichst rasch hatten dann die Zäune und die Hilfsfahrten wieder zu verschwinden. Denn öffentliche Wege gab es damals noch nicht, und die Hutweide musste gemeinsam ausgeübt werden. Diese Flurverfassung bestand jahrhundertelang, ohne daß ein besonderer Antrieb zur Verbesserung sich geltend gemacht hätte. Erst die neuere Zeit gab den Anstoß zur Bodenreform. Die Einführung der Kartoffeln und des englischen Futterbaues zog eine Umwälzung des Wirtschaftsbetriebes nach sich. Gleichzeitig mit dem Wirtschaftswandel setzte das Werk der Bauernbefreiung ein, und dem eigenberechtigten Bauernstande wurden nun durch die neuzeitliche Entwicklung die Unzulänglichkeit der alten Felderwirtschaft immer fühlbarer, denn es bahnte sich der Übergang von der extensiven zur intensiven Feldwirtschaft an und stellte gebieterisch seine Forderungen. Fabriksbetriebe, wie Brennereien, Zuckerfabriken, entstanden und gaben Anreiz zur Vermehrung der Erzeugung. Die Kunstdüngerwirtschaft eröffnete ungeahnte Ausblicke auf die Intensivierung der Landwirtschaft. Aber die alte Gemengelage der Feldeinteilung ist noch da und erschwert die systematische Einbürgerung neuzeitlicher Wirtschaftsmethoden. Verkäufe, Erbteilungen und Zerstückelungen vermehren die Wirrniss des Parzellengemenges. Neue Verkehrswege, Straßen, Eisenbahnen entstehen, die mit Enteignungszwang erbaut werden und eine Unmenge neuer Splittergrundstücke schaffen. So werden die Wirtschaftserschwernisse ins Unerträgliche gesteigert. Die Arrondierungstausche, wie sie vielfach von den Landwirten getätigt werden, bringen keine nachhaltige Entlastung, weil sie keine großzügige Gesamtregelung der Flureinteilung ermöglichen. Das wirtschaftliche Verlustkonto, das durch die alte, unpraktische Feldeinteilung verursacht wird, ist so enorm, dass sich ein Laie dies gar nicht träumen lassen würde. Je mehr die Parzellen und je länger die einzelnen Parzellen sind, desto länger auch die Grenzraine. Grenzraine bedeuten kulturlosen Boden, der aber kulturfähig wäre. Die Fläche der außer Kultur stehenden Feldraine in einer von etwa 1000 Hektar mit starker Gemengelage beträgt allein schon einige Hektar. Nehmen wir nun zum Beispiel in Oberösterreich eine zusammenlegungsbedürftige Fläche von 479.000 Hektar an, so macht die kulturlose Fläche in Folge der Grenzraine rund 1000 Hektar aus, also das Ausmaß einer ganzen Gemeinde, das der intensiven Bewirtschaftung verlorengeht. Dazu kommt aber noch der wesentliche Umstand, dass die Frucht in der Nähe der Raine, aus Gründen, die jedem Landwirt bekannt sind, viel dünner steht als im Inneren der Parzellen. Überdies sind die Raine eine Brutstätte pflanzlicher und tierischer Schädlinge. Bei Zusammenfassung aller dieser Einflüsse haben amtliche Erhebungen ergeben, dass durch die Beseitigung der überflüssigen Raine in Oberösterreich ungefähr 3600 Hektar Neuland gewonnen werden könnte, also das Flächenausmaß einiger Gemeinden mittlerer Größe, dessen Ertrag uns jährlich einige hundert Waggon Getreide liefern könnte. Eine weitere Folge der Grundzersplitterung ist die Verschwendung menschlicher und tierischer Arbeitskraft und die zwecklose Abnutzung des Materials, die durch die Hin- und Herfahrten von einer zur nächsten Parzelle verursacht werden. Daß ein größerer Bauer 50 und mehr räumlich getrennt liegende Wirtschaftseinheiten besitzt, ist gar nichts so Seltenes. Laut vorsichtiger sachlicher Berechnungen könnte durch die zweckmäßige Besitzabrundung in Oberösterreich eine 15 prozentige Ersparnis an Gespann- und Handarbeit erzielt werden, wodurch etwa 14.000 Zugochsen oder 10.000 Pferde entbehrlich würden. Würden dann statt der ersparten 14.000 Ochsen ebenso viele Milchkühe eingestellt, so hätten wir bei Annahme von nur 15 Hektoliter Jahresleistung einer Kuh eine Erhöhung der Milchproduktion um 210.000 Hektoliter zu erwarten. Das bedeutet für ungefähr 60.000 Oberösterreicher täglich einen Liter Milch. Schließlich sei noch ein ganz wesentlicher Nachteil der veralteten Besitzgruppierung erwähnt: der sogenannte Flurzwang. In früheren Zeiten gab es keine öffentlichen Wege. Die Vergebung von Fahrtbefugnissen war Hoheitsrecht der Herrschaften, die sich hierbei nicht immer um die Bedürfnisse des einzelnen Anwesens kümmerten. Auch wurden im Laufe der Zeit Besitzkomplexe immer wieder geteilt, wodurch die schon bisher mangelhaften Zu- und Abfahrten immer noch komplizierter wurden. So gibt es in jeder Gemeinde, die der Zusammenlegung noch nicht unterzogen wurde, von alters her eine Unzahl von Parzellen, die überhaupt keine rechtmäßige Zu- und Abfahrt aufweisen. Da der Besitzer aber doch einundaus kommen muß, muß er über fremden Grund fahren. Zu diesem Zweck muß der vorgelagerte Nachbar entweder eine Fahrt liegen lassen, damit der andere heraus kann (was wieder die volle Ausnützung des Bodens einschränkt); oder aber der Besitzer des hinten gelegenen Grundstücks muß sich in der Fruchtfolge vollständig nach der vorgelagerten Parzelle richten, weil beispielsweise im Juni keine Heufuhr über ein Kornfeld gebracht werden kann. Dadurch ist der Besitzer – abgesehen von den Gerichtshändeln, die auch aus diesem Zustand immer wieder zu entstehen pflegen – oft gehindert, sein hinten gelegenes Grundstück jener Kultur zuzuführen, die seiner Bodenbeschaffenheit am zuträglichsten wäre; kurz er ist nicht unumschränkter Herr seines Grundbesitzes. So ergeben sich auch dadurch wirtschaftliche Einengungen und Produktionshemmungen aller Art, die ziffermäßig schwer zu erfassen sind, jedenfalls aber beträchtliche Prozentsätze der Gesamtproduktion ausmachen. Dieser Streubesitz mit all den geschilderten nachteiligen Folgen ist in Österreich noch viel mehr verbreitet, als selbst mancher Fachmann anzunehmen geneigt ist. In Niederösterreich, wo die Zusammenlegungen schon seit den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bestehen, ist ja allerdings durch die agrarischen Operationen schon vielfach Ordnung geschaffen worden. Aber gerade in meinem Heimatlande Oberösterreich, von dem vielfach fälschlich angenommen wird, daß dort die Arrondierung des Hofbesitzes schon seit alters her bestehe, harren im Traunviertel und Hausruckviertel, zum Teil auch im Mühlviertel, besonders aber im Innviertel noch viele tausende Hektar unerschlossenen Landes der Flurbereinigung. Auf Grund amtlicher Ermittlungen kann die bereinigungsbedürftige landwirtschaftliche Fläche in Oberösterreich mit 479.000 Hektar, in ganz Österreich mit rund 2 Millionen Hektar angenommen werden. Wie soll nun dem Elend der veralteten Flureinteilung abgeholfen werden? Der Bauer aus eigener Kraft vermag es nicht. Denn es fehlen ihm die Mittel, die Übersicht, der autoritative Nachdruck und das fachliche Können, um den Wirtschaftsplan einer ganzen Gemeinde neu zu gestalten. Da muss denn der Staat eingreifen mit seinen Hilfsmitteln und seinen gesetzlichen Machtvollkommenheiten, die ihn befähigen, über den Unverstand und den kleinlichen Eigennutz einzelner hinweg dem großen Ziele zuzustreben. Und dies geschieht durch die Zusammenlegung der landwirtschaftlichen Grundstücke und die damit verbundene baulichen Anlagen zwecks Entwässerung versumpfter Grundstücke. Der hervorragende Vorteil der Zusammenlegung ist das durch sie ermöglichte durchgreifende, umfassende Ordnungsmachen in den Flurverhältnissen. Der alte Gerechtigkeitsgrundsatz, jedem Nutzungsberechtigten von jeder Bodenlage einen Anteil zuzuweisen, wodurch die Gemengelagen entstanden ist, ist heute ein überwundener Standpunkt. Die Erfahrungen der neuzeitlichen Agrartechnik haben erwiesen, dass ohne Gefahr für den Wirtschaftsbetrieb des einzelnen bei geschickter Veranlagung des Zusammenlegungsplanes für einen Besitzer, wenn auch nicht immer ein den ganzen Besitz vereinigender Komplex, so doch einige wenige größere arrondierte Abfindungsgrundstücke geschaffen werden können, besonders dann, wenn eine mit der Zusammenlegung verbundene Entwässerung wesentliche Abstufungen in der Bodengüte beseitigt hat. Es wäre verfehlt, diese großzügige Neuordnung durch eine Summe kleiner planloser Hilfen, wie solche zum Beispiel die Arrondierungstäusche darstellen, ersetzen zu wollen und damit die Arbeitskraft der Agrarbehörden zu verzetteln. Die Arrondierungstausche sind keine planmäßige Bodenreform und sollen daher in einem Gesetze, das die Bodenreform organisiert, keinen Platz finden. Vielmehr sind die Landwirte, die aus dem Jammer der alten Flureinteilung herauskommen wollen, unbedingt auf die Zusammenlegung zu verweisen, weil nur diese eine rationelle Besserung der Zustände, eine alle Missstände erfassende Hilfe gewährleistet. Das Zusammenlegungsverfahren musste durch ein Gesetz geregelt werden, weil es immer Widerstrebende gibt, die am Althergebrachten hängen und sich jeder Neuerung verschließen. Die Not der Zeit drängt, und der Staat kann nicht warten, bis jedem einzelnen Bauern ein Licht aufgeht. Eine straffe Organisation der Agrarbehörden mit technischen und rechtlichen Abteilungen, so wie sie jetzt bestehen, mit weitgehenden gesetzlichen Vollmachten ausgestattet, gibt die nötige Voraussetzung für eine gedeihliche und zielbewusste Durchführung der Bodenreform. Es soll bei diesem Anlasse hervorgehoben werden, dass die verschiedenen Gattungen der agrarischen Operationen vorwiegend ein technisches Werk sind, dass die schöpferische und aufbauende Arbeit in diesem Berufe von Technikern geleistet wird. Die bei den Agrarbehörden bediensteten, rechtskundigen Beamten leiten den rechtlichen Gang des Verfahrens, entscheiden über Streitigkeiten, die aus dem Verfahren entspringen und behandeln die Berufungsfälle. Diese juristische Seite des Agrarberufes ist zwar auch sehr wichtig, sie begründet aber nicht den Anspruch auf Vorherrschaft im Agrardienst, eine derartige Neuordnung würde wahrlich nicht dem Sinn und Zweck der Verwaltungsreform entsprechen. Es ist begreiflich, dass die Agrartechniker in fachlichen Dingen nicht einem Juristen unterstellt sein wollen, sondern einem leitenden technischen Fachmann. Die gedeihlichste Lösung, welche die geringsten Reibungsflächen schafft, ist daher sicher die, dass die technischen Abteilungen und die Rechtsabteilungen der Agrarbehörden, jede für sich selbständig, eigenberechtigt und eigenverantwortlich nebeneinander bestehen und in Bedarfsfällen das Einvernehmen miteinander zu pflegen haben, was durch Schaffung brauchbarer Dienstordnungen leicht erreicht werden kann. Zu einer Degradierung der Techniker im Agrardienst besteht nicht der geringste Anlass. Die bisher in Oberösterreich vollendeten Zusammenlegungen erweisen sich als technisch richtig durchgeführt. Ähnlich dürfte es, soweit ich unterrichtet bin, ja auch in anderen Ländern stehen. Wären die Zusammenlegungen eine schlechte Sache oder wären sie von den Agrarbehörden schlecht angepackt, so würden sie sich in den Kreisen der einsichtigen Landwirte nicht jenes guten Rufes erfreuen, den sie tatsächlich besitzen. Vielfache Klagen hört man nur darüber, dass sich die Verbücherung der Zusammenlegungspläne noch jahrelang hinauszieht, wenn die Arbeit des Technikers längst abgeschlossen ist und der neue Besitzstand in Wirklichkeit schon längst besteht. Diese Verzögerungen haben ihren Grund meist in den gesetzlichen Bestimmungen über das Agrarverfahren, in denen ein langwieriger Gang der Berufungen festgelegt ist. Es wären daher im Zusammenhange mit der Verwaltungsreform gesetzgebende Maßnahmen zu treffen, durch die das Verfahren möglichst vereinfacht wird, damit alle Kräfte zur Erreichung des technischen und wirtschaftlichen Zieles der agrarischen Operationen zusammengefasst werden können. In der Sache selbst wird von den Agrarbehörden, wie ich mich selbst überzeugen konnte, gut gearbeitet. Fragen sie in zusammengelegten Gemeinden einige Jahre nach Durchführung des Verfahrens herum, und sie werden schwerlich einen Grundbesitzer finden, der sich die alte Feldeinteilung zurückwünschte und der nicht des Lobes voll wäre über die segensreichen Wirkungen des Zusammenlegung. Freilich muss zeitlicher Abstand eingehalten werden. Andere Urteile würde man hören, wenn man mitten im Verfahren die Leute fragen würde, was sie von der Zusammenlegung halten. Da gibt es Streit und Hader, der auch durch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Besitzwechsels und Übergangszustandes genährt wird, und der durchführende Agrarbeamte steht da wahrhaftig auf schwerem Posten und hat gegen eine Summe von Widerständen anzukämpfen. Auch ich musste in meiner Heimatgemeinde allerlei Anfeindungen auf mich nehmen, weil ich unentwegt für die Zusammenlegung eingetreten bin. Die Zeit hat mir Recht gegeben, heute herrscht allgemeine Befriedigung über das gemeinnützige Werk. Was naturnotwendig ist, bricht sich Bahn. Die bei den oberösterreichischen Agrarbehörden einlaufenden Zusammenlegungsanträge übersteigen heute bereits das Maß dessen, was diese Behörden bei ihrem jetzigen Personalstand und bei den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln in den nächsten Jahren aufarbeiten können. Dieser Zustand, so erfreulich er an sich ist, gibt allerdings auch Anlaß zu ernsten Bedenken für die Zukunft des Agrardienstes. Die Sache, für die wir eintreten, ist gut, und die Agrarbehörden leisten zweifellos ihr Bestes; aber man muß ihnen auch die Möglichkeit geben, die Arbeiten, die an sie herandrängen, in absehbarer Zeit zu bewältigen, sonst läuft das große Werk der Bodenreform Gefahr, zu versanden. Not tut vor allem ein Überblick über den Arbeitsumfang: Was streben wir an? Wie können wir es leisten? Ich sage folgendes: Wenn die Nationalversammlung die Neuregelung der Flurverfassung beschließt, soll man auch Sorge tragen, daß das Verfahren planmäßig und zweckentsprechend durchgeführt wird, es muß die Sicherheit geboten werden, dass rentabel gearbeitet wird. Hierher gehört vor allem ein gewisser Zwang zur Durchführung der Zusammenlegung, also die Einführung der planmäßigen Arrondierung und Melioration des bereinigungsbedürftigen Gebietes von Österreich von Amts wegen! In den bestehenden Gesetzen und auch im vorliegenden Gesetzentwurfe zeigen sich wohl bereits Ansätze zu einer solchen planmäßigen, amtswegigen Zusammenlegung; aber dieser Grundsatz bedürfte noch schärferer Herausarbeitung. In der Regel wird es heute noch so gemacht, dass ein Zusammenlegungsverfahren nicht dann eingeleitet wird, wenn zwingende wirtschaftliche und fachtechnische Erwägungen für die Einleitung sprechen, sondern nur dann, wenn eine gewisse Mehrheit von Grundbesitzern des betreffenden Operationsgebietes diese Einleitung beantragt. Bei dieser Rechtslage ist es klar, daß Unverstand und Vorurteile dem Vordringen des Zusammenlegungsprinzips oft gerade dort, wo es am notwendigsten wäre, noch vielfach Widerstände entgegensetzen. Ich will selbstverständlich durchaus nicht dafür eintreten, dass den Landwirten die Möglichkeit, ihre Wünsche im Zusammenlegungsverfahren geltend zu machen, genommen werden soll, dass über ihre Köpfe hinweg die neue Feldeinteilung zugeschnitten wird. Aber die Zusammenlegung des zersplitterten Grundbesitzes ist, wie meine vorangegangenen Ausführungen erwiesen haben, eine Staatsnotwendigkeit und das Zustandekommen diese gemeinnützigen Werkes soll daher nicht von zufälligen Mehrheitsbeschlüssen abhängig gemacht werden. In der Frage, ob eine Zusammenlegung gemacht werden soll, sollen lediglich höhere wirtschaftliche und fachtechnische Erkenntnisse entscheiden sein, in der Frage, wie eine Zusammenlegung gemacht werden soll, soll auch weiterhin das Mitbestimmungsrecht der Bauernschaft sichergestellt bleiben. Die Erkenntnis der Notwendigkeit der amtswegigen Zusammenlegung ist heute bereits Gemeingut aller politischen Parteien geworden. Die Sozialdemokraten sprechen in ihrem Sanierungsprogramm sogar von einem Fünfjahresplan der Zwangszusammenlegung. Dazu wäre zu sagen, dass zu einer derartigen, volkswirtschaftlich so verantwortungsreichen Arbeit ja geschulte Kräfte gehören, die natürlich nicht mit einem Schlage aus dem Boden gestampft und beliebig vervielfältigt werden können. Immerhin schadet es aber nichts, wenn die Erkenntnis sich Bahn bricht, komme sie von welcher Seite immer. Ich bin mit meinen Forderungen bescheidener und habe verschiedene amtliche Daten eingeholt über das Problem, wie sich ein Fünfzigjahresplan der Zusammenlegung in den Tatsachen auswirken würde – denn irgendein sichtbares Ziel muss man sich doch stecken, wenn dem ganzen Werk nicht der Vorwurf der Planlosigkeit anhaften soll. Ich bin da zu Ergebnissen gekommen, die der Wirklichkeit und der Durchführungsmöglichkeit schon bedeutend näherkommen. In Österreich sind rund 2 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Boden zusammenlegungsbedürftig. Der agrartechnische Personalstand aller Verwendungsgruppen in Österreich beläuft sich auf 160 Mann. Von diesen arbeiten etwa die Hälfte, also 80, im Zusammenlegungsdienst. Aus amtlichen Statistiken hat sich ergeben, dass ein Techniker jährlich etwa 100 Hektar im Zusammenlegungsdienst aufarbeiten kann. Die 80 Techniker können demnach in einem Jahre 8000 Hektar Zusammenlegungen in Österreich aufarbeiten. Da aber 2 Millionen Hektar zu bewältigen sind, würden diese 80 Techniker zu dieser Arbeit 250 Jahre brauchen. Soll die Arbeit in 50 Jahren vollendet sein, so wird man fünfmal so viel, also 400 Agrartechniker, ständig im Zusammenlegungsdienst beschäftigen müssen. Was bisher an Zusammenlegungen in Österreich durchgeführt wurde (etwa 130.000 ha), ist, obwohl es an sich eine recht anerkennenswerte Musterleistung darstellt, verhältnismäßig so geringfügig, daß es bei diesen Berechnungen außer Betracht bleiben kann. Für mein Heimatland Oberösterreich ergeben sich folgende Daten: Zusammenlegungsbedürftig sind 479.000 ha. Angestellt sind derzeit 34 Agrartechniker, wovon etwa 17 im Zusammenlegungsdienst verwendet werden. Diese 17 können jährlich etwa 1700 ha bewältigen. Im Ganzen sind 479.000 ha zusammenlegungsbedürftig, diese Arbeit könnte daher von 17 Technikern in 282 Jahren bewältigt werden. Die Vollendungsfrist übersteigt hier, wie man sieht, den Bundesdurchschnitt, während sie sich zum Beispiel in Niederösterreich, wo schon viel geschehen ist, bedeutend unter der Durchschnittszahl halten würde. Jedenfalls geht aus diesen Ziffern hervor, dass die Bodenreform bisher mit gänzlich unzulänglichen Mitteln betrieben wurde. In Oberösterreich konnten seit dem Kriege wegen des unzureichenden Personalstandes erst 15.000 ha Zusammenlegungen bis zur Besitzübergabe gebracht werden, während für weitere 15.000 ha zwar schon ein rechtskräftiges Einleitungserkenntnis besteht, die technischen Arbeiten aber noch nicht in Angriff genommen sind. Dieses Missverhältnis zwischen Anmeldung und Bewältigungsmöglichkeit wird sich bei Beibehaltung des jetzigen Arbeitstempos und Personalstandes immer noch steigern, so daß schließlich, wenn nicht Abhilfe kommt, eine verhängnisvolle Stauung und Verrammlung der Bodenreformaktion eintreten muß. Der Landesvoranschlag für Oberösterreich im Jahre 1932 weist im Posten „Agrardienst“ wieder empfindliche Abstriche auf, so dass die Agrarbehörden heuer nur drei Monate in den Gemeinden werden arbeiten können. Es ist in der Natur der Sache begründet, dass ein Zusammenlegungsverfahren rasch vor sich gehen muss. Denn der Übergangszustand vom alten zum neuen Besitzstande bringt empfindliche Wirtschaftserschwernisse mit sich, die möglichst schleunig überwunden werden müssen. Schleppende, häufig unterbrochene Zusammenlegungsarbeit, mit halbem Willen und unzulänglichen Mitteln durchgeführt, löst, wie gewisse Bauernabordnungen in Oberösterreich im verflossenen Herbst bewiesen haben, nur die Enttäuschung und den Unmut der betroffenen Bauernschaft aus und wirkt auch auf außenstehende Interessenten eher abschreckend als werbend. Wenn heuer wieder mitten im Sommer die agrartechnischen Arbeiten auf dem Lande abgebrochen werden müssen, werden wir dieselben Unmutsausbrüche der betroffenen Landgemeinden erleben wie im Vorjahr, dies ist jetzt schon mit Bestimmtheit vorauszusehen. Ohne ausreichenden Außendienst gibt es keine ausreichenden Arbeitsgrundlagen für die Durchführung der verschiedenen Agrarverfahren. Auf diese Art ist daher die Bodenreform zum Verkümmern verurteilt. Auf dem Gebiete Werte schaffender Berufsarbeit, mit der sich die Agrarbehörden befassen, tut nicht Abbau, sondern Aufbau not. Mit sogenannten „Ersparungsmaßnahmen“ erreicht man da nur den gegenteiligen Zweck: Man entkleidet damit die Arbeit ihrer Zweckmäßigkeit und Rentabilität und degradiert sie zu einem planlosen Herumtasten. Die allmähliche Vermehrung des Zusammelegungspersonals auf das Fünffache, also auf 400 in ganz Österreich, wäre keine so ungeheuerliche Forderung! Freilich müsste damit, wie gesagt, auch die planmäßige amtswegige Zusammenlegung verbunden werden! Größere Entwässerungen, besonders solche mit offenen Gerinnen, und Bachregulierungen machen in der Regel die gleichzeitige Einleitung des Zusammenlegungsverfahrens unbedingt erforderlich. Auch eine Neuvermessung von Gebieten mit Landwirtschaft soll immer mit Zusammenlegung verbunden sein, weil sie dann rascher und billiger vor sich geht und auch in den Wegerechten, Dienstbarkeiten usw. Ordnung gemacht werden kann, was bei einer reinen Neuvermessung nicht der Fall ist. Es ist in der heutigen Zeit der Not eine äußerst unrationelle Zeitund Arbeitsverschwendung, eine riesigen behördlichen Apparat für Neuvermessungen aufzubieten zu dem alleinigen Zwecke, in einem mehrjährigen Verfahren die komplizierten und höchst unpraktischen, alten Besitzgrenzen einer Gemeinde zu erheben und mit Tausenden von Steinen festzulegen, dadurch Zustände, deren Besserungsbedürftigkeit offenkundig ist, geradezu zu verewigen. Es daher im neuen Gesetz, wenigstens der allgemeingültige Grundsatz verankert werden: Keine größere Melioration, keine Neuvermessung ohne gleichzeitige Zusammenlegung! Die betreffenden Behörden: Landesbauämter, Landeskulturräte, Neuvermessungsabteilungen sollten geradezu die Pflicht haben, derartige bei ihnen anhängig werdende Verfahren der zuständigen Agrarbehörde bekanntzugeben. Diese hätte zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine in Verbindung damit durchzuführende Zusammenlegung gegeben sind, im bejahenden Falle die Zuständigkeit für das Verfahren zu übernehmen und in Verbindung damit das Zusammenlegungsverfahren von Amts wegen einzuleiten! Nur ein solches Vorgehen gibt die Gewähr für ein rationelles Arbeiten. Ich bin überzeugt, dass der Zug der Zeit unaufhaltsam zur planmäßigen, amtswegigen Zusammenlegung hinführt. Der in Beratung stehende Gesetzesentwurf ist, wenn er auch nicht alle Erwartungen eines vorwärtsstrebenden Landwirtes erfüllt, doch eine wichtige Etappe zur Erreichung dieses Zieles und verdient daher Unterstützung durch alle landwirtschaftlich interessierten Parteien. Ich suchte Ihnen schon durch meine vorangegangenen Darlegungen den Nachweis zu erbringen, dass es eine gute Sache ist, für die sie stimmen. Lassen sie mich nun noch in kurzen Worten meine Ausführungen ziffernmäßig erhärten, damit über jeden Zweifel gestellt wird, dass die Weiterführung und Ausgestaltung der Bodenreform, insbesondere der Zusammenlegungen, allen Begriffen der Rentabilität entspricht, lass Sie mich hierbei auch Vergleiche mit den Flurbereinigungen anderer Länder ziehen. Nirgends ist bisher die Güterzusammenlegung mit einem so großen Aufwand an Mitteln, mit einer so durchgreifenden Gesetzgebung und so hervorragend vorgebildeten Organen, daher auch nirgends mit so großartigem Erfolge zur Durchführung gelangt wie in Deutschland. Die ersten Ansätze zur gesetzlichen Regelung der Flurverfassung reichen dort auf das Jahr 1817 zurück. Bis zum Jahre 1870, also in etwa 50 Jahren, waren in Preußen bereits 18 Millionen Hektar Kulturland aufgearbeitet – eine Leistung, die von keinem anderen Lande auch nur annähernd erreicht wurde. Die Gesetze begünstigen dort mehr die großen und großzügigen Zusammenlegungen und versagen den minderwertigen Gewannregulierungen, die etwa nach unseren Begriffen größeren Arrondierungstäuschen sind dort zwar erlaubt, werden jedoch nicht begünstigt, mit den Erfolge, daß sich die eigentlichen Zusammenlegungen außerordentlich vermehren. In den süddeutschen Ländern hatte man anfangs den Fehler gemacht, die Ausführung der Zusammenlegungen Privatgeometern zu überlassen. Dies hatte zur Folge, daß die Zusammenlegungen keine Fortschritte machen konnten. Dies ist auch ganz klar. Der beamtete Agrartechniker ist Repräsentant des Staates und des Staatswillens und hat die Kraft des Gesetzes hinter sich. Da er durch keinerlei persönliche Rücksichten und Interessen gebunden ist, kann er seine ganze Arbeitskraft auf das Zustandekommen eines großzügigen, durchgreifenden Reformwerks richten und kann auch den Kampf mit Widerständen aller Art in der Sicherheit seines behördlichen Rückhaltes aufnehmen. Anders aber der Zivilgeometer: Dieser betrachtet die Sache vom Unternehmensstandpunkt aus und wird natürlich vor allem trachten, die Aktion möglichst reibungslos durchzuführen und in der Linie des geringsten Widerstandes durchzukommen. Auch wird ein Unternehmer immer vom Willen der Auftraggeber, beziehungsweise von der Meinung eines Ausschusses dieser Arbeitsgeber abhängen, der natürlich selbst nicht frei ist von Befangenheit und parteiischen Einflüssen. Auf diese Art wird daher der Zweck der Grundzusammenlegung, unbeirrt von kleinlichen Widerständen, ein großzügiges, durchgreifendes Reformwerk zustande zu bringen, nicht erreicht, obwohl ein solches Privatunternehmen natürlich wesentlich mehr Geld kosten würde als eine behördliche Zusammenlegung. Ähnlich ist es heute noch in der Schweiz. Auch dort kann sich der Bund nicht zu durchgreifenden Gesetzen entschließen. Es wird den Provinzen alle Freiheit gelassen, welche wiederrum den privaten kulturtechnischen Bureaus die Durchführung der technischen Arbeiten überlassen. Die Arbeiten der Bureaus werden von eidgenössischen Beamten nur geleitet, beziehungsweise überwacht. Daher sind die mittleren Kosten der Zusammenlegungen außerordentlich hoch. Sie betragen – allerdings einschließlich der Meliorationen, der Durchschnittskosten schwer faßbar sind – vor dem Kriege 469 Franken – 647 Schilling und nach den Krieg sogar 1153 Franken – 1590 Schilling pro Hektar. Die Verteilung der Kosten möge aus einem Beispiel vor dem Kriege ersehen werden: Gesamtkosten 749 Franken; hiervon 108 Franken technische Arbeiten, 8 Franken Vermarkung, 202 Franken Wege, 311 Franken Wasserbauten und 120 Franken Sonstiges pro Hektar. In Österreich betragen die mittleren Kosten amtlicher Zusammenlegungen ohne Meliorationen bloß 80 Schilling pro Hektar. Die Schweiz hat im Jahre 1918, um das Tempo zu beschleunigen, die Beendigung der Arbeiten mit 60 Jahren befristet. Sie subventioniert die Gesamtkosten mit normal 40%. Ebenso hoch muß auch der Beitrag des Kantons oder der Gemeinde sein. Der hauptsächlich Grundsatz, dem das nördliche Deutschland seine großartigen Erfolge verdankt, beruht darauf, dass von Anfang an alle dilettantischen Versuche, Zusammenlegungen zu Stande zu bringen, möglichst vermieden wurden und für jede Zusammenlegung schon vom Beginne an alle technischen, land- und forstwirtschaftlichen und juristischen Kräfte in Bewegung gesetzt und planmäßig auf des Endziel hingeleitet werden. Dies stellte bereits der österreichische Sektionsrat Peyrer im Jahre 1871 anlässlich einer im Auftrage des Ackerbauministeriums unternommenen Studienreise durch Deutschland fest; seine Wahrnehmungen legte er in dem trefflichen Werke „Die Zusammenlegung der Grundstücke“ nieder, dessen Erkenntnisse auch heute noch richtunggebend sind. Wir sind also in Österreich mit unserer Organisation der Agrarbehörden sicherlich auf dem richtigen Wege. Wollen wir jedoch gleich erfolgreich sein wie Preußen, so müssen wir besondere Unterstützung den großen Zusammenlegungen zuwenden und unsere Fachkräfte nicht mit minderwertigen Verbesserungsversuchen verzetteln. Wir müssen auch in unserem Staat die Beendigung der Zusammenlegungsarbeiten befristen, und da erschien mir, wie gesagt, ein Fünfzigjahrplan sehr zweckmäßig. Hierzu brauchen wir allerdings, wie ich vorhin schon ausführte, fünfmal so viel Zusammenlegungstechniker; der Aufwand hierfür macht sich jedoch volkswirtschaftlich reichlich bezahlt durch bedeutende Vermehrung des Nationalvermögens, wie folgende Betrachtungen erweisen: Die zusammenlegungsbedürftige Fläche Österreichs kann man, wie ich früher dargetan habe, mit 2 Millionen Hektar annehmen. Die Gesamtkosten einer Zusammenlegung hinsichtlich Personalund Sachaufwand sind mit 80 Schilling pro Hektar anzunehmen. Der Kostenaufwand für die Gesamtfläche stellt sich demnach auf 160 Millionen Schilling. Soll die Zusammenlegung dieser 2 Millionen Hektar in den nächsten 50 Jahren durchgeführt sein, so entfällt auf ein Arbeitsjahr eine Zusammenlegungsfläche von 40.000 Hektar mit einem Aufwand von 3,2 Mio Schilling. Der bisherige Reinertrag der zusammenlegungsbedürftigen Gesamtfläche wird mit 22 Millionen Gulden oder 44 Millionen Kronen oder umgerechnet mit rund 63 Millionen Schilling angegeben. Die Ertragssteigerung infolge Zusammenlegung beträgt nach „Schiff, Österreichs Agrarpolitik“ etwa 23% des Reinertrages, also rund 14,5 Millionen Schilling für die gesamte zusammenlegungsbedürftige Fläche. Die Jahresarbeitskräfte von 40.000 Hektar liefert somit eine um 14,5 Millionen dividiert durch 50 = 290.000 S erhöhten jährlichen Reinertrag. Wenn nun der Bund in der Lage ist, alljährlich durch 50 Jahre einen Betrag von 3,2 Millionen Schilling für den Zweck der Zusammenlegung zur Verfügung zu stellen, der Aufwand also in 50 Jahren den Betrag von 160 Millionen Schilling erreicht, so steht diesem Aufwand im 52. Jahr, in welchem auch die im 50. Arbeitsjahre zusammengelegte Restfläche im Mehrertrage bereits zum Ausdruck kommt, ein bisheriger Gesamtmehrertrag von rund 370 Millionen Schilling gegenüber, zu diesem Ergebnisse gelangt man durch Anwendung der Summenformel für arithmetische Reihen. Hierzu kommt der nunmehr voll eingehende alljährliche Mehrertrag von 14,5 Millionen Schilling. Es werden in diesem Falle im etwa 25. Arbeitsjahre die bis zu diesem Zeitpunkte aufgelaufenen Kosten durch die bisherigen Gesamtmehrerträge ausgeglichen sein. Es beträgt im 25. Arbeitsjahr der bisherige Gesamtaufwand: 25 mal 3,2 Millionen = rund 80 Millionen Schilling, der bisherige Gesamtmehrertrag: mit Anwendung der schon genannten Summenformel rund 80 Millionen Schilling. Ist es nun dem Bund nicht möglich, ein unverzinsliches Kapital zur Verfügung zu stellen, so ist in bloßer Gegenüberstellung der jährlichen Aufwandskosten zu den zu erwartenden Mehrerträgen ersichtlich, dass die finanzielle Rentabilität dieser Agrarreform bis zu einer Verzinsung von 9 Prozent gegeben erscheint, wobei noch der wesentlich Umstand ganz außer Betracht geblieben ist, dass nämlich nach dem 50. Jahr, also nach Abschluss der Durchführungsarbeiten , keine weiteren Neukosten erwachsen, während demgegenüber von diesem Zeitpunkte an der nunmehr volle alljährliche Mehrertrag als immerwährende Rente zur Geltung kommt. In geradezu überwältigender Form kommt die wirtschaftliche Bedeutung der Grundzusammenlegung dann zum Ausdruck, wenn damit die notwendige Bodenverbesserung, insbesondere Entwässerung, Hand in Hand geht. Beide Maßnahmen sind miteinander so innig verbunden, dass, um einen vollen Erfolg zu erzielen, deren gleichzeitige Durchführung meistens als unerlässlich erscheint. Nach dem bereits angeführten Fachhandbuche der österreichischen Land- und Forstwirtschaft wird die entwässerungsbedürftige Fläche mit 500.000 Hektar angegeben. Soll diese Fläche ebenfalls im Zeitraume von 50 Jahren melioriert werden, so ergibt sich eine jährliche Arbeitsfläche von 10.000 Hektar. Die Kosten der Entwässerung einschließlich er ersten Kultivierung sind im Durchschnitte mit 1200 S pro Hektar errechnet worden, das heißt, der Kostenaufwand würde pro ein Jahr und 10.000 Hektar Fläche die Summe von 12 Millionen Schilling, für die Gesamtfläche von 500.000 Hektar die Summen von 600 Millionen erreichen. Der durch die Entwässerung dieser Gesamtfläche erzielbare jährliche Mehrertrag wurde mit 168 Millionen Schilling ermittelt, das heißt pro 1 Hektar meliorierter Fläche ein durchschnittlicher jährlicher Mehrertrag von 336 S. Den einmaligen Kosten von 1200 Schilling per ein Hektar entwässerungsbedürftiger Fläche steht der gewaltige Mehrertrag von jährlich 336 Schilling gegenüber. Es ist daraus leicht zu entnehmen, daß die Aufwandskosten bereits in einem kurzen Zeitraume durch den Mehrertrag getilgt sind. Es kann demnach wohl auch kein Zweifel drüber bestehen, dass die zur Durchführung der Zusammenlegung und Entwässerung unseres wichtigsten Produktionsfaktors, des Grundes und Bodens, angewandten Mittel nicht nur eine sichere Kapitalanlage darstellen, sondern in der damit erzielbaren Hebung der Ertragsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebsführung auch eine wesentliche Vermehrung unseres Volksvermögens im Gefolge haben. Die gesteigerte Hervorbringung von Bodenprodukten wird erheblich beitragen zur notwendigen Verminderung unseres Handelspassivums, das ja bekanntlich zu einem Großteil auf die Einfuhr von Nahrungsmitteln zurückzuführen ist. Diese durchaus stichhaltigen Angaben besagen, dass wir durch Ausbau der Flurbereinigungen und der damit verbundenen Agrarbehörden eine gemeinnützige Tat vollbringen, deren Erfolgsrechnung durchwegs positive Ergebnisse liefert. Dieses Werk müssen wir daher fortführen, sofern wird Anspruch machen, unter die modernen Agrikulturstaaten gerechnet zu werden. Förderung der Land- und Forstwirtschaft, Anpassung an die Erfordernisse modernen Betriebs bedeutet Kräftigung unserer Volkswirtschaft, Sicherstellung der Volksernährung. Außerdem nehmen wir für dieses Werk nicht fremde Hilfe in Anspruch, sondern wir helfen uns selber, mit eigenen Mitteln, eigenem Können. Dieses Hilfswerk wirkt sich in einer Belebung des Arbeitsmarktes aus. Die Arbeiten von einheimischen Kräften geleistet, die Fertigwaren, die zu den baulichen Anlagen der Bodenverbesserunen benötigt werden, von der heimischen Industrie bezogen. Jede fertige Grundzusammenlegung zieht eine bedeutende Nachfrage nach landwirtschaftlichen Maschinen aller Art nach sich, weil durch die Schaffung großer, abgerundeter Komplexe der maschinelle Betrieb der Feldbestellung ermöglicht und erfordert wird. Ich wage daher ruhig zu sagen: Nicht trotz unserer Notlage, sondern wegen unserer Notlage sollen wir der planmäßigen Ausgestaltung der Bodenreform unser Augenmerk zuwenden und hierbei auch scheinbare Opfer nicht scheuen. In Zeiten des Wohlstands konnten wir uns den Luxus einer altväterischen Wirtschaftsweise leisten; die heutige Wirtschaftsnot stellt härtere Anforderungen an uns. Wenn wir die Zeichen der Zeit nicht verstehen, mit der Entwicklung nicht Schritt halten, kann es eines schönen Tages geschehen, dass die Wellen kommunistischer Wirtschaftsgrundsätze, kollektivistischer Betriebsarten über unseren Köpfen zusammenschlagen. Denn so, wie es jetzt ist, kann es auf keinen Fall bleiben. Es wird ja heutzutage so viel geklagt über die Schwierigkeiten der Berufswahl. Die Eltern wissen nicht, wo und wie sie ihre Söhne unterbringen sollen. Der Bauernstand seufzt unter dem Zwang eines erstarrten Wirtschaftssystems und ruft um tätige Abhilfe. Zur gleichen Zeit sind Hunderte von Absolventen der Fachschulen und höheren technischen Lehranstalten gezwungen, arbeitslos herumzulungern, wodurch ihre Moral und ihr Arbeitsgeist zermürbt werden. Geben wir diesen jungen Leuten Arbeit und Brot, führen wir sie in produktive agrarische Berufe ein, wir leisten damit zwei Hilfen auf einmal: wir geben unserem Nährstande die Möglichkeit, sich empor zu arbeiten, und wir geben einer Menge arbeitswilliger junger Bundesbürger den Glauben an die Gesellschaftsordnung wieder. Als ein Wortführer der schwer um ihr Dasein ringenden Landwirtschaft rufe ich Ihnen zu: Befreien Sie den Bauernstand von den Fesseln des Flurzwanges und sonstigen Produktionshemmungen, helfen sie mit am Werke der zweiten Bauernbefreiung, und stimmen sie daher für das Gesetz der Bodenreform! Wenn Sie aber das Gesetz beschließen, dann mögen die gesetzgebenden Körperschaften des Bundes und besonders auch der Länder auch die notwendige Folgerung daraus ziehen und die erforderlichen Mittel zu einer planmäßigen Durchführung bereitstellen. Denn sonst sind alle diese Gesetze über Bodenreform, die wir verabschieden, nur eine leere Demonstration, hinter der kein Wille zur Tat steht und mit der wir dem hart geprüften, an der Grenze seiner Geduld angelangten Bauernstand nur um eine neue, schwerere Enttäuschung reicher machen. (Beifall rechts) Im Einvernehmen mit den Parteien stelle ich den Antrag (liest): „Dem Absatz 4 des §12 ist folgender zweiter Satz anzufügen: „Die Vermarkung mit anderem Material ist nur ausnahmsweise nach vorherigen behördlicher Genehmigung zulässig.“ Im Übrigen bitte ich, den Gesetzesentwurf in der vom Ausschuß beschlossenen Fassung anzunehmen.
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