Parlamentsrede Bodenreform 1930

96. Sitzung des Nationalrats der Republik Österreich - IV. Gesetzgebungsperiode – 2 August 1932
…..Der nächste Gegenstand der Tagesordnung ist der Bericht des Ausschusses für Land- und
Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage: Bundesgesetz betr. Grundsätze für die Flurverfassung.
Berichterstatter Burgstaller:
Durch das vorliegende Bundesgesetz, betr. Grundsätze für die Flurverfassung, erbringt die Regierung
neuerdings den Beweis, daß sie im Rahmen der verfügbaren Mittel das möglichste zur Hebung der
wirtschaftlichen Fähigkeiten des Bauernstandes, zur Mehrung der landwirtschaftlichen Erzeugung
unseres Bundes und zur Durchführung der zur Erreichung dieses Zieles erforderlichen Reformen der
Bodenwirtschaft leistet. Es ist ja eine in diesen Zeiten der Not schon oft ausgesprochene Wahrheit,
daß unserem Volke und seinen einzelnen Berufsständen niemals durch unverstandene, unerprobte
und leichtfertige Schlagworte, sondern nur durch die stille, unverdrossene Aufbauarbeit Hilfe
zukommen kann. Ein anerkennenswertes Beispiel solcher ehrlicher Bauernhilfe ist der vorliegende
Gesetzesentwurf, der die Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugung, ihre Anpassung an moderne
Wirtschaftsweisen aus eigener Kraft, aus Mitteln, die in uns selbst und in unserem Boden
schlummern, zum Ziele hat und daher in unserer Zeit der allgemeinen Wirtschaftsnot umso größere
Beachtung verdient.
Im Gesetzesentwurf finden wir eine organische Zusammenfassung aller jener Maßnahmen,
die wir mit dem Ausdruck „Bodenreform“ bezeichnen und deren Durchführung den Agrarbehörden
obliegt. Wenn wir näheren Einblick in den Wirkungskreis dieser Agrarbehörden nehmen, so
gewahren wir eine Fülle von technisch-wirtschaftlichen Aufgaben, mit denen sich diese Behörden zu
befassen haben. Ich nenne nur die Zusammenlegung der landwirtschaftlichen Grundstücke, durch die
eine Neugruppierung des bäuerlichen Grundbesitzes nach Gesichtspunkten wirtschaftlicher
Zweckmäßigkeit herbeigeführt wird, bei gleichzeitiger Neuvermessung des Operationsgebietes,
Neuordnung des Netzes der Verkehrs- und Wirtschaftswege und Entwässerung versumpfter
Grundstücke; ferner Gemeinschaftsteilungen, das ist die Zerlegung von Gemeinschaftsbesitz in die
vielen einzelnen Anteile, womit deren nachhaltigere Bewirtschaftung herbeigeführt wird, dann die
Regelung der Servitute, das ist die Sicherstellung der Holz- und Streubezugsrechte eingeforsteter
Bauern- und Häusleranwesen, Sicherung der Ausübung dieser Rechte durch Trennung von Wald und
Weide oder Umwandlung der Bezugsrechte in Grund und Boden; Schutz und Förderung der
Almwirtschaft; Bau von Güterwegen und Seilbahnen zur Erschließung von schwer zugänglichen
Gebieten zwecks besserer und leichterer Abfuhr der dort vorkommenden land- und
forstwirtschaftlichen Erzeugnisse.
Aus dieser Übersicht geht hervor, daß die Bodenreform eine Fülle von teilweise sogar mit
Zwangsmitteln arbeitenden staatlichen Eingriffen in die private Bodenwirtschaft bezweckt, die sich,
wenn sie planmäßig betrieben werden, in einer Belebung, Förderung und Modernisierung unserer
heimischen Land- und Forstwirtschaft auswirken. Produktionssteigerung, Sicherstellung der
Volksernährung aus heimischen Bodenfrüchten liegt nicht nur im Interesse der damit verbundenen
Berufsstände, sondern sie ist eine Angelegenheit des Gemeinwohles. Darum werden die
Erfordernisse der Durchführung der Bodenreform auch seit Jahrzehnten aus öffentlichen Mitteln
finanziert. Daß bei bodenreformerischen Maßnahmen, Kultivierungen, Besiedlungen und dgl.
Experimente zu vermeiden sind, die keinen ausreichenden Nutzeffekt des Aufwandes gewährleisten,
ist wohl selbstverständlich. Solche Versuche gediehen in den Jahren nach dem Umsturz, können aber
heute als abgetan betrachtet werden. Es wird beim staatlichen Hilfswerk der Bodenreform auch
weiterhin der Grundsatz eingehalten werden müssen, daß die Gewährung einer Beihilfe aus
öffentlichen Mitteln in allen Fällen von dem Ergebnisse einer vorangehenden
Rentabilitätsberechnung abhängig zu machen ist.
Gerade unter dem Gesichtspunkt der Rentabilität erscheint mir jene Gattung agrarischer
Operationen am bedeutsamsten, die den Großteil der Arbeit des Personals der Agrarbehörden für
sich in Anspruch nimmt: die Zusammenlegung landwirtschaftlicher Grundstücke und die damit
verbundenen Meliorationen. Dieses Verfahren nimmt wegen seiner weittragenden Bedeutung auch
um Flurverfassungsgesetze den breitesten Raum ein. Der Zweck der Grundzusammenlegungen, ihre
segensreichen volkswirtschaftlichen Auswirkungen sind in den Erläuterungen zum Gesetzesentwurfe
so klar und verständlich beschrieben, daß ich mich darauf beschränken kann, ihnen einige
grundsätzliche Bemerkungen zur Ausgestaltung des Zusammenlegungsdienstes unter dem
Gesichtspunkte der Erfolgswertung hinzuzufügen. Ich halte mich besonders deshalb für berufen, in
dieser Frage das Wort zu ergreifen, weil ich Landwirt bin und aus eigener Erfahrung, nämlich durch
die kürzlich in meiner Heimatgemeinde Weilbach erfolgreich durchgeführte Grundzusammenlegung,
Entwässerung und Bachregulierung, in das Wirken der Agrarbehörden gründlich Einblick nehmen
konnte.
Wenn man den Sinn der Zusammenlegungen erfassen will, muß man sich zunächst
vergegenwärtigen, aus welchen Zuständen sich die heutige Flurverfassung entwickelt hat und wieso
diese kulturgeschichtliche Entwicklung zwangsläufig zur Notwendigkeit des Bodenreformwerkes
hinführt. In der alten Dorfverfassung bestand der Wirtschaftskreis der Ackerbau treibenden
Germanen aus drei Elementen: dem im Eigenbesitz stehenden Hof, dem in Form von Lehen
aufgeteilten landwirtschaftlichen Grundbesitz und den Anteilrechten an der Gemeinen Mark,
worunter die Wald- und Weidenutzung verstanden wurde. Die Verleihung des Ackerlandes an die
Teilgenossen erfolgte in der Regel nicht in einem Stück, sondern es wurden, um dem
Gerechtigkeitssinn Genüge zu tun, an jeden Anteilberechtigten mehrere Grundstücke verliehen, die
hinsichtlich Geländegestaltung, Lage zur Himmelsrichtung, Kulturgattung, Feuchtigkeitsgehalt,
Höhenlage, Entfernung, Abdachung usw. verschiedenartige Merkmale auswiesen; mit anderen
Worten: es sollte jeder von jeder Bodeneigenart etwas bekommen, damit der nötige Ausgleich
hergestellt und niemand einseitig bevorzugt oder benachteiligt werde. Dadurch wurde schon der
Grund zur streifenartigen Grundverteilung, zur Gemengelage, gelegt, die sich bis auf unsere Tage
erhalten hat. Durch Erbschaftsteilungen entstanden neue Gliederungen der Feldeinteilung. Dieser
Übelstand war in alten Zeiten noch nicht so sehr fühlbar, weil die Ackerwirtschaft damals ja sehr
primitiv war und die Feldbestellungsarbeiten unter scharfem gemeinschaftlichem Zwang vor sich
gingen. Möglichst gleichzeitig mussten alle gleichartigen Arbeiten: Pflügen, Säen, Einzäunen gegen
Weidevieh, Ernten, von den Dorfgenossen verrichtet werden, und möglichst rasch hatten dann die
Zäune und die Hilfsfahrten wieder zu verschwinden. Denn öffentliche Wege gab es damals noch
nicht, und die Hutweide musste gemeinsam ausgeübt werden. Diese Flurverfassung bestand
jahrhundertelang, ohne daß ein besonderer Antrieb zur Verbesserung sich geltend gemacht hätte.
Erst die neuere Zeit gab den Anstoß zur Bodenreform. Die Einführung der Kartoffeln und des
englischen Futterbaues zog eine Umwälzung des Wirtschaftsbetriebes nach sich. Gleichzeitig mit dem
Wirtschaftswandel setzte das Werk der Bauernbefreiung ein, und dem eigenberechtigten
Bauernstande wurden nun durch die neuzeitliche Entwicklung die Unzulänglichkeit der alten
Felderwirtschaft immer fühlbarer, denn es bahnte sich der Übergang von der extensiven zur
intensiven Feldwirtschaft an und stellte gebieterisch seine Forderungen. Fabriksbetriebe, wie
Brennereien, Zuckerfabriken, entstanden und gaben Anreiz zur Vermehrung der Erzeugung. Die
Kunstdüngerwirtschaft eröffnete ungeahnte Ausblicke auf die Intensivierung der Landwirtschaft.
Aber die alte Gemengelage der Feldeinteilung ist noch da und erschwert die systematische
Einbürgerung neuzeitlicher Wirtschaftsmethoden. Verkäufe, Erbteilungen und Zerstückelungen
vermehren die Wirrniss des Parzellengemenges. Neue Verkehrswege, Straßen, Eisenbahnen
entstehen, die mit Enteignungszwang erbaut werden und eine Unmenge neuer Splittergrundstücke
schaffen. So werden die Wirtschaftserschwernisse ins Unerträgliche gesteigert. Die
Arrondierungstausche, wie sie vielfach von den Landwirten getätigt werden, bringen keine
nachhaltige Entlastung, weil sie keine großzügige Gesamtregelung der Flureinteilung ermöglichen.
Das wirtschaftliche Verlustkonto, das durch die alte, unpraktische Feldeinteilung verursacht
wird, ist so enorm, dass sich ein Laie dies gar nicht träumen lassen würde. Je mehr die Parzellen und
je länger die einzelnen Parzellen sind, desto länger auch die Grenzraine. Grenzraine bedeuten
kulturlosen Boden, der aber kulturfähig wäre. Die Fläche der außer Kultur stehenden Feldraine in
einer von etwa 1000 Hektar mit starker Gemengelage beträgt allein schon einige Hektar. Nehmen wir
nun zum Beispiel in Oberösterreich eine zusammenlegungsbedürftige Fläche von 479.000 Hektar an,
so macht die kulturlose Fläche in Folge der Grenzraine rund 1000 Hektar aus, also das Ausmaß einer
ganzen Gemeinde, das der intensiven Bewirtschaftung verlorengeht. Dazu kommt aber noch der
wesentliche Umstand, dass die Frucht in der Nähe der Raine, aus Gründen, die jedem Landwirt
bekannt sind, viel dünner steht als im Inneren der Parzellen. Überdies sind die Raine eine Brutstätte
pflanzlicher und tierischer Schädlinge. Bei Zusammenfassung aller dieser Einflüsse haben amtliche
Erhebungen ergeben, dass durch die Beseitigung der überflüssigen Raine in Oberösterreich ungefähr
3600 Hektar Neuland gewonnen werden könnte, also das Flächenausmaß einiger Gemeinden
mittlerer Größe, dessen Ertrag uns jährlich einige hundert Waggon Getreide liefern könnte.
Eine weitere Folge der Grundzersplitterung ist die Verschwendung menschlicher und
tierischer Arbeitskraft und die zwecklose Abnutzung des Materials, die durch die Hin- und Herfahrten
von einer zur nächsten Parzelle verursacht werden. Daß ein größerer Bauer 50 und mehr räumlich
getrennt liegende Wirtschaftseinheiten besitzt, ist gar nichts so Seltenes. Laut vorsichtiger sachlicher
Berechnungen könnte durch die zweckmäßige Besitzabrundung in Oberösterreich eine 15 prozentige
Ersparnis an Gespann- und Handarbeit erzielt werden, wodurch etwa 14.000 Zugochsen oder 10.000
Pferde entbehrlich würden. Würden dann statt der ersparten 14.000 Ochsen ebenso viele Milchkühe
eingestellt, so hätten wir bei Annahme von nur 15 Hektoliter Jahresleistung einer Kuh eine Erhöhung
der Milchproduktion um 210.000 Hektoliter zu erwarten. Das bedeutet für ungefähr 60.000
Oberösterreicher täglich einen Liter Milch.
Schließlich sei noch ein ganz wesentlicher Nachteil der veralteten Besitzgruppierung
erwähnt: der sogenannte Flurzwang. In früheren Zeiten gab es keine öffentlichen Wege. Die
Vergebung von Fahrtbefugnissen war Hoheitsrecht der Herrschaften, die sich hierbei nicht immer um
die Bedürfnisse des einzelnen Anwesens kümmerten. Auch wurden im Laufe der Zeit Besitzkomplexe
immer wieder geteilt, wodurch die schon bisher mangelhaften Zu- und Abfahrten immer noch
komplizierter wurden. So gibt es in jeder Gemeinde, die der Zusammenlegung noch nicht unterzogen
wurde, von alters her eine Unzahl von Parzellen, die überhaupt keine rechtmäßige Zu- und Abfahrt
aufweisen. Da der Besitzer aber doch einundaus kommen muß, muß er über fremden Grund fahren.
Zu diesem Zweck muß der vorgelagerte Nachbar entweder eine Fahrt liegen lassen, damit der andere
heraus kann (was wieder die volle Ausnützung des Bodens einschränkt); oder aber der Besitzer des
hinten gelegenen Grundstücks muß sich in der Fruchtfolge vollständig nach der vorgelagerten
Parzelle richten, weil beispielsweise im Juni keine Heufuhr über ein Kornfeld gebracht werden kann.
Dadurch ist der Besitzer – abgesehen von den Gerichtshändeln, die auch aus diesem Zustand immer
wieder zu entstehen pflegen – oft gehindert, sein hinten gelegenes Grundstück jener Kultur
zuzuführen, die seiner Bodenbeschaffenheit am zuträglichsten wäre; kurz er ist nicht
unumschränkter Herr seines Grundbesitzes. So ergeben sich auch dadurch wirtschaftliche
Einengungen und Produktionshemmungen aller Art, die ziffermäßig schwer zu erfassen sind,
jedenfalls aber beträchtliche Prozentsätze der Gesamtproduktion ausmachen.
Dieser Streubesitz mit all den geschilderten nachteiligen Folgen ist in Österreich noch viel
mehr verbreitet, als selbst mancher Fachmann anzunehmen geneigt ist. In Niederösterreich, wo die
Zusammenlegungen schon seit den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bestehen, ist ja
allerdings durch die agrarischen Operationen schon vielfach Ordnung geschaffen worden. Aber
gerade in meinem Heimatlande Oberösterreich, von dem vielfach fälschlich angenommen wird, daß
dort die Arrondierung des Hofbesitzes schon seit alters her bestehe, harren im Traunviertel und
Hausruckviertel, zum Teil auch im Mühlviertel, besonders aber im Innviertel noch viele tausende
Hektar unerschlossenen Landes der Flurbereinigung. Auf Grund amtlicher Ermittlungen kann die
bereinigungsbedürftige landwirtschaftliche Fläche in Oberösterreich mit 479.000 Hektar, in ganz
Österreich mit rund 2 Millionen Hektar angenommen werden.
Wie soll nun dem Elend der veralteten Flureinteilung abgeholfen werden? Der Bauer aus
eigener Kraft vermag es nicht. Denn es fehlen ihm die Mittel, die Übersicht, der autoritative
Nachdruck und das fachliche Können, um den Wirtschaftsplan einer ganzen Gemeinde neu zu
gestalten. Da muss denn der Staat eingreifen mit seinen Hilfsmitteln und seinen gesetzlichen
Machtvollkommenheiten, die ihn befähigen, über den Unverstand und den kleinlichen Eigennutz
einzelner hinweg dem großen Ziele zuzustreben. Und dies geschieht durch die Zusammenlegung der
landwirtschaftlichen Grundstücke und die damit verbundene baulichen Anlagen zwecks
Entwässerung versumpfter Grundstücke. Der hervorragende Vorteil der Zusammenlegung ist das
durch sie ermöglichte durchgreifende, umfassende Ordnungsmachen in den Flurverhältnissen. Der
alte Gerechtigkeitsgrundsatz, jedem Nutzungsberechtigten von jeder Bodenlage einen Anteil
zuzuweisen, wodurch die Gemengelagen entstanden ist, ist heute ein überwundener Standpunkt. Die
Erfahrungen der neuzeitlichen Agrartechnik haben erwiesen, dass ohne Gefahr für den
Wirtschaftsbetrieb des einzelnen bei geschickter Veranlagung des Zusammenlegungsplanes für einen
Besitzer, wenn auch nicht immer ein den ganzen Besitz vereinigender Komplex, so doch einige
wenige größere arrondierte Abfindungsgrundstücke geschaffen werden können, besonders dann,
wenn eine mit der Zusammenlegung verbundene Entwässerung wesentliche Abstufungen in der
Bodengüte beseitigt hat. Es wäre verfehlt, diese großzügige Neuordnung durch eine Summe kleiner
planloser Hilfen, wie solche zum Beispiel die Arrondierungstäusche darstellen, ersetzen zu wollen
und damit die Arbeitskraft der Agrarbehörden zu verzetteln. Die Arrondierungstausche sind keine
planmäßige Bodenreform und sollen daher in einem Gesetze, das die Bodenreform organisiert,
keinen Platz finden. Vielmehr sind die Landwirte, die aus dem Jammer der alten Flureinteilung
herauskommen wollen, unbedingt auf die Zusammenlegung zu verweisen, weil nur diese eine
rationelle Besserung der Zustände, eine alle Missstände erfassende Hilfe gewährleistet. Das
Zusammenlegungsverfahren musste durch ein Gesetz geregelt werden, weil es immer
Widerstrebende gibt, die am Althergebrachten hängen und sich jeder Neuerung verschließen. Die
Not der Zeit drängt, und der Staat kann nicht warten, bis jedem einzelnen Bauern ein Licht aufgeht.
Eine straffe Organisation der Agrarbehörden mit technischen und rechtlichen Abteilungen, so wie sie
jetzt bestehen, mit weitgehenden gesetzlichen Vollmachten ausgestattet, gibt die nötige
Voraussetzung für eine gedeihliche und zielbewusste Durchführung der Bodenreform.
Es soll bei diesem Anlasse hervorgehoben werden, dass die verschiedenen Gattungen der
agrarischen Operationen vorwiegend ein technisches Werk sind, dass die schöpferische und
aufbauende Arbeit in diesem Berufe von Technikern geleistet wird. Die bei den Agrarbehörden
bediensteten, rechtskundigen Beamten leiten den rechtlichen Gang des Verfahrens, entscheiden
über Streitigkeiten, die aus dem Verfahren entspringen und behandeln die Berufungsfälle. Diese
juristische Seite des Agrarberufes ist zwar auch sehr wichtig, sie begründet aber nicht den Anspruch
auf Vorherrschaft im Agrardienst, eine derartige Neuordnung würde wahrlich nicht dem Sinn und
Zweck der Verwaltungsreform entsprechen. Es ist begreiflich, dass die Agrartechniker in fachlichen
Dingen nicht einem Juristen unterstellt sein wollen, sondern einem leitenden technischen Fachmann.
Die gedeihlichste Lösung, welche die geringsten Reibungsflächen schafft, ist daher sicher die, dass die
technischen Abteilungen und die Rechtsabteilungen der Agrarbehörden, jede für sich selbständig,
eigenberechtigt und eigenverantwortlich nebeneinander bestehen und in Bedarfsfällen das
Einvernehmen miteinander zu pflegen haben, was durch Schaffung brauchbarer Dienstordnungen
leicht erreicht werden kann.
Zu einer Degradierung der Techniker im Agrardienst besteht nicht der geringste Anlass. Die
bisher in Oberösterreich vollendeten Zusammenlegungen erweisen sich als technisch richtig
durchgeführt. Ähnlich dürfte es, soweit ich unterrichtet bin, ja auch in anderen Ländern stehen.
Wären die Zusammenlegungen eine schlechte Sache oder wären sie von den Agrarbehörden
schlecht angepackt, so würden sie sich in den Kreisen der einsichtigen Landwirte nicht jenes guten
Rufes erfreuen, den sie tatsächlich besitzen. Vielfache Klagen hört man nur darüber, dass sich die
Verbücherung der Zusammenlegungspläne noch jahrelang hinauszieht, wenn die Arbeit des
Technikers längst abgeschlossen ist und der neue Besitzstand in Wirklichkeit schon längst besteht.
Diese Verzögerungen haben ihren Grund meist in den gesetzlichen Bestimmungen über das
Agrarverfahren, in denen ein langwieriger Gang der Berufungen festgelegt ist. Es wären daher im
Zusammenhange mit der Verwaltungsreform gesetzgebende Maßnahmen zu treffen, durch die das
Verfahren möglichst vereinfacht wird, damit alle Kräfte zur Erreichung des technischen und
wirtschaftlichen Zieles der agrarischen Operationen zusammengefasst werden können.
In der Sache selbst wird von den Agrarbehörden, wie ich mich selbst überzeugen konnte, gut
gearbeitet. Fragen sie in zusammengelegten Gemeinden einige Jahre nach Durchführung des
Verfahrens herum, und sie werden schwerlich einen Grundbesitzer finden, der sich die alte
Feldeinteilung zurückwünschte und der nicht des Lobes voll wäre über die segensreichen Wirkungen
des Zusammenlegung. Freilich muss zeitlicher Abstand eingehalten werden. Andere Urteile würde
man hören, wenn man mitten im Verfahren die Leute fragen würde, was sie von der
Zusammenlegung halten. Da gibt es Streit und Hader, der auch durch die wirtschaftlichen
Schwierigkeiten des Besitzwechsels und Übergangszustandes genährt wird, und der durchführende
Agrarbeamte steht da wahrhaftig auf schwerem Posten und hat gegen eine Summe von
Widerständen anzukämpfen. Auch ich musste in meiner Heimatgemeinde allerlei Anfeindungen auf
mich nehmen, weil ich unentwegt für die Zusammenlegung eingetreten bin. Die Zeit hat mir Recht
gegeben, heute herrscht allgemeine Befriedigung über das gemeinnützige Werk. Was
naturnotwendig ist, bricht sich Bahn. Die bei den oberösterreichischen Agrarbehörden einlaufenden
Zusammenlegungsanträge übersteigen heute bereits das Maß dessen, was diese Behörden bei ihrem
jetzigen Personalstand und bei den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln in den nächsten Jahren
aufarbeiten können.
Dieser Zustand, so erfreulich er an sich ist, gibt allerdings auch Anlaß zu ernsten Bedenken für
die Zukunft des Agrardienstes. Die Sache, für die wir eintreten, ist gut, und die Agrarbehörden leisten
zweifellos ihr Bestes; aber man muß ihnen auch die Möglichkeit geben, die Arbeiten, die an sie
herandrängen, in absehbarer Zeit zu bewältigen, sonst läuft das große Werk der Bodenreform
Gefahr, zu versanden. Not tut vor allem ein Überblick über den Arbeitsumfang: Was streben wir an?
Wie können wir es leisten? Ich sage folgendes: Wenn die Nationalversammlung die Neuregelung der
Flurverfassung beschließt, soll man auch Sorge tragen, daß das Verfahren planmäßig und
zweckentsprechend durchgeführt wird, es muß die Sicherheit geboten werden, dass rentabel
gearbeitet wird.
Hierher gehört vor allem ein gewisser Zwang zur Durchführung der Zusammenlegung, also
die Einführung der planmäßigen Arrondierung und Melioration des bereinigungsbedürftigen
Gebietes von Österreich von Amts wegen! In den bestehenden Gesetzen und auch im vorliegenden
Gesetzentwurfe zeigen sich wohl bereits Ansätze zu einer solchen planmäßigen, amtswegigen
Zusammenlegung; aber dieser Grundsatz bedürfte noch schärferer Herausarbeitung. In der Regel
wird es heute noch so gemacht, dass ein Zusammenlegungsverfahren nicht dann eingeleitet wird,
wenn zwingende wirtschaftliche und fachtechnische Erwägungen für die Einleitung sprechen,
sondern nur dann, wenn eine gewisse Mehrheit von Grundbesitzern des betreffenden
Operationsgebietes diese Einleitung beantragt. Bei dieser Rechtslage ist es klar, daß Unverstand und
Vorurteile dem Vordringen des Zusammenlegungsprinzips oft gerade dort, wo es am notwendigsten
wäre, noch vielfach Widerstände entgegensetzen. Ich will selbstverständlich durchaus nicht dafür
eintreten, dass den Landwirten die Möglichkeit, ihre Wünsche im Zusammenlegungsverfahren
geltend zu machen, genommen werden soll, dass über ihre Köpfe hinweg die neue Feldeinteilung
zugeschnitten wird. Aber die Zusammenlegung des zersplitterten Grundbesitzes ist, wie meine
vorangegangenen Ausführungen erwiesen haben, eine Staatsnotwendigkeit und das
Zustandekommen diese gemeinnützigen Werkes soll daher nicht von zufälligen
Mehrheitsbeschlüssen abhängig gemacht werden. In der Frage, ob eine Zusammenlegung gemacht
werden soll, sollen lediglich höhere wirtschaftliche und fachtechnische Erkenntnisse entscheiden
sein, in der Frage, wie eine Zusammenlegung gemacht werden soll, soll auch weiterhin das
Mitbestimmungsrecht der Bauernschaft sichergestellt bleiben.
Die Erkenntnis der Notwendigkeit der amtswegigen Zusammenlegung ist heute bereits
Gemeingut aller politischen Parteien geworden. Die Sozialdemokraten sprechen in ihrem
Sanierungsprogramm sogar von einem Fünfjahresplan der Zwangszusammenlegung. Dazu wäre zu
sagen, dass zu einer derartigen, volkswirtschaftlich so verantwortungsreichen Arbeit ja geschulte
Kräfte gehören, die natürlich nicht mit einem Schlage aus dem Boden gestampft und beliebig
vervielfältigt werden können. Immerhin schadet es aber nichts, wenn die Erkenntnis sich Bahn bricht,
komme sie von welcher Seite immer. Ich bin mit meinen Forderungen bescheidener und habe
verschiedene amtliche Daten eingeholt über das Problem, wie sich ein Fünfzigjahresplan der
Zusammenlegung in den Tatsachen auswirken würde – denn irgendein sichtbares Ziel muss man sich
doch stecken, wenn dem ganzen Werk nicht der Vorwurf der Planlosigkeit anhaften soll. Ich bin da zu
Ergebnissen gekommen, die der Wirklichkeit und der Durchführungsmöglichkeit schon bedeutend
näherkommen. In Österreich sind rund 2 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Boden
zusammenlegungsbedürftig. Der agrartechnische Personalstand aller Verwendungsgruppen in
Österreich beläuft sich auf 160 Mann. Von diesen arbeiten etwa die Hälfte, also 80, im
Zusammenlegungsdienst. Aus amtlichen Statistiken hat sich ergeben, dass ein Techniker jährlich etwa
100 Hektar im Zusammenlegungsdienst aufarbeiten kann. Die 80 Techniker können demnach in
einem Jahre 8000 Hektar Zusammenlegungen in Österreich aufarbeiten. Da aber 2 Millionen Hektar
zu bewältigen sind, würden diese 80 Techniker zu dieser Arbeit 250 Jahre brauchen. Soll die Arbeit in
50 Jahren vollendet sein, so wird man fünfmal so viel, also 400 Agrartechniker, ständig im
Zusammenlegungsdienst beschäftigen müssen. Was bisher an Zusammenlegungen in Österreich
durchgeführt wurde (etwa 130.000 ha), ist, obwohl es an sich eine recht anerkennenswerte
Musterleistung darstellt, verhältnismäßig so geringfügig, daß es bei diesen Berechnungen außer
Betracht bleiben kann.
Für mein Heimatland Oberösterreich ergeben sich folgende Daten:
Zusammenlegungsbedürftig sind 479.000 ha. Angestellt sind derzeit 34 Agrartechniker, wovon etwa
17 im Zusammenlegungsdienst verwendet werden. Diese 17 können jährlich etwa 1700 ha
bewältigen. Im Ganzen sind 479.000 ha zusammenlegungsbedürftig, diese Arbeit könnte daher von
17 Technikern in 282 Jahren bewältigt werden. Die Vollendungsfrist übersteigt hier, wie man sieht,
den Bundesdurchschnitt, während sie sich zum Beispiel in Niederösterreich, wo schon viel geschehen
ist, bedeutend unter der Durchschnittszahl halten würde. Jedenfalls geht aus diesen Ziffern hervor,
dass die Bodenreform bisher mit gänzlich unzulänglichen Mitteln betrieben wurde. In Oberösterreich
konnten seit dem Kriege wegen des unzureichenden Personalstandes erst 15.000 ha
Zusammenlegungen bis zur Besitzübergabe gebracht werden, während für weitere 15.000 ha zwar
schon ein rechtskräftiges Einleitungserkenntnis besteht, die technischen Arbeiten aber noch nicht in
Angriff genommen sind.
Dieses Missverhältnis zwischen Anmeldung und Bewältigungsmöglichkeit wird sich bei
Beibehaltung des jetzigen Arbeitstempos und Personalstandes immer noch steigern, so daß
schließlich, wenn nicht Abhilfe kommt, eine verhängnisvolle Stauung und Verrammlung der
Bodenreformaktion eintreten muß. Der Landesvoranschlag für Oberösterreich im Jahre 1932 weist
im Posten „Agrardienst“ wieder empfindliche Abstriche auf, so dass die Agrarbehörden heuer nur
drei Monate in den Gemeinden werden arbeiten können. Es ist in der Natur der Sache begründet,
dass ein Zusammenlegungsverfahren rasch vor sich gehen muss. Denn der Übergangszustand vom
alten zum neuen Besitzstande bringt empfindliche Wirtschaftserschwernisse mit sich, die möglichst
schleunig überwunden werden müssen. Schleppende, häufig unterbrochene
Zusammenlegungsarbeit, mit halbem Willen und unzulänglichen Mitteln durchgeführt, löst, wie
gewisse Bauernabordnungen in Oberösterreich im verflossenen Herbst bewiesen haben, nur die
Enttäuschung und den Unmut der betroffenen Bauernschaft aus und wirkt auch auf außenstehende
Interessenten eher abschreckend als werbend. Wenn heuer wieder mitten im Sommer die
agrartechnischen Arbeiten auf dem Lande abgebrochen werden müssen, werden wir dieselben
Unmutsausbrüche der betroffenen Landgemeinden erleben wie im Vorjahr, dies ist jetzt schon mit
Bestimmtheit vorauszusehen. Ohne ausreichenden Außendienst gibt es keine ausreichenden
Arbeitsgrundlagen für die Durchführung der verschiedenen Agrarverfahren. Auf diese Art ist daher
die Bodenreform zum Verkümmern verurteilt.
Auf dem Gebiete Werte schaffender Berufsarbeit, mit der sich die Agrarbehörden befassen,
tut nicht Abbau, sondern Aufbau not. Mit sogenannten „Ersparungsmaßnahmen“ erreicht man da
nur den gegenteiligen Zweck: Man entkleidet damit die Arbeit ihrer Zweckmäßigkeit und Rentabilität
und degradiert sie zu einem planlosen Herumtasten. Die allmähliche Vermehrung des
Zusammelegungspersonals auf das Fünffache, also auf 400 in ganz Österreich, wäre keine so
ungeheuerliche Forderung! Freilich müsste damit, wie gesagt, auch die planmäßige amtswegige
Zusammenlegung verbunden werden!
Größere Entwässerungen, besonders solche mit offenen Gerinnen, und Bachregulierungen
machen in der Regel die gleichzeitige Einleitung des Zusammenlegungsverfahrens unbedingt
erforderlich. Auch eine Neuvermessung von Gebieten mit Landwirtschaft soll immer mit
Zusammenlegung verbunden sein, weil sie dann rascher und billiger vor sich geht und auch in den
Wegerechten, Dienstbarkeiten usw. Ordnung gemacht werden kann, was bei einer reinen
Neuvermessung nicht der Fall ist. Es ist in der heutigen Zeit der Not eine äußerst unrationelle Zeitund Arbeitsverschwendung, eine riesigen behördlichen Apparat für Neuvermessungen aufzubieten
zu dem alleinigen Zwecke, in einem mehrjährigen Verfahren die komplizierten und höchst
unpraktischen, alten Besitzgrenzen einer Gemeinde zu erheben und mit Tausenden von Steinen
festzulegen, dadurch Zustände, deren Besserungsbedürftigkeit offenkundig ist, geradezu zu
verewigen. Es daher im neuen Gesetz, wenigstens der allgemeingültige Grundsatz verankert werden:
Keine größere Melioration, keine Neuvermessung ohne gleichzeitige Zusammenlegung! Die
betreffenden Behörden: Landesbauämter, Landeskulturräte, Neuvermessungsabteilungen sollten
geradezu die Pflicht haben, derartige bei ihnen anhängig werdende Verfahren der zuständigen
Agrarbehörde bekanntzugeben. Diese hätte zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine in
Verbindung damit durchzuführende Zusammenlegung gegeben sind, im bejahenden Falle die
Zuständigkeit für das Verfahren zu übernehmen und in Verbindung damit das
Zusammenlegungsverfahren von Amts wegen einzuleiten! Nur ein solches Vorgehen gibt die Gewähr
für ein rationelles Arbeiten.
Ich bin überzeugt, dass der Zug der Zeit unaufhaltsam zur planmäßigen, amtswegigen
Zusammenlegung hinführt. Der in Beratung stehende Gesetzesentwurf ist, wenn er auch nicht alle
Erwartungen eines vorwärtsstrebenden Landwirtes erfüllt, doch eine wichtige Etappe zur Erreichung
dieses Zieles und verdient daher Unterstützung durch alle landwirtschaftlich interessierten Parteien.
Ich suchte Ihnen schon durch meine vorangegangenen Darlegungen den Nachweis zu erbringen, dass
es eine gute Sache ist, für die sie stimmen. Lassen sie mich nun noch in kurzen Worten meine
Ausführungen ziffernmäßig erhärten, damit über jeden Zweifel gestellt wird, dass die Weiterführung
und Ausgestaltung der Bodenreform, insbesondere der Zusammenlegungen, allen Begriffen der
Rentabilität entspricht, lass Sie mich hierbei auch Vergleiche mit den Flurbereinigungen anderer
Länder ziehen. Nirgends ist bisher die Güterzusammenlegung mit einem so großen Aufwand an
Mitteln, mit einer so durchgreifenden Gesetzgebung und so hervorragend vorgebildeten Organen,
daher auch nirgends mit so großartigem Erfolge zur Durchführung gelangt wie in Deutschland. Die
ersten Ansätze zur gesetzlichen Regelung der Flurverfassung reichen dort auf das Jahr 1817 zurück.
Bis zum Jahre 1870, also in etwa 50 Jahren, waren in Preußen bereits 18 Millionen Hektar Kulturland
aufgearbeitet – eine Leistung, die von keinem anderen Lande auch nur annähernd erreicht wurde.
Die Gesetze begünstigen dort mehr die großen und großzügigen Zusammenlegungen und
versagen den minderwertigen Gewannregulierungen, die etwa nach unseren Begriffen größeren
Arrondierungstäuschen sind dort zwar erlaubt, werden jedoch nicht begünstigt, mit den Erfolge, daß
sich die eigentlichen Zusammenlegungen außerordentlich vermehren.
In den süddeutschen Ländern hatte man anfangs den Fehler gemacht, die Ausführung der
Zusammenlegungen Privatgeometern zu überlassen. Dies hatte zur Folge, daß die
Zusammenlegungen keine Fortschritte machen konnten. Dies ist auch ganz klar. Der beamtete
Agrartechniker ist Repräsentant des Staates und des Staatswillens und hat die Kraft des Gesetzes
hinter sich. Da er durch keinerlei persönliche Rücksichten und Interessen gebunden ist, kann er seine
ganze Arbeitskraft auf das Zustandekommen eines großzügigen, durchgreifenden Reformwerks
richten und kann auch den Kampf mit Widerständen aller Art in der Sicherheit seines behördlichen
Rückhaltes aufnehmen. Anders aber der Zivilgeometer: Dieser betrachtet die Sache vom
Unternehmensstandpunkt aus und wird natürlich vor allem trachten, die Aktion möglichst
reibungslos durchzuführen und in der Linie des geringsten Widerstandes durchzukommen. Auch wird
ein Unternehmer immer vom Willen der Auftraggeber, beziehungsweise von der Meinung eines
Ausschusses dieser Arbeitsgeber abhängen, der natürlich selbst nicht frei ist von Befangenheit und
parteiischen Einflüssen. Auf diese Art wird daher der Zweck der Grundzusammenlegung, unbeirrt von
kleinlichen Widerständen, ein großzügiges, durchgreifendes Reformwerk zustande zu bringen, nicht
erreicht, obwohl ein solches Privatunternehmen natürlich wesentlich mehr Geld kosten würde als
eine behördliche Zusammenlegung.
Ähnlich ist es heute noch in der Schweiz. Auch dort kann sich der Bund nicht zu
durchgreifenden Gesetzen entschließen. Es wird den Provinzen alle Freiheit gelassen, welche
wiederrum den privaten kulturtechnischen Bureaus die Durchführung der technischen Arbeiten
überlassen. Die Arbeiten der Bureaus werden von eidgenössischen Beamten nur geleitet,
beziehungsweise überwacht. Daher sind die mittleren Kosten der Zusammenlegungen
außerordentlich hoch. Sie betragen – allerdings einschließlich der Meliorationen, der
Durchschnittskosten schwer faßbar sind – vor dem Kriege 469 Franken – 647 Schilling und nach den
Krieg sogar 1153 Franken – 1590 Schilling pro Hektar. Die Verteilung der Kosten möge aus einem
Beispiel vor dem Kriege ersehen werden: Gesamtkosten 749 Franken; hiervon 108 Franken
technische Arbeiten, 8 Franken Vermarkung, 202 Franken Wege, 311 Franken Wasserbauten und 120
Franken Sonstiges pro Hektar. In Österreich betragen die mittleren Kosten amtlicher
Zusammenlegungen ohne Meliorationen bloß 80 Schilling pro Hektar.
Die Schweiz hat im Jahre 1918, um das Tempo zu beschleunigen, die Beendigung der
Arbeiten mit 60 Jahren befristet. Sie subventioniert die Gesamtkosten mit normal 40%. Ebenso hoch
muß auch der Beitrag des Kantons oder der Gemeinde sein.
Der hauptsächlich Grundsatz, dem das nördliche Deutschland seine großartigen Erfolge
verdankt, beruht darauf, dass von Anfang an alle dilettantischen Versuche, Zusammenlegungen zu
Stande zu bringen, möglichst vermieden wurden und für jede Zusammenlegung schon vom Beginne
an alle technischen, land- und forstwirtschaftlichen und juristischen Kräfte in Bewegung gesetzt und
planmäßig auf des Endziel hingeleitet werden. Dies stellte bereits der österreichische Sektionsrat
Peyrer im Jahre 1871 anlässlich einer im Auftrage des Ackerbauministeriums unternommenen
Studienreise durch Deutschland fest; seine Wahrnehmungen legte er in dem trefflichen Werke „Die
Zusammenlegung der Grundstücke“ nieder, dessen Erkenntnisse auch heute noch richtunggebend
sind.
Wir sind also in Österreich mit unserer Organisation der Agrarbehörden sicherlich auf dem
richtigen Wege. Wollen wir jedoch gleich erfolgreich sein wie Preußen, so müssen wir besondere
Unterstützung den großen Zusammenlegungen zuwenden und unsere Fachkräfte nicht mit
minderwertigen Verbesserungsversuchen verzetteln. Wir müssen auch in unserem Staat die
Beendigung der Zusammenlegungsarbeiten befristen, und da erschien mir, wie gesagt, ein
Fünfzigjahrplan sehr zweckmäßig. Hierzu brauchen wir allerdings, wie ich vorhin schon ausführte,
fünfmal so viel Zusammenlegungstechniker; der Aufwand hierfür macht sich jedoch
volkswirtschaftlich reichlich bezahlt durch bedeutende Vermehrung des Nationalvermögens, wie
folgende Betrachtungen erweisen:
Die zusammenlegungsbedürftige Fläche Österreichs kann man, wie ich früher dargetan habe,
mit 2 Millionen Hektar annehmen. Die Gesamtkosten einer Zusammenlegung hinsichtlich Personalund Sachaufwand sind mit 80 Schilling pro Hektar anzunehmen. Der Kostenaufwand für die
Gesamtfläche stellt sich demnach auf 160 Millionen Schilling. Soll die Zusammenlegung dieser 2
Millionen Hektar in den nächsten 50 Jahren durchgeführt sein, so entfällt auf ein Arbeitsjahr eine
Zusammenlegungsfläche von 40.000 Hektar mit einem Aufwand von 3,2 Mio Schilling.
Der bisherige Reinertrag der zusammenlegungsbedürftigen Gesamtfläche wird mit 22
Millionen Gulden oder 44 Millionen Kronen oder umgerechnet mit rund 63 Millionen Schilling
angegeben.
Die Ertragssteigerung infolge Zusammenlegung beträgt nach „Schiff, Österreichs Agrarpolitik“
etwa 23% des Reinertrages, also rund 14,5 Millionen Schilling für die gesamte
zusammenlegungsbedürftige Fläche. Die Jahresarbeitskräfte von 40.000 Hektar liefert somit eine um
14,5 Millionen dividiert durch 50 = 290.000 S erhöhten jährlichen Reinertrag.
Wenn nun der Bund in der Lage ist, alljährlich durch 50 Jahre einen Betrag von 3,2 Millionen
Schilling für den Zweck der Zusammenlegung zur Verfügung zu stellen, der Aufwand also in 50 Jahren
den Betrag von 160 Millionen Schilling erreicht, so steht diesem Aufwand im 52. Jahr, in welchem
auch die im 50. Arbeitsjahre zusammengelegte Restfläche im Mehrertrage bereits zum Ausdruck
kommt, ein bisheriger Gesamtmehrertrag von rund 370 Millionen Schilling gegenüber, zu diesem
Ergebnisse gelangt man durch Anwendung der Summenformel für arithmetische Reihen.
Hierzu kommt der nunmehr voll eingehende alljährliche Mehrertrag von 14,5 Millionen
Schilling.
Es werden in diesem Falle im etwa 25. Arbeitsjahre die bis zu diesem Zeitpunkte
aufgelaufenen Kosten durch die bisherigen Gesamtmehrerträge ausgeglichen sein.
Es beträgt im 25. Arbeitsjahr der bisherige Gesamtaufwand: 25 mal 3,2 Millionen = rund 80
Millionen Schilling, der bisherige Gesamtmehrertrag: mit Anwendung der schon genannten
Summenformel rund 80 Millionen Schilling.
Ist es nun dem Bund nicht möglich, ein unverzinsliches Kapital zur Verfügung zu stellen, so ist
in bloßer Gegenüberstellung der jährlichen Aufwandskosten zu den zu erwartenden Mehrerträgen
ersichtlich, dass die finanzielle Rentabilität dieser Agrarreform bis zu einer Verzinsung von 9 Prozent
gegeben erscheint, wobei noch der wesentlich Umstand ganz außer Betracht geblieben ist, dass
nämlich nach dem 50. Jahr, also nach Abschluss der Durchführungsarbeiten , keine weiteren
Neukosten erwachsen, während demgegenüber von diesem Zeitpunkte an der nunmehr volle
alljährliche Mehrertrag als immerwährende Rente zur Geltung kommt.
In geradezu überwältigender Form kommt die wirtschaftliche Bedeutung der
Grundzusammenlegung dann zum Ausdruck, wenn damit die notwendige Bodenverbesserung,
insbesondere Entwässerung, Hand in Hand geht. Beide Maßnahmen sind miteinander so innig
verbunden, dass, um einen vollen Erfolg zu erzielen, deren gleichzeitige Durchführung meistens als
unerlässlich erscheint. Nach dem bereits angeführten Fachhandbuche der österreichischen Land- und
Forstwirtschaft wird die entwässerungsbedürftige Fläche mit 500.000 Hektar angegeben. Soll diese
Fläche ebenfalls im Zeitraume von 50 Jahren melioriert werden, so ergibt sich eine jährliche
Arbeitsfläche von 10.000 Hektar. Die Kosten der Entwässerung einschließlich er ersten Kultivierung
sind im Durchschnitte mit 1200 S pro Hektar errechnet worden, das heißt, der Kostenaufwand würde
pro ein Jahr und 10.000 Hektar Fläche die Summe von 12 Millionen Schilling, für die Gesamtfläche
von 500.000 Hektar die Summen von 600 Millionen erreichen. Der durch die Entwässerung dieser
Gesamtfläche erzielbare jährliche Mehrertrag wurde mit 168 Millionen Schilling ermittelt, das heißt
pro 1 Hektar meliorierter Fläche ein durchschnittlicher jährlicher Mehrertrag von 336 S.
Den einmaligen Kosten von 1200 Schilling per ein Hektar entwässerungsbedürftiger Fläche
steht der gewaltige Mehrertrag von jährlich 336 Schilling gegenüber. Es ist daraus leicht zu
entnehmen, daß die Aufwandskosten bereits in einem kurzen Zeitraume durch den Mehrertrag
getilgt sind. Es kann demnach wohl auch kein Zweifel drüber bestehen, dass die zur Durchführung
der Zusammenlegung und Entwässerung unseres wichtigsten Produktionsfaktors, des Grundes und
Bodens, angewandten Mittel nicht nur eine sichere Kapitalanlage darstellen, sondern in der damit
erzielbaren Hebung der Ertragsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebsführung auch eine
wesentliche Vermehrung unseres Volksvermögens im Gefolge haben. Die gesteigerte Hervorbringung
von Bodenprodukten wird erheblich beitragen zur notwendigen Verminderung unseres
Handelspassivums, das ja bekanntlich zu einem Großteil auf die Einfuhr von Nahrungsmitteln
zurückzuführen ist.
Diese durchaus stichhaltigen Angaben besagen, dass wir durch Ausbau der Flurbereinigungen
und der damit verbundenen Agrarbehörden eine gemeinnützige Tat vollbringen, deren
Erfolgsrechnung durchwegs positive Ergebnisse liefert. Dieses Werk müssen wir daher fortführen,
sofern wird Anspruch machen, unter die modernen Agrikulturstaaten gerechnet zu werden.
Förderung der Land- und Forstwirtschaft, Anpassung an die Erfordernisse modernen Betriebs
bedeutet Kräftigung unserer Volkswirtschaft, Sicherstellung der Volksernährung. Außerdem nehmen
wir für dieses Werk nicht fremde Hilfe in Anspruch, sondern wir helfen uns selber, mit eigenen
Mitteln, eigenem Können. Dieses Hilfswerk wirkt sich in einer Belebung des Arbeitsmarktes aus. Die
Arbeiten von einheimischen Kräften geleistet, die Fertigwaren, die zu den baulichen Anlagen der
Bodenverbesserunen benötigt werden, von der heimischen Industrie bezogen. Jede fertige
Grundzusammenlegung zieht eine bedeutende Nachfrage nach landwirtschaftlichen Maschinen aller
Art nach sich, weil durch die Schaffung großer, abgerundeter Komplexe der maschinelle Betrieb der
Feldbestellung ermöglicht und erfordert wird.
Ich wage daher ruhig zu sagen: Nicht trotz unserer Notlage, sondern wegen unserer Notlage
sollen wir der planmäßigen Ausgestaltung der Bodenreform unser Augenmerk zuwenden und hierbei
auch scheinbare Opfer nicht scheuen. In Zeiten des Wohlstands konnten wir uns den Luxus einer
altväterischen Wirtschaftsweise leisten; die heutige Wirtschaftsnot stellt härtere Anforderungen an
uns. Wenn wir die Zeichen der Zeit nicht verstehen, mit der Entwicklung nicht Schritt halten, kann es
eines schönen Tages geschehen, dass die Wellen kommunistischer Wirtschaftsgrundsätze,
kollektivistischer Betriebsarten über unseren Köpfen zusammenschlagen. Denn so, wie es jetzt ist,
kann es auf keinen Fall bleiben.
Es wird ja heutzutage so viel geklagt über die Schwierigkeiten der Berufswahl. Die Eltern
wissen nicht, wo und wie sie ihre Söhne unterbringen sollen. Der Bauernstand seufzt unter dem
Zwang eines erstarrten Wirtschaftssystems und ruft um tätige Abhilfe. Zur gleichen Zeit sind
Hunderte von Absolventen der Fachschulen und höheren technischen Lehranstalten gezwungen,
arbeitslos herumzulungern, wodurch ihre Moral und ihr Arbeitsgeist zermürbt werden. Geben wir
diesen jungen Leuten Arbeit und Brot, führen wir sie in produktive agrarische Berufe ein, wir leisten
damit zwei Hilfen auf einmal: wir geben unserem Nährstande die Möglichkeit, sich empor zu
arbeiten, und wir geben einer Menge arbeitswilliger junger Bundesbürger den Glauben an die
Gesellschaftsordnung wieder.
Als ein Wortführer der schwer um ihr Dasein ringenden Landwirtschaft rufe ich Ihnen zu:
Befreien Sie den Bauernstand von den Fesseln des Flurzwanges und sonstigen
Produktionshemmungen, helfen sie mit am Werke der zweiten Bauernbefreiung, und stimmen sie
daher für das Gesetz der Bodenreform!
Wenn Sie aber das Gesetz beschließen, dann mögen die gesetzgebenden Körperschaften des
Bundes und besonders auch der Länder auch die notwendige Folgerung daraus ziehen und die
erforderlichen Mittel zu einer planmäßigen Durchführung bereitstellen. Denn sonst sind alle diese
Gesetze über Bodenreform, die wir verabschieden, nur eine leere Demonstration, hinter der kein
Wille zur Tat steht und mit der wir dem hart geprüften, an der Grenze seiner Geduld angelangten
Bauernstand nur um eine neue, schwerere Enttäuschung reicher machen. (Beifall rechts)
Im Einvernehmen mit den Parteien stelle ich den Antrag (liest):
„Dem Absatz 4 des §12 ist folgender zweiter Satz anzufügen:
„Die Vermarkung mit anderem Material ist nur ausnahmsweise nach vorherigen behördlicher
Genehmigung zulässig.“
Im Übrigen bitte ich, den Gesetzesentwurf in der vom Ausschuß beschlossenen Fassung
anzunehmen.