Staatsorganisationsrecht Propädeutische Übung Wintersemester 2009/2010 Fälle zur Bestimmung der richtigen Klageart Fall 1: Der Bundestag erlässt ein neues Gesetz. Der Bundesrat ist der Meinung, er hätte beteiligt werden müssen. Fall 2: Der Bund hat ein Gesetz zu den Voraussetzungen einer Hochschulzulassung erlassen. Etwas später erlässt das Bundesland B dazu ebenfalls ein Gesetz, das aber in vielen Punkten von dem des Bundes abweicht. Der Bund meint, dass dies nicht möglich sei. Fall 3: Der Journalist J schreibt oft sehr kritische Beiträge über die Politik Bayerns. Der bayerische Ministerpräsident erreicht in einem Gerichtsverfahren, dass J in Zukunft solche Äußerungen zu unterlassen habe. J wendet sich ans BVerfG, weil er sich in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit beeinträchtigt sieht. Fall 4 ist weggefallen Fall 5: Der Abgeordnete A ist im Bundestag berüchtigt für seine scharfe Zunge. Während einer etwas heftigeren Diskussion um eine Steuersenkung, erteilt der Bundestagspräsident dem A Redeverbot für die laufende Diskussion. A ist empört und verweist auf seine Rechte als Abgeordneter. Fall 6: Das Gericht G verhandelt gerade einen familienrechtlichen Streit. Dabei kommen ihm ernstliche Bedenken, ob eine Norm aus dem BGB mit dem GG vereinbar ist. Was kann G tun? Fall 7: Die Bundesregierung ist der Ansicht, dass ein neu erlassenes Gesetz nicht verfassungsgemäß ist. Fall 8: Der Bundespräsident weigert sich, ein Gesetz auszufertigen und zu verkünden, weil er meint, es sei verfassungswidrig. Der Bundestag erhebt Klage zum BVerfG. Fall 9: Die Bundesregierung will Truppen der Bundeswehr, die zur Unterstützung nach Afghanistan geschickt wurden, nicht wieder zurückbeordern, obwohl dies vom Bundestag angeordnet wurde. Die Fraktion F ist der Meinung, dass die Weigerung den Bundestag in seinen ihm durch das GG gewährleisteten Rechten verletzt. Dieser habe eine umfassende konstitutive Entscheidungsbefugnis über den Einsatz der Streitkräfte. Fall 10: Durch ein neues Gesetz wird ein neuer Lehrplan für das Fach katholische Religion eingeführt. Dieser entspricht in vielen Teilen jedoch nicht dem religiösen Verständnis. Die katholische Kirche fühlt sich in ihrem Grundrecht auf Glaubensfreiheit verletzt und möchte dagegen vorgehen. -1- Staatsorganisationsrecht Propädeutische Übung Wintersemester 2009/2010 Fall 11: Der Landesumweltminister L des Bundeslandes B widerruft die Genehmigung für den Betrieb eines Atomkraftwerkes. Der Bundesminister für Umweltschutz und Reaktorsicherheit weist L im Namen der Bundesregierung an, den Widerruf aufzuheben. L ist der Meinung, dass diese Weisung unrechtmäßig sei. Fall 12: Die Bundesregierung erlässt eine Rechtsverordnung über die Genehmigungspflicht von Getränkeschankanlagen. Die Regierung des Bundeslandes B hält dies aus mehreren Gründen für unzulässig. Fall 13: Das Gericht G überprüft im Rahmen eines Verfahrens eine Rechtsverordnung. Dabei kommen ihm ernsthafte Zweifel über deren Rechtmäßigkeit. Kann sich G an das BVerfG wenden? Fall 14: Der Bundestag beschließt eine neue Regelung in seiner Geschäftsordnung, nach der Fraktionen mindestens 6 % der Mitglieder des Bundestages umfassen muss und dass die Fraktionsmitglieder alle derselben Partei angehören müssen. Die Partei P erreicht diese 6%-Klausel nicht. Somit wird ihr die Fraktionsbildung verwehrt. Sie fühlt sich (auch im Namen ihrer Mitglieder) in ihren Abgeordnetenrechten verletzt. -2- Staatsorganisationsrecht Propädeutische Übung Wintersemester 2009/2010 Lösungen Fall 1: Organstreit, Art. 93 I Nr.1 GG, §§ 13 Nr.5, 63 ff BVerfGG Fall 2: Bund-Länder-Streit, Art. 93 I Nr.3 GG, §§ 13 Nr.7, 68 ff BVerfGG Fall 3: Verfassungsbeschwerde, Art. 93 I Nr.4a GG, §§ 13 Nr.8a, 90 ff BVerfGG Fall 4: Bund-Länder-Streit, ABER nach Art. 93 I Nr. 4 2. Alt. GG (zwei Länder streiten!) Fall 5 : Organstreit, Art. 93 I Nr.1 GG, §§ 13 Nr.5, 63 ff BVerfGG i. V. m. § 13 I GOBT Fall 6: Konkrete Normenkontrolle, Art. 100 GG, § 13 Nr.11, 80 ff BVerfGG Fall 7: Abstrakte Normenkontrolle, Art. 93 I Nr. 2 GG, §§ 13 Nr. 6, 76 ff BVerfGG Fall 8: Präsidentenanklage, Art. 61 GG (-), da keine vorsätzliche Verletzung des Grundgesetzes (Art. 82 Absatz 1 Satz 1 GG) ; Organstreit Art. 93 I Nr.1 GG, §§ 13 Nr.5, 63 ff BVerfGG (+) Fall 9: Organstreit Art. 93 I Nr.1 GG, §§ 13 Nr.5, 63 ff BVerfGG Fall 10: Verfassungsbeschwerde Art. 93 I Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG; PROBLEM juristische Person: „Jedermann“ Fall 11: Bund-Länder-Streit Art. 93 I Nr. 3 GG, §§ 13 Nr. 7, 68 ff. BVerGG Fall 12: Abstrakte Normenkontrolle Art. 93 I Nr. 2 GG, §§ 13 Nr. 6, 76 ff. BVerfGG; BundLänder-Streit Art. 93 I Nr. 3 GG, §§ 13 Nr. 7, 68 ff. BVerGG Fall 13: Abstrakte Normenkontrolle Art. 93 I Nr. 2 GG, §§ 13 Nr. 6, 76 ff. BVerfGG (-), da Gericht nicht als Antragsberechtigter genannt; Konkrete Normenkontrolle Art. 100 GG, §§ 13 Nr. 11, 80 ff. BVerfGG (-), da Verordnung kein Gesetz in diesem Sinne; gemeint sind nur formelle, nachkonstitutionelle Gesetze (dies folgt aus dem Zweck der konkreten Normenkontrolle: Die Fachgerichte haben keine Verwerfungskompetenz hinsichtlich Gesetze, die vom Parlament erlassen worden sind; hinsichtlich Verordnungen jedoch schon!) Fall 14: Organstreitverfahren Art. 93 I Nr. 1 GG, §§ 13 Nr. 5, 63 ff. BVerfGG -3-
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