Aktionärsaktivismus als Schreckgespenst

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Hedgefonds-Aktivisten greifen an
KEYFACTS
- Die Strategie betreibt vor allem eine kleine, einflussreiche Gruppe von Hedgefonds
- Die Kampagnen verlagern sich immer mehr nach Asien und Europa
- Angriffe treffen häufig Unternehmen mit ineffizienter Corporate Governance
21. Juli 2016
Ein neuer Schrecken droht vor den Toren deutscher Großkonzerne: Der Aktionärsaktivismus
rüttelt mit Vehemenz an den Grundpfeilern des etablierten Systems von Konsensfindung,
Mitbestimmung und paternalistischer Unternehmensführung. Dabei ist der vor wenigen Wochen
gestartete Angriff des britischen Hedgefonds TCI auf den Volkswagen-Konzern lediglich ein
Indiz dafür, wie Aktionärsaktivismus eine Kampagne offener Opposition seitens professioneller
Fondsmanager auslösen kann. Zugleich hat er das Potenzial, die Strategie des Unternehmens
bis hin zu dessen Governance-Strukturen infrage zu stellen. Dabei reicht die jüngste Erfahrung
deutscher Unternehmen mit diesen modernen „Schakalen des Kapitalismus“ vom diskreten
Ansatz einer Cevian bis hin zum aggressiven Shorting einer Muddy Waters.
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Aktionärsaktivismus bislang überwiegend in den USA
Heute hat sich Aktionärsaktivismus zur weitverbreiteten Investmentstrategie einer kleinen, aber
sehr einflussreichen Gruppe an Hedgefonds (knapp über 70 der etwa 8.000 Hedgefonds
weltweit bzw. 1 Prozent) entwickelt. Auch hier werden die strategischen Fundamente eines
Unternehmens ins Wanken gebracht – allerdings mit schneidigen Argumenten und einer klug
geführten Kampagne. Allein seit 2010 hat sich das verwaltete Vermögen aktivistischer
Hedgefonds von knapp 50 Mrd. auf 165 Mrd. US-Dollar im Jahr 2015 mehr als verdreifacht,
vielfach auch deshalb, weil diese opportunistischen Investmentstrategien gegenüber
herkömmlichen Ansätzen höhere Renditen erzielten. Dabei schreckt die neue Generation an
Aktivisten weder vor der Größe eines Konzerns noch vor der „systemischen Relevanz“ einer
Bank zurück. Apple musste einen Großteil seiner „stillen Cash-Reserven“ in Dividenden
auszahlen und andere Großkonzerne wie PepsiCo haben mittlerweile Aktivisten als Vertreter in
ihren Aufsichtsräten.
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Angriffe von aktivistischen Hedgefonds gab es in
Deutschland zwischen 2011 und 2015.
Europa und Asien rücken zunehmend ins Blickfeld aktivistischer Kampagnen
Da der US-amerikanische Markt zunehmend als gesättigt angesehen wird, hat sich der Fokus
vielfach auf Europa oder Asien verlagert, wo zudem fehlende Transparenz und Ineffizienzen im
Bereich Corporate Governance bemängelt werden. In den vergangenen Jahren ist vor allem die
Anzahl der aktivistischen Kampagnen in Kontinentaleuropa (außerhalb Großbritanniens)
gestiegen: Allein in Deutschland kam es im Zeitraum 2011 bis 2015 zu 23 Angriffen. Auch bei
diesen aktivistischen Kampagnen schreckten die großen Namen wie etwa UBS, Airbus,
Danone, Nokia oder Carrefour nicht ab. Allerdings hat sich neben den erfolgreichsten USamerikanischen Aktivisten (ValueAct, Elliott Advisors, Harris Assc) nunmehr auch eine neue
Generation an europäischen Hedgefonds (Cevian, Knight Vinke, TCI) etabliert, die weitaus
vorsichtiger auftreten und stärker mit dem Management zusammenarbeiten. Dies hat sich im
Hinblick auf die Unternehmenskultur oftmals als bessere Strategie erwiesen als der
stellenweise antagonistische Stil der US-amerikanischen Aktivisten, die zuhause mittlerweile
als „Popstars“ gelten und medienwirksam eine ganze Reihe von Fonds in ihre Kampagne
integrieren können.
Geringes Wachstumspotenzial und schwache Performance begünstigen
Aktionärsaktivismus
Vier Faktoren gelten als klare Warnsignale für einen möglichen aktivistischen Angriff: 1)
schwächere Performance gegenüber den Mitbewerbern über eine längere Zeitperiode
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(Wachstum, Gewinnmargen, Renditen); 2) Diskrepanz in der Bewertung (insbesondere beim
Vergleich der Summe der Bestandteile mit dem Liquidationswert); 3) fehlende Finanzdisziplin
und ineffizientes Cash-Management; sowie 4) geringe Glaubwürdigkeit der
Unternehmensführung (Nichterfüllung langfristiger Ziele oder kurzfristiger Prognosen).
Vielfach sprechen sich Aktivisten schon im Vorfeld mit den wichtigsten institutionellen
Investoren des angegriffenen Unternehmens sowie mit den relevanten Proxy-Beratern ab, die
bei Abstimmungen in den Hauptversammlungen sehr einflussreich sind. Damit bleibt der
Unternehmensführung oft nur die Möglichkeit, sich mit den Aktionärsaktivisten an einen Tisch
zu setzen, um keine öffentlich ausgetragene „feindliche“ Kampagne zu riskieren.
Aktionärsaktivismus als Weckruf für bessere Unternehmensführung?
Abschließend stellt sich die Frage, inwiefern Aktionärsaktivismus langfristig Anschub für
positive Veränderungen in der Unternehmensführung geleistet hat. Zum einen wird dieser
komplementär zur etablierten Fondsmanagementindustrie gesehen. Hierbei greifen
spezialisierte Investmentboutiquen in die strategische Positionierung einer kleinen Anzahl an
Unternehmen ein, die nicht ihr wirtschaftliches Potenzial erreicht haben. Zum anderen könnte er
sogar dazu beitragen, dass sich sowohl passive Indexfonds als auch aktive Fondsmanager
stärker in den Unternehmen engagieren, in die sie investiert sind. Dafür gibt es nicht nur erste
Anzeichen seitens der Indexfonds (BlackRock, Vanguard), sondern auch der Staatsfonds
(Norges). Hierzulande ergibt sich jedoch noch ein großes Betätigungsfeld, solange mehrheitlich
staatliche oder auch familieneigene Interessen einer effizienten, transparenten
Unternehmensführung im Wege stehen.
Wie stark Aktionärsaktivismus suboptimal gelenkte Unternehmen wachrütteln kann, zeigt das
Beispiel der Schweiz. Hier haben ursprüngliche aktivistische Kampagnen zur Vergütungspolitik
oder zu ineffizienten Segmenten ganze Unternehmensstrategien auf den Kopf gestellt und
letztlich personelle Konsequenzen in den Führungsetagen nach sich gezogen. Aggressive
Shorter wie Muddy Waters haben bereits angekündigt, dass sie nach mindestens fünf weiteren
Angriffszielen in Deutschland suchen – damit könnte sich das Schreckgespenst des
Aktionärsaktivismus sehr schnell auch hierzulande flächendeckend ausbreiten.
Betroffene Unternehmen sollten Folgendes beachten:
- Eine in den öffentlichen Medien geführte Auseinandersetzung ist in der Regel kontraproduktiv
und fördert lediglich die Aufmerksamkeit, die die Aktivisten für ihre Kampagne benötigen.
Investmentbanken legen den Vorständen oftmals auch eine öffentliche „Klarstellung“ nah, was
jedoch mehr dem Eigeninteresse Ersterer dienen könnte. Öffentliche Schlammschlachten
helfen letztlich nur den Aktivisten, die Unternehmensführung zu diskreditieren und deren
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Glaubwürdigkeit zu untergraben.
- Neben dem offenen Dialog mit den Aktivisten sollte vor allem das Gespräch mit den größten
institutionellen Eigentümern gesucht werden. Auch diese Diskussionen sollten direkt – ohne
Involvierung der Investmentbanken – geführt werden, um ein objektives Feedback von den
professionellen Fondsmanagern zu erhalten.
- Eine gerichtliche Klage oder Beschwerde vor den Regulierungsbehörden hat in der Regel
wenig Aussicht auf Erfolg. Vor allem US-amerikanische Investoren sind durch ihren
Gesetzgeber geschützt (Meinungsfreiheit), während die Finanzaufsicht überwiegend die
Auffassung vertritt, dass durch potenzielle aktivistische Enthüllungen allen Investoren ein
Dienst erwiesen wird.
Peter Kirkow
Director, Advisory, KPMG Austria
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ZUSAMMENGEFASST
»Aktionärsaktivismus hat sich zur weitverbreiteten
Investmentstrategie einer kleinen aber sehr ein lussreichen Gruppe
von Hegdefonds entwickelt.«
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Während bislang vor allem US-Anleger Möglichkeiten zur verstärkten aktiven Einflussnahme auf die
Unternehmensführungen gesucht haben, bedroht das Phänomen des Aktionärsaktivismus nun auch
europäische und asiatische Großkonzerne. Gelockt von der Aussicht auf höhere Renditen, schrecken die
Aktivisten weder vor Big Playern noch vor der „systemischen Relevanz“ einer Bank zurück. Für
suboptimal gelenkte Unternehmen kann Aktionärsaktivismus jedoch auch ein Weckruf zur strategischen
Neupositionierung sein.
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