Publikation: Frankfurter Allgemeine Zeitung Ausgabe: 05.08.2015, Nr. 179, S. 18 Autor: Dr. Richard Mayer-Uellner Aktivisten treiben Vorstände vor sich her Wenn sich Investoren zu sehr einmischen, droht eine Pflicht zum Kaufangebot KÖLN, 4. August. In Deutschland nimmt das aus den Vereinigten Staaten bekannte Phänomen des "Shareholder Activism" zu. Der Begriff bezeichnet die aktive Einflussnahme von Aktionären auf börsennotierte Unternehmen. Die Aktivisten haben gemeinsam, dass sie allgemeine Erwartungen oder konkrete Forderungen an das Unternehmen haben, deren Durchsetzung sie mehr oder weniger aggressiv verfolgen. Im Detail unterscheiden sich die Protagonisten und ihre Ziele allerdings erheblich. Die Mehrzahl aktiver Aktionäre beschränkt sich im Wesentlichen darauf, die Strategie und bestimmte Maßnahmen - laufend oder punktuell - mit dem Management zu diskutieren. Das gilt etwa für große Vermögensverwalter wie Blackrock, aber auch für Family Offices oder Staatsfonds wie den staatlichen Pensionsfonds Norwegens, der in zahlreichen deutschen Unternehmen investiert ist. Der Vorstand muss in diesen Fällen beachten, dass die Weitergabe vertraulicher Informationen an einzelne Anteilseigner nur ausnahmsweise und unter engen Voraussetzungen zulässig ist. Eine andere Erscheinungsform sind Investoren - oft Private-Equity-Häuser -, die Aktien eines Unternehmens kaufen, bei dem sie verborgene Potentiale vermuten. Ein Beispiel ist der schwedische Finanzinvestor Cevian, der rund 15 Prozent an Thyssen-Krupp und mehr als 25 Prozent am Baukonzern Bilfinger hält. Solche Investoren dringen häufig auf personelle Veränderungen oder eine Neuausrichtung der Unternehmensstrategie. Einige streben die Wahl eigener Repräsentanten in den Aufsichtsrat an, um einen engen Austausch mit dem Vorstand zu ermöglichen. Denkbar ist auch, dass der Aktivist Maßnahmen gegen den Willen des Vorstands durchsetzt, indem er sein Abstimmungsverhalten in der Hauptversammlung mit anderen Aktionären koordiniert. Zu weitgehend darf diese Koordination allerdings nicht sein, damit sie nicht als "Acting in Concert" qualifiziert wird. Dies hätte zur Folge, dass den Anlegern ihre Stimmrechte gegenseitig zugerechnet werden - überschreitet die Gesamtzahl die Schwelle von 30Prozent aller Stimmrechte, sind die Aktionäre verpflichtet, den übrigen Anteilsinhabern den Kauf ihrer Aktien anzubieten. In den Vereinigten Staaten ist es verbreitet, dass Aktivisten durch öffentliche Kampagnen Druck auf das Management ausüben. Ein prominentes Beispiel ist der Investor Carl Icahn, der Apple veranlassen wollte, die angehäuften Barreserven für den Rückkauf eigener Aktien zu nutzen. In Deutschland sind solche Medienkampagnen selten. Das dürfte weniger an rechtlichen Einschränkungen liegen als vielmehr am geringeren öffentlichen Interesse, das Wirtschaftsthemen hierzulande wecken - auch wegen der niedrigeren Zahl von Aktionären. Manche Aktionärsaktivisten versuchen, Sondersituationen von Unternehmen auszunutzen. Ein prominentes Beispiel ist der amerikanische Hedgefonds Elliott, der zuletzt bei der Übernahme des Pharmahändlers Celesio durch den amerikanischen Konzern McKesson, dem Kauf von Kabel Deutschland durch Vodafone oder den Schadensersatzklagen gegen die Porsche Holding sowie die Familien Porsche und Piëch in Erscheinung getreten ist. Eine verbreitete Strategie besteht darin, nach Verkündung eines Übernahmeangebots Aktien am Zielunternehmen zu erwerben und anschließend den Kaufpreis in die Höhe zu treiben. Das kann gelingen, wenn das erworbene Aktienpaket so groß ist, dass die Übernahme ohne dessen Verkauf zu scheitern droht. Das Risiko für den Aktivisten ist aber hoch. Meistens sinkt der Börsenkurs nach gescheiterten Übernahmen, weil die Hoffnung auf eine Übernahmeprämie entfällt. Aus rechtlicher Sicht ist heikel, dass der Übernehmer alle Aktionäre gleich behandeln muss und daher dem Aktivisten keinen Sonderpreis zahlen darf. Er muss den Kaufpreis also in der Regel für alle Aktionäre erhöhen. Bei alldem wäre es zu kurz gegriffen, Shareholder Activism zu verdammen. Die Interessen der Aktivisten können sich durchaus mit den Interessen der übrigen Aktionäre decken. Der Vorstand der Gesellschaft steht stets vor der Herausforderung, den vielfältigen Interessen der verschiedenen Aktionärsgruppen gerecht zu werden und zugleich die strikten rechtlichen Vorgaben einzuhalten. RICHARD MAYER-UELLNER Der Autor ist Rechtsanwalt bei CMS. Alle Rechte vorbehalten: (c) F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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