Colonia Dignidad«: BND seit 1966 im Bilde

Kriegsgeheul
ULLI MICHEL / REUTERS
Verantwortung für die ganze Welt
zu übernehmen – das ist seit dem
Anschluss der DDR die Idee der
Bundeswehr. Von den Verteidigungspolitischen Richtlinien aus dem Jahr
1992 bis zum Weißbuch 2016.
Von Otto Köhler
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Der Fall Michael Csaszkóczy: Gericht
erlaubt Beobachtung durch
Geheimdienst. Ein Interview
Sachsen-Anhalt bewirbt sich als
Standort für »Antiterrorübungen« von Armee und Polizei
Durch die Türkei geht eine zweite Welle Der Internationale Währungsfonds
der Schließung von Medienredakdrängt Pakistan zur Privatisietionen. Von Kevin Hoffmann
rung von Staatsbetrieben
Aleppo: Armee siegt
China und Russland
kündigen Manöver an
Beijing. China und Russland haben
eine gemeinsame Militärübung
im Südchinesischen Meer angekündigt. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Beijing
sagte am Donnerstag, das Marinemanöver werde im September
stattfinden und in einem See- und
Luftbereich des Südchinesischen
Meeres abgehalten. Es handele
sich um eine »Routineübung«. Das
Manöver solle die Beziehungen
der beiden Armeen stärken und sie
besser auf mögliche Bedrohungen
vorbereiten, so der Sprecher des
chinesischen Außenministeriums
Yang Yujun gegenüber Reportern
am Donnerstag. Eine dritte Partei
sei nicht beteiligt, hieß es aus Beijing. Beide Länder haben in den
vergangenen Jahren ihre militärische Kooperation verstärkt.
(AFP/dpa/jW)
Russland und Syrien richten nach Einschließung des Westteils der Millionenstadt
Fluchtkorridore ein. Präsident Assad bietet Rebellen erneut Amnestie an. Von Gerrit Hoekman
D
In der Umgebung von Aleppo am 23. Juli: Syrische Soldaten während der Kämpfe um die Stadt
davon profitiert. Am Donnerstag erneuerte der Präsident per Dekret die
Amnestie für 2016.
Ob die Islamisten die Offerte annehmen, ist unsicher. Zumindest einigten sich laut Al-Masdar die syrische
Armee und die in der Koalition »Fatah Halab« (»Eroberung Aleppos«)
zusammengeschlossenen Dschihadisten darauf, Zivilisten das Verlassen
des umkämpften Gebiets durch drei
Korridore zu erlauben. Im Moment
halten sich dort angeblich noch bis
zu 250.000 Menschen auf. Viele Beobachter halten diese Schätzung für
deutlich zu hoch.
Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu gab am Donners-
tag in Moskau bekannt, dass außerhalb
des Belagerungsringes Versorgungsstationen für die Flüchtlinge eingerichtet werden, an denen auch medizinische Hilfe geleistet werde. Ein vierter
Korridor sei für den Abzug der Rebellen vorgesehen, nachdem sie ihre Waffen abgegeben hätten. Der Gouverneur
der Provinz Aleppo, Marwan Olabi,
bestätigte die Meldung bei SANA.
Sollte die syrische Armee den Rebellen die Handelsmetropole komplett
entreißen, wäre das ein enormer militärischer Erfolg. Er könnte den Krieg
in Syrien zugunsten der Regierungstruppen entscheiden. Die größte Stadt
des Landes galt bis 2011 als Hochburg
des Präsidenten Assad und blieb gut
ein Jahr lang vom Kriegsgeschehen
verschont. Das änderte sich, als die
Freischärler im Sommer 2012 Aleppo
angriffen und sich im Westteil einnisteten. Seitdem stehen sich Regierung
und Rebellen in einem mörderischen
Abnutzungskrieg gegenüber,
Der syrische Großmufti Ahmed Badr
Al-Din Hassun, eine wichtige religiöse
Instanz, rief die Rebellen am Mittwoch
auf, von der Amnestie Gebrauch zu
machen. Allerdings ist sein Einfluss
auf die erzkonservativen Dschihadisten
begrenzt. Am Donnerstag schickten
die noch eine Botschaft der Gewalt: Eine Rebellenrakete schlug in ein Elektrizitätswerk ein und sorgte für Stromausfall in ganz Aleppo.
»Colonia Dignidad«: BND seit 1966 im Bilde
Geheimdienst erfuhr früh von »KZ-ähnlichen« Methoden. Linke fordert Entschuldigung
D
er Bundesnachrichtendienst
(BND) soll bereits seit 1966
von »KZ-ähnlichen« Methoden in der von Deutschen gegründeten
Sektensiedlung »Colonia Dignidad«
in Chile gewusst haben. Das geht aus
einer Antwort der Bundesregierung
auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion vom Mittwoch hervor. Allerdings
will der BND dies nur aus lokalen
Presseberichten erfahren haben. In
der Antwort des Staatssekretärs im
Auswärtigen Amt, Stephan Steinlein,
wird eingeräumt, dass die Regierung
bis 1987 Menschenrechtsverletzungen
ignoriert und sich schützend vor die
»Colonia Dignidad« gestellt habe.
In dem hermetisch abgeriegelten
Lager wurde Kindern ab 1961 systematisch sexuelle Gewalt angetan. Zudem folterte Chiles Geheimdienst dort
während der Pinochet-Diktatur Oppositionelle. Die später in »Villa Baviera« umbenannte Siedlung wirbt heute
mit bayerischer Folklore um Touristen.
Für einen Eklat sorgte jüngst die Anwesenheit des als Mittäter zu einer Bewährungsstrafe verurteilten Reinhard
Zeitner beim Empfang der Deutschen
Botschaft für Bundespräsident Joa­
chim Gauck in Chile (jW berichtete).
Aus Sicht des Linke-Fraktionsvizes
Jan Korte ist das ein klarer Beleg für
den immer noch nicht erfolgten »konsequenten Bruch mit der ›Colonia
Dignidad‹ und ihrer Nachfolgeorganisation ›Villa Baviera‹«. Die Umstände der Einladung müssten aufgeklärt
werden »und Konsequenzen haben«.
Auch ein weiteres früheres Sektenmitglied war dort präsent. Außenminister
Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatte
im April die Akten des Auswärtigen
Amtes zu der Sektensiedlung vorzeitig
für die Öffentlichkeit freigegeben, aber
die Rolle des BND ist weiterhin unklar.
Korte kritisierte eine bisher unzureichende Berücksichtigung der chilenischen Folteropfer. »Wer seit spätestens
1966 von den Verbrechen weiß und
sich bis 1987 (…) schützend vor die Täter gestellt hat, hat allen Grund, sich zu
schämen und zu entschuldigen.« Mit
Blick auf die Historiker­
kommission
(UHK) zur Geschichte des Geheimdienstes von 1945 bis 1968 plant die
Bundesregierung nicht, den Zeitraum
der Untersuchung zu erweitern, um
auch das Kapitel »Colonia Dignidad«
erforschen zu lassen. (dpa/jW)
JULIAN STRATENSCHULTE DPA
Mehr als 2,6 Millionen
ohne Erwerb
EPA/ST
ie syrische Armee (SAA) hat
mit russischer Luftunterstützung im Norden des Landes
einen wichtigen strategischen Erfolg
errungen: Nach Angaben des Oberkommandos ist der von islamistischen
Rebellen beherrschte Westteil der
Millionenstadt Aleppo seit Mittwoch
von der Außenwelt abgeschlossen,
alle Nachschublinien sind unterbrochen. Das meldete am Donnerstag die
staatliche syrische Nachrichtenagentur
SANA.
Die SAA profitierte von einem
gleichzeitigen Angriff der kurdischen
Volksverteidigungseinheiten YPG auf
Stellungen der Islamisten an anderer
Stelle. Die Kurden sind innerhalb des
Westteils von Aleppo ihrerseits von
Rebellen eingeschlossen. Das nächste
Ziel der syrischen Armee dürfte deshalb sein, die YPG aus der Umklammerung zu befreien.
Voraussetzung für die vollständige
Einkreisung der Dschihadisten war die
Eroberung des schwer umkämpften
Bani-Said-Viertels, das sich seit 2012
in deren Hand befand. »Der Verlust
ist eine der größten Niederlagen der
Dschihadisten in diesem Jahr«, urteilte
die Nachrichtenseite Al-Masdar. Die
Armeeführung hat die im Westen der
Stadt eingekreisten Rebellen aufgefordert, die Zivilbevölkerung zu schützen
und die Waffen niederzulegen. Sie verspricht den Dschihadisten dafür den
freien Abzug durch einen Korridor.
In einem Interview mit dem griechischen Sender ITV schlug Syriens Präsident Baschar Al-Assad am Mittwoch
erneut eine Amnestie vor. »Wir haben diese Möglichkeit seit den ersten
Terrorakten in Syrien als Option für
die Terroristen angeboten«, erklärte
er. Zahlreiche Rebellen hätten bereits
Nürnberg. Zum Anfang der jährlichen
Sommerpause ist die offiziell ausgegebene Zahl der Erwerbslosen in
Deutschland auf 2,661 Millionen
gestiegen. Im Juli waren demnach
47.000 Menschen mehr ohne Job
als im Monat zuvor. Das teilte die
Bundesagentur für Arbeit (BA)
am Donnerstag in Nürnberg mit.
Die Arbeitslosenquote stieg um
0,1 Punkte auf sechs Prozent. Im
Vergleich zum Vorjahreszeitraum
sei die Zahl der Erwerbslosen aber
um 112.000 zurückgegangen. Nach
Aussage des BA-Chefs Frank-Jürgen
Weise würden zahlreiche Betriebe
mit Neueinstellungen bis nach den
Ferien warten, weshalb die Erwerbslosigkeit gestiegen sei.
Ebenfalls am Donnerstag äußerte
sich auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) zum Thema. Er
forderte private und öffentliche Unternehmen auf, Geflüchtete in den
Arbeitsmarkt zu integrieren. »Wer
über Fachkräftemangel klagt, muss
auch ausbilden«, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach.
Das gelte für Einheimische und Zugewanderte gleichermaßen. (dpa/jW)
wird herausgegeben von
1.862 Genossinnen und
Genossen (Stand 4.7.2016)
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