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SÜDWESTRUNDFUNK
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Liebe Kolleginnen und Kollegen,
nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an.
Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen
Polizeigewerkschaft, gab heute, 25.07.16,
dem Südwestrundfunk ein Interview zum Thema:
„Nach dem Amoklauf von München“.
Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Florian Rudolph.
Mit freundlichen Grüßen
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Datum:
25.07.2016
Sicherheitsgefühl könnte dramatisch schwinden
Baden-Baden: Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft Wendt teilt die Einschätzung,
wonach bei der Bombenexplosion in Ansbach ein islamistischer Hintergrund naheliegend sei.
Wendt sagte im SWR-Tagesgespräch, Bayerns Innenminister Hermann sei dahingehend keine
Spekulation zu unterstellen.
Nach der mit München vierten Gewalttat binnen Tagen sieht Wendt dramatische Folgen für das
Sicherheitsempfinden der Bevölkerung; Zumal mit der Axtattacke in einem Regionalzug in
Würzburg und dem Machetenangriff gestern in Reutlingen der Täter erneut ein Flüchtling sei.
Deshalb sei es wichtig, dass die Politiker jetzt die Nerven behalten und die Ermittler ihre Arbeit
machen lassen. Da dürfe nichts verschwiegen werden, es darf aber auch nichts befeuert
werden, so Wendt. Er befürchtet, dass jetzt versucht werde, politisches Kapital aus den Taten
zu schlagen. Das dürfe auf keinen Fall noch angetrieben werden.
Im SWR-Tagesgespräch lobt Wendt den Polizeieinsatz während des Amoklaufs in München.
Die Konzepte hätten sich bewährt, die Polizei habe von einer akuten Terrorlage ausgehen
müssen. Dabei seien die Fähigkeiten der Polizeikräfte in München genauso gut, wie anderswo
in Deutschland. Was die Kapazitäten angehe, sei man aber in den Ländern unterschiedlich
aufgestellt. Daraus müssten jetzt Lehren gezogen werden.
Wendt wehrt sich dagegen, die Debatte um einen Bundeswehreinsatz bei Terrorlagen neu zu
befeuern. Er könne kein Plus an Sicherheit darin erkennen, dass die Politik schon beim
Verdacht eines terroristischen Anschlags bereit sei, die Verfassung zu brechen. Er habe den
Verdacht, dass man Geld sparen wolle und die Bundeswehr als Reservepolizei in der
Hinterhand haben wolle. Das könne nicht sein.
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Wortlaut des Live-Gesprächs:
Rudolph: Wir wollen über München reden, aber lassen Sie uns zunächst kurz auf die
Ereignisse in Ansbach, in Franken eingehen. Gerade ein paar Stunden alt. Ein 27-jähriger
Syrer soll einen Sprengstoffanschlag verübt haben, bei dem er selbst getötet wurde. 12
Menschen teils schwer verletzt. Ermittlungsstand ist, dass er wohl versucht hat, mit dem
Sprengsatz auf das Gelände eines Open-Air-Musikfestivals zu gelangen. Bayerns
Innenminister Hermann hält es für möglich, dass es sich um einen islamistischen
Anschlag handelt. Wie bewerten Sie das, was da gestern Abend gegen 22 Uhr in der
fränkischen Stadt Ansbach geschehen ist?
Wendt: Es gibt in der Tat deutliche Hinweise darauf, insofern ist Innenminister Hermann keine
Spekulation zu unterstellen. Allein schon die Begriffe - Sprengsatz in einer Menschenmenge
von einem Syrer – das alles deutet darauf hin, das versetzt uns natürlich auch in Unruhe.
Andere Hinweise deuten auf den Suizid des Menschen hin, der möglicherweise schon mehrfach
versucht hat, sich das Leben zu nehmen. Das deutet eher wiederum auf eine psychische
Störung hin, insofern muss man das jetzt alles gründlich ausermitteln. Wie die anderen Anlässe
ja auch. Ob das Reutlingen, München oder Würzburg gewesen ist. Nach dem Anschlag schlägt
die Stunde der Ermittler. Ihre Arbeit ist es jetzt ganz, ganz wichtig und muss unterstützt werden,
darf nicht von Spekulationen belastet sein.
Rudolph: Sie haben eben schon Reutlingen angesprochen, Würzburg. Die dritte Bluttat in
Bayern binnen weniger Tage. Nach Würzburg, nach dem schrecklichen Amoklauf eines
Jugendlichen Freitag in München, dazu eben noch diese Attacke eines syrischen
Flüchtlings in Reutlingen, bei der eine Frau starb. Was macht das mit dem
Sicherheitsgefühl der Menschen hier im Land?
Wendt: Das hat dramatische Auswirkungen. Die Menschen haben Angst und man sieht es ja
auch, die Umfragen geben das schon lange her, dass die Furcht davor, Opfer eines Anschlages
zu werden, dramatisch gestiegen ist und das muss natürlich auch auf eine Gesellschaft Einfluss
nehmen. Deshalb ist es ja so wichtig, dass die Politik jetzt die Nerven behält und nicht
irgendwelche Gerüchte auch noch befeuert, dass die Ermittlungsbehörden gestärkt werden,
damit das alles aufgeklärt wird und die Menschen in aller Ruhe, aber auch in aller Sachlichkeit
über die Hintergründe dieser Attacken aufgeklärt werden. Da darf nichts verschwiegen werden,
es darf aber auch nichts befeuert werden. Darauf kommt es jetzt an, um Ruhe in der
Bevölkerung weiterhin zu lassen.
Rudolph: Sie sagen, in aller Ruhe, das ist schwierig. Es ist ja Ausnahme München, auch
eine Welle Gewalt durch Flüchtlinge – besonders heikel.
Wendt: Ja und das wird natürliche viele jetzt auf den Plan rufen die versuchen, aus dieser
Situation politisches Kapital zu schlagen. Und um das zu verhindern, ist die Ermittlungsarbeit
der Polizei so wichtig. Jetzt kommt es natürlich darauf an, auch die Kapazitäten bereit zu
stellen, technisches Know-how, dass man braucht, um Spuren zu untersuchen, um die ganze
Flut von Informationen zu analysieren. Erst wenn das alles gelingt, kann man auch verhindern,
dass daraus politisches, beispielsweise rechtspopulistisches Kapital geschlagen wird. Das
muss verhindert werden. Das darf nicht noch angetrieben werden dadurch, dass man
möglicherweise die politische Diskussion jetzt noch mit eigenen Argumenten befeuert.
Rudolph: München – das war kein Anschlag, das war kein Flüchtling als Täter, es war ein
Amoklauf. Aber trotz der schrecklichen Tat, der vielen Opfer – würden Sie sagen, das
Einsatzkonzept hat sich bewährt. Die Polizei hat ihre Feuerprobe hinsichtlich der
zunächst angenommenen Terrorlage da in München bestanden?
Wendt: Das kann man bestimmt sagen. Denn die Polizei musste ja von einem terroristischen
Anschlag ausgehen, sobald die Informationslage aufgrund der Warnungen, die es aus der
Bevölkerung gegeben hat, aufgrund der Anrufe, der Notrufe, dann musste man davon
ausgehen, dass an mehreren Orten gleichzeitig Täter mit Langwaffen unterwegs sind und auf
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Menschen schießen. Das war das Szenario, dass sich der Polizei darstellte und darauf
gründeten sich dann letztlich auch die Einsatzmaßnahmen und diese Einsatzmaßnahmen
sahen so aus, dass wie nach einem Katalog, so muss man sich das ja vorstellen, bestimmte
Dinge einfach abgelaufen sind. Die Schließung des Hauptbahnhofs, des Rathauses, andere
Punkte wurden systematisch besetzt. Es wurden sehr viele Kräfte herangeführt. Binnen
kürzester Zeit waren über 2.000 Polizistinnen und Polizisten, einschließlich der Spezialeinheiten
im Einsatz. Ich finde, da kann man durchaus von einem gelungenen Einsatz sprechen.
Genauso wie die einsatzbegleitende Öffentlichkeitsarbeit ja hervorragend geklappt hat und zu
Recht gelobt wird.
Rudolph: Sind die Kollegen in München besonders auf Zack? Wäre das in Bremen oder
Düsseldorf ähnlich gelaufen?
Wendt: Ich glaube nicht, dass es irgendwo Unterschiede gibt, was die Fähigkeiten der Polizei
angehet. Wir haben ja in allen Großstädten und auch in den ländlichen Regionen
Einsatzkonzeptionen, Führungsstäbe, die solche Szenarien vorbereitet haben und auch
trainieren. Was die Kapazitäten angeht, sind wir leider sehr unterschiedlich aufgestellt in den
Ländern und diese Lehren muss man jetzt ziehen. Man darf nicht von Bundeswehr oder so
reden, sondern man muss die Fähigkeiten, die die Polizei in logistischer und in taktischer
Hinsicht hat unterstützen dadurch, dass man ihre Kapazitäten auch so ausweitet und gestaltet,
dass sie in solchen Einsätzen auch bestehen kann, ohne ein unzumutbares Maß an
Eigengefährdung einzugehen.
Rudolph: Sie haben die Bundeswehr eben angesprochen. Wie wir wissen, stand ja die
Armee bereit, um einzugreifen. Die Diskussion ist wieder in vollem Gange. Würde das
den Bürgern kein zusätzliches Sicherheitsgefühl geben, wenn auch Soldaten,
beispielsweise bei Evakuierungen, in so einer Situation helfen würden?
Wendt: Ich kann keine Zunahme an Sicherheitsgefühl darin sehen, dass die Politik ganz
offensichtlich schon beim Verdacht eines terroristischen Anschlages bereit ist, die Verfassung
zu brechen. Unser Grundgesetz regelt den Einsatz der Bundeswehr und setzt enge Grenzen
und gegen diese Grenzen wäre in diesem Falle verstoßen worden. Denn weder handelt es sich
um einen Aufstand irgendwo, noch um ein Katastrophenfall wie etwa eine Unwetterkatastrophe.
Die Verfassung setzt zu Recht enge Grenzen. Denn sie sagt, eine Polizeilage muss auch von
der Polizei bewältigt werden. Und das kann sie auch, wenn man ihr die notwendigen
Kapazitäten gibt. Mein Verdacht ist, dass die Politik mal wieder Geld sparen will und die
Bundeswehr als eine Art Reservepolizei noch in der Hinterhand haben will. Das kann so nicht
sein. Die Polizei muss mit den richtigen Kapazitäten, beispielsweise mit der Schutzausstattung,
mit der Bewaffnung ausgerüstet werden. Das Geld darf man sich nicht sparen, sondern das
muss man jetzt endlich in die Hand nehmen, statt immer wieder vom verfassungswidrigen
Einsatz der Bundeswehr zu faseln.
- Ende Wortlaut -
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)