Sozialwirtschaft (engl.: social economy, frz.: économie sociale

Sozialwirtschaft (engl.: social economy, frz.: économie
sociale) bezeichnet einen Bereich des Wirtschaftens, in dem
das individuelle und gemeinsame Wohlergehen von
Menschen unmittelbar und direkt das Sachziel der
Betätigung ist. Institutionell sind die Organisationen, Dienste,
Einrichtungen und anderen Unternehmungen gemeint, die
zu sozialen Zwecken betrieben werden. Funktional bedeutet
S. die Art und Weise, in der man die Aufgaben in diesem
Bereich zu erfüllen sucht: nicht erwerbs- und
gewinnorientiert, sondern in Deckung eines humanen
Bedarfs, gemeinschaftlich und demokratisch betrieben und,
soweit gemeinnützig veranstaltet, auch öffentlich zu
verantworten. Bewirtschaftet wird die soziale und
gesundheitliche Problembewältigung im Leben von
einzelnen Menschen und Gruppen. Dafür gibt es auf der
politischen Ebene einen Sozialhaushalt, und administrativ
werden Dispositionen über die verfügbaren Mittel zum
wohlfahrtsdienlichen
Handeln
getroffen.
Das
sozialwirtschaftliche Geschehen umfasst die ökonomischen
Prozesse, in
denen
Unternehmen,
Dienste
und
Einrichtungen personen- und auch gemeinwesenbezogen
eine bedarfsentsprechende Wohlfahrtsproduktion leisten.
Die S. wird oft mit dem → „Dritten Sektor“ bzw. dem
„Nonprofit-Sektor“ der Ökonomie identifiziert, deckt sich aber
nur
teilweise mit ihm
und
schließt
öffentliche
Gewährleistungsträger und privatgewerbliche Anbieter ein.
In der → Europäischen Union (EU) gilt die S. als gewichtiger
Faktor der Beschäftigung, der → Daseinsvorsorge, der
Qualität des Lebens in der Gemeinschaft, als
Experimentierfeld sozialer Eingliederung und auch der
lokalen Wirtschaftsentwicklung. Das Verständnis ist
allerdings kein einheitliches: frankophon liegt die Betonung
auf genossenschaftlichen Lösungen und in Großbritannien
auf dem Freiwilligeneinsatz und der Funktion von
Sozialunternehmen, während in Deutschland herkömmlich
die → freie Wohlfahrtspflege den Hauptteil der organisierten
S. bildet (→ Soziale Organisationen in Europa). Historisch
hat die Idee der S. insbes. in Frankreich eine lange
Tradition, die auf die frühsozialistischen Projekte und
Genossenschaftsgründungen im 19. Jh. zurückgeht. Das
Konzept wurde nach 1970 im Sinne eines solidarischen,
assoziativen Wirtschaftens neu belebt. Die S. steht seit 1986
auf der Agenda der EU. Auf ihrer Ebene wird, der
französischen Auffassung folgend, von „vier Familien“ der S.
gesprochen: (soziale) Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften, gemeinnützige Vereinigungen inkl. →
Stiftungen und Unternehmen, die nicht primär auf einen
finanziellen Gewinn aus sind. Generell kann man
Mitgliedervereinigungen und Dienstleistungserbringer für
Andere unterscheiden.
Auf der Mikroebene der sozialen Zweckerfüllung verbindet
sich die organisierte S. mit individueller, familiärer und
gemeinschaftlicher Eigenwirtschaft. Soziale Arbeit und
Humandienste erfüllen in Beziehung auf sie eine
komplementäre und kompensatorische Funktion. Die
Beteiligten
können
in
Wohlfahrtsarrangements
übereinkommen. Sie und insgesamt die formell und informell
erbrachten Leistungen, deren Angemessenheit und
Bewertung (i.S. sozialer Wertschöpfung) sind Gegenstand
der S.lehre. Sie erörtert auch die Funktionen des →
Sozialmanagements in der S. und liefert den theoretischen
Rahmen für die Ausbildung von Sozialwirt/innen und
Sozialmanager/innen (vorwiegend in Masterstudiengängen).
Lit. Arnold u.a.. Sozialwirtschaft; Bassarak
u.a.:
Sozialwirtschaft;
Wendt:
Sozialwirtschaft;
Wendt:
Wohlfahrtsarrangements.
Wolf Rainer Wendt
Aus: Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge
(Hrsg): Fachlexikon der sozialen Arbeit, 7. Aufl., Berlin 2011.