Ausgabe 28 22. Juli 2016 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Wirtschaft Deutsche Investoren erwarten deutlichen Abschwung Im 2. Quartal haben sich die Erwartungen hinsichtlich der weltweiten Produktion und des Wachstums stark eingetrübt I n zahlreichen Ländern fiel der Einkaufsmanager-Index. Der Brexit, Chinas Abschwung die ungewisse Entwicklung der Rohstoffpreise tragen dazu genauso bei wie die Ungewissheit über eine mögliche Anhebung des europäischen oder des amerikanischen Leitzinses. Hinzu kommen die Spannungen im südchinesischen Meer. Diese könnten verheerende Auswirkungen auf den globalen Handel haben, warnt die Ratingagentur Fitch. Auch die deutschen Investoren spüren den Gegenwind. Die ZEW-Konjunkturerwartungen für Deutschland sind im Juli erheblich zurückgegangen. Gegenüber dem Vormonat sank der Index um 26 Punkte und steht nun nur mehr bei -6,8 Punkten. So niedrig waren die Erwartungen zuletzt im November 2012. „Insbesondere die Sorge um die Absatzmöglichkeiten für Unternehmen und die Stabilität des europäischen Banken- und Das ist der niedrigste Stand des Indikators seit November 2012. Finanzsystems dürften den Konjunkturausblick belasten“, sagt ZEW-Präsident Prof. Achim Wambach. Ähnliches zeigt sich auch bei den Grafik: ZEW Geschäftserwartungen der deutschen Unternehmen, die regelmäßig von Markit ausgewertet werden. „Deutsche Unternehmen sind besorgt über die Analyse Studie: Europäische Landwirtschaft ist der Verlierer bei TTIP Die europäische Landwirtschaft zählt nach Angaben der Umweltschutz-Organisation BUND zu den Verlierern, sollte es zu dem Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA kommen. „Analysen lassen darauf schließen, dass durch TTIP mit einem Anstieg der Einfuhren aus den USA und kaum Vorteilen für EUErzeuger zu rechnen ist“, heißt es in einer vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) vorgestellten Untersuchung. Demnach könnte der Beitrag der Bauern zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) der EU um 0,8 Prozent fallen, während umgekehrt der Anteil der US-Landwirtschaft am BIP um 1,9 Prozent steigen könnte. Der BUND warnt, bäuerliche Betriebe beiderseits des Atlantiks könnten unter die Räder kommen, Nutznießer wären Großbetriebe. Der BUND hat keine eigenen Untersuchungen gemacht, sondern vier Studien ausgewertet, die vom US-Agrarministerium, dem Europäischen Parlament, dem britischen Netzwerk von Wirtschaftswissenschaftlern CEPR und dem französischen CEPII-Institut stammen. Demnach geht beispielsweise das US-Ministerium davon aus, dass bei einer weitgehenden Liberalisierung des transatlantischen Handels die US-Exporte in fast jeder Lebensmittelkategorie steigen wird, während in der EU die Erzeugerpreise auf breiter Front sinken würden. Nach der Studie des EU-Parlaments würden zwar die Exporte der Staatengemeinschaft um 56 Prozent steigen. Die Exporte der USA würden aber um 116 Prozent zulegen. Das CEPII-Institut rechnet damit, dass in Deutschland der Beitrag der Agrarwirtschaft zum BIP um rund 900 Millionen Euro sinken wird. Die Ergebnisse der vier Studien liefern nur Anhaltspunkte für die Auswirkungen von TTIP auf den europäischen Agrarsektor, da deren Verfasser spekulieren müssen, welche Regularien wie Verbraucherschutz- oder Gesundheitsstandards durch das Freihandelsabkommen wegfallen könnten. Allen gemein ist die Annahme, dass eher die US-Agrarwirtschaft davon profitiert, je mehr der sogenannten tarifären und nicht-tarifären Handelshemmnisse wegfallen. Der BUND warnt davor, die EU-Zulassungsverfahren für Lebensmittel durch amerikanische Regeln zu ersetzen. In der EU müssen die Produzenten die Unbedenklichkeit ihrer Produkte nachweisen. In den USA müssen dagegen Behörden die Gefährlichkeit eines Produkts belegen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte zuletzt vergangenen Monat zugesagt, europäische Verbraucherschutz-Standards würden nicht angetastet. 1 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |28/16 Konsequenzen des Brexit-Votums, die Unsicherheit hinsichtlich des Ausgangs der US-Wahlen, steigende Rohstoffpreise, Schwächen und starke Fluktuationen an den Finanzmärkten sowie geopolitische Risiken mit Blick auf Syrien, Russland und die Türkei“. Ein Blick auf die EinkaufsmanagerIndizes (PMIs) bestätigt die trüben Aussichten der deutschen Unternehmen. Viele PMIs zeigten zuletzt eine Stagnation in der Produktion der Industrie weltweit. So fiel der Global Composite Output PMI im Februar auf ein 40-Monats-Tief von 50.8 Punkten. Seitdem ist der Index kaum gestiegen. Im Juni lag er nur bei 51,1 Punkten. Damit war das zweite Quartal in diesem Jahr das schwächste seit dem letzten Quartal 2012. Die ebenfalls gesunkenen Ausgaben bei den Investitionsgütern zeigen, dass die Industrie auch in den kommenden Monaten nicht mit einer besseren Auslastung rechnet. Besonders interessant könnte es neben den Brexit-Verhandlungen und der allgemein schwachen Aufstellung der Weltwirtschaft vor allem mit Blick auf das Südchinesische Meer werden. Seit Monaten gibt es Spannungen in der Region. Erst diese Woche hat China hier ein neues Militärmanöver gestartet. Die Volksrepublik China hatte nach der Entscheidung des Schiedsgerichts in Den Haag erklärt, sie werde an ihren Souveränitätsrechten festhalten und habe das Recht, über den umstrittenen Gewässern eine Luftverteidigungszone einzurichten. In der Entscheidung hieß es, China habe in den Gewässern keine historischen Ansprüche und verletze mit der Suche nach Öl und Gas Hoheitsrechte der Philippinen. Unter dem Südchinesischen Meer werden reiche Öl- und Gasvorkommen vermutet. Außerdem ist das Gebiet für die Fischerei wichtig und liegt auf der direkten Schifffahrtsroute zwischen Europa und Ostasien. China untermauert seine Ansprüche unter anderem mit der Schaffung künstlicher Inseln. Zudem hält es seit mehreren Jahren philippinische Fischer mit Patrouillenbooten vom Scarborough-Riff fern. „Sollte sich der Konflikt zuspitzen, wären die Konsequenzen für den Welthandel gigantisch“, zitiert die CNBC Francois Godement, Direktor für Strategie des Asien-Zentrums in Paris und Leiter des Asien-Programms des European Council on Foreign Relations (ECFR). Die „Ratingagentur Fitch warnte ebenfalls vor einer 22. Juli 2016 Eskalation: „Die möglichen wirtschaftlichen Implikationen (eines geopolitischen Risikos in Asien) könnten im Falle einer plötzlichen Eskalation verheerend sein.“ Die Region ist für den weltweiten Handel extrem wichtig. Hier verkehren mehr als 5 Billionen des jährlichen Schiffshandelsvolumens. Das entspricht fast einem Drittel des gesamten Handelsvolumens. Müsste die Region umfahren werden, würde das erhebliche Mehrkosten nach sich ziehen und die Schiffe müssten immense Umwege in Kauf nehmen. Die Schutzmacht Washington werde voraussichtlich mit einer großen diplomatischen Kampagne Pekings Haltung zum Schiedsspruch aus Den Haag angreifen und durch zusätzliche Marinepräsenz unterstreichen, dass die USA Chinas Ansprüche nicht akzeptieren, warnt auch Thomas S. Eder vom Mercator Institute for China Studies (merics). „Es droht eine Eskalationsspirale, wenn China ebenfalls seine Aktivitäten verstärkt, um seine Ansprüche zu unterstreichen.“ Vermehrte Zusammenstöße auf See würden das Risiko militärischer Auseinandersetzungen, etwa durch Fehlreaktionen oder eigenmächtiges Vorgehen vor Ort, erhöhen. EU Die EU steckt in einer Krise Die beleidigten Reaktionen aus der EU und einigen Mitgliedsstaaten auf den Brexit sind eine falsche Reaktion D as britische Votum zwingt die EU, sich der Realität zu stellen. Sie kann die Integration nur sichern, wenn die Staaten explizit zustimmen. Gelingt dies nicht, wird jeder weitere Etikettenschwindel auffliegen – und die EU weiter in den Zerfall treiben. Die EU-Spitzen versuchen nach dem Brexit die Fassade der Union zu wahren. Der Schein trügt: Die Integration wird seit Jahren sabotiert – und zwar von allen Staaten, nicht nur von Großbritannien. Man sollte endlich Farbe bekennen. Ist die EU, wie sie derzeit gedacht ist, tatsächlich gewünscht, dann muss sie auch realisiert werden. Ist dies nicht der Fall, dann bedarf es einer anderen Konzeption der Gemeinschaft. Beide Varianten können erfolgreich sein. Zum Scheitern verurteilt ist eine Struktur, in der Nationalstaaten im Korsett einer Union ihre Eigenständigkeit verteidigen. Die beleidigte Reaktion auf die Abstimmung der Briten für den Austritt aus der EU ist fehl am Platz. Das Ende der EU wurde bereits vor elf Jahren durch ein Referendum eingeläutet, in dem die Franzosen am 29. Mai 2005 die damals geplante Europäische Verfassung abgelehnt haben, weil diese die Souveränität der Mitgliedstaaten eingeschränkt hätte. Es gab also lange vor dem Brexit bereits eine Art Frexit. Am 1. Juni 2005 folgte eine Abstimmung in den Niederlanden, die das gleiche Ergebnis brachte. In diesem ersten Halbjahr 2005 wurde allgemein angenommen, dass vor allem Großbritannien bremsen werde. Dass aber die beiden Gründungsländer Frankreich und Niederlande mit Nein stimmten, machte die Anhänger der europäischen Integration fassungslos. Aber auch bei den anderen Staaten war die Begeisterung für eine funktionierende EU nicht extrem stark entwickelt. Die Staats- und Regierungschefs aller damaligen Mitglieder hatten am 29. Oktober 2004 bei einem feierlichen Akt in Rom ein lautstarkes Bekenntnis zur Europäischen Verfassung abgegeben, das neue Europa schien also beschlossene Sache zu sein. Vorweg hatten allerdings eben diese Staats- und Regierungschefs einen kleinen, aber entscheidenden Paragrafen in den Verfassungsentwurf eingefügt: Alle Entscheidungen können nur mit Zustimmung des Rats, also mit Zustimmung der 2 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |28/16 Regierungen der Mitgliedstaaten erfolgen. Die Franzosen und Niederländer stimmten somit gegen einen Vertrag ab, den es nur in der öffentlichen Diskussion gab: Unter dem Vorsitz des früheren französischen Präsidenten Valery Giscard d’Estaing hatte ein Verfassungskonvent ein Konzept erarbeitet, das den demokratischen Grundsätzen der Gewaltentrennung entsprach. Demnach beschließt das gewählte Parlament die Gesetze, die Regierung hat zu verwalten. Dieses Prinzip sollte auch in der EU und folglich für das EU-Parlament, den EU-Rat der Regierungen und die EU-Kommission gelten. Davon war schon am 29. Oktober 2004 bei der Feier in Rom nicht mehr die Rede und im Gefolge der negativen Abstimmungen wurde keine Verfassungsvariante beschlossen. Aber auch eine andere Initiative des Konvents wurde nicht umgesetzt: Giscards großes Anliegen neben der Gewaltentrennung zielte auf eine klare Verteilung der Aufgaben zwischen den EUInstitutionen und den Mitgliedstaaten ab. „Qui fait quoi?“ – Wer macht was? – wurde zu einer Art Schlachtruf. Im Gespräch erinnerte sich Giscard gerne an seine Zeit als französischer Präsident von 1974 bis 1981. Die Gemeinschaft umfasste die sechs Gründungsmitglieder – Deutschland, Frankreich, Italien und die drei BeneluxLänder – und die drei 1973 hinzugekommenen Großbritannien, Irland und Dänemark. „Damals konnte man bei einem guten Abendessen in Paris die europäische Politik steuern.“ 2001 bis 2003, als der Verfassungskonvent tagte, umfasste die EU bereits 15 Staaten. Und vor allem stand die Osterweiterung mit der Aufnahme von Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Slowenien, Malta und der Republik Zypern am 1. Mai 2004 bevor. Außerdem wurden 2004 auch die Verhandlungen mit Rumänien und Bulgarien abgeschlossen, die 2007 ebenfalls Mitglieder wurden. Giscard wurde nicht müde zu betonen, dass unter diesen Umständen nette Dinner in Paris kein angemessenes Instrument mehr sein können und Europa eine Verfassung mit klaren Regeln braucht. Die Mitgliedsstaaten der EU müssen eine gemeinsame Richtung finden. Dazu bekannten sich aber auch jene Regierungen und Parlamente nicht, die lautstark Giscards Initiative begrüßten. In der Folge wurde statt der Verfassung im Dezember 2007 der „Lissabonner Vertrag“ beschlossen, der am 1. Dezember 2009 in Kraft trat. In diesem Vertrag wurden zwar die Rechte des EU-Parlaments erweitert, aber festgeschrieben, dass ohne Zustimmung des Rats der Regierungen keine Beschlüsse gefasst werden können. Die gegenseitige Lähmung von EUParlament und EU-Rat war und ist bis heute Teil des Systems. Man nahm aber zur Kenntnis, dass unter diesen Umständen Entscheidungen noch schwerer gefasst werden können, Einigungen noch länger dauern – und so wurde beschlossen, die EU-Kommission zu stärken. Das EU-Parlament legt in Abstimmung mit dem Rat der Regierungen nur mehr „Prinzipien“ fest, die entscheidenden Bestimmungen werden von der Kommission beschlossen. Um diese Konstruktion zu ermöglichen, wurden die sogenannten „delegierten Rechtsakte“ eingeführt, mit denen das EU-Parlament die Zuständigkeit für die Schaffung der Normen an die Kommission „delegiert“. Die Kommission erhielt das Recht, Verordnungen zu erlassen, die unmittelbar in der gesamten EU gelten. Die Parlamente der Mitgliedstaaten haben diese Verordnungen nur zur Kenntnis zu nehmen, 22. Juli 2016 Foto: EU-Kommission sie dürfen keine Korrekturen vornehmen. Das EU-Parlament hat sich selbst mit der Delegation aus dem weiteren Rechtsfindungsprozess im Wesentlichen ausgeschaltet. Somit entscheiden die Beamten der Kommission, welche Vorschriften gelten und bestimmen auch die Form der Umsetzung und vor allem die Strafen bei Nichteinhaltung. Die Perversion ist total: Giscard wollte mit der Verfassung die Gewaltenteilung auf europäischer Ebene durchsetzen, im Lissabonner Vertrag wurde dieses bis dahin in der EU ohnehin nur schwach entwickelte Grundelement der Demokratie ausgehebelt und die Bürokratie zur bestimmenden Macht aufgewertet. Die derzeit in ganz Europa kritisierte Regulierungswut, die auch maßgeblich zur Brexit-Entscheidung beigetragen hat, ist in dem aktuellen und unerträglichen Ausmaß eine Folge des Lissabonner Vertrags. Propagandistisch dargestellt werden die zahllosen Bestimmungen als Beiträge zur Schaffung des Binnenmarktes und zum Ausbau der Integration der EU, gleichsam zur „Vertiefung“ der Integration. Als Reaktion auf den Brexit hat nun Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Beruhigung der Gemüter verkündet, es werde keine weitere „Vertiefung“ der Union geben. Aus den osteuropäischen Mitgliedstaaten kommt die 3 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |28/16 Forderung nach einer Schwächung der Kommission und nach einer Stärkung des Rats der Regierungen. Die Zeichen stehen auf Desintegration und nicht auf Integration. In dieser Endzeitstimmung wirkte ein Treffen wie die Erinnerung an bessere Zeiten: Die Vertreter der drei entscheidenden Gründungsmitglieder Frankreich, Deutschland und Italien, François Hollande, Angela Merkel und Matteo Renzi gaben in Berlin gemeinsam ein Bekenntnis zur EU ab. Der immer stärker werdende Geist der Desintegration hat sich auch schon bei den Bemühungen gezeigt, die EUAblehnung in Großbritannien zu besänftigen: Man akzeptierte – letztlich ohne Erfolg – eine Reihe von Alleingängen, insbesondere bei der Aufnahme von Flüchtlingen und der Einschränkung des Zuzugs von Arbeitskräften aus den osteuropäi- schen Mitgliedstaaten. Der Ruf nach einer Stärkung des Rats weist in die gleiche Richtung – aber für alle Mitglieder. Hier wird nur die schon bei der Einschränkung und letztlich bei der Ablehnung der Verfassung im Jahr 2004 betriebene Politik fortgesetzt. Die Weigerung fast aller Staaten, in der Flüchtlingsfrage eine gemeinsame, europäische Lösung zu finden, ist der bisher deutlichste Beweis, dass für viele „Union“ und „Integration“ nur Worthülsen sind. Ob man diese Entwicklung nun begrüßt oder bedauert, sie muss endlich zur Kenntnis genommen werden. Der in diesen Tagen zu beobachtende Versuch, die Fassade einer Union zu bewahren, ist zum Scheitern verurteilt. Auch das Bemühen, den Brexit gleichsam als einen Irrtum darzustellen, bringt keine Lösung. 22. Juli 2016 Offenkundig sind zahlreiche Europäer nicht an einer tatsächlichen Integration des Kontinents interessiert. Länder, in denen diese Ausrichtung bestimmend ist, können nicht Mitglieder der EU sein, wie sie derzeit konzipiert ist. Folglich gibt es mehrere Möglichkeiten: • diese Länder verlassen die EU • die EU findet eine neue Konzeption, die auf die Zusammenarbeit eigenständig agierender Staaten abstellt • man schafft ein Kerneuropa, das zum Bundesstaat mit einer zentralen Regierung wird und mit anderen, nicht integrationswilligen Staaten Kooperationen vereinbart Europa steht also wieder vor der Notwendigkeit, eine Verfassung zu beschließen, und bekommt nun die Quittung für den mit dem „Lissabonner Vertrag“ versuchten Etikettenschwindel. Innovation Samsung will Millionen in chinesische E-Auto-Firma investieren Chinesische Unternehmen haben mit der Produktion von E-Autos begonnen. Das wird für die westlichen Autobauer gefährlich BYD ist der größte Hersteller von Elektroautos. I n den vergangenen zwölf Monaten haben die Elektro-Autos an Aufmerksamkeit gewonnen. Vor allem deutsche Autobauer und Zulieferer setzen sich mittlerweile intensiver mit der Entwicklung dieser auseinander. Doch die Konkurrenz schläft nicht. In China, das bereits der wichtigste Markt für Elektromobilität geworden ist, könnte bald ein großer Player dieser Branche noch einmal Foto: Flickr/ Claudio Núñez/CC by nc nd 2.0/ einen Aufwind erfahren. Der mittlerweile weltgrößte Hersteller für Mobiltelefone und Speicherchips, Samsung, plant eine Zusammenarbeit mit BYD Co aus China, dem weltgrößten Hersteller von Elektroautos. Seit einigen Tagen laufen die Gespräche zwischen den beiden Unternehmen. Der Korean Economic Daily zufolge geht es dabei um ein Investment Samsungs in BYD in Höhe von drei Milliarden Yuan bzw. 450 Millionen Dollar. Damit würde sich Samsung vier Prozent an dem Unternehmen aus China erkaufen. Samsung hat diese Zahlen noch nicht bestätigt, sondern verwies lediglich darauf, dass die Verhandlungen derzeit noch andauern. „Damit würde sich Samsung den Weg in die Lieferkette für einen der wichtigsten chinesischen Elektrofahrzeuge- und BatterieHersteller katapultieren“, zitiert Bloomberg Bill Russo vom chinesischen Beratungsunternehmen Gao Feng Advisory Co. Und BYD würde in Sachen Technologie einen Innovationspartner mit namhafter Marke erhalten. Im letzten Jahr überholte China die USA als größter Markt für Elektrofahrzeuge. Bis 2025 sollen jährlich drei Millionen Elektro-Autos verkauft werden. In der ersten Hälfte dieses Jahres wurden nach Angaben der China Association of Automobile Manufacturers mehr als 170.000 Fahrzeuge ausgeliefert. Erst im Februar erhielt BYD die Erlaubnis der chinesischen Regierung, durch den Verkauf neuer Aktien 15 Milliarden Yuan zusätzlich einzunehmen, um die Produktion der neuen Batterien erweitern zu können. 4 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |28/16 22. Juli 2016 Innovation Deutsche Studenten bauen sparsamstes E-Auto der Welt Eli14 heißt das wohl effizienteste Elektro-Auto der Welt und hat es ins Guinness-Buch der Rekorde geschafft N ach den Schweizer Studenten der ETH Zürich können nun auch deutsche Studenten einen Weltrekord in Sachen Elektromobilität vorweisen. Hinter dem Namen TUfast Eco Team stehen Alumni und Studenten der Technischen Universität München. Für den Weltrekordversuch baute das Team den eLi14 aus dem Jahr 2014 entsprechend um: „So fanden unser eigens entwickelter Motorregler mit optimierter Anfahr- und Geschwindigkeitssimulation, neue Felgen mit extrem leichtläufigen Lagern, ein Motor mit optimierten Magneten und Silberdrahtwicklung für reduzierte Verluste und ein aerodynamischer Deckel ohne die ursprünglich installierten Solarzellen allesamt in eLi14 Einzug.“ Trotz leichter Anfangsschwierigkeiten, weil die Steckkarte des Motorreglers nicht richtig verriegelt war, folgten bald die wohl längsten und spannendsten 60 Minuten für das Team. Ziel waren 1000km/KWh. „Schon ein kleines, technisches Problem hätte wertvolle Zeit kosten können“, so die Studenten. Am Ende schaffte der eLi14 sogar 1142km/kWh. Das reichte dem Team jedoch nicht: „Doch uns war sofort klar – damit war noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Der auf Sicherheit gefahrene erste Lauf musste natürlich überboten werden! Sofort machte sich das Team daran, den vorprogrammierten Tempomaten anzupassen, einen neuen Hinterreifen aufzuziehen und den Reifendruck zu erhöhen. Zusätzlich wurde das Beschleunigungsprofil überarbeitet und aus dem sehr weiten Ausrollen beim ersten Versuch wurde der Punkt, an dem der Motor abgeschaltet werden sollte, deutlich nach vorne korrigiert.“ Das Ergebnis bestätigte sie. 1.232 km/kWh bzw. 81,16 Wh/100 km. Das entspricht 10.956 Kilometern pro Liter Superbenzin. Für den Weltrekord hat das Team ihren eLi14 noch einmal überarbeitet. Foto: TUfast Eco Die Maße des eLi14 sind ebenfalls beeindruckend. Auf einer Länge von 2,7 Metern ist er gerade einmal 50 Zentimeter hoch und wiegt zusammen mit den Akkupacks lediglich 20 Kilo. Die voreingestellte Geschwindigkeit lag bei 26 km/h. Seit 2011 fährt Lisa Kugler den eLi14. Sie ist die Teamleiterin und muss, um den eLi14 fahren zu können, auf dem Rücken liegend durch ihre Beine hindurch schauen. Finanzen EuGH: Gläubiger müssen Banken retten Anteilseigner und Gläubiger können für eine Bankenrettung herangezogen werden D ie Beteiligung von Anteilseignern und nachrangigen Gläubigern an einer Bankensanierung verstoße nicht gegen Unionsrecht, so die Richter. Sie urteilten im vorliegenden Fall über die Sanierung slowenischer Geldhäuser 2013. (Az: C-526/14) Die Regierung Sloweniens hatte damals mit mehr als drei Milliarden Euro Geldhäuser vor dem Kollaps bewahrt, die einen Berg fauler Kredite angehäuft hatten. Bei der Sanierung sind auch Bankaktionäre und Besitzer nachrangiger Papiere zur Kasse gebeten worden. Ein Verband von Kleinaktionären hat 2014 wegen der Maßnahmen gegen die Zentralbank Sloweniens mehrere Klagen eingereicht. Im Zusammenhang mit der damaligen Bankensanierung ermittelt die slowenische Polizei gegen EZB-Ratsmitglied Bostjan Jazbec. In dem Urteil heißt es: „Die Kommission beschränkt somit dadurch, dass sie Verhaltensnormen erlässt und durch ihre Veröffentlichung ankündigt, dass sie diese von nun an auf die von ihnen erfassten Fälle anwenden werde, selbst die Ausübung ihres Ermessens in dem Sinne, dass sie, wenn ein Mitgliedstaat bei ihr eine geplante staatliche Beihilfe anmeldet, die diesen Normen entspricht, dieses Vorhaben grundsätzlich genehmigen muss. Im Übrigen entbindet der Erlass einer Mitteilung wie der Bankenmitteilung die Kommission nicht von ihrer Pflicht, die spezifischen außergewöhnlichen Umstände zu prüfen, auf die sich ein Mitgliedstaat beruft. Vielmehr behalten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, bei der Kommission geplante staatliche Beihilfen anzumelden, die nicht den in dieser Mitteilung vorgesehe- nen Kriterien entsprechen, und kann die Kommission solche Vorhaben in Ausnahmefällen genehmigen. Folglich kann die Bankenmitteilung keine selbständigen Verpflichtungen zu Lasten der Mitgliedstaaten begründen und hat ihnen gegenüber somit keine Bindungswirkung. Zur Voraussetzung einer Beteiligung von Anteilseignern und nachrangigen Gläubigern an den Lasten für die Genehmigung einer staatlichen Beihilfe durch die Kommission weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Mitteilung auf der Grundlage einer Bestimmung des AEUV erlassen wurde, wonach die Kommission eine Beihilfe zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats als mit dem Binnenmarkt vereinbar ansehen kann. Die Lastenverteilungsmaßnahmen sollen nämlich sicherstellen, dass die Ban5 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |28/16 Die EU-Kommission kann von den Nationalstaaten verlangen, dass die Gläubiger der Banken zur Bankenrettung herangezogen werden. Foto: Flickr/CC by nc nd 2.0/ Banco de España ken, die eine Kapitallücke aufweisen, vor einer etwaigen Gewährung staatlicher Beihilfen mit ihren Investoren an einer Verringerung dieser Kapitallücke, insbesondere durch eine Mobilisierung von Eigenmitteln sowie durch einen Eigenbeitrag der nachrangigen Gläubiger, arbeiten, da solche Maßnahmen geeignet sind, die Höhe der gewährten staatlichen Beihilfe zu begrenzen. Eine gegenteilige Lösung könnte Wettbewerbsverzerrungen hervorrufen, da die Banken, deren Anteilseigner und nachrangige Gläubiger nicht zur Verringerung der Kapitallücke beigetragen hätten, eine höhe- re staatliche Beihilfe erhielten, als zur Schließung der verbleibenden Kapitallücke erforderlich gewesen wäre. Ferner hat die Kommission mit dem Erlass der Bankenmitteilung nicht in die Zuständigkeiten des Rates der Europäischen Union eingegriffen. (…) Da die Anteilseigner bis zur Höhe des Grundkapitals der Bank für deren Schulden haften, kann es im Übrigen nicht als Eingriff in ihr Eigentumsrecht angesehen werden, dass die Bankenmitteilung verlangt, dass sie zur Schließung von Kapitallücken einer Bank vor der Gewährung einer staatlichen Beihilfe 22. Juli 2016 in demselben Umfang wie beim Fehlen einer solchen staatlichen Beihilfe dazu beitragen, die Verluste der Bank zu absorbieren.“ Die Argumentation des Generalanwalts, der der EuGH in 80 Prozent der Fälle folgt, kam zu dem Ergebnis, dass die EU-Kommission das nicht darf: In seinem Vortrag im Februar hielt der Generalanwalt fest, dass die Kommission keine bindende Anweisung geben könne, dass ein Haircut bei Anleihehaltern die Voraussetzung für eine staatliche Bankenrettung sei. Dieses Thema wird am 29. Juli interessant, wenn der nächste Stresstest für die europäischen Banken veröffentlicht wird. Italienische Banken wie die Monte dei Paschi di Siena (MPS) oder die Caixa Geral de Depositos aus Portugal dürften den Test nicht bestehen. Speziell bei der MPS ist die Angelegenheit delikat: Tausende kleine Gläubiger müssen um ihre Ersparnisse fürchten. Zwar fällt die Krise der MPS eigentlich nicht unter die BRRD, weil die Probleme nicht aus einer aktuellen Bedrohung im Finanzmarkt rühren, sondern ihre Ursache in der jahrelangen Verschleppung der Sanierung durch die italienische Regierung haben, doch die Einhaltung von europäischem Recht wird in vielen Bereichen nicht mehr besonders ernst genommen. Daher ist es denkbar, dass Italien mit dem Hinweis auf den EuGH-Spruch Steuergelder auch in die MPS pumpen könnte, um einen Aufstand der Sparer zu verhindern. EU Italien: Zu hohes Defizit um Banken zu retten Italiens Bankensystem ist trotz der umfangreichen EZB-Hilfen in einer äußerst schwierigen Lage D ie faulen Kredite in ihren Bilanzen sind immens hoch und die neuen Anforderungen der EZB sind kaum zu erreichen. Doch Hilfe vom Staat ist nicht zu erwarten. Ausgerechnet der Staat, dessen größte Gläubiger die italienischen Banken sind, kann den Finanzinstituten nicht helfen, weil er selbst zu stark verschuldet ist. Grillos Partei, MoVimento 5 Stelle, hat bei den letzten Kommunalwahlen erneut punkten können. In Rom und in Turin sind zwei Frauen aus der Partei zu Bürgermeisterinnen gewählt worden. Da neben der offenen Kritik an Korruption und europäischen Sparmaßnahmen auch die Skepsis gegenüber den Finanzplänen der etablierten Parteien zum Programm der MoVimente 5 Stelle gehört, erhält die Partei zur Zeit weiteren Zuspruch in der Bevölkerung. Das italienische Bankensystem wankt seit mehr als fünf Jahren. Doch während EZB-Chef Mario Draghi das System vorübergehend etwas stützen konnte, spitzt sich die Situation gerade wieder zu. Um dem Liquiditätsengpass der europäischen Banken entgegenzuwirken und die Zinskosten für Italiens und Spaniens Anleihen zu reduzieren, spülte die EZB zudem in zwei Schritten mehr als eine Billion Euro über die 3-Jahres-Tender (LTROs) in den Markt. Ein Schritt, der neben dem bis dato bereits deutlich erhöhten Staatsanleihenkauf durch die EZB die Bilanz der Europäischen Zentralbank massiv aufblähte. Zwischenzeitlich lag 6 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |28/16 Renzi ist auf die Hilfe der EU angewiesen. diese bei über drei Billionen Euro (größer als die Bilanz der Fed). Abgesehen davon, dass die europäischen Banken das Geld horteten, floss zwar tatsächlich auch ein Großteil der günstigen EZB-Kredite in die Staatsanleihen-Emissionen Italiens und Spaniens. Doch das Geld der spanischen und italienischen Banken ist fast aufgebraucht. Drei Jahre später sieht es weder um die Schuldenquote des italienischen Staates noch um die Bilanzen der italienischen Banken besser aus. Die italienischen Banken, die mit Abstand die größten Gläubiger italienischer Staatsschulden sind, werden wohl kaum angesichts der öffentlichen Schuldenhöhe in Bälde ihre Gelder zurückerhalten. Die Schuldenquote liegt mit 130 Prozent des BIPs höher als in allen anderen EU-Ländern mit Ausnahme von Griechenland (175 Prozent). 2,2 Billionen Euro schuldet Italien seinen Gläubigern. Höhere Steuern werden deshalb dafür eingesetzt, die Schulden zu bedienen. Für Stützprogramme für die nationalen Ban- 22. Juli 2016 Foto: Flickr/ Università Ca‘ Foscari Venezia/CC by 2.0 ken fehlt so jedoch das Geld. Wie es um die Staatsschulden im Einzelnen bestellt ist, lässt sich schön an Rom demonstrieren. Ein Teil der italienischen Schulden geht auf die Olympischen Spiele in Rom 1960 zurück. Ähnlich wie in Griechenland und auch in Brasilien wurden Millionen ausgegeben, um die Stadt herzurichten. Doch noch heute muss Rom Schulden aus der Zeit von damals begleichen. Die Stadt schuldet mehr als 12.000 verschiedenen Gläubigern etwa 13,6 Milliarden Euro. Aber das ist noch nicht alles. Selbst Rechnungen für die mittlerweile 61 Jahre alte Metro der Stadt werden noch heute beglichen. Bloomberg zufolge werden an den Gerichten hunderte Rechtsstreitigkeiten über nicht beglichene Schulden geführt. Nicht selten geht es dabei auch um Zahlungen für Ländereien, die von der Stadt gekauft wurden, um Krankenhäuser, Straßen oder andere städtische Projekte zu bauen, sagte Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi der Nachrichtenagentur Bloomberg. Viele der Kre- Impressum Geschäftsführer: Christoph Hermann, Karmo Redaktion: Anika Schwalbe, Nicolas Dvorak. Sales Director: Kurfürstendamm 206, D-10719 Berlin. HR B 105467 B. Telefon: com. Erscheinungsweise wöchentliches Summary: 52 Mal pro www.deutsche-mittelstands-nachrichten.de dite wurden damals zu einem Zinssatz von fünf Prozent vergeben. Raggi zufolge habe aber bisher keiner der Politiker vor ihr daran gedacht, noch einmal mit den Gläubigern zu verhandeln. An Geld für die nationalen Banken, die ja selbst dem Staat damals und auch heute bei den Finanzierungen geholfen haben, ist aber derzeit entsprechend nicht zu denken. Doch die Banken benötigen dringend Geld. Allein die faulen Kredite in den Bilanzen der Finanzinstitute belaufen sich mittlerweile auf 360 Milliarden Euro. Scheitern jedoch die Banken, scheitert auch Italien. Zu groß sind die Verflechtungen. Und hier wird die EU nun nicht mehr lange darum herum kommen, einzugreifen. Denn wie Frankreich und Deutschland ist Italien tatsächlich too big to fail. Droht Italien ein Staatsbankrott könnte das für die EU und den Euroraum verheerende Folgen haben. Ein Eingriff der EZB wird diesmal jedoch nicht reichen. Denn schon jetzt sind die Zinskosten der Peripherieländer wieder gestiegen. Kaas-Lutsberg. Herausgeber: Dr. Michael Maier (V.i.S.d. §§ 55 II RStV). Philipp Schmidt. Layout: Nora Lorz. Copyright: Blogform Social Media GmbH, +49 (0) 30 / 81016030, Fax +49 (0) 30 / 81016033. Email: info@blogform-group. Jahr. Bezug: [email protected]. Mediadaten: [email protected]. 7
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