Zurück zur Normalität

Helaba Volkswirtschaft/Research
WOCHENAUSBLICK
22. Juli 2016
Zurück zur Normalität
REDAKTION
Dr. Stefan Mütze
Tel.: 0 69/91 32-38 50
[email protected]
HERAUSGEBER
Dr. Gertrud R. Traud
Chefvolkswirt/
Leitung Research
Helaba
Landesbank
Hessen-Thüringen
MAIN TOWER
Neue Mainzer Str. 52-58
60311 Frankfurt am Main
Telefon: 0 69/91 32-20 24
Telefax: 0 69/91 32-22 44
1 Die Woche im Überblick............................................................................................................. 1
1.1 Chart der Woche .................................................................................................................... 1
1.2 Wochen-Quartals-Tangente ................................................................................................... 2
1.3 Finanzmarktkalender KW 30 mit Prognosen .......................................................................... 3
2 Im Fokus...................................................................................................................................... 4
2.1 Aktien: Auf Erholungskurs ...................................................................................................... 4
2.2 USA: Mehr Wachstum und nichts Neues von der Fed ........................................................... 5
2.3 Türkei: Mit Unsicherheiten leben ............................................................................................ 6
3 Charttechnik ............................................................................................................................... 7
4 Prognosetabelle ......................................................................................................................... 8
1
Die Woche im Überblick
1.1 Chart der Woche
Dr. Stefan Mütze
Tel.: 0 69/91 32-38 50
Eurozone: Kein dynamisches Q2 – Moderater Aufschwung intakt!
% gg. Vq.
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
Die Publikation ist mit größter
Sorgfalt bearbeitet worden.
Sie enthält jedoch lediglich
unverbindliche Analysen und
Prognosen zu den gegenwärtigen und zukünftigen
Marktverhältnissen. Die Angaben beruhen auf Quellen,
die wir für zuverlässig halten,
für deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität wir
aber keine Gewähr übernehmen können. Sämtliche in
dieser Publikation getroffenen Angaben dienen der Information. Sie dürfen nicht
als Angebot oder Empfehlung für Anlageentscheidungen verstanden werden.
Die Risiken für die europäische Wirtschaft scheinen allgegenwärtig. Der zu erwartende Brexit und
der gescheiterte Putschversuch in der Türkei dürften sich negativ auf die Erwartungen niederschlagen und das ifo-Geschäftsklima für Juli drücken. Allerdings besteht auch kein Anlass für
überbordenden Pessimismus. Die Einkaufsmanagerindizes haben gezeigt, dass beide Ereignisse
nur zu überschaubaren Rückschlägen führen. Der moderate vom Konsum getragene Aufschwung
in Deutschland und in der Eurozone setzt sich fort, auch wenn das Wachstum im gemeinsamen
Währungsraum nach dem starken Q1 im zweiten Quartal schwächer ausgefallen ist. Die Vorabschätzung von Eurostat dürfte bei 0,3 % gegenüber dem Vorquartal liegen. Erneut stark zeigte sich
die spanische Wirtschaft mit einem Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts von 0,7 % in Q2. Deutschland dürfte wenig Dynamik aufgewiesen haben. In der Bauwirtschaft war es aufgrund des milden
Winters in Q1 zu Vorzieheffekten gekommen. Vom Einzelhandel gingen keine Impulse mehr aus,
vor allem weil der Ölpreis deutlich angestiegen ist und die Flüchtlingszuwanderung nachgelassen
hat. Dies deutet auf eine nur verhaltene Entwicklung des privaten Konsums hin.
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W OCHENAUSBLICK
Christian Apelt, CFA
Tel.: 0 69/91 32-47 26
1.2 Wochen-Quartals-Tangente
Der Ausnahmezustand greift um sich. Nach Frankreich gilt dieser nun auch in der Türkei. In der
Geldpolitik herrscht er in Form von Negativzinsen und Anleihekaufprogrammen schon seit längerem. Erwartungsgemäß hielt sich die EZB auf ihrer jüngsten Sitzung zwar zurück. Ihr Präsident
Draghi erklärte sich aber einmal mehr dazu bereit, im Zweifelsfall alle notwendigen Maßnahmen zu
ergreifen. Der September-Termin dürfte spannender werden, wenn einige Konjunkturdaten nach
dem Brexit-Votum vorliegen und die Notenbank ihre neuen Projektionen veröffentlicht. Gut möglich
ist, dass sie bereits dann ihre Anleihekäufe über den März 2017 hinaus verlängert. Jenseits der
unter Druck geratenen türkischen Aktien bzw. Währung (S. 6) deuten die Signale eher eine weitere
Entspannung an. Der Brexit verschwindet allmählich aus den Schlagzeilen. In den USA kletterten
die führenden Aktienindizes auf neue Allzeithochs und der DAX legte ebenfalls zu. Die zehnjährige
Bund-Rendite versuchte wieder positives Terrain zu erobern. Während der US-Dollar etwas aufwertete, gab der Rohölpreis nach.
In der Berichtswoche stehen vor allem Wachstumsdaten an. In den ersten Schätzungen für das
zweite Quartal dürfte das BIP-Wachstum in den USA und sogar auch in Großbritannien – jedoch
vor dem Brexit-Votum – recht robust ausfallen. Deutlich bescheidener zeigt sich hingegen wohl die
Konjunkturdynamik in der Eurozone. Des Weiteren werden einige Stimmungsindikatoren veröffentlicht. Die Einkaufsmanagerindizes der Eurozone gingen nach dem Brexit nur leicht zurück – in
Großbritannien war die Abschwächung wenig überraschend ausgeprägter. Das deutsche ifoGeschäftsklima sollte sich nur ein wenig verschlechtern. Dies unterstreicht, dass sich die konjunkturellen Folgen des EU-Referendums jenseits von Großbritannien in Grenzen halten werden. Daher dürfte sich die Stimmung an den Finanzmärkten, insbesondere den Aktienmärkten, in den
nächsten Monaten weiter verbessern – ungeachtet temporärer Rückschläge (S. 4). Die anstehende US-Notenbanksitzung, gewöhnlich ein Hauptereignis, ist zurzeit in den Hintergrund getreten.
Vermutlich wird die zögerliche Fed einmal mehr ihre Warteposition nicht verlassen (S. 5). Mittelfristig wird sie dagegen schon auf den Weg zu einer geldpolitischen Normalisierung zurückkehren,
was den US-Dollar und die Treasury-Renditen begünstigt. Anders dagegen reagiert wohl die japanische Notenbank, die ihr Anleihekaufprogramm erweitern dürfte. Damit würde sich dort der Ausnahmezustand verschärfen.
Finanzmarktrückblick und -prognosen
Veränderung seit...
31.12.2015 14.07.2016
aktueller
Stand*
jeweils gg. Euro, %
jeweils gg. Euro
Q3/2016
Q4/2016
Q1/2017
US-Dollar
-1,5
0,9
1,10
1,05
1,00
1,00
Japanischer Yen
12,0
0,4
117
105
105
110
Britisches Pfund
-11,6
0,0
0,83
0,90
0,90
0,90
0,3
1,09
1,05
1,00
1,05
-0,30
-0,30
-0,30
Schweizer Franken
0,1
in Bp
3M Euribor
3M USD Libor
%
-17
0
-0,30
9
2
0,70
0,65
0,90
1,15
10 jähr. Bundesanleihen
-65
2
-0,02
-0,10
0,10
0,20
10 jähr. Swapsatz
-64
3
0,36
0,40
0,60
0,70
10 jähr. US-Treasuries
-71
2
1,56
1,50
1,90
2,10
10.200
10.800
11.300
42
43
45
1.450
1.500
1.400
%
DAX
-5,5
Index
0,9
10.156
%
Brentöl $/B
23,9
-2,5
46
Gold $/U
25,4
-0,3
1.331
*Schlusskurse vom 21.07.2016
Bei Prognoseänderungen sind die vorherigen Werte in Klammern gesetzt
Quellen: Bloomberg, Helaba Volkswirtschaft/Research
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1.3 Finanzmarktkalender KW 30 mit Prognosen
Zeit
Land
Periode
Indikator
HelabaBloom berg
Vorperiode
Prognose Consensus
Montag, 25.07.2016
10:00
DE
Jul
ifo-Geschäftsklima
107,7
107,5
108,7
Dienstag, 26.07.2016
16:00
US
Jun
Neubauverkäufe, Tsd. (JR)
550
560
551
16:00
US
Jul
Verbrauchervertrauen (CB); Index
96,0
95,5
98,0
Aug
GfK-Konsumklima, Index
10,0
9,9
10,1
Geldmenge M3
% 3 mma
% y/y
BIP 1. Schätzung, % q/q
4,8
4,9
0,6
k.A.
5,0
0,5
4,8
4,9
0,4
Auftragseingang langlebige Güter,
% m/m
-4,0
-1,0
-2,3
FOMC-Zinsentscheidung; %
0,5
0,5
0,5
Mittw och, 27.07.2016
08:00
DE
10:00
EZ
Jun
10:30
UK
Q2
14:30
US
Jun
20:00
US
Donnerstag, 28.07.2016
09:55
DE
Jul
Arbeitslose s.b.; gg. Vm. in Tsd.
-5,0
0
-6
09:55
DE
Jul
Arbeitslosenquote; n.s.a./s.a., %
6,0 / 6,1
k.A. / 6,1
5,9 / 6,1
11:00
EZ
Jul
-3,3
-7,9
-3,5
-7,9
-2,8
-7,3
14:00
DE
Jul
0,3
0,4
0,3
0,4
0,1
0,3
14:30
US
23. Jul
Erstanträge auf
Arbeitslosenunterstützung, Tsd
260
k.A.
253
Bank of Japan Zinsentscheid; %
-0,1
-0,1
-0,1
Arbeitslosenquote; %
10,1
10,1
10,1
0,3
1,6
0,3
1,5
0,6
1,7
-0,5
0,2
k.A.
0,2
0,2
0,1
-0,7
0,8
k.A.
0,9
0,0
0,9
EU-Kommission; Saldo:
Industrievertrauen
Konsumentenvertrauen
Verbraucherpreise
% m/m
% y/y
Freitag, 29.07.2016
JP
11:00
EZ
Jun
BIP 1. Schätzung
% q/q
% y/y
Konsumentenpreise
Frühschätzung
% m/m
% y/y
Konsumentenpreise Kernrate
Frühschätzung
% m/m
% y/y
11:00
EZ
Q2
11:00
EZ
Jul
11:00
EZ
Jul
14:30
US
Q2
BIP (1. Schätzung), % q/q (JR)
2,8
2,6
1,1
14:30
US
Q2
Arbeitskostenindex, % q/q
0,6
0,6
0,6
55,0
53,0
56,8
0,2
-4,9
-0,1
1,1
0,9
-5,5
0,5
2,0
-0,1
k.A.
0,7
0,8
15:30
US
15:45
US
19:00
US
San Francisco Fed Präsident
Williams
Jul
Einkaufsmanagerindex Chicago
Dallas Fed Präsident Kaplan
im Laufe der Woche
08:00
DE
Jun
08:00
DE
Jun
Importpreise
% m/m
% y/y
Einzelhandelsumsatz
% m/m, real s.a.
% y/y, real s.a.
Quellen: B lo o mberg, Helaba Vo lkswirtschaft/Research
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W OCHENAUSBLICK
2
Im Fokus
2.1 Aktien: Auf Erholungskurs
Markus Reinwand, CFA
Tel.: 069/91 32-47 23
Aktien konnten die Kursverluste nach dem EU-Referendum zumeist zügig wettmachen. Wir bleiben bei unserer Einschätzung, dass es lediglich zu einer Verzögerung im von uns zu Jahresbeginn avisierten „Erholungsfahrplan“ kommen wird.
Aktien konnten in den vergangenen Wochen zumeist deutlich zulegen. Der britische FTSE 100
notiert inzwischen höher als vor dem EU-Referendum, die US-Leitindizes S&P 500 und Dow Jones
Industrials erreichten zuletzt sogar neue Allzeithochs. DAX und EURO STOXX 50 haben die durch
das britische Nein zur EU verursachten Kursverluste fast schon wieder wettgemacht. Damit scheint
sich unsere Einschätzung zu bestätigen, dass der „Brexit“ lediglich zu einer Verzögerung im von
uns zu Jahresbeginn avisierten „Erholungsfahrplan“ führen wird. Schneller als erwartet hat sich die
Brexit-Verunsicherung der Marktteilnehmer gelegt. Die implizite Volatilität ist hierzulande auf den
niedrigsten Stand seit Sommer letzten Jahres gefallen. Mit einem Wert von rund 18 % liegt der
VDAX allerdings noch deutlich über dem zyklischen Tiefststand vom Sommer 2014 bei rund 12 %.
Dies zeigt, dass nach wie vor eine gewisse Skepsis vorherrscht. Deutlich optimistischer sind Anleger offensichtlich für US-Aktien gestimmt. Der VIX – das Gegenstück zum VDAX – ist nur noch
wenige Punkte von den 2014er Tiefstständen entfernt.
Risikoaversion
schnell verflogen
„Brexit-Scharte“ zumeist schon ausgewetzt
Euro-Titel mit Bewertungsvorteilen
Kursindizes in Landeswährung, indexiert: 23.6.2016 =100
Abweichung vom Normalwert
115
115
110
EU-Referendum
FTSE 100
110
105
105
100
100
95
95
90
90
S&P 500
EURO STOXX 50
85
80
85
80
J
F
M
A
M
J
J
Quellen: Bloomberg, Helaba Volkswirtschaft/Research
Euro-Aktien
attraktiv
1,5
1,5
Bewertungsdifferenz* US-Aktien / Euro-Aktien
1,0
1,0
Euro-Aktien relativ günstig
0,5
0,5
0,0
0,0
-0,5
-0,5
-1,0
-1,0
US-Aktien relativ günstig
-1,5
-1,5
04
05
06
07
08
09
10
11
12
13
14
15
16
* bestehend aus KGV, KCV, KBV und Kehrwert Dividendenrendite
Quellen: Datastream, Helaba Volkswirtschaft/Research
Die Gründe für die Bevorzugung von Übersee-Titeln sind vielfältig: Zum einen sind Anleger offensichtlich bereit, eine Prämie für eine im Vergleich zu Europa geringere politische Unsicherheit zu
zahlen. Zum anderen konnten die Konjunkturdaten in den USA anders als die aus dem Euroraum
zuletzt mehrheitlich positiv überraschen. Allerdings sollte die Outperformance von US-Aktien nicht
einfach fortgeschrieben werden. Immerhin ist die transatlantische Bewertungsdifferenz mittlerweile
extrem ausgeprägt. Während sich DAX und EURO STOXX 50 derzeit in der Mitte ihres historischen Bewertungsbandes bewegen, hat der S&P 500 durch den jüngsten Kursanstieg wieder den
oberen Rand des Normalbereiches erreicht. Auch wenn die US-Notenbank weiterhin einen ausgesprochen behutsamen Zinserhöhungskurs fahren wird, besteht kaum noch Raum für sichtbar höhere Bewertungen. Für weitere nachhaltige Kursanstiege müsste die Dynamik der Unternehmensgewinne zunehmen. Verglichen mit den vorangegangenen Quartalen ist der Anteil positiver Gewinnüberraschungen in der gerade angelaufenen US-Berichtssaison bislang aber eher unterdurchschnittlich. Entsprechend werden die Gewinnschätzungen – ähnlich wie hierzulande – per
saldo weiter leicht nach unten revidiert. Dies- und jenseits des Atlantiks unterscheiden sich die
Gewinnerwartungen gegenwärtig kaum. Dennoch sind hiesige Aktien hinsichtlich der Bewertung
wesentlich attraktiver. Dies eröffnet ihnen auf Sicht der kommenden Monate u.E. deutlich mehr
Kursspielraum. Zwar kann insbesondere die politische Gemengelage immer wieder zu kurzfristigen
Irritationen führen. Angesichts weiterhin hoher Liquidität und eines insgesamt stabilen Wachstums
der Weltwirtschaft bieten etwaige Kursrücksetzer aber Gelegenheit zum Positionsausbau.
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W OCHENAUSBLICK
Patrick Franke
Tel.: 0 69/91 32-47 38
2.2 USA: Mehr Wachstum und nichts Neues von der Fed
In der Berichtswoche tagt das FOMC. Eine Zinserhöhung ist allerdings ziemlich unwahrscheinlich
und – wie gewohnt – wird die Fed klare Signale schuldig bleiben. Am Freitag werden dann zusammen mit den Wachstumszahlen zum Q2 auch die revidierten Daten für die vergangenen drei
Jahre veröffentlicht.
Fed zögert weiter
Nach dem Beschluss der Briten, die EU zu verlassen, haben wir unsere Prognose für den USLeitzins geändert und erwarten nur noch einen Zinsschritt in diesem Jahr. Ist dies plausibel und
wann wird er kommen? Zwei von drei Komponenten unserer Fed-Prognose vom Frühjahr haben
Bestand. Das Wachstum dürfte im Schnitt der kommenden Quartale oberhalb des Trends von 2 %
bleiben. Die Arbeitslosigkeit wird weiter fallen, obwohl bereits „Vollbeschäftigung“ erreicht ist. 2017
sollte dann die 4 %-Marke erreicht werden. Geändert hat sich allerdings der Ausblick für die Teuerung. Als Folge des „Brexit“ haben wir unsere Prognose für den Ölpreis nach unten angepasst.
Dies dämpft auch den erwarteten Anstieg der Teuerungsrate. Statt im Frühjahr auf fast 3 % zu
steigen, wird der Preisanstieg nun seinen Gipfel wohl bei rund 2,5 % erreichen. Von dieser Seite
lässt der Zinserhöhungsdruck also etwas nach – und die Fed hat in den vergangenen Jahren unter
Beweis gestellt, dass positive Überraschungen am Arbeitsmarkt sie nicht handeln lassen.
Was das Timing des nächsten Zinsschrittes angeht, spielt der Unsicherheitsschub infolge des
Brexit sicher eine gewisse Rolle. Bisher haben die Finanzmärkte eher weniger heftig reagiert als
wir unterstellt hatten. Die monetären Bedingungen in den USA haben sich zuletzt sogar wieder
gelockert. Allerdings dürfte die Fed abwarten, ob sich der Brexit in den Konjunkturdaten nicht negativ bemerkbar macht. Hinzu kommt die Revision der Wachstumszahlen (siehe unten), die das
Konjunkturbild ebenfalls ändern könnte. Angesichts des aus Sicht der Mehrheit der Notenbanker
geringen Handlungsdrucks ist kein Anlass erkennbar, auf dieser Sitzung „an der Zinsschraube zu
drehen“. Wahrscheinlich wird dies erst wieder im Dezember passieren.
Analysten sehen Zinsschritt mehrheitlich im Q4
Wie üblich: Frühjahrsbelebung
Wann kommt der nächste Zinsschritt der Fed? (Zahl der Antworten)*
Reale Veränderung gegenüber Vorquartal, Jahresrate in %
5
Q3 2016; 10
Später; 27
5
Konsum
4
4
3
3
2
2
1
1
0
0
Bruttoinlandsprodukt
-1
Q4 2016; 39
-2
2014
* Bloomberg-Umfrage vom 8. bis 13.Juli. 76 abgegebene Prognosen.
Quellen: Bloomberg, Helaba Volkswirtschaft/Research.
Wachstum wieder
über Trend
-1
-2
2015
2016
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research. Q2 2016 Helaba Prognose.
Nach einem relativ schwachen Winterhalbjahr zeichnet sich für das Q2 ein wieder deutlich höheres
Wachstum ab. Das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte mit einer annualisierten Rate von fast
3 % gewachsen sein. Beim privaten Verbrauch zeichnet sich sogar ein Zuwachs von rund 4 % ab.
Gebremst wird das Wachstum weiter von den Unternehmensinvestitionen, wo die Korrektur im
Bergbau- und Energiesektor andauert, sowohl beim Gewerbebau als auch bei den Ausrüstungen.
Die Lager dürften im Q2 ebenfalls weniger stark aufgestockt worden sein, was das BIP dämpfen
wird. Die Prognoseunsicherheit ist – wie jedes Jahr – im Juli jedoch besonders groß, weil die Statistiker mit der ersten Schätzung des Q2 auch die Historie revidieren, diesmal bis ins Jahr 2013
zurück. Dadurch könnte sich das Quartalsprofil ebenso verschieben wie der „Aufsetzpunkt“ der
Wachstumsrate im Q1. Wir werden nach der Veröffentlichung der Daten unsere USKonjunkturprognose überprüfen. Die neuen Daten und der aktualisierte Ausblick werden dann in
einem „USA Aktuell“ thematisiert.
H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 2 2 . J U L I 2 0 1 6 · © H E L A B A
5
W OCHENAUSBLICK
2.3 Türkei: Mit Unsicherheiten leben
Ulrich Rathfelder
Tel.: 0 69/91 32-20 32
Es scheint, dass der erfolglose Putschversuch von Teilen des Militärs Mitte Juli 2016 die Position
von Präsident Erdogan und seiner AKP-Regierung noch gestärkt hat. Letztlich werden jedoch die
vielfältigen innenpolitischen Konfliktfelder, wie etwa die Kurdenfrage oder die Meinungsfreiheit,
trotz des zunehmend autoritären Regierungsstils weiter bestehen. Außenpolitisch ist eine flexible,
d.h. eine nicht vorhersehbare Positionierung der Regierung im Syrienkonflikt, gegenüber der EU
etwa bei der Flüchtlingsfrage, gegenüber den USA sowie im Hinblick auf Russland zu erwarten.
Die Achillesferse der türkischen Wirtschaft ist und bleibt die Abhängigkeit vom Zufluss kurzfristigen
Anlagekapitals. Bemerkenswert ist, dass dieser Zufluss bisher krisenresistent war. Die Zentralbank
war lediglich Anfang 2014 gezwungen, die Leitzinsen vorübergehend massiv anzuheben, um den
Kursverfall der türkischen Lira zu stoppen. Dieser war durch die Erwartung steigender US-Zinsen
ausgelöst worden, was nicht nur die Türkei, sondern auch andere Schwellenländer mit Leistungsbilanzdefizit und hoher Auslandsverschuldung getroffen hat. Seither konnten die Leitzinsen wieder
deutlich gesenkt werden. Der Euro-Lirakurs als Indikator für die externe Liquiditätsverfassung
tendierte seit Ende 2015 nach dem Wahlsieg der AKP bei den Parlamentswahlen unter Schwankungen seitwärts.
Prognoseübersicht Türkei
Bisher überwiegend ausreichende Liquidität
TRY
2014
2015
2016p
2017p
% gg. Vj.
3,0
4,0
3,0
3,5
Budgetsaldo
% des BIP
-1,3
-1,2
-1,7
-1,8
Leistungsbilanzsaldo
% des BIP
-5,4
-4,5
-4,5
-5,0
%
10,0
10,3
10,0
9,5
% gg. Vj.
8,9
7,7
7,5
BIP, real
Arbeitslosenquote (EU)
Inflationsrate
Quellen: EIU, Helaba Volkswirtschaft/Research
Wirtschaftsstruktur
von arbeitsintensiven
Sektoren geprägt
%
7,0
p=Prognose
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
Das Wirtschaftswachstum dürfte 2016 infolge der deutlich fallenden Tourismuseinnahmen angesichts gestiegener Sicherheitsrisiken, der politischen Unsicherheiten sowie schwacher Investitionen auf etwa 3 % zurückgehen. Diese Prognose steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass sich
die innenpolitische Lage beruhigt. Konjunkturell hilfreich war zwar die kräftige Anhebung des Mindestlohnes um 30 % Anfang 2016. Der private Konsum stützt daher vorerst das Wachstum. Für die
Standortqualität war dies jedoch nachteilig, denn das Produktivitätswachstum lag in den letzten
Jahren ohnehin unter der realen Lohnzunahme. Strukturell wichtige arbeitsintensive Sektoren wie
die Textilindustrie, die Landwirtschaft und der Tourismus werden zusätzlich belastet und die Arbeitslosenquote verharrt voraussichtlich bei 10 %.
Durch den Ölpreisrückgang verringerte sich das Leistungsbilanzdefizit 2015 leicht auf 4,5 % des
BIP. Es dürfte auf diesem Niveau unter der Voraussetzung bleiben, dass der Tourismus nicht noch
stärker zurückgeht. Allgemein weist die Türkei nur mittlere Standortqualitäten auf und Direktinvestitionen finanzieren weniger als die Hälfte des Leistungsbilanzdefizits. Die überwiegend vom privaten Sektor aufgenommene Auslandsverschuldung liegt bei hohen 200 % der gesamten Deviseneinnahmen und Abwertungen der Lira könnten einzelne Schuldner empfindsam treffen. Den außenwirtschaftlichen Schwächen stehen allerdings solide Staatsfinanzen mit einer niedrigen Staatsverschuldung (35 % des BIP) gegenüber. Die vorwiegend langfristig und fest verzinst in Lira aufgenommenen Staatsschulden gewährleisten die Bonität des Staates. Wichtiger als auf fiskalische
Impulse zu setzen ist aber, die im Januar vorgestellte Reformagenda u.a. für flexiblere Arbeitsmärkte, bessere Investitionsbedingungen und ein effizienteres Steuersystem umzusetzen.
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W OCHENAUSBLICK
3
Charttechnik
Bund-Future: Korrektur
Widerstände:
166,87
167,47
168,13
MACD
Unterstützungen:
165,64
165,10
163,65
Bund-Future (daily)
Der Future hat sich abgeschwächt und ein Wochentief bei
165,63 markiert. Damit befindet sich das 38,2 %Retracement des Anstiegs von 160,43 bis 168,86 bei
165,64 im Test. Die Indikatoren im Tageschart stehen
mehrheitlich auf Verkauf und so ist eine fortgesetzte Korrektur nicht auszuschließen. Das 61,8 %-Level lokalisieren wir
bei 163,65. Auf dem Weg dorthin ist die Trendunterstützungslinie, des im April begonnen Aufwärtsimpulses zu
nennen (im Wochenchart bei 165,10). Ein Bruch dieser
Marke könnte die Abwärtsdynamik deutlich erhöhen.
Quellen: Reuters, Helaba Volkswirtschaft/Research
Ralf Umlauf (Tel.: 069/9132-1891)
Euro: Mit Risiken behaftet
Widerstände:
Unterstützungen:
MACD
EUR-USD (daily)
1,1083
1,1000
1,1200
1,0910
1,1237
1,0822
Trotz der zunächst freundlicheren Entwicklung der Indikatoren im Tageschart konnte sich der Euro in der abgelaufenen
Woche nicht weiter festigen. Ein Test der Widerstände bei
1,1200 und in Form der 100-Tagelinie blieb aus. Im Gegenzug wurde die Marke von 1,10 zeitweilig unterschritten.
Mithin bleiben Risiken auf der Unterseite erhalten, zumal
die Indikatoren auch auf Wochenbasis als belastend einzustufen sind. Rutscht der Euro unter das Tief von Ende Juni
(1,0910), eröffnet sich Potenzial bis 1,0822 und folgend
käme wohl die Zone um 1,05 ins Visier der Marktteilnehmer.
Quellen: Reuters, Helaba Volkswirtschaft/Research
Ralf Umlauf (Tel.: 069/9132-1891)
DAX: 200-Tagelinie im Fokus
Widerstände:
ICHIMOKU / DMI
DAX (daily)
Unterstützungen:
10.190
10.317
10.368
9.980
9.918
9.829
Seit einigen Tagen kämpft der DAX mit der vielbeachteten
200-Tage-Durchschnittslinie (10.072) und bewegt sich zudem im Bereich der oberen Begrenzung einer linearen
Regressionszone bei 10.109 Zählern. Entsprechend steht
die Frage im Raum, ob der Index über ausreichend Kraft
verfügt, um sich von der skizzierten Zone nach oben abzusetzen oder eine überfällige Korrekturbewegung ansteht.
Für Letztgenannte spricht die überkaufte Situation sowie
das nachlassende Momentum. Ein Schlusskurs unter
10.064 würde die Wahrscheinlichkeit dafür erhöhen.
Quellen: Reuters, Helaba Volkswirtschaft/Research
Christian Schmidt (Tel.: 069/9132-2388)
Bitte beachten Sie: Die Ausführungen auf dieser Seite basieren ausschließlich auf der Technischen Analyse und sind kurzfristig orientiert. Die fundamentalen Analysen mit einer mittel- und
langfristigen, strategischen Ausrichtung gehen nicht in diese Betrachtungen ein.
H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 2 2 . J U L I 2 0 1 6 · © H E L A B A
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W OCHENAUSBLICK
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Prognosetabelle
Euroland
Bruttoinlandsprodukt
Verbraucherpreise
reale Veränderung gg. Vorjahr, %
Veränderung gg. Vorjahr, %
2014
2015
2016p
2017p
2014
2015
2016p
2017p
0,9
1,6
1,6
1,4
0,4
0,0
0,4
1,4
Deutschland
1,6
1,4
1,6
1,3
0,9
0,3
0,6
1,5
Frankreich
0,7
1,2
1,4
1,3
0,6
0,1
0,4
1,4
Italien
-0,3
0,6
1,1
1,4
0,2
0,1
0,2
1,3
Spanien
1,4
3,2
2,7
1,9
-0,2
-0,6
-0,1
1,3
Niederlande
1,4
2,0
1,4
1,7
0,3
0,2
0,7
1,2
Österreich
0,4
0,9
1,3
1,4
1,7
0,9
1,1
1,6
Griechenland
0,7
-0,3
-0,7
1,4
-1,4
-1,1
-0,1
1,0
Portugal
0,9
1,5
1,3
1,5
-0,2
0,5
0,4
1,0
Irland
8,4
26,3
4,7
3,0
0,3
0,0
0,2
1,4
Großbritannien
3,1
2,2
1,3
0,7
1,5
0,1
0,9
2,7
Schw eiz
1,9
0,8
1,0
1,3
-0,1
-1,1
-0,7
0,4
Schw eden
2,3
4,2
3,4
2,5
-0,2
0,0
0,6
1,6
Norw egen
2,2
1,6
1,3
1,4
2,0
2,1
2,8
2,1
Polen
3,3
3,6
3,0
2,7
0,0
-0,9
-0,6
2,0
Ungarn
3,7
2,9
2,0
2,7
-0,2
-0,1
0,3
2,2
Tschechien
2,0
4,2
2,4
2,5
0,4
0,3
0,6
1,9
Russland
0,6
-3,7
-1,5
1,5
7,8
15,5
8,0
5,5
USA
2,4
2,4
2,0
2,5
1,6
0,1
1,2
2,2
Japan
-0,1
0,6
0,4
0,7
2,7
0,8
0,0
0,5
Asien ohne Japan
5,7
5,4
5,1
5,0
3,6
2,5
2,8
3,1
China
7,3
6,9
6,5
6,0
2,1
1,5
1,9
2,3
Indien
7,2
7,0
6,8
6,5
6,7
4,9
5,1
5,5
1,3
0,0
0,2
2,0
10,7
13,0
17,0
14,0
0,1
-3,8
-3,0
1,0
6,3
9,0
8,5
5,5
3,2
2,9
2,8
3,2
3,1
2,8
3,2
3,4
Lateinamerika
Brasilien
Welt
p = Prognose; BIP-Wachstum soweit verfügbar kalenderbereinigt
Quellen: EIU, Macrobond, Datastream, Helaba Volkswirtschaft/Research
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