Schwerpunkt | Betriebliche Altersversorgung Rechtssichere Gestaltung der Entgeltumwandlung Auch für eine Direktversicherung mit Arbeitgeberzuschuss ist eine Versorgungsordnung notwendig. Vielen Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Vermittlern ist nicht bewusst, dass ein Kollektivvertrag diese nicht ersetzen kann. Andreas Buttler Die betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung ist seit vielen Jahren fest in der Hand der Versicherungswirtschaft. Selbst große Unternehmen regeln ihre Direkt versicherungen durch Entgeltumwandlung häufig ausschließlich durch den Abschluss ei nes Kollektivvertrages. Den meisten Arbeit gebern und Arbeitnehmern sowie vielen Ver mittlern ist dabei gar nicht bewusst, dass auch die Entgeltumwandlung auf einer arbeitsrecht lichen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beruht und der Kollektiv vertrag eine Versorgungsordnung deshalb nicht ersetzen kann. Dieser Beitrag soll bei spielhaft zeigen, warum auch für Direktver sicherungen durch Entgeltumwandlung mit Arbeitgeberzuschuss die Erstellung einer Ver sorgungsordnung notwendig ist und wie eine solche rechtssicher und einfach erstellt wer den kann. Der Rechtsanspruch des Arbeitnehmers Die Entgeltumwandlungsvereinbarung regelt die Rechtsbeziehung zwischen Arbeit geber und dem teilnehmenden Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer verzichtet dabei endgültig auf einen Teil seiner Vergütung und erhält stattdessen vom Arbeitgeber eine Zusage auf Leistungen der betrieblichen Altersversor gung. Diese Leistung erbringt der Arbeitge ber, indem er zugunsten des Arbeitnehmers einen Versicherungsvertrag abschließt (Di rektversicherung). Der Versicherungsvertrag selbst regelt aber nur die Rechtsbeziehung zwi schen Arbeitgeber und Versicherer. Der Ver sicherer kann verständlicherweise nur für sol che Leistungen aufkommen, die auch im Ta rif einkalkuliert sind. Dies deckt sich aber nicht immer vollständig mit den arbeitsrecht lichen Verpflichtungen des Arbeitgebers. Meist versucht der Versicherer die wichtigsten ar beitsrechtlichen Regelungen zwischen Arbeit geber und Arbeitnehmer im Versicherungs vertrag oder in ergänzenden Formularen zu regeln. Ob das reicht, stellt sich in der Regel erst im Ernstfall heraus – wenn es für eine einvernehmliche Regelung meist zu spät ist. 100 Versicherungswirtschaft Heft 2 15. Januar 2012 Der Geltungsbereich des Kollektivvertra ges ist in der Regel sehr weit gefasst, das heißt alle Mitarbeiter sind berechtigt, die Entgelt umwandlung bis zu den Grenzen des § 3 Nr. 63 EStG (4% der BBG zzgl. 1 800 Euro) zu nutzen. Außerdem enthält der Vertrag in der Praxis eine Bestätigung des Arbeitgebers, dass alle Beiträge nach § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei geleis tet werden, sofern nicht explizit eine andere Besteuerung gemeldet wird. Das bedeutet aber nicht, dass auch alle Mitarbeiter die steuerliche Förderung des § 3 Nr. 63 EStG nutzen können. Denn diese gilt zum Beispiel nicht für Mitar beiter die nur im Rahmen eines Nebenjobs (Minijobber) oder freiberuflich tätig sind. Mit arbeiter, die bereits die Förderung nach § 40 b EStG bei einem anderen Versicherer nutzen, können den Freibetrag von 1 800 Euro nicht nutzen. Auch die Frage, ob eine bAV aus Tarif lohn überhaupt oder im vorliegenden Kollek tivvertrag möglich ist, wird hierdurch nicht geklärt. Unter Umständen liegt es auch im Interes se des Arbeitgebers, den Geltungsbereich wei ter einzuschränken. Das ist meist dann der Fall, wenn der Arbeitgeber einen Zuschuss zur Ent geltumwandlung gewährt, z.B. in Höhe von 20 Prozent der jeweiligen Entgeltumwandlung. Hintergrund für diesen Zuschuss ist meist die Sozialversicherungsersparnis des Arbeitgebers. Die fällt aber nicht an, wenn der Mitarbeiter ohnehin bereits über der BBG v erdient oder wenn er den Freibetrag von 1 800 Euro nutzt. Sollte die Sozialversicherungsfreiheit der Ent geltumwandlung zukünftig einmal entfallen, so werden viele Arbeitgeber sicherlich froh sein, wenn ihr Berater ihnen bei Einrichtung gera ten hatte, die Zahlung des Zuschusses an die Voraussetzung zu knüpfen, dass mit der Ent geltumwandlung auch Sozialversicherungsbei träge gespart werden können. Typische unvollständige Regelungen Zu klären ist auch, ob der Zuschuss in je dem Fall schon ab Beginn der Entgeltumwand lung gezahlt wird oder frühestens nach einer Wartezeit (z.B. ab Beendigung der Probezeit) und ob für den Zuschuss die gesetzlichen Un verfallbarkeitsfristen gelten sollen. Meist fehlen im Kollektivvertrag auch Re gelungen zur Höhe des Zuschusses in Sonder fällen, z.B. bei privat gezahlten Beiträgen in der Elternzeit oder bei Entgeltumwandlungs beträgen, die aus der Übertragung von De ckungskapital eines Vorversicherers stammen. Denn auch diese werden arbeitsrechtlich ja als Entgeltumwandlung betrachtet. Bei Einführung eines Arbeitgeberzuschus ses für die Entgeltumwandlung werden meist auch diejenigen Arbeitnehmer Ansprüche an melden, die bereits seit Jahren Entgeltum wandlungsverträge laufen haben und hierfür ebenfalls einen Zuschuss verlangen. Diese Fäl le können gar nicht im Kollektivvertrag gere gelt werden, sondern gehören in eine Versor gungsordnung. Hier muss entschieden wer den, ob der zukünftige Zuschuss bei Bestands verträgen zusätzlich in den bestehenden Ver trag eingezahlt wird (sofern das überhaupt möglich ist), ob ein zusätzlicher arbeitgeber finanzierter Vertrag beim neuen Versicherer in Höhe des Zuschusses abgeschlossen wird oder ob der Zuschuss mit der Entgeltumwand lung verrechnet wird, ohne dass der bestehen de Vertrag erhöht wird. Typische fehlende Regelungen Während unvollständige Formulierungen den Vorteil haben, dass sie wenigstens rudi mentäre Regeln festlegen, beinhalten fehlen de Regelungen die Gefahr, dass der Arbeitge ber gar keine Chance hat, seine Risiken zu er kennen und zu steuern. So kann es z.B. durchaus im Interesse des Arbeitgebers sein, ihm das Recht einzuräumen, den gewährten Zuschuss auf einen eventuell zukünftigen tarifvertraglichen oder per Be triebsvereinbarung festgelegten Zuschuss an zurechnen. Wichtig ist auch eine grundsätzli che Festlegung, dass die Regelungen des Kol lektivvertrages sinngemäß auch direkt für den Arbeitnehmer gelten. Damit wird sichergestellt, dass der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber nur dann Ansprüche geltend machen kann, Betriebliche Altersversorgung | Schwerpunkt wenn er laut Versicherungsbedingungen an spruchsberechtigt ist. Wichtig ist auch die Be nennung der Zusageart sowie die Erklärung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitneh mer, bei Ausscheiden das versicherungsver tragliche Verfahren anwenden zu wollen. Fehlt diese Regelung, so können Nachfinanzierungs risiken für den Arbeitgeber entstehen. Sinnvoll und vor allem keinesfalls schäd lich kann es auch sein, dass sich der Arbeit geber einen jederzeitigen Wechsel des Durch führungsweges vorbehält – auch wenn hier durch gegebenenfalls Steuer- und Sozialver sicherungsbeiträge beim Arbeitnehmer an fallen. Denn wer weiß heute schon, ob es nicht in zehn Jahren vielleicht einen noch viel at traktiveren Durchführungsweg gibt, den der Arbeitgeber nutzen möchte. Insbesondere in Unternehmen ohne Be triebsrat ist es außerdem ratsam, die Gesamt zusage betriebsvereinbarungsoffen zu gestal ten. Das bedeutet, dass die erteilten Zusagen durch eine spätere Betriebsvereinbarung auch dann abgelöst werden können, wenn die Be triebsvereinbarung für einzelne Arbeitneh mer Nachteile mit sich bringt. Die obigen Aus führungen enthalten nur einige Beispiele für unvollständige oder fehlende Regelungen. Die Wünsche und Gestaltungsmöglichkeiten sind auch bei der Entgeltumwandlung so vielfäl tig, dass im Idealfall bei jeder Versorgungs ordnung ein Experte hinzugezogen werden sollte, der selbstverständlich auch über die notwendigen Zulassungen verfügen muss. Doch eine individuelle Beratung durch einen spezialisierten Berater vor Ort ist meist weder praktikabel noch finanzierbar. Die Vielfalt erschwert eine Standardisierung Ein guter Kompromiss ist hier die Ver wendung ausführlicher Checklisten oder Er hebungsbögen, mit denen die individuellen Wünsche des Kunden erhoben werden. Im Idealfall leiten solche Erhebungsbögen den Berater durch das Beratungsgespräch und stel len sicher, dass keine wichtigen Regelungen vergessen werden. Leider erfüllen die wenigs ten der im Markt verwendeten Checklisten diese Voraussetzungen. Die Erfahrungen der febs Consulting GmbH zeigen, dass für die detaillierte Erfas sung der Kundenwünsche unterschiedliche Checklisten je Durchführungsweg und je Fi nanzierungsform erforderlich sind. Nur so kann verhindert werden, dass der Erhebungs bogen eine Vielzahl von Fragen enthält, die im Einzelfall völlig irrelevant sind und eher verwirren statt zu helfen. (Ein Muster eines solchen Fragebogens finden Interessierte un ter http://www.febs-consulting.de) Häufig ist zusätzlich eine telefonische Nacherhebung fehlender Angaben durch die Experten notwendig, um diese anschließend in systematische, verständliche und rechts sichere Versorgungsordnungen umzusetzen. Fazit: Zugegeben, die Erstellung einer Ver sorgungsordnung für Direktversicherungen durch Entgeltumwandlung erfordert ein we nig mehr Mühe als der bloße Abschluss eines Kollektivvertrages. Aber angesichts der Lang fristigkeit solcher Verträge sollten sich Arbeit geber dieser Mühe unterziehen. Und Versiche rungsvermittler sollten diese Chance nutzen, sich als „echte“ Berater zu positionieren. Der Autor ist Gesellschafter-Geschäftsführer der febs Consulting GmbH, die sich als gerichtlich zugelassener Rentenberater auf die Beratung rund um die bAV spezialisiert hat. Ein Bollwerk gegen den Turbo-Kapitalismus Betriebliche Altersversorgung als vertrauensbildende Maßnahme in Zeiten der Finanzkrisen Im Zusammenhang mit der betriebli chen Altersvorsorge in Deutschland gibt es Reformbedarf, sagte Thomas Dommermuth beim „Münchner Fachforum Betriebliche Ver sorgung“ der SLPM Schweizer Leben Pensi onsmanagement GmbH in München. Die mitt lerweile schon durch die fünf Durchführungs wege und drei Zusagearten geschaffene Kom plexität sollte nach Ansicht des Professors für Steuerlehre, Finanz- und Investitionswirt schaft an der Hochschule Amberg-Weiden deutlich reduziert werden. Das Haftungs- und das Kostenrisiko für die Arbeitgeber muss ebenfalls wieder spür bar vermindert werden, forderte Dommer muth. Verantwortlich für die nach wie vor ge ringe Verbreitung der betrieblichen Altersver sorgung in Deutschland sei aber der Vertrieb und dessen falscher Beratungsansatz vor al lem bei kleineren und mittleren Betrieben. Bisher hätten sich alle bAV-Berater nämlich viel zu sehr auf die Ansprache der einzelnen Arbeitnehmer konzentriert statt die Geschäfts leitungen ganzheitlich über den Nutzen für das Unternehmen zu informieren. Angesichts der demografischen Entwicklung ist diese Ver triebsstrategie für ihn unter dem Aspekt der Mitarbeitergewinnung und -bindung ziem lich unverständlich, aber ebenso im Hinblick auf die langfristige Sicherung der Kaufkraft und damit der künftigen Absatzchancen in einer alternden Gesellschaft. Vermittler haben falschen Beratungsansatz Der Vertrieb habe zudem außer Acht ge lassen, dass sowohl bei den Arbeitgebern wie bei den Arbeitnehmern eine grundsätzlich sehr positive Einstellung gegenüber der be trieblichen Alterversorgung bestehe. Aus Sicht der Mitarbeiter stelle ein bAV-Angebot des Arbeitgebers ein Zeichen der Wertschätzung dar, zitierte Dommermuth aus einer aktuel len Umfrage der Financial Times Deutschland. Gleichzeitig messen laut einer Studie der Wirt schaftsprüfungsgesellschaft KPMG 75 Pro zent aller Unternehmen der bAV in der Zu kunft eine wachsende personalpolitische Be deutung zu. Mittlerweile könne die betriebli che Altersversorgung zudem nicht nur von den unübersehbar gewordenen Problemen der gesetzlichen Rentenversicherung profitieren, sondern ebenso vom generellen Vertrauens verlust gegenüber Banken und Versicherern, machte er aufmerksam. Mehr bAV könne da her inzwischen sogar dazu beitragen, das an geschlagene Image der Marktwirtschaft wie der zu verbessern – und quasi als „Bollwerk gegen den Turbokapitalismus“ fungieren. Für Dommermuth ist deshalb nicht zu letzt ein erhebliches Defizit bei der Aufklä rung dafür verantwortlich, dass nach wie vor bisher nur rund die Hälfte der deutschen Ar beitnehmer über eine betriebliche Altersver sorgung verfügt und nach einer Umfrage der Gothaer Versicherung bei kleineren Unter nehmen vor allem die Furcht vorherrsche, dass ihnen durch sie erhebliche zusätzliche Kosten entstehen könnten. Den Arbeitnehmern soll te der Vertrieb weit stärker als bisher vermit teln, dass die bei der bAV erzielbaren Rendi ten in der Größenordnung von sechs Prozent inzwischen „einzigartig“ gut seien – und außerdem weitgehend risikolos. rem Versicherungswirtschaft Heft 2 15. Januar 2012 101
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