Ambulante Psychotherapie

Pressemitteilung
Berlin, 5. Juli 2016
Ambulante Psychotherapie: Strukturreform geht in die richtige
Richtung, ist aber nicht umfassend genug
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat mit einer Strukturreform auf die prekäre Versorgungslage in der ambulanten Psychotherapie reagiert. Eine Reihe neuer Versorgungselemente soll lange Wartezeiten und Versorgungsengpässe reduzieren. Aus Sicht der DGPPN
geht die Reform in die richtige Richtung. Doch damit auch Menschen mit schweren chronischen psychischen Erkrankungen davon profitieren, ist eine grundlegende Neustrukturierung
der gesamten ambulanten Versorgung unverzichtbar.
Mit der Einführung des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes hatte der G-BA den Auftrag erhalten,
die Angebote der ambulanten Psychotherapie zu flexibilisieren, Sprechstunden einzurichten, die
frühzeitige diagnostische Abklärung, die Akutbehandlung, die Gruppentherapien und die Rezidivprophylaxe zu fördern sowie das Antrags- und Gutachterverfahren zu vereinfachen. „Die beschlossene Strukturreform weist in die richtige Richtung. Positiv ist, dass durch die Einführung der psychotherapeutischen Sprechstunden Menschen mit psychischen Erkrankungen von einem niederschwelligen Zugang zu ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeuten profitieren. Allerdings
bestehen bedeutende strukturelle Unterschiede zur ärztlich-psychiatrischen Sprechstunde, die
gleichzeitig auch die somatische Abklärung enthält und einen wesentlich höheren Aufwand bedeutet. Außerdem befürchten wir, dass mit der Einführung der psychotherapeutischen Sprechstunden
letztlich weniger Zeit für die bisher geleisteten Therapiestunden bleibt“, stellt Dr. Christa RothSackenheim aus Andernach fest, die im Vorstand der DGPPN den Berufsverband Deutscher Psychiater (BVDP) vertritt.
Darüber hinaus sieht die Reform vor, dass für die Patienten in akuten psychischen Krisen und Ausnahmezuständen unmittelbar nach der Sprechstunde eine lediglich anzeigepflichtige psychotherapeutische Akutbehandlung beginnen kann. „Die DGPPN fordert bereits seit vielen Jahren flexiblere
Therapieangebote. Nun hat auch der G-BA erkannt, dass sich mit zeitnahen psychotherapeutischen
Interventionen die Chronifizierung psychischer Erkrankungen vermeiden lässt“, sagt DGPPN-
Vorstandsmitglied Prof. Sabine C. Herpertz aus Heidelberg. In den Neuregelungen in Bezug auf die
psychotherapeutische Rezidivprophylaxe sowie das Antrags- und Gutachterverfahren sieht die
Fachgesellschaft keine entscheidenden Durchbrüche für die künftige Versorgung erzielt. Der beabsichtigte Bürokratieabbau bleibt weit hinter den Erwartungen zurück. Positiv ist zwar, dass Einzelund Gruppentherapie zukünftig miteinander kombinierbar sind, aber leider bleibt das Antragsverfahren so aufwändig, dass zu befürchten ist, dass dadurch doch keine nachhaltige Förderung der
Gruppentherapie erreicht wird.
„Die Reform der ambulanten Psychotherapie ist zu begrüßen, sie löst aber nicht die grundlegenden
Versorgungsprobleme. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass heute nur bei einem kleinen Anteil
der Patienten mit psychischen Erkrankungen eine Richtlinienpsychotherapie erfolgt. Bei allen anderen Betroffenen sind andere – z. B. medikamentöse oder psychosoziale Interventionen oder kurzzeitige psychotherapeutische Gespräche – Behandlungsformen angezeigt. Die Neuerungen schaffen
keine neuen Kapazitäten und richten sich nur sehr begrenzt an Menschen mit schweren und chronischen Krankheitsverläufen. Eine Verbesserung der psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgung lässt sich nur im Rahmen eines umfassenderen, strukturierten, setting- und sektorenübergreifenden Gesamtkonzeptes erzielen. Die Selbstverwaltung ist deshalb aufgefordert, die nun erfolgten
ersten Reformschritte weiter voranzutreiben“, fordert DGPPN-Präsidentin Dr. Iris Hauth aus Berlin.
Kontakt
DGPPN-Pressestelle
Reinhardtstraße 27 B
10117 Berlin
Tel.: 030.2404 772-11
E-Mail: [email protected]
Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN) ist
eine medizinische Fachgesellschaft. Sie wurde 1842 gegründet und zählt heute mehr als 8500 Mitglieder. Damit ist sie die
größte und älteste wissenschaftliche Vereinigung von Ärzten und Wissenschaftlern, die in Deutschland auf den Gebieten
Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde arbeiten. Sitz der Geschäftsstelle ist Berlin.
www.dgppn.de