BayernLB Research | 24.06.2016 +++ Kurzkommentar-Ticker +++ Beachten Sie bitte den/die Hinweis/e auf der/den letzten Seite/n www.research.bayernlb.de, Bloomberg: BAYR Brexit-Schock: Was nun? Eindeutiges Votum für Brexit Wir haben monatelang auf ein hohes Brexit-Risiko hingewiesen und nun ist es tatsächlich passiert: Die Bevölkerung in UK hat mehrheitlich (51,9 zu 48,1%) für den Austritt aus der EU gestimmt. Die Wahlbeteiligung lag bei hohen 72%, fiel aber gerade in den Regionen, die mehrheitlich für den Verbleib stimmten (Schottland, Nordirland) eher schwach aus. Märkte unter Schock, aber nicht im Panik-Modus Pfund stürzt ab, starke Kursverluste am Aktienmarkt und Anstieg der Risikoprämien am Rentenmarkt An den Kapitalmärkten hat das Votum Schockwellen und starke Risk-off Bewegungen ausgelöst. Die asiatischen Aktienmärkte sind abgerutscht. In Japan wurde der Handel nach einem Minus des Nikkei um rund 8% ausgesetzt. Der deutsche Aktienindex DAX eröffnet mehr als 8% im Minus. Am Rentenmarkt fiel die Rendite für 10jährige US-Treasuries um rund 30 BP auf gut 1,4%, die 10jährige Bundrendite markierte ein neues Allzeittief bei -0,17% und Peripherie-Spreads weiteten sich deutlich aus. Als Panik ist dies allerdings noch nicht zu werten. Der Goldpreis legte um fast 5% zu und der Ölpreis fiel deutlich unter die 50 Dollar-Marke. An den Devisenmärkten sticht die Abwertung des Pfunds hervor, mit einem historischen Minus von in der Spitze 8% zum Euro und 12% zum Dollar. Die PfundAbwertung zum Euro fiel geringer aus, da der Euro durch die mit dem Brexit-Votum verbundene Sorge um den Zusammenhalt der EU ebenfalls unter Druck kam. So gab der Euro-Dollar-Kurs von 1,14 auf 1,10 USD nach. EM-Währungen, osteuropäische Währungen wie HUF und PLN sowie andere auf eine höhere Risikoaversion negativ reagierende Währungen (AUD, NZD, CAD) kamen ebenfalls stark unter Druck. Dabei war die Abwertung ebenfalls zum USD jeweils ausgeprägter als zum Euro. Politische Reaktionen – Cameron kündigt Rücktritt an, EU ringt um Geschlossenheit Brexit beendet Camerons Karriere Premierminister Cameron kündigte nach Veröffentlichung des Ergebnisses an, die Initiierung des Artikel-50-Austrittsverfahrens seinem Nachfolger zu überlassen. Er strebt den Rücktritt vom Posten des Premierministers und des Parteivorsitzenden innerhalb eines Zeitraums von 3 Monaten (bis zum kommenden Parteitag der Konservativen Partei im Oktober an). Er bekräftige seine Absicht, den eingeschlagenen innenpolitischen Reformkurs bis dahin fortzusetzen. Die schottische Regierung hat wie erwartet in Aussicht gestellt, in Reaktion auf einen EU-Austritt Großbritanniens selbst erneut ein Referendum über einen Austritt aus UK durchzuführen. Denn die schottische Bevölkerung habe sich mit 62% klar für einen Verbleib in der EU ausgesprochen. EU betont Geschlossenheit, EUKritiker fordern Referenden in anderen Ländern Auf Seiten der EU hat EU-Ratspräsident Tusk die Geschlossenheit der 27 übrigen Mitgliedsstaaten betont. Er hoffe, dass die EU aus diesem Prozess gestärkt herausgehe („Was uns nicht umbringt, macht uns stärker“). Allerdings haben sich bereits heute in wichtigen Mitgliedsländern EU- und Euro-kritische Parteien zu Wort gemeldet und jeweils ebenfalls Referenden über die EU-Mitgliedschaft in ihren Ländern gefordert. Hierzu zählen neben dem Front National in Frankreich auch die Lega Nord in Italien und die rechtspopulistische Partei von Geert Wilders in den Niederlanden. +++ Kurzkommentar-Ticker +++ vom 24.06.2016 2 Reaktionen der Notenbanken – Mehr Liquidität und FX-Interventionen BoE stellt ZusatzLiquidität in Aussicht, SNB und BoJ intervenieren am Devisenmarkt Die Bank of England hat in einer Pressekonferenz ihre Entschlossenheit betont, allen Notwendigen Maßnahmen für eine Stabilisierung der Finanzmarkte zu ergreifen. Sie stellte zusätzliche Liquiditätsmaßnahmen in Höhe von 250 Mrd. Pfund in Aussicht. Die BoE stünde mit allen wichtigen Notenbanken in Kontakt. Die Schweizer Notenbank hat bestätigt, bereits Interventionen durchgeführt zu haben, um eine noch stärkere Aufwertung des Frankens zu verhindern. Die Bank of Japan hat dies zwar noch nicht bestätigt. Die abrupte Stabilisierung des Yen als der Dollar-Yen-Kurs die Marke von 100 JPY durchbrach, spricht aber dafür, dass auch die BoJ bereits am Devisenmarkt interveniert hat. Von Seiten der EZB und der Fed gab es noch keine entschlossene Reaktion. Signale in Richtung weiterer Lockerungsmaßnahmen (EZB) bzw. einer abwartenden Haltung im Rahmen der Zinsanhebungspläne (Fed) scheinen aber nur eine Frage der Zeit. Und nun? Formale Einleitung des Artikel-50- Prozesses dürfte nur temporär aufgeschoben werden Die heutige Rede von Premierminister Cameron zeigt, dass ein unmittelbarer Beginn der Austrittsverhandlungen nicht zu erwarten ist. Vielmehr steht zunächst die Frage nach dem Nachfolger Camerons im Fokus. Wir rechnen damit, dass sich die Parteibasis hinter Boris Johnson sammeln wird, der dann – spätestens ab Oktober – als neuer Premier die Verhandlungen mit der EU führen könnte. Damit verzögert sich die Einleitung des Artikel-50Prozesses. Eine nachhaltige Erholungsrally an den Märkten aufgrund der Tatsache, dass der Brexit nicht direkt formal eingeleitet wird, erwarten wir aber nicht. Unwahrscheinlich, Interessant wird aber sein, inwiefern das britische Parlament versuchen wird, das Verhandlungsmandat der Regierung mit Blick auf die Beziehungen zur EU dahingehend zu beschränken, dass der Freihandelsgrad möglichst hoch bleibt. Vor allem bei Turbulenzen an den Finanzmärkten und Sorgen um die britische Konjunktur wäre dies denkbar. Bei einem nicht aufzulösenden Konflikt zwischen Parlament und Regierung wären Neuwahlen dann nicht auszuschließen. Wir rechnen im Basisszenario aber damit, dass die überwiegende Mehrheit der Tory-Abgeordneten (auch jene die gegen den Brexit waren) den Wunsch des Volkes respektieren und eine „Leave-Regierung“ unterstützen wird. Und zwar auch dann, wenn die Austrittspläne der Regierung aufgrund des Beharrens auf die komplette Kontrolle der Zuwanderung deutliche Einschnitte bei den Handelsbeziehungen mit der EU mit sich brächten (uneingeschränkten Zugang zum Binnenmarkt wird UK ohne gleichzeitige Personenfreizügigkeit nicht zugestanden werden). Grund für die Unterstützung im Parlament dürfte vor allem sein, dass in den allermeisten Wahlkreisen der Tory-Abgeordneten eine deutliche Zustimmung für Leave zu beobachten war. Im durchweg Pro-Remain-Schottland etwa haben die Konservativen nur einen Sitz. Ein Aufbegehren gegen eine „Leave“Regierung könnte somit für (pro-Remain) Tory-Abgeordnete politischer Selbstmord bedeuten. Sollte es zu anhaltenden Turbulenzen an den Finanzmärkten und einem längeren Wirtschaftseinbruch in UK kommen, wäre es aber vielleicht möglich, dass der Austrittsprozess wieder gestoppt wird. Dies gilt auch, da die Aussicht auf ein erneutes SchottlandReferendum die Sorgen vor einem Auseinanderbrechen von UK steigern dürften. dass ToryAbgeordnete der Leave-Regierung größere Steine in den Weg legen werden Abbruch des Artikel 50-Prozesses zu einem späteren Zeitpunkt aber theoretisch möglich Politische Fliehkräfte in der EU werden noch stärker Auf Seite der EU dürfte es schwierig werden, eine gemeinsame Verhandlungsstrategie gegenüber UK zu finden. Problematisch ist vor allem, dass europakritische Kräfte das Ergebnis nutzen dürften um Druck auf die jeweiligen Regierungen auszuüben. Im Fokus stehen hier zunächst die Niederlande, Italien, Frankreich, Schweden und Dänemark. Vor allem ein weiteres Erstarken des Front National in Frankreich vor den Präsidentschaftswahlen im April 2017 ist ein großes Risiko für die Zukunft der EU. BayernLB +++ Kurzkommentar-Ticker +++ vom 24.06.2016 3 Umso wichtiger ist daher die politische Reaktion der EU und der nationalen Regierungen in den kommenden Stunden und Tagen. Sollte es den Entscheidern nicht gelingen die Märkte von einem einheitlichen Vorgehen zu überzeugen, dürften die politischen Risikoprämien in Europa weiter ansteigen und insbesondere Assets aus der Peripherie deutlich negativ belasten. Jürgen Michels Manuel Andersch Norbert Wuthe Johannes Mayr BayernLB +++ Kurzkommentar-Ticker +++ vom 24.06.2016 4 Allgemeiner Hinweis: Diese Publikation ist lediglich eine unverbindliche Stellungnahme zu den Marktverhältnissen und den angesprochenen Anlageinstrumenten zum Zeitpunkt der Herausgabe der vorliegenden Information am 24.06.2016. Die vorliegende Publikation beruht unserer Auffassung nach auf als zuverlässig und genau geltenden allgemein zugänglichen Quellen, ohne dass wir jedoch eine Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der herangezogenen Quellen übernehmen können. Insbesondere sind die dieser Publikation zugrunde liegenden Informationen weder auf ihre Richtigkeit noch auf ihre Vollständigkeit (und Aktualität) überprüft worden. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit können wir daher nicht übernehmen. Die vorliegende Veröffentlichung dient ferner lediglich einer allgemeinen Information und ersetzt keinesfalls die persönliche anleger- und objektgerechte Beratung. Für weitere zeitnähere Informationen stehen Ihnen die jeweiligen Anlageberater zur Verfügung. Dr. Johannes Mayr Senior Economist Teamleiter Volkswirtschaft Telefon: +49 89 2171-21859 [email protected] Redaktion: Bayerische Landesbank Unternehmensbereich 5700 80277 München (=Briefadresse) [email protected] Geschäftsgebäude: Bayerische Landesbank Brienner Straße 18 80333 München (=Paketadresse) www.bayernlb.de BayernLB
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