„Männlich und weiblich schuf er sie“ Transsexualität in den Kirchen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 26.06.2016 O-Ton Zwölfer: Das erste, wo ich fünf Jahre alt war, und ich meine Mutter gefragt habe, wann ich schwanger werde? Und dann hat sie gesagt: Ja, das geht nicht, du hast keine Gebärmutter.‘ Und ich weiß noch, das war für mich fürchterlich. Die Erkenntnis, ich bin da nicht wie andere Frauen. O-Ton Horst Haupt: 90 Prozent der Bevölkerung glauben, xy ist gleich Mann. Kein Mensch glaubt, dass das Hirn ein Geschlechtsorgan ist. Sprecherin: Und Gott schuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes schuf er ihn; männlich und weiblich schuf er sie. O-Ton Elke Spörkel: Es geht so weit, dass Menschen, die ich gut kenne, gerade bei den Amtshandlungen, eine Beerdigung nicht von mir durchführen lassen. Das trifft jedes Mal sehr. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. „Männlich und weiblich schuf er sie“ Transsexualität in den Kirchen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 26.06.2016 O-Ton Horst Haupt: Die Hälfte verliert beim Outing ihren Arbeitsplatz. Jede Woche wird eine Klientin von mir als Transe zusammengeschlagen auf offener Straße. Sprecherin: Als Gott den Menschen schuf, machte er ihn androgyn. O-Ton Torsten Maruschke: Hier findet ein lebensumstürzender Moment statt, der gewürdigt werden muss. Sprecherin: Transsexuelle Menschen haben Körper zu leben. Das das Gefühl und die subjektive Erkenntnis, im falschen innere Geschlecht ist nicht identisch mit den äußeren Geschlechtsmerkmalen. Transsexuelle sind keine Menschen mit bestimmten sexuellen Vorlieben. Deshalb bevorzugen viele den Begriff Transidentität. O-Ton Elke Spörkel: Mein Name ist Elke Spörkel, ich bin fast 60 Jahre alt, und seit 32 Jahren Pfarrerin der Kirchengemeinde Haldern am Niederrhein. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 2 „Männlich und weiblich schuf er sie“ Transsexualität in den Kirchen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 26.06.2016 Sprecher: Elke Spörkel hat sich vor sechs Jahren öffentlich dazu bekannt, dass sie ein transsexueller Mensch ist. Die Wende in einem langen Prozess, der schon in der Kindheit begann, als der kleine Hans Gerd lieber ein Mädchen sein wollte: O-Ton Elke Spörkel: Ich hatte lange Zeit das Bild, dass ich der einzige Mensch bin auf dieser Welt, der so veranlagt ist, heimlich in ein anderes Geschlecht schlüpfen zu wollen. Ich haderte damals schon in Kindheits- und Jugendtagen mit Gott, dass der mich so veranlagt hatte. Sprecher: Hans Gerd Spörkel ließ sich später widerwillig auf die Männerrolle ein: wurde Pfarrer, gründete eine Familie. Doch als Spörkel auf die 50 zuging, veränderte sie, die sich innerlich immer als Frau fühlte, langsam das Äußere: O-Ton Elke Spörkel: Das fing damit an, seinen Bart entfernen zu lassen. Es wurden dann so Zeichen sichtbar, dass ich einen anderen Haarschnitt hatte, dass ich die Augenbrauen nicht so trug, wie ein Mann sie hat. Meine Kleidung wurde androgyner. Das war ein Prozess über viele Jahre, mich diesem inneren Bild anzugleichen. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 3 „Männlich und weiblich schuf er sie“ Transsexualität in den Kirchen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 26.06.2016 Sprecher: Das innere Bild war eindeutig das einer Frau. Dass sie sich auch äußerlich vom Er zur Sie veränderte, blieb der Gemeinde natürlich nicht verborgen: O-Ton Elke Spörkel: Ich glaube, in keinem anderen Beruf ist man auf eine Rolle so fixiert wie in dem Beruf als Pfarrer und Pfarrerin. Als es meine Veränderung gab, hatte es sicher damit zu tun, dass es eine Tsunami-Welle an Gerüchten gab über meine Person, die ganz stark mit dem Beruf des Pfarrers verbunden war. Sprecher: Irgendwann tauchten Gerüchte auf, der Pfarrer trage Frauenkleider und wolle sich einer geschlechtsangleichenden Operation unterziehen. Hans Gerd Spörkel fiel in ein tiefes Loch: O-Ton Elke Spörkel: Wenn die Situation so ist, und das war um meinen 50. Geburtstag herum, dass man nicht weiß, wie das Leben weitergeht, ob die Partnerin zu einem steht, die Ehefrau, ob die Kinder zu einem stehen, ich habe insgesamt sieben Kinder, ob das berufliche Umfeld bleibt, ob die Freunde einem erhalten bleiben, dann ist das natürlich eine enorme Krisensituation, die auch mit Lebenszweifeln zu tun hat. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 4 „Männlich und weiblich schuf er sie“ Transsexualität in den Kirchen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 26.06.2016 Sprecher: Damals war der Punkt gekommen, an dem sie sich offen zur Transsexualität bekannte. O-Ton Elke Spörkel: Ich spreche nicht so gern von Transsexualität, sondern eher von Transgender. Transsexualität weckt diese Assoziation Sexualität und meines Erachtens hat das mit Sexualität herzlich wenig zu tun. Das Entscheidende ist eigentlich, dass man sich in der Identität nicht am richtigen Ort fühlt. Sprecher: Spörkel durchlitt eine Identitätskrise, die zu einer existenziellen Lebenskrise wurde: O-Ton Elke Spörkel: Spannenderweise ist auch in dieser Lebenskrise, die ich 2010 hatte, wo ich am Leben gezweifelt habe, ist das nie eine Frage gewesen, dass ich mich in meinem Glauben nicht mehr aufgehoben gefühlt habe – im Gegenteil: mein Glaube ist gestärkt worden. Sprecherin: Die Weltgesundheitsorganisation klassifiziert die Transsexualität noch als ein Krankheitsbild, als eine Geschlechtsidentitätsstörung; doch in der neuen Klassifikation, die im kommenden Jahr in Kraft treten soll, wird Transsexualität lediglich als „gender incongruence“, als geschlechtliche Nichtübereinstimmung, bezeichnet. Die medizinischen © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 5 „Männlich und weiblich schuf er sie“ Transsexualität in den Kirchen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 26.06.2016 Maßnahmen bestehen in der Regel aus einer Hormontherapie und geschlechtsangleichenden Operationen. Weitere Maßnahmen können die dauerhafte Entfernung des Bartes oder eine chirurgische Gesichtsfeminisierung sein. Sprecher: Fast alle transidentischen Menschen machen – wie Elke Spörkel - die Erfahrung, dass sie tief fallen, sagt Horst Haupt. Der Neurologe und Psychiater berät transsexuelle Menschen auf ihrem Weg zur Geschlechtsangleichung: O-Ton Horst Haupt: Eigentlich ist so eine körperliche Angleichung, die transsexuelle Menschen brauchen, kein medizinisches Problem und auch keine aufregende Angelegenheit, weil die plastischen Chirurgen sind gut. Aber es ist die Gesellschaft, die meterhohe Hindernisse den transsexuellen Menschen auftürmt, die sie diskriminiert: die Hälfte verliert beim Outing ihren Arbeitsplatz, jede Woche wird eine Klientin von mir als Transe zusammengeschlagen auf offener Straße, es sind wirklich grauenvolle Dinge, die da passieren. Sprecherin: Noch immer müssen Transidente, die ihren Personenstand ändern möchten, nachweisen, dass sie seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang stehen, das innere Geschlecht anzunehmen. Außerdem werden zwei Gutachten von Sachverständigen erstellt, die ihre Transidentität belegen sollen. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 6 „Männlich und weiblich schuf er sie“ Transsexualität in den Kirchen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 26.06.2016 Sprecher: Horst Haupt wünscht sich nicht nur gesetzliche Erleichterungen bei der Anerkennung der Transidentität, sondern auch einen Bewusstseinswandel in der Bevölkerung. Nahezu alle Menschen beurteilten das Geschlecht eines anderen nach den äußeren Merkmalen, sagt der Leiter der Fachstelle für Transgenderpersonen in Luzern. Doch das entscheidende Geschlechtsorgan – so der Neurologe – sei weder der Penis noch die Vagina, sondern das Gehirn. O-Ton Horst Haupt: Das weiß man seit ca. 30 Jahren, dass das Gehirn das Organ ist, wo männliche und weibliche Strukturen und Funktionen anzutreffen sind. Vor allem im limbischen System, wo die Hormone auch eine Rolle spielen. Da ist das schon geschlechtlich ausgerichtet, und da steuert das auch die Wahrnehmung des eigenen Körpers. Sprecherin: Im Gegensatz zu früheren Hypothesen gilt Transidentität weder als psychisch verursacht noch genetisch bedingt. Wahrscheinlich liegt die Ursache in der hormonellen Entwicklung während der vorgeburtlichen Phase, die zu einer entsprechenden Prägung des Gehirns führt, die dann nicht mehr zu ändern ist. Die Schätzungen, wie oft Transidentität auftaucht, liegen weit auseinander. Aktuelle Untersuchungen gehen davon aus, Geburten ein bis zwei Transsexuelle kommen. dass auf 1000 In Deutschland rechnet man mit rund 100.000 transidenten Menschen. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 7 „Männlich und weiblich schuf er sie“ Transsexualität in den Kirchen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 26.06.2016 O-Ton Horst Haupt: Das Gehirn ist für das Geschlechtliche wie die Orgel in der Musik, und die anderen sind Pauke und so. Es ist das königliche Instrument wie die Orgel, das die meiste Bedeutung auch hat. Es ist auch die Schaltzentrale des Geschlechtskörpers. Sprecher: Die Überzeugung von Horst Haupt: Das Geschlecht ist viel mehr als die äußeren Geschlechtsorgane aussagen; mehr als der Chromosomensatz, mehr als Hormone und soziale Zuordnung. O-Ton Horst Haupt: 90 Prozent der Bevölkerung glauben, xy ist gleich Mann. Da muss wirklich viel getan werden, dass die andere Bilder bekommen. Kein Mensch glaubt, dass das Hirn ein Geschlechtsorgan ist. Wenn ich das erzähle, dann reagieren alle so: Wie, das Gehirn ist doch zum Denken da? Das verstehe ich nicht. Sprecher: Und: es gibt nicht nur zwei Geschlechter. O-Ton Peter Dabrock: Das zu verinnerlichen, das wird tatsächlich ein Paradigmenwechsel darstellen. Und da sind wir noch weit davon entfernt, unseren Geschlechterdual aufzugeben. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 8 „Männlich und weiblich schuf er sie“ Transsexualität in den Kirchen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 26.06.2016 Sprecher: Der evangelische Theologe Peter Dabrock ist Vorsitzender des Deutschen Ethikrates. O-Ton Peter Dabrock: Solange in den allermeisten kirchlichen und theologischen Stellungnahmen immer noch mit dem Geschlechterdual gearbeitet wird, ohne darüber nachzudenken, dass es auch Zwischenformen geben könnte, solange muss Transsexualität auch ein Thema für die Kirche sein. Sprecher: Rückendeckung erhält Peter Dabrock von der Kirchenleitung in Hessen-Nassau. Als erste Landeskirche haben sich die Südhessen auf einer wissenschaftlichen Tagung mit dem Thema Transsexualität befasst. Kirchenpräsident Volker Jung: O-Ton Volker Jung: Wenn man Menschen in ihrer Individualität wahrnehmen will, muss man sehen, dass es auch Prägungen gibt, die sich nicht einfach auf dieses Schema Mann-Frau verteilen lassen, sondern die dazwischen sind oder die herausfordern, die eigene Identität neu zu bestimmen. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 9 „Männlich und weiblich schuf er sie“ Transsexualität in den Kirchen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 26.06.2016 Sprecher: Die eigene Identität neu zu bestimmen, war für Elke Spörkel ein steiniger Weg – als Pfarrerin, aber auch in der Familie: O-Ton Elke Spörkel: Im privaten Umfeld war es natürlich schwierig, da meine Frau einen Mann gewählt hatte, und mit den Veränderungen, die immer weiter gingen, auch schwer klar kommen konnte. Und wenn der Partner sich verändert in eine Richtung, wie man das nicht haben will, dann kann man zwar darüber reden, aber irgendwann kippt auch die Beziehung. Das ist bei mir auch passiert. Sprecher: Es kam zur Trennung – wie bei den meisten Transidenten, die sich öffentlich bekennen. Die sieben Kinder - zwischen 9 und 36 Jahre alt – gehen sehr unterschiedlich mit der Geschlechtsangleichung um, die nicht mehr zu übersehen ist. Frauenkleider, Ohrenschmuck, weibliche Formen: O-Ton Elke Spörkel: Ich kann mit einigen sehr offen darüber reden. Ich habe eine 13-Jährige, die noch in der Pubertät ist, natürlich ist das immer wieder ein Thema. Ich habe mich bei der 13Jährigen sehr gefreut: Sie hat mir zu Weihnachten einen Lippenstift geschenkt, insofern sieht man, dass das Thema bei ihr angekommen ist. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 10 „Männlich und weiblich schuf er sie“ Transsexualität in den Kirchen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 26.06.2016 Sprecher: Doch natürlich ist es für die Kinder irritierend, dass ihr Vater nun eine Frau ist: O-Ton Elke Spörkel: Die großen Kinder, da kann man erwachsen mit denen reden, der Neunjährige nimmt mich natürlich als Papa wahr. Es gibt manchmal die kuriose Szene, wenn wir schwimmen sind und wir in der Damenumkleide sind, dass er mich dann herausruft: Papa, hilfst du mir. Dann zuckt alles zusammen, was in der Damenumkleide ist, aber weil ich jetzt wohl 100 Prozent dem Bild einer Frau entspreche, dreht man sich um und wundert sich, geht dann aber zur Alltagsordnung über. Sprecher: Ähnlich wie im Christentum scheiden sich auch im Judentum die Geister am Thema Transsexualität. Mit dem Song Diva gewann die transsexuelle israelische Sängerin Dana International 1998 den Eurovision Songcontest. Der Auftritt einer Transsexuellen führte in Israel damals zu heftigen Protesten ultraorthodoxer Juden. Bis heute erkennt das orthodoxe Judentum eine Geschlechtsangleichung nicht an. Für Orthodoxe gilt: Das Geschlecht wird von Gott bei der Geburt gegeben und kann nicht geändert werden. Dabei lässt die Thora womöglich offen, ob es nur zwei Geschlechter Mann und Frau gibt. In der hebräischen Schöpfungsgeschichte im ersten Buch Mose heißt es über duie Erschaffung des Menschen: „männlich und weiblich schuf er sie“. Im hebräischen Text stehen anders als in vielen Übersetzungen nicht die Substantive Mann und Frau, sondern die Adjektive männlich und weiblich. Das kann heißen, dass Gott Männer und Frauen erschuf. Es kann aber auch bedeuten, dass er Menschen erschuf, die beides sind: männlich und weiblich. Diese Möglichkeit findet sich im spätantiken jüdischen Kommentar, im Midrasch Genesis Rabba. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 11 „Männlich und weiblich schuf er sie“ Transsexualität in den Kirchen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 26.06.2016 Sprecherin: Rabbi Yirmiyah ben Elazar sagte: Als der Heilige den ersten Menschen schuf, machte Gott ihn androgyn. Das bedeutet es, wenn gesagt wird, „männlich und weiblich schuf er sie“. Rabbi Schmuel bar Nachman sagte: Als der Heilige den ersten Adam schuf, machte er ihn mit zwei Gesichtern und zersägte ihn später, so dass er zwei Rücken schuf, ein Rücken hier, ein Rücken dort. Sprecher: Im Gegensatz zum orthodoxen öffnet sich das Reformjudentum immer mehr der Lebenswirklichkeit transidenter Menschen wie zum Beispiel Yiscah Smith. Geboren als Jeffrey Smith brauchte sie 40 Jahre, um den Weg der Transition abzuschießen. Als 20Jähriger stand sie vor der Klagemauer in Jerusalem auf der Seite der Männer und fühlte sich am falschen Ort. 40 Jahre später betete sie auf der Frauenseite: O-Ton Yiscah Smith (Übersetzung): An diesem heißen Sommertag, als ich die kühlen Steine berühre, wurde mir bewusst: zwischen dem Bereich der Männer und der Frauen war nur ein Abstand von wenigen Zentimetern, aber diese wenigen Zentimeter waren meine 40 jährige Reise. Es hat mich 40 Jahre gekostet, diese wenigen Zentimeter zu überschreiten. Sprecher: Mittlerweile lehrt Yiscah Smith an einer Talmudschule, der Conservative Yeshiva in Jerusalem, und arbeitet als spirituelle Mentorin, doch viele orthodoxe Rabbiner akzeptieren sie noch immer nicht. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 12 „Männlich und weiblich schuf er sie“ Transsexualität in den Kirchen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 26.06.2016 Sprecher: Ähnlich kontrovers ist das Thema Transsexualität im Islam. Während die geistlichen Gelehrten der Sunniten, zu denen weltweit rund 85 Prozent aller Muslime gehören, die Transsexualität grundsätzlich ablehnen, ist die Situation bei den Schiiten, vor allem im Iran, etwas anders, berichtet Serena Tolino. Die Italienerin ist Juniorprofessorin für Islamwissenschaften an der Universität Hamburg: O-Ton Serena Tolino (Übersetzung): Es gab eine Fatwa von Ayatollah Chomeini schon in den 1960er Jahren, die Transsexuellen eine Operation erlaubt. Menschen. Anfangs galt das nur für intersexuelle Aber dann traf Ayatollah Chomeini eine transsexuelle Frau und er erlaubte ihr, eine Operation zur Geschlechtsangleichung durchführen zu lassen. Heute werden diese Operationen von der staatlichen Krankenversicherung im Iran bezahlt. Sprecher: Und transidente Menschen können nach einer Operation ihren Personenstand relativ problemlos ändern. O-Ton Serena Tolino (Übersetzung): Diese Anerkennung als Transsexuelle wird auch oft von Schwulen und Lesben genutzt, weil es ihre einzige Chance ist, gleichgeschlechtlichen Sex zu haben. So lassen sich viele Schwule zur Frau operieren, und können danach mit ihrem Freund zusammenleben. Das hat damit zu tun, dass es einfacher ist, transsexuell zu leben © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 13 „Männlich und weiblich schuf er sie“ Transsexualität in den Kirchen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 26.06.2016 als homosexuell, weil Homosexualität im Islam streng verboten ist. Man kann sagen, dass in den meisten islamischen Ländern die Bedingungen für Transidente besser sind als für Homosexuelle. Sprecher: So erklärt sich die hohe Geschlechtsangleichungen, Zahl sondern an Operationen, die im Geschlechtsumwandlungen Iran eben sind. In oft keine sunnitisch geprägten Staaten wie zum Beispiel Ägypten gibt es eine strikte Ablehnung der Transsexualität. Auch wenn es keine eindeutigen Aussagen im Koran oder den Hadithe gibt, haben mehrere Fatwas aus Kairo die Diskriminierung Transsexueller zementiert. Zurück zum Christentum. Die evangelische Kirche stellt sich weitgehend offen der Debatte, die katholische Kirche igelt sich eher ein. Stephan Goertz ist katholischer Moraltheologe an der Universität Mainz. Er verweist auf zwei Schreiben des Vatikans zum Thema Transsexualität, die allerdings bislang nicht veröffentlicht wurden: O-Ton Stephan Goertz: Man weiß aber so viel, dass eine biologische Geschlechtsumwandlung nicht möglich ist und dass man von römischer Sicht davon ausgeht, dass es sich bei Transsexualität lediglich um eine Veränderung des Phänotyps, also des äußeren Erscheinungsbildes handelt. Sprecher: Mann bleibt Mann und Frau bleibt Frau – heißt die vatikanische Direktive: © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 14 „Männlich und weiblich schuf er sie“ Transsexualität in den Kirchen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 26.06.2016 O-Ton Stephan Goertz: Von zentraler Bedeutung ist eine bestimmte Interpretation der Schöpfungsgeschichte. Also im ersten Buch der Bibel heißt es ja, dass Gott den Menschen schuf zu seinem Abbild, und dann der entscheidende Satz: Er schuf den Menschen als Mann und Frau, und dann folgt direkt der Segen über dieses Menschenpaar, nämlich dass sie fruchtbar sein sollen und sich vermehren. Also die Zweigeschlechtlichkeit wird sehr eng mit der Zeugungsfähigkeit verknüpft, und man geht von einem harmonischen Ergänzungsverhältnis zwischen Mann und Frau aus und dieses Verhältnis ist normativ. Sprecher: Das gilt nicht nur für die katholische Kirche, sondern auch für viele konservative Protestanten. Der Vater von Esther Lau ist Pfarrer. Er und seine Frau können nicht akzeptieren, dass ihr Kind nun eine Frau ist: O-Ton Esther Lau: Sie haben Schwierigkeiten damit, insbesondere auch damit, den weiblichen Namen für mich auszusprechen. Bis dahin, mich als Tochter anzunehmen. Und das tut einfach weh, weil das eine Ablehnung dessen bedeutet, was mich ausmacht und was meine Identität ausmacht. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 15 „Männlich und weiblich schuf er sie“ Transsexualität in den Kirchen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 26.06.2016 Sprecher: Die 43-jährige Religionslehrerin aus der Nähe von Koblenz, die mit einem speziellen Muskeltraining der Stimmbänder ihre Stimme feminisiert hat, hat sich erst vor wenigen Jahren das Geschlecht angleichen lassen: O-Ton Esther Lau: Eine Hürde war für mich lange Zeit die, zu überlegen, ob ich warte, bis meine Eltern das nicht mehr mitbekommen. Ich habe das ja 30 Jahre lang probiert, aber das wäre nicht länger möglich gewesen, dass noch zu unterdrücken oder zu negieren. Also das war auf jeden Fall richtig. Ich merke, dass ich im Alltag viel gelassener bin und entspannter. Und viel mehr zu mir selber finde. Sprecher: Die Eltern hätten vor allem religiöse Probleme mit der Transsexualität ihrer Tochter: O-Ton Esther Lau: Für sie ist es nicht zu verstehen, dass ein Mensch seinen Körper nicht annehmen kann. Dass man da medizinische Hilfe in Anspruch nimmt, damit das Äußere und das Innere gefühlt übereinstimmt, das ist für sie ein Pfuschen an Gottes Werk. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 16 „Männlich und weiblich schuf er sie“ Transsexualität in den Kirchen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 26.06.2016 Sprecher: Gottes Werk und Teufels Beitrag? Wenn es um Transsexualität geht, verweisen konservative Christen immer wieder auf die Schöpfungsgeschichte im 1. Buch Moses Kapitel 1. In der Zürcher Bibel heißt es: Sprecherin: Und Gott schuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes schuf er ihn; als Mann und Frau schuf er sie. Und Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehrt euch. Sprecher: Für den Gütersloher Theologen Torsten Maruschke kann man diesen Vers auch anders lesen: O-Ton Torsten Maruschke: Wir haben gerade durch die Diskussion mit der Bibel in Gerechter Sprache gelernt, dass da steht: ‘Und Gott schuf sie männlich und weiblich‘. Und das es eher die Bezeichnung eines Raumes ist, in dem sich Menschen verorten können, wobei männlich und weiblich die beiden Extreme sind und dazwischen ist vieles möglich. Sprecher: Und Kirchenpräsident Volker Jung erläutert: © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 17 „Männlich und weiblich schuf er sie“ Transsexualität in den Kirchen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 26.06.2016 O-Ton Volker Jung: Gott schuf den Menschen als Mann und Frau, aber auch in einer Vielfalt zwischen Mann und Frau. Das ist etwas, was wir neu lernen müssen, und das ist etwas, was durch das biblische Zeugnis so nicht im Blick ist. Sprecherin: Und Gott sah alles an, was er gemacht hatte, und sieh, es war sehr gut. Sprecher: Der katholische Moraltheologe Stephan Goertz kritisiert, seine Kirche mache es sich zu einfach, wenn sie das Bild der göttlichen Schöpfungsordnung absolut setze. O-Ton Stephan Goertz: Da müssten wir theologisch anders rangehen und sagen: Die Schöpfung ist auch unvollkommen. Auch die Schöpfung wartet noch auf Erlösung. Das, was nicht gut ist, da haben wir den Auftrag, wie können wir Menschen helfen, dass sie heil werden, dass sie ein gutes Leben führen können? Sprecher: Doch bislang ist die Haltung des Vatikans rigide. Transidente Menschen, die den langen Prozess der Geschlechtsangleichung durchlaufen haben und im Personenstandsregister ihr © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 18 „Männlich und weiblich schuf er sie“ Transsexualität in den Kirchen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 26.06.2016 offizielles Geschlecht und den Namen geändert haben, werden von der katholischen Kirche auf ihr äußerliches Geburtsgeschlecht festgelegt. O-Ton Stephan Goertz: Das wird nicht übernommen. Im Taufregister darf ausdrücklich keine Änderung vorgenommen werden. Sprecher: In der evangelischen Kirche im Rheinland, in Haldern, durchlebt Elke Spörkel die Lebensrealität eines transidenten Menschen. Als nicht mehr zu übersehen war, dass sie jetzt eine Frau war, reagierte die Gemeinde: O-Ton Elke Spörkel: Es gab so eine Abstimmung mit den Füßen, die Kerngemeinde hat sich schon verändert. Menschen, die früher regelmäßig zu den Gottesdiensten kamen, zu meinen Gottesdiensten kamen, sind weggeblieben, es sind andere dazugekommen. Es geht so weit, dass Menschen, die ich gut kenne, gerade bei den Amtshandlungen, eine Beerdigung nicht von mir durchführen lassen. Sprecher: An der Kirchentür, wenn sie die Gottesdienstbesucher verabschiedet, verweigern ihr manche den Handschlag. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 19 „Männlich und weiblich schuf er sie“ Transsexualität in den Kirchen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 26.06.2016 O-Ton Elke Spörkel: Das trifft mich schon sehr, weil ich denke, dass ich als Mensch so geblieben bin wie vorher, aber das Thema polarisiert. Es gab auch Menschen, die sich beim Landeskirchenamt beschwert haben und in Frage gestellt haben, dass ich in dieser Gemeinde verbleiben kann. Sprecher: Doch die Kirchenleitung und vor allem der Superintendent haben sich voll hinter die transidente Pfarrerin gestellt: O-Ton Elke Spörkel: Und da kann ich nur sagen: Ganz großen Respekt vor meinem damaligen Dienstherrn, der mich in einer Weise aufgefangen hat, wie ich mir das nur erträumen kann, und wie es in dieser Situation hilfreich und lebensspendend war. Sprecher: Seit fünf Jahren geht Elke Spörkel mit ihrer Transsexualität offen um. Sie besucht Schulklassen, spricht vor Seelsorgerinnen und Seelsorgern über das Thema. O-Ton Elke Spörkel: Aber in der eigenen Kirchengemeinde wird das tabuisiert. Man hat sich (aber) nie eigentlich mit dem Thema auseinandergesetzt. Man hat sich immer noch den alten © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 20 „Männlich und weiblich schuf er sie“ Transsexualität in den Kirchen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 26.06.2016 Hans Gerd gewünscht. Und auch wenn man ihn jetzt als Frau annimmt, aber dann bitte nicht zu offensiv, bitte nicht in Rock, bitte nicht in hochhackigen Schuhen, bitte nicht zu stark geschminkt. Am besten zurückhaltend, dass das Thema nicht immer wieder auffällt. Sprecher: Doch viele schweigen nicht nur, sondern reagieren aggressiv auf Transsexualität. Transidente werden immer wieder Opfer von Gewalt – verbaler, psychischer und körperlicher Gewalt. Peter Dabrock, Professor für Systematische Theologie in ErlangenNürnberg. O-Ton Peter Dabrock: Ich glaube, dass bei diesen Fragestellungen, die diesen Transbereich betreffen, so eine Unsicherheit herrscht, weil viele Menschen an eine dunkle Seite bei ihnen selbst erinnert werden. Sprecher: Der Gütersloher Pfarrer Torsten Maruschke hat vor zwei Jahren „QuiKT“ ins Leben gerufen: den Arbeitskreis Queer in Kirche und Theologie. „QuiKT“ hat mittlerweile ein neues Ritual für transidente Menschen entworfen: O-Ton Torsten Maruschke: Ich begrüße Sie und euch herzlich anlässlich der Transition von Max… © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 21 „Männlich und weiblich schuf er sie“ Transsexualität in den Kirchen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 26.06.2016 Sprecher: Ein Ritual, das Christen helfen soll auf dem schwierigen Weg der Transition. O-Ton Torsten Maruschke: Wichtig sind vor allem zwei Elemente: einerseits der persönlich zugesprochene Segen und andererseits das Gebet vor Gott. Sprecher: Das Ritual ist bereits mehrfach zelebriert worden; das Interesse sei groß, sagt Torsten Maruschke: O-Ton Torsten Maruschke: Hier findet ein lebensumstürzender Moment statt, der gewürdigt werden muss. Sprecher: Nicht alle Gemeinden werden von dem neuen Ritual begeistert sein. Denn noch immer kämpfen konservative Protestanten mit der Akzeptanz einer Trauung für homosexuelle Paare. Da kann ein Ritual für Transsexuelle durchaus Sprengkraft entwickeln. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 22 „Männlich und weiblich schuf er sie“ Transsexualität in den Kirchen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 26.06.2016 O-Ton Peter Dabrock: Wenn man der Auffassung, und zwar nicht aus einem Zeitgeist heraus, sondern aus dem Glauben heraus ist, dass es in der Willensrichtung Gottes ist, jeden Menschen in seinem leiblichen Dasein zu würdigen, dann muss man auch Themen angehen, die Sprengkraft haben. Sprecher: Sagt Peter Dabrock. Sprecherin: Bei einer Umfrage im Jahr 2010 unter amerikanischen Transsexuellen erklärten 41 Prozent, sie hätten bereits versucht, sich das Leben zu nehmen - in der Gesamtbevölkerung liegt die Suizidversuchsrate bei 1,6 Prozent. Sprecher: Elke Spörkel erzählt von einem Mann, der ihren Garten kam und sie beschimpfte. Und zu dem noch glaubte, für „das Volk“ zu sprechen. O-Ton Elke Spörkel: Im Moment gibt es wieder eine Zeitströmung, wo es en vogue ist, Randgruppen auszugrenzen. Und ich hatte Angst, dass mein Haus hier beschmiert wird oder Fenster eingeschmissen werden. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 23 „Männlich und weiblich schuf er sie“ Transsexualität in den Kirchen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 26.06.2016 Sprecher: Für die 59-jährige Pfarrerin ist die Transidentität ihr Lebensthema. Doch das Ende ihres Weges habe sie noch nicht erreicht: O-Ton Elke Spörkel: Ich glaube heute auch nicht, dass ich hundert Prozent Frau bin. Ich glaube, in jedem Menschen gibt es weibliche und männliche Anteile. Bei mir musste es irgendwann raus, dass ich die weiblichen Anteile mehr leben darf. Das ist jetzt passiert und da bin ich sehr dankbar für. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 24
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