Einschätzungen nach dem Referendum in Großbritannien 24.06.2016 Matteo Germano Global Head of Multi Asset Investments Kenneth J. Taubes Head of Investment Management, U.S. Tanguy Le Saout Head of European Fixed Income Diego Franzin Head of European Equities 1 INVESTMENT BIOGRAPHY TALKS Investieren nach dem Brexit Nach dem „Leave”-Votum der Briten erwarten wir kurzfristig ein Risk-Off-Szenario an den Märkten. Die Börsen haben heute Morgen deutlich schwächer eröffnet. Wir glauben jedoch, dass die Zentralbanken bereit zum Handeln sind und ihren unmittelbaren Fokus auf die Stabilisierung der Märkte legen und sie gegebenenfalls die nötige Liquidität bereitstellen. Wir denken, dass die Ereignisse risikotragende Anlagen („risky assets“) mittelfristig belasten werden. Das Handeln der Politik und der Zentralbanken dürfte von größter Bedeutung für einen geordneten Brexit sein. Der Brexit fällt in eine für Investoren herausfordernde Zeit, da die erwarteten Langfrist-Renditen in allen Anlageklassen weiter zurückgehen dürften und das Risiko von Extremereignissen steigt. Vor diesem Hintergrund liegt unser Augenmerk auf dem Erhalt des Kapitals unserer Kunden. Was sind Ihrer Meinung nach die Auswirkungen des Brexit-Votums auf das makroökonomische Szenario und die politischen Risiken? Matteo Germano: Die Entscheidung der Briten hat große Auswirkungen auf das geopolitische Gleichgewicht, da sie einen Präzedenzfall in der EU schafft. Der Austritt Großbritanniens könnte in der Tat in anderen Ländern zu ähnlichen Initiativen wie dem Referendum im Vereinigten Königreich führen. Die Wahlen in Spanien und das Verfassungsreferendum in Italien werden die nächsten Gradmesser für das Ausmaß der politischen Unzufriedenheit in der Region sein. Im Hinblick auf die makroökonomischen Entwicklungen könnte der Sieg des Leave-Lagers die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass die entwickelte Welt in einem Szenario niedrigen Wachstums und niedriger Inflation gefangen bleibt. Angst und anhaltende Ungewissheit in Europa könnten in der Tat das Vertrauen stören und die Wirtschaft bremsen. Ein gutes Management in der Übergangsphase, die Jahre dauern wird, wird der Schlüssel zur Vermeidung einer tieferen Krise sein, die die globale Wirtschaft empfindlich treffen könnte. Aus einer US-Perspektive – was werden die Auswirkungen des Referendums sein? Ken Taubes: Wir gehen davon aus, dass die kurzfristige Auswirkung des Votums wahrscheinlich eine gestiegene Marktvolatilität sein wird sowie eine weitere „Flucht in Qualität“. Wir sehen aktuell einen Verfall des britischen Pfundes, und eine Rally des US-Dollar. US-Assets dürften ebenso eine Rally erfahren, insbesondere USTreasuries, während es bei US High Yield- und bei Emerging Markets-Werten einen Ausverkauf geben dürfte. Das ist hauptsächlich getrieben von der Annahme, dass sich in einem risikoaversen Umfeld die Öl-Nachfrage verringern wird. Aus einer gesamtwirtschaftlichen Perspektive sollten die negativen Auswirkungen des Brexit auf die US-Wirtschaft im Vergleich zu Großbritannien und Europa stärker begrenzt sein. Wir erwarten jedoch eine zurückgehende globale Nachfrage aufgrund von höherer Unsicherheit und Risikoaversion. Während die SpilloverEffekte (indirekte Auswirkungen) auf die US-Wirtschaft noch unklar sind, ist es möglich, dass bei einer signifikanten wirtschaftlichen Verschlechterung die Investment Talks: Investieren nach dem Brexit 24.06.2016 Entscheidungsgremien der Fed andere geldpolitische Optionen in Betracht ziehen könnten. Was sind die Hauptauswirkungen des Austrittsvotums für europäische Anleihen? Tanguy Le Saout: Wir erwarten, dass der Brexit zu einer Rally in deutschen Bundesanleihen führen wird, einhergehend mit einer „Underperformance“ anderer Märkte, insbesondere der Peripheriemärkte wie Italien oder Spanien. Ein drastisches „Risk Off“-Umfeld, begleitet von sich ausweitenden Spreads in den Peripherie- und Credit-Märkten, könnte die Zentralbanken zu Interventionen veranlassen. Deren unmittelbarer Fokus wird darauf liegen, die Märkte zu stabilisieren, und sie sind bereit, die Märkte mit Liquidität zu versorgen. Wir gehen davon aus, dass geldpolitische Anpassungen stattfinden werden, zunächst durch Maßnahmen wie „Credit Easing“ (Kreditlockerungen) und Ausweitung des Anleihen-Rückkaufprogramms. Letztlich könnte es aber auch zu Zinssenkungen kommen. Auf der Währungsseite gehen wir davon aus, dass der US-Dollar und der japanische Yen zu denjenigen Währungen zählen werden, die vom „Risk Off“-Umfeld profitieren könnten. Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Auswirkungen der Abstimmung für den europäischen Aktienmarkt? Diego Franzin: Wir erwarten dass der europäische Markt wieder in einen Risk-OffModus zurückkehren wird, nachdem zu Beginn der Woche eine gewisse Erleichterung eingetreten ist. Der britische Markt dürfte aller Voraussicht nach unter einer Phase extremer Volatilität leiden, da die Investoren die möglichen Auswirkungen dieses Ereignisses erst verdauen müssen. Jedoch dürfte sich der mögliche Abwärtsdruck des britischen Pfunds für die Gewinnaussichten von Unternehmen in Großbritannien mit überwiegend internationalem Charakter tendenziell positiv auswirken. Wir erwarten, dass dieses Risk-Off-Szenario auf ganz Europa abstrahlt, wobei Unternehmen mit auf die Eurozone ausgerichteten Geschäftsmodellen (z.B. Finanzdienstleistungen) am meisten davon betroffen sein dürften. Der Grund dafür sind die unbekannten und gleichzeitig weitreichenden Auswirkungen der Entscheidung auf die Wirtschaft der Eurozone. Vor diesem Hintergrund bleiben wir bei einer vorsichtigen Haltung hinsichtlich der Marktentwicklung und konzentrieren uns auf Unternehmen mit einem überlegenen Geschäftsmodell, während wir bei Unternehmen mit einem auf Großbritannien ausgerichteten Geschäftsmodell vorsichtig sind. Was sind die wichtigsten Auswirkungen der Abstimmung aus Multi-Asset-Perspektive? Matteo Germano: Wir meinen, dass es nunmehr wahrscheinlicher ist, dass die europäische Wirtschaft in einem Szenario niedrigen Wachstums und niedriger Inflation gefangen bleibt. Vor diesem Hintergrund bevorzugen wir eine Risk-OffHaltung, indem wir sogenannte „safe haven“-Vermögenswerte wie US-Teasuries favorisieren. Wir sind der Ansicht, dass Gold eine natürliche Absicherung sein könnte, sofern die Wahrscheinlichkeit einer säkularen Stagnation steigt. Hinsichtlich Währungen sehen wir den Schweizer Franken als den natürlichen Gewinner gegenüber dem britischen Pfund, da dieser als sicherer Währungshafen gilt. Wir erwarten auch, dass der US-Dollar den Euro outperformen könnte – zum einen aus einer Risikoaversion aber auch aufgrund der weiterhin sehr lockeren Geldpolitik der EZB. 2 Investment Talks: Investieren nach dem Brexit 24.06.2016 Wichtige Informationen Sofern nicht anders angegeben, beruhen die dargestellten Informationen auf Recherchen und Berechnungen von Pioneer Investments zum 24.06.2016. Sofern nicht anders angegeben, stammen alle hier geäußerten Meinungen von Pioneer Investments und können sich ohne Vorankündigung ändern, abhängig von wirtschaftlichen und anderen Rahmenbedingungen. Es gibt keine Gewähr, dass sich Länder, Märkte oder Branchen wie erwartet entwickeln werden. Investitionen beinhalten gewisse Risiken, darunter politische und währungsbedingte Risiken. Die Rendite und der Wert der zugrunde liegenden Anlagen sind Schwankungen unterworfen. Dies kann zum vollständigen Verlust des investierten Kapitals führen. Diese Publikation beurteilt das Marktumfeld zu einem bestimmten Zeitpunkt und soll nicht als Prognose künftiger Ereignisse oder als Garantie künftiger Ergebnisse betrachtet werden. Die Leser sollten diese Informationen nicht als Research-Analyse, Anlageberatung oder Empfehlung spezifischer Fonds bzw. Wertpapiere betrachten. Die Einschätzungen dienen allein der Veranschaulichung und Aufklärung und sind Änderungen unterworfen. Diese Informationen repräsentieren nicht die tatsächlichen aktuellen, früheren oder künftigen Bestände bzw. Portfolios von Pioneer Investments Produkten. Dieses Dokument stellt kein Angebot zum Kauf oder Verkauf von Anteilen an einem Investmentfonds oder einer Dienstleistung dar. Pioneer Investments ist ein Markenname der Unternehmensgruppe Pioneer Global Asset Management S.p.A. 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