BuB-Monatsbrief - Bankrecht und Bankpraxis

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Nr. 6 • Juni 2016
Inhaltsverzeichnis
Allgemeines Bankrecht
BGH 5.4.2016
Kontoführung – eigenhändiges Testament – Nachweis des Erbrechts
3
BGH 19.1.2016
Kreditrecht – keine Vorfälligkeitsentschädigung – vorzeitige Kündigung –
Verbraucherkredit
5
OLG Nürnberg 26.1.2015 Kreditsicherung – beschränkte persönliche Dienstbarkeit –
Abtretungsverbot – Ausnahme 7
Gesellschaftsrecht
BGH 15.3.2016
GmbH-/Insolvenzrecht – Haftung des Directors einer Limited
9
Insolvenzrecht
BGH 4.2.2016
Insolvenzanfechtung – mittelbare Zuwendung –
Schenkungs-Deckungsanfechtung
BGH 25.2.2016
11
Insolvenzanfechtung – Schenkungsanfechtung – gemeinsame Kreditlinie 13
Wertpapier- und Kapitalmarktrecht
BGH 22.3.2016
Derivate – Aufklärungspflichten – anfänglich negativer Marktwert –
Konnexität
Impressum
15
5
Autoren: P. Berger • Dr. M. Brass • H. Dunker • Dr. S. Fackler • A. Gelmroth • S. Herz • T. Kamm • M. Kaufmann • M. Kern •
Dr. S. Straßburger • Dr. C. Wulfers
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Allgemeines Bankrecht
Kontoführung – eigenhändiges Testament – Nachweis des
Erbrechts
Der Erbe kann sein Erbrecht auch durch Vorlage eines eröffneten eigenhändigen Testaments belegen, wenn dieses die Erbfolge mit der im Rechtsverkehr erforderlichen Ein­
deutigkeit nachweist.
(BGH, Urt. v. 5.4.2016, Az. XI ZR 440/15, WM 2016, S. 868 ff.)
In dem der Entscheidung des BGH zugrundeliegenden Fall wurde die beklagte Sparkasse
auf Erstattung von Gerichtskosten in Anspruch
genommen, die für die Erteilung eines Erbscheins angefallen waren. Die Erblasserin hatte
zusammen mit ihrem vorverstorbenen Ehemann
im Jahre 1988 ein handschriftliches Ehegattentestament errichtet, in dem sich die Ehegatten
wechselseitig als Erben eingesetzt hatten, wobei nach dem Ableben des Letztversterbenden
das „zu diesem Zeitpunkt vorhandene Vermögen auf unsere beiden aus unserer ehelichen
Verbindung geborenen Kinder übergehen“
sollte. Ferner war im Testament eine übliche
Pflichtteilsstrafklausel vorgesehen, wonach für
den Fall, dass eines der Kinder beim Tod des
Erstversterbenden seinen Pflichtteil verlangt, es
auch beim Tod des Letztversterbenden nur den
Pflichtteil erhalten solle.
Nach dem Tod ihrer Mutter hatten die Kläger die beklagte Sparkasse unter Vorlage des
Testaments zur Freigabe der Nachlasskonten
aufgefordert. Dies hatte die Beklagte mit der
Begründung abgelehnt, dass im Testament lediglich eine Vermächtnisnehmerstellung der
Kinder vorgesehen sei, weshalb auf der Vorlage eines Erbscheins bestanden werden müsse.
Daraufhin erwirkten die Kläger einen Erbschein
und nahmen die Beklagte für die daraus entstandenen Kosten in Höhe von 1.770,00 € in
Anspruch. Erst- und Berufungsgericht hatten
der Klage jeweils stattgegeben. Die hiergegen
gerichtete Revision blieb unbegründet. Der BGH
teilte die Auffassung der Vorinstanzen, wonach
den Klägern gegen die Beklagte ein Anspruch
aus § 280 BGB zustehe, da sie zu Unrecht die
Freigabe der Konten von der Vorlage eines Erbscheins abhängig gemacht habe. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
könne ein Erbe den Nachweis seiner Erbenstellung nicht nur durch die Vorlage eines Erbscheins erbringen, sondern ggf. auch durch andere geeignete Urkunden. Dazu gehöre neben
dem öffentlichen Testament grundsätzlich auch
das eigenhändige Testament. Zwar habe eine
Bank ein berechtigtes Interesse daran, in den
Genuss der Rechtswirkungen des öffentlichen
guten Glaubens gemäß der §§ 2366, 2367 BGB
zu gelangen und so der Gefahr einer Doppel­
inanspruchnahme zu entgehen. Daraus folge
jedoch nicht, dass sie einschränkungslos und
stets die Vorlage eines Erbscheins verlangen
könne. Bei den Anforderungen an den Nachweis
der Rechtsnachfolge sei nämlich auch den berechtigten Interessen der Erben an einer möglichst raschen und kostengünstigen Abwicklung
des Nachlasses Rechnung zu tragen. Jedenfalls
in klaren Erbfolgefällen, in denen das Erbrecht
unproblematisch anders als durch Vorlage eines
Erbscheins nachgewiesen werden könne, habe
die Bank daher kein schutzwürdiges Interesse
an der Vorlage eines Erbscheins.
Zuzugeben sei jedoch, so der BGH, dass die für
ein öffentliches Testament im Sinne des § 2231
Nr. 1 BGB geltende widerlegbare Vermutung der
Richtigkeit der dort angeordneten Rechtsnachfolge für ein bloßes eigenhändiges Testament nach
den §§ 2231 Nr. 2, 2247, 2267 BGB nicht greife.
Während ein öffentliches durch einen Notar errichtetes Testament nämlich den Vorzug rechtskundiger Beratung (§§ 17, 30 BeurkG) und der
besonderen amtlichen Verwahrung (§ 34 Abs. 1
S. 4 BeurkG) habe und als öffentliche Urkunde
im Sinne des § 415 ZPO anzusehen sei, könne einem eigenhändigen Testament, das dieser
Vorzüge entbehre, eine Vermutungswirkung
zum Nachweis der Erbfolge nicht beigelegt
werden. Ferner seien im Vergleich zu einem
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BuB-Monatsbrief • Nr. 6 • Mai 2016
3
Allgemeines Bankrecht
Kontoführung – eigenhändiges Testament – Nachweis des
Erbrechts
öffentlichen Testament bei einem eigenhändigen
privatschriftlichen Testament die Gefahren der
Rechtsunkenntnis, unklarer Formulierungen, des
Urkundenverlustes, seiner Unterdrückung oder
Fälschung in der Tat höher.
Insofern sei es, so der BGH, bei der Vorlage einer
beglaubigten Ablichtung eines eigenhändigen
Testamentes nebst beglaubigter Abschrift des Eröffnungsprotokolls stets eine Frage des Einzelfalles, ob dieses die Erbfolge mit der im Rechtsverkehr erforderlichen Eindeutigkeit nachzuweisen
geeignet sei. Eine gesteigerte Auslegungspflicht
der Bank bestehe insofern nicht. Andererseits berechtigten bloße abstrakte Zweifel die Bank nicht
dazu, einen Erbschein zu verlangen. Stattdessen könne eine Bank nur bei konkreten und begründeten Zweifeln an der Richtigkeit der durch
das eigenhändige Testament belegten Erbfolge
ergänzende Erklärungen des Erbprätendenten
oder die Vorlage weiterer Unterlagen, wie etwa
das Familienstammbuch oder einen Erbschein,
verlangen.
Derartige konkrete Zweifel seien vorliegend indes nicht erkennbar. So weise das streitbefangene Testament die Kläger, die zudem auch die
gesetzlichen Erben gewesen wären, zweifelsfrei
als gewillkürte Erben aus. Für deren bloße Vermächtnisnehmerstellung bestünden entgegen
der Auffassung der Beklagten keine Anhaltspunkte. Auch die Pflichtteilsstrafklausel begründe keine konkreten Zweifel im vorgenannten Sinne. Im
Hinblick darauf, dass der jeweils andere Erbe von
der Geltendmachung des Pflichtteils durch seinen
Miterben profitiert hätte und daher dessen Berufung auf die Klausel zu erwarten gewesen wäre,
handle es sich insofern um einen bloßen abstrakten Zweifel, der das Verlangen nach Vorlage eines
Erbscheins nicht rechtfertige. [MB]
Dr. Michael Brass, UniCredit Bank AG
6. Fachtagung Bankrecht und Bankpraxis
Konto und Zahlungsverkehr im
Spiegel aktueller EU-Reformen
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Stefan Lödorf | 0221/5490-133 | [email protected] BuB-Monatsbrief
• Nr. 6 • Mai 2016
4
Allgemeines Bankrecht
Kreditrecht – keine Vorfälligkeitsentschädigung bei
vorzeitiger Kündigung eines Verbraucherdarlehens infolge
Zahlungsverzugs
§ 497 Abs. 1 BGB (in der bis zum 10.6.2010 geltenden Fassung) enthält eine spezielle Regelung zur Schadensberechnung bei notleidenden Krediten, die vom Darlehensgeber infolge
Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers vorzeitig gekündigt worden sind. Die Vorschrift
schließt die Geltendmachung einer als Ersatz des Erfüllungsinteresses verlangten Vorfälligkeitsentschädigung aus.
(BGH, Urt. v. 19.1.2016, Az. XI ZR 103/15, ZIP 2016, S. 709 ff.)
Der Entscheidung des BGH lagen zwei Immobiliardarlehensverträge zwischen Verbrauchern
als Darlehensnehmer und einer beklagten Sparkasse als Darlehensgeber zugrunde, die wegen
Zahlungsverzugs seitens der Bank gekündigt
wurden. Neben der Rückforderung des Restkapitals zzgl. Zinsen verlangte die Beklagte jeweils
eine Vorfälligkeitsentschädigung, die auch zunächst gezahlt wurde. Der Kläger verlangte von
der Beklagten die Rückzahlung der jeweiligen
Vorfälligkeitsentschädigung nebst damit in Zusammenhang stehender Zinsen und Kosten.
Anders als die Vorinstanzen entschied der BGH,
dass dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rückzahlung der bereits gezahlten
Vorfälligkeitsentschädigung aus § 812 Abs. 1
Satz 1 Fall 1 BGB zustehe. Die Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung sei ohne Rechtsgrund
erfolgt, da der Bank kein Anspruch hierauf zustehe.
Nach Auffassung des BGH enthält die Vorschrift
des § 497 Abs. 1 BGB in der bis zum 10.6.2010
geltenden Fassung (nachfolgend „alte Fassung“,
„a.F.“) eine Spezialregelung zur Schadensberechnung bei notleidenden, wegen Zahlungsverzuges gekündigten Krediten, welche die Geltendmachung einer Vorfälligkeitsentschädigung
als Ersatz des Erfüllungsinteresses ausschließe.
Die Rechtsprechung des BGH, wonach die Bank
alternativ einen Anspruch auf Ersatz des Verzögerungsschadens oder auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Höhe einer zu berechnenden Vorfälligkeitsentschädigung geltend machen
könne, gelte nur für (Immobiliar-)Darlehensverträge, welche nicht in den Anwendungsbereich
des § 497 Abs. 1 BGB a.F. bzw. der Vorgängerregelung des § 11 VerbrKrG fallen. Die bislang umstrittene Frage, ob § 497 Abs. 1 BGB a.F. anstelle
der Ersatzfähigkeit des Verzögerungsschadens
die Geltendmachung eines Nichterfüllungsschadens (d.h. Vorfälligkeitsentschädigung) zulässt,
hat der BGH nunmehr verneint.
Eine Sperrwirkung dahingehend, dass eine andere Form als der in der Vorschrift genannte
Verzugsschaden nicht geltend gemacht werden
könne, lasse sich zwar nicht dem Wortlaut des
§ 497 Abs. 1 BGB a.F. entnehmen, ergebe sich
jedoch aus der Gesetzgebungsgeschichte des
§ 11 VerbKrG als Vorgängernorm des § 497
Abs. 1 BGB a.F. sowie dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift. So sollten beispielsweise nach
der Gesetzesbegründung der Verzugszins nach
Schadensersatzgesichtspunkten zu ermitteln und
ein Rückgriff auf den Vertragszins grundsätzlich
ausgeschlossen sein. Zudem sollte eine praktikable, für den Verbraucher nachvollziehbare Schadensberechnung erreicht werden, was bei der
komplizierten Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung nach Ansicht des BGH gerade nicht
der Fall sei. Es entspreche dem Willen des Gesetzgebers, die Geltendmachung der Vertragszinsen (und mithin einer Vorfälligkeitsentschädigung)
nach Wirksamwerden der Kündigung durch den
Darlehensgeber auszuschließen.
Hierfür spreche letztlich auch ein Umkehrschluss
aus §§ 490 Abs. 2, 502 BGB, wonach der Ge››
BuB-Monatsbrief • Nr. 6 • Mai 2016
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Allgemeines Bankrecht
Kreditrecht – keine Vorfälligkeitsentschädigung bei
vorzeitiger Kündigung eines Verbraucherdarlehens infolge
Zahlungsverzugs
setzgeber eine Vorfälligkeitsentschädigung nur
in Fällen billigt, in denen der Darlehensnehmer
den Darlehensvertrag vorzeitig kündigt. Die
hieraus resultierende Besserstellung des vertragsbrüchigen gegenüber dem vertragstreuen
Schuldner, habe der Gesetzgeber bewusst in
Kauf genommen, indem er bei Überführung des
§ 11 VerbKrG in das BGB zu einer Änderung der
Rechtslage keinen Anlass gesehen, sondern
den Anwendungsbereich des § 497 Abs. 1 BGB
sogar noch auf Immobiliardarlehensverträge
ausgedehnt habe.
Ein im Einzelfall gegebenenfalls höherer Schaden des Darlehensgebers ist durch eine konkrete Schadensberechnung zu belegen (§ 497 Abs.
1 Satz 3 BGB a.F.). [ST]
Dr. Steffen Straßburger, UniCredit Bank AG
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BuB-Monatsbrief • Nr. 6 • Mai 2016
6
Allgemeines Bankrecht
Kreditsicherung – beschränkte persönliche Dienstbarkeit –
Abtretungsverbot – Ausnahme
1. Der schuldrechtliche Anspruch auf Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (Einräumungsanspruch) kann grundsätzlich nicht an einen Dritten abgetreten werden.
2. Etwas anderes gilt dann, wenn sich der Grundstückseigentümer durch unechten Vertrag
zugunsten Dritter gegenüber dem Versprechensempfänger verpflichtet hat, die Dienstbarkeit für einen Dritten zu bestellen, und die Abtretungsmöglichkeit schuldrechtlich vereinbart wurde.
3. Der einen Dritten begünstigende Einräumungsanspruch kann durch Vormerkung gesichert
werden.
4. Der Umstand, dass die Person und Zahl der Drittbegünstigten noch nicht bekannt ist, steht
der Eintragung der Vormerkung nicht entgegen, weil das grundbuchmäßige Erfordernis
der genauen Bezeichnung des Anspruchsinhabers (Bestimmtheitserfordernis) nur für den
Versprechensempfänger und nicht für die Drittbegünstigen gilt.
(OLG Nürnberg, Beschl. v. 26.1.2015, Az. 15 W 1608/15, ZfIR 2016, S. 206 ff.)
Dem Beschluss des OLG Nürnbergs lag ein für
Projektfinanzierungen im Bereich der erneuerbaren Energien typisches Besicherungsszenario zugrunde: Zugunsten des Betreibers eines
Windparks waren im Grundbuch beschränkte
persönliche Dienstbarkeiten (Betreibung einer
Windkraftanlage, Wegerechte, Kabelleitungsrechte) sowie weitere – im Gleichrang hierzu
– Vormerkungen zur Sicherung eines bedingten und bedingt abtretbaren schuldrechtlichen
Anspruchs auf Eintragung eines Betreibungs-,
Wege- und Kabelleitungsrechts eingetragen.
Inhaltliche Grundlage der eingetragenen Vormerkungen waren dabei notarielle Verträge wischen dem Grundstückseigentümer und dem
Betreiber, in denen unter Ziffer I der Grundstückseigentümer dem Betreiber einerseits besagte beschränkte persönliche Dienstbarkeiten
auf dem jeweiligen Grundstück bestellte. Gemäß Ziffer II. („Anspruch auf Neubestellung von
Dienstbarkeiten; Vormerkung“) dieser Verträge
wurde dem Betreiber andererseits das Recht
eingeräumt, den jeweils konkret bezeichneten
Gestattungsvertrag, welcher Rechtsgrundlage
für die Dienstbarkeiten gemäß Ziffer I ist, auf
Dritte ganz oder teilweise zu übertragen. Ferner
wurde in dem Gestattungsvertrag mit dem Betreiber auch etwaigen Finanzierungsgläubigern
des Betreibers das Recht zuerkannt, in den Gestattungsvertrag einzutreten bzw. Dritte zu be-
nennen, die in den Gestattungsvertrag eintreten.
Für diese Fallgestaltungen hat sich der Grundstückseigentümer gegenüber dem Betreiber
verpflichtet, zugunsten des vom Betreiber bzw.
vom Finanzierungsgläubiger benannten Dritten
beschränkte persönliche Dienstbarkeiten mit einem Inhalt entsprechend dem in Ziffer I Niedergelegten zu bestellen. Zur Sicherung dieses vorgenannten künftigen Anspruchs des Betreibers
hat der Grundstückseigentümer die Eintragung
einer Vormerkung zugunsten des Betreibers im
Gleichrang mit der aufgrund der obigen Ziffer I
bestellten Dienstbarkeit bewilligt.
Mit notariell unterschriftsbeglaubigtem Schreiben trat der Betreiber die Ansprüche auf Einräumung der beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten und die damit verbundenen akzessorischen
Vormerkungen mit allen Rechten und Pflichten
zur Sicherung der gegen ihn gerichteten, zukünftigen Darlehensforderung der X-Bank e.G.
an die X-Bank ab und bewilligte und beantragte
„unwiderruflich die Eintragung der in obiger Ziffer
I bestellten Vormerkungen einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit zugunsten der X-Bank“.
Das Grundbuchamt verweigerte die Eintragung
der Abtretung unter Hinweis darauf, dass eine
Vormerkung nur insoweit abtretbar sei, als auch
eine Abtretbarkeit des sie begründende Rechts
gegeben sei. Da die vorgemerkten Dienstbarkeiten tlw. gem. § 1092 BGB nicht übertragbar sei››
BuB-Monatsbrief • Nr. 6 • Mai 2016
7
Allgemeines Bankrecht
Kreditsicherung – beschränkte persönliche Dienstbarkeit –
Abtretungsverbot – Ausnahme
en, soll auch eine Abtretung der Vormerkungen
insoweit ausscheiden.
Das OLG Nürnberg kam in seiner Prüfung jedoch zu dem gegenteiligen Ergebnis, dass die
Abtretung der durch die Vormerkungen gesicherten schuldrechtlichen Ansprüche auf Eintragung beschränkter persönlicher Dienstbarkeiten
zugunsten der vom Betreiber benannten Dritten
in der hier vorliegenden Fallkonstellation zulässig sei. In seiner Entscheidungsbegründung arbeitete das OLG Nürnberg als Ausgangspunkt
zunächst heraus, dass eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit in der Tat einem gesetzlichen
Übertragungsverbot (§ 1092 Abs. 1 S. 1 BGB)
unterliegt und dass die gesetzlichen Ausnahmetatbestände (§ 1092 Abs. 2 und 3 BGB) im vorliegenden Fall nicht vollumfassend eingreifen. Zwar
erlaube der § 1092 Abs. 3 BGB die Übertragung
von beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten
soweit diese der Fortleitung der erzeugten Windenergie dienen, für Anlagen die der Energiegewinnung selbst dienen, gelte diese Privilegierung
jedoch nicht. Der angeordneten Unzulässigkeit
der Übertragung der beschränkten persönlichen
Dienstbarkeit liege der Gedanke zugrunde, dass
die Dienstbarkeit auf das persönliche Bedürfnis
des Berechtigten zugeschnitten und an eine
bestimmte Person gebunden sei, weshalb ein
schutzwürdiges Interesse des Verpflichteten an
der Beibehaltung des ursprünglich Berechtigte
anzuerkennen sei.
Nach Auffassung des OLG Nürnberg soll jedoch
der Umstand, dass der Versprechensempfänger (also der Betreiber) und die Begünstigte der
beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (also
z.B. die finanzierende Bank) schon nach dem
Inhalt des schuldrechtlichen Vertrags zwischen
dem Grundstückseigentümer und dem Betreiber auseinanderfallen können, vorliegend eine
Ausnahme vom Grundsatz der Unübertragbarkeit des durch Vormerkung gesicherten schuldrechtlichen Anspruchs auf Einräumung einer
beschränkten persönlichen Dienstbarkeit begründen. Die Kernargumentation des OLG Nürnberg lautet wie folgt: „Wenn der schuldrechtliche
Anspruch auf Einräumung einer Dienstbarkeit
von vornherein eine andere Person als den ursprünglichen Gläubiger begünstigen will, ist die
Dienstbarkeit nach dem Willen der Vertragsparteien gerade nicht an die Person des ursprünglichen Gläubigers gebunden. Hieraus folgt die
Abtretbarkeit dieses Einräumungsanspruchs des
Versprechensempfängers jedenfalls dann, wenn
der Begünstigte von vornherein ein vom Versprechensempfänger oder gar – wie hier – von der
finanzierenden Bank zu benennender Dritter ist
und die Abtretungsmöglichkeit schuldrechtlich
vereinbart wurde. § 399 BGB steht dann jedenfalls nicht entgegen, da in diesem Fall durch die
Abtretung weder der Inhalt der Leistung verändert wird noch ein höchstpersönliches Recht im
Raum steht. Auch der dem Übertragungsverbot
des § 1092 BGB zugrundeliegende Schutzzweck, dass die Dienstbarkeit auf das persönliche Bedürfnis des Berechtigten zugeschnitten
und an eine bestimmte Person gebunden ist,
wird hier nicht berührt.“
Das OLG Nürnberg gab der Beschwerde vor
diesem Hintergrund statt und wies dem Grundbuchamt rein vorsorglich den weiteren Weg zur
Grundbuchberichtigung und Eintragung der
finanzierenden Bank als Vormerkungsberechtigte. [Wu]
Dr. Christian Wulfers, UniCredit Bank AG
BuB-Monatsbrief • Nr. 6 • Mai 2016
8
Gesellschaftsrecht
GmbH-/Insolvenzrecht – Haftung des Directors einer Limited
Auf den Direktor einer private company limited by shares, über deren Vermögen in Deutschland das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, kommt § 64 Satz 1 GmbHG zur Anwendung.
(BGH, Urt. v. 15.3.2016, Az. II ZR 119/14; ZIP 2016, 821 f.)
In dem entschiedenen Fall war über das Vermögen einer englischen Limited in Deutschland ein
Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die Limited
war in dem für England und Wales zuständigen
Handelsregister in Cardiff eingetragen und hatte eine deutsche Zweigniederlassung. Der Fokus ihrer Tätigkeit lag überwiegend in Deutschland. Da die beklagte Direktorin der Limited
nach eingetretener Zahlungsunfähigkeit noch
Zahlungen veranlasst hatte, nahm der Insolvenzverwalter die Beklagte nach § 64 Abs. 2 Satz
1 GmbHG auf Ersatz in Anspruch. LG und OLG
gaben der Klage statt. Der BGH setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH zwei Fragen
zur Auslegung der Art. 49, 54 AEUV und des
Art. 4 EuInsVO im Hinblick auf § 64 Abs. 2 S.1
GmbHG zur Vorabentscheidung vor. Der jetzigen Entscheidung des BGH liegen die Antworten des EuGH (Urt. v. 10.12.2015 – C-594/14
– Kornhaas) zugrunde.
Der BGH bejaht die Haftung des Directors einer englischen Limited nach § 64 Abs. 2 Satz
1 GmbHG a.F. auf Ersatz der nach Eintritt der
Zahlungsunfähigkeit oder nach Feststellung
der Überschuldung verbotswidrig geleisteten
Zahlungen. § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG a.F. entspricht dem heutigen § 64 Satz 1 GmbHG.
Der BGH begründet seine Entscheidung mit
dem Normzweck. Der Sinn und Zweck des §
64 Satz 1 GmbHG bestehe darin, im Interesse
einer gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung im
Insolvenzverfahren Masseverkürzungen im Vorfeld des Insolvenzverfahrens abzuwenden und
die (Wieder-)Auffüllung des Gesellschaftsvermögens für den Fall sicherzustellen, dass der
Geschäftsführer seiner Massesicherungspflicht
nicht nachkomme. Demzufolge werde durch
diese Norm nicht ein Schaden der Gesellschaft,
sondern ein künftiger Schaden der Insolvenz-
gläubiger erfasst. Dieser Gesetzeszweck trifft
nach Ansicht des BGH sowohl auf eine deutsche GmbH als auch auf eine englische Limited
zu. Bei beiden Gesellschaftsformen hafte der
Gesellschafter grundsätzlich nicht mit seinem
persönlichen Vermögen für die Gesellschaftsschulden. Zudem bestehe bei beiden Gesellschaftsformen die Gefahr, dass der Geschäftsführer oder der Director nach Insolvenzreife
Zahlungen zu Lasten der späteren Insolvenzgläubiger leiste und dadurch die Insolvenzmasse verkürze. Diese Umstände rechtfertigten es,
den Director einer Limited hinsichtlich seiner
Haftung bei derartigen Zahlungen einem GmbHGeschäftsführer gleichzustellen.
Im Ergebnis qualifiziert der BGH damit § 64 Satz
1 GmbHG im Einklang mit der herrschenden Literaturansicht insolvenzrechtlich (und nicht gesellschaftsrechtlich) und ermöglicht es so, die
Vorschrift über Art.4 EuInsVO auf den Director
einer Limited anzuwenden.
Nach Ansicht des BGH steht die beschriebene
Rechtsanwendung nicht im Widerspruch zum
Unionsrecht. Der EuGH habe bestätigt, dass §
64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG a.F. auch auf Directors
einer Limited anwendbar sei, über deren Vermögen im Inland das Insolvenzverfahren eröffnet
worden ist.
Die Entscheidung des BGH stellt keine Durchbrechung der sog. Gründungstheorie im Sinne einer
Abkehr von deren Anknüpfungsmoment des Satzungssitzes dar. Allerdings wird durch das Urteil
die Reichweite des Gesellschaftsstatuts zugunsten einer Erweiterung des insolvenzrechtlichen
Anknüpfungsgegenstandes und einer Erhöhung
des Gläubigerschutzes beschränkt.
Die praktischen Folgen der Entscheidung liegen
darin, dass deutsche Insolvenzverwalter im Falle
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BuB-Monatsbrief • Nr. 6 • Mai 2016
9
Gesellschaftsrecht
GmbH-/Insolvenzrecht – Haftung des Directors einer Limited
einer Insolvenzeröffnung über eine in Deutschland tätige ausländische Gesellschaft deren
jeweilige Geschäftsführer mit Haftungsklagen
gem. § 64 S.1 GmbHG verfolgen können. Die
jetzt eindeutig insolvenzrechtliche Qualifikation
dieser Norm dürfte in Zukunft verhindern, dass
Gesellschaften – obgleich ihre Geschäftstätig-
keit und ihr Verwaltungssitz planmäßig im Inland
liegen werden – im Ausland nur mit dem Zweck
gegründet werden, die strengen inländischen
Vorschriften des § 64 GmbHG zu umgehen. Die
durch EuGH und BGH in ihren Entscheidungen
geschaffene Rechtssicherheit ist zu begrüßen.
[SFa, PB]
Dr. Stephan Fackler, UniCredit Bank AG
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Insolvenzrecht
Insolvenzanfechtung – mittelbare Zuwendung – Schenkungs-/
Deckungsanfechtung
Veranlasst ein Schuldner einen Mittler zur Erbringung von Leistungen, die aus seinem Vermögen stammen, an seinen Gläubiger, und fechten, nachdem sowohl der Schuldner als auch der
Mittler in die Insolvenz geraten sind, beide Insolvenzverwalter die Leistungen an, schließt die
auf die mittelbare Zuwendung gestützt Deckungsanfechtung durch den Insolvenzverwalter
des Schuldners eine Schenkungsanfechtung durch den Insolvenzverwalter des Mittlers nur
insoweit aus, als der Anfechtungsgegner das anfechtbar Erlangte tatsächlich an den Insolvenzverwalter, der die Deckungsanfechtung geltend macht, zurückgewährt.
(BGH, Urt. v. 4.2.2016, Az. II ZR 42/14; ZIP 2016, S. 572 f.)
Der Kläger ist Verwalter in dem am 29.4.2009
eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der W1 GmbH (Schuldnerin). Die Beklagte
war Inhaberin von Forderungen gegen die W2
GmbH, einer Schwestergesellschaft der Schuldnerin (Schwestergesellschaft), über deren Vermögen ebenfalls am 29.4.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Schuldnerin zahlte zu
einem Zeitpunkt, als die Schwestergesellschaft
insolvenz­
reif war, an die Beklagte auf die Forderungen gegen die Schwestergesellschaft rd.
65.000 €. Der Verwalter über das Vermögen der
Schwestergesellschaft focht diese Zahlung als
inkongruente Deckung an. Die Parteien im dortigen Prozess schlossen einen Vergleich, wonach
die Beklagte 32.500 € an den dortigen Kläger
zahlen musste. Wegen des Differenzbetrages von
rd. 32.500 € nimmt der Kläger die Beklagte nach
§ 134 InsO in Anspruch.
Der Senat erachtet den vom Kläger geltend gemachten Anfechtungsanspruch wegen unentgeltlicher Leistung gem. § 134 Abs. 1 InsO für begründet. Nach ständiger Rspr. komme es – wenn eine
dritte Person in den Zuwendungsvorgang eingeschaltet werde – nicht entscheidend darauf an, ob
der Verfügende selbst einen Ausgleich für seine
Verfügung erhalten habe; maßgeblich sei vielmehr, ob der Zuwendungsempfänger seinerseits
eine Gegenleistung zu erbringen habe. Zahle der
Verfügende die gegen einen Dritten gerichtete
Forderung des Zuwendungsempfängers, liege
dessen Gegenleistung i.d.R. darin, dass er mit der
Leistung eine werthaltige Forderung gegen den
Dritten verliere. Sei hingegen die Forderung des
Zuwendungsempfängers wertlos, verliere dieser
wirtschaftlich nichts, was als Gegenleistung für
die Zuwendung angesehen werden könne, weshalb in solchen Fällen die Tilgung einer fremden
Schuld als unentgeltliche Leistung anfechtbar
sei.
Zum Verhältnis zwischen Deckungs- und Schenkungsanfechtung hat der BGH bereits ent­
schieden:
Hat die Schwestergesellschaft über die Schuldnerin als Leistungsmittler an die Beklagte geleistet
(§ 267 Abs.1 S.1 BGB) und ist die Erfüllungshandlung – nachdem sowohl die Schuldnerin als auch
die Schwestergesellschaft in die Insolvenz geraten sind – von beiden Insolvenzverwaltern im Interesse der jeweiligen Masse angefochten worden,
geht die (Deckungs-)Anfechtung durch den Insolvenzverwalter des Leistenden der (Schenkungs-)
Anfechtung durch den Insolvenzverwalter des
Leistungsmittlers vor, wenn die Voraussetzungen
der Deckungsanfechtung tatsächlich vorliegen
und diese rechtzeitig geltend gemacht worden ist.
Bislang ungeklärt waren zwei Fragen:
(1) Schließt die Deckungsanfechtung die Schenkungsanfechtung auch dann aus, wenn sie zwar
rechtzeitig geltend gemacht worden ist, ihre Voraussetzungen aber zweifelhaft geblieben sind und
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Insolvenzrecht
Insolvenzanfechtung – mittelbare Zuwendung – Schenkungs-/
Deckungsanfechtung
der Rechtsstreit über die Deckungsanfechtung
durch Vergleich beendet worden ist? – Dies hat
der Senat nunmehr dahingehend entschieden,
dass die Deckungsanfechtung nur dann Vorrang
habe, wenn sie tatsächlich begründet sei. Es
reiche nicht aus, wenn ihre Voraussetzungen lediglich behauptet worden sind und hierüber ein
Vergleich geschlossen wird.
(2) Schließt ein Vergleich über einen Anspruch
aus Deckungsanfechtung die Schenkungsanfechtung auch dann insgesamt aus, wenn der
diese Deckungsanfechtung geltend machende
Verwalter sich im Vergleich mit einem Teil des
Forderungsbetrages begnügt? – Hierzu hat
der Senat entschieden, dass der Vorrang der
Deckungsanfechtung den Anspruch aus der
Schenkungsanfechtung nur insoweit verdrängt,
als der streitige Betrag tatsächlich an den Verwalter mit dem Anspruch aus Deckungsanfechtung zurückbezahlt worden ist. Die Vergleichskompetenz des Verwalters beziehe sich – für die
Parteien des Vergleichs offensichtlich – nur auf
die ihm zustehenden Ansprüche, nicht auch auf
Anfechtungsansprüche des Insolvenzverwalters
über das Vermögen des Leistungsmittlers aus
unentgeltlichen Zuwendungen (sonst unzulässiger Vertrag zulasten Dritter).
Die Forderung der Beklagten gegen die Schwestergesellschaft lebt nach § 144 Abs. 1 InsO in dem
Umfang wieder auf, in dem der Beklagte das Erlangte aufgrund der Deckungsanfechtung an den
Kläger tatsächlich zurückgewährt hat. [PB]
Patricia Berger, UniCredit Bank AG
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Insolvenzrecht
Insolvenzanfechtung – Schenkungsanfechtung – gemeinsame
Kreditlinie
Erbringt eine von mehreren verbundenen Gesellschaften, denen die Bank eine gemeinschaftliche Kreditlinie eingeräumt hatte, eine Zahlung durch eine geduldete Überziehung ihres
Kontos, benachteiligt dies ihre Gläubiger, auch wenn mit der Zahlung die Verbindlichkeit einer
verbundenen Gesellschaft getilgt wird.
(BGH, Urt. v. 25.2.2016, Az. II ZR 12/14, ZIP 2016, S. 581 ff.)
Der Kläger ist Verwalter in dem am 27.10.2010
eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der D. GmbH (Schuldnerin), einer Tochtergesellschaft der A. AG, über deren Vermögen
am 29.11.2010 ebenfalls das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die A. AG schuldete der Beklagten aufgrund eines Vergleichs € 27.608. Am
23.12.2009 überwies die Schuldnerin diesen Betrag von ihrem Konto bei der die D. Bank, die den
verbundenen Gesellschaften eine gemeinsame
Kreditlinie von € 5 Mio. eingeräumt hatte, an die
Beklagte. Die A. AG verfügte zu diesem Zeitpunkt
noch über liquide Mittel in Höhe von € 28.197,88.
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung der von der Schuldnerin geleisteten Zahlung
unter dem rechtlichen Aspekt der Schenkungsanfechtung nach § 134 InsO.
Nach gefestigter Rspr. sei eine Gläubigerbenachteiligung zu bejahen, wenn der Schuldner neue
Gelder aus einer lediglich geduldeten Kontoüberziehung schöpfe und diese aufgrund einer vom
Schuldner veranlassten Überweisung direkt von
der Bank dem Empfänger zufließe. Denn dann
könne die Zuwendung an den Empfänger nur infolge und nach Einräumung des vom Schuldner
beantragten Überziehungskredits bewirkt werden.
Eine solche Direktzahlung könne anfechtungsrechtlich nicht anders behandelt werden, als wenn
die Geldmittel, auf die der Schuldner keinen Anspruch hatte, ihm durch ein neu gewährtes Darlehen zunächst überlassen und sodann zur Deckung von Verbindlichkeiten verwendet werden.
Erfolgte – wie im Streitfall – der Überweisungsauftrag zu Lasten eines Kontos der Schuldnerin,
liege die Gläubigerbenachteiligung darin, dass
die Mittel des Überziehungskredits nicht zunächst
in das Vermögen der Schuldnerin gelangt und
dort für den Zugriff der Gesamtheit ihrer Gläubiger verblieben sind. Der Umstand, dass die
auftragsausführende Bank der Schuldnerin und
ihrer Muttergesellschaft eine gemeinsame Kreditlinie eingeräumt hatte, rechtfertige keine andere
Beurteilung. Dies besage nur, dass sowohl die
Schuldnerin als auch die Muttergesellschaft im
Rahmen der gemeinsamen offenen Kreditlinie
Darlehensmittel abrufen konnten. Nehme eine
der verbundenen Gesellschaften Kreditmittel in
Anspruch, gleichviel ob diesseits oder jenseits
der eingeräumten Kreditlinie, sei insoweit diese
Gesellschaft Darlehensnehmerin. Nur ihre Gläubiger würden benachteiligt, wenn die Bank das
Darlehen nicht an die anweisende Gesellschaft,
sondern zulasten ihres Kontos direkt an einen
Dritten auszahle. Unerheblich sei, ob die Überweisung der Tilgung einer eigenen Verbindlichkeit der
Insolvenzschuldnerin, einer Schuld der verbundenen Gesellschaft oder derjenigen eines Dritten
diene. Entscheidend für die Frage der Gläubigerbenachteiligung sei allein, dass die Zahlung auf
der Grundlage einer zwischen Insolvenzschuldnerin und Bank bestehenden Darlehensbeziehung erfolge.
Die von § 134 Abs. 1 InsO vorausgesetzte Unentgeltlichkeit der Leistung werde nicht dadurch
ausgeschlossen, dass die A. AG zum Zeitpunkt
der Zahlung der Schuldnerin noch über liquide
Mittel verfügte, die den Zahlungsbetrag geringfügig überstiegen. Mangels Entscheidungsreife
verwies der Senat die Sache an das Berufungsgericht zurück, damit dieses die erforderlichen
Feststellungen hinsichtlich des Bestehens der
Zahlungsunfähigkeit der A. AG zum Zeitpunkt der
angefochtenen Überweisung treffe. [PB]
Patricia Berger, UniCredit Bank AG
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Wertpapier- und Kapitalmarktrecht
Derivate – Aufklärungspflicht über anfänglich negativen
Marktwert bei Swaps – Voraussetzungen der Konnexität von
Grundgeschäft und Gegengeschäft bei Abschluss von ZinssatzSwap-Verträgen
1. In Fortführung der Senatsurteile BGH XI ZR 33/10 und XI ZR 378/13 bestätigt der BGH, dass
die Bank nicht aus dem Gesichtspunkt der objektgerechten Beratung, sondern aus dem
Gesichtspunkt eines schwerwiegenden Interessenkonflikts grundsätzlich verpflichtet ist,
bei Swap-Verträgen im Zweipersonenverhältnis anlässlich einer vertraglich geschuldeten
Beratung das Einpreisen einer Bruttomarge zu offenbaren. Über „das Einpreisen“ eines
anfänglich negativen Marktwerts als solches und dessen Höhe ist aufzuklären, es sei denn
es besteht ein konnexes Grundgeschäft.
2. Zu den Voraussetzungen einer den Interessenkonflikt ausschließenden „Konnexität“ von
Grundgeschäft und Gegengeschäft bei Abschluss von Zinssatz-Swap-Verträgen hat sich
der BGH in diesem Urteil geäußert.
(BGH, Urt. v. 22.3.2016, Az. XI ZR 425/14, WM 2016, S. 821 ff.)
Die Klägerin ist eine Gemeinde in NordrheinWestfalen mit ca. 16.000 Einwohnern. Sie hatte eine ständige Geschäftsverbindung mit der
Rechtsvorgängerin der Beklagten, einer Landesbank. Mit dieser schloss die Klägerin am 5.9.2005
einen Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte
und vereinbarte in der Folge mehrere, verschiedentlich ausgestaltete Zinssatz-Swap-Verträge.
Drei dieser Verträge waren streitgegenständlich:
Ein „Kündbarer Zahler-Swap“ vom 9.11.2006 mit
einem Bezugsbetrag in Höhe von 3.779.573,89 €
und einer Laufzeit vom 30.1.2014 bis zum
30.7.2032. Die Klägerin verpflichtete sich hierbei
zur Zahlung eines festen Zinssatzes in Höhe von
6,44% p.a., berechnet in Bezug auf den Bezugsbetrag. Die Beklagte verpflichtete sich zur Zahlung
eines variablen Zinssatzes in Höhe des 3-MonatsEuribors, berechnet anhand des Bezugsbetrags;
ihr stand ein einmaliges Kündigungsrecht zum
22.1.2014 zu. Bisher hatte die Klägerin einen Betrag in Höhe von 36.973 € erhalten und selbst keine Zahlungen aus dem Vertrag geleistet.
Am 12.3.2008 schlossen die Parteien einen „Digitalen Zinsumfeld-Swap“ mit einem Bezugsbetrag in Höhe von 3 Mio. € und einer Laufzeit vom
15.3.2008 bis zum 15.3.2018. Die Klägerin verpflichtete sich zu einem zunächst festen Zinssatz
und dann einem Zinssatz von entweder 2,25 %
p.a. oder 6,95 % p.a., berechnet anhand des Bezugsbetrags. Welchen Zinssatz die Klägerin konkret schuldete, hing von einer „Digitalbedingung“
ab. Die Beklagte wiederum verpflichtete sich zur
Zahlung eines festen Zinssatzes in Höhe von 3%
p.a. des Bezugsbetrages. Mit dem Abschluss des
Vertrages einigten sich die Parteien auf die vorzeitige Auflösung eines „Digitalen Differenz-StufenSwap“, aus dem sich eine noch zu begleichende
Restschuld der Klägerin in Höhe von 157.000 €
ergeben hätte. Diesen Betrag musste die Klägerin
nicht begleichen, aber er wurde bei der Gestaltung
der Vertragsposition der Beklagten im Rahmen
des „Digitalen Zinsumfeld-Swaps“ berücksichtigt.
Bislang hat die Klägerin Zahlungen in Höhe von
45.000 € aus diesem Swap erlangt, musste aber
im Gegenzug 207.375 € an die Beklagte leisten,
wovon noch 29.625 € ausstehen.
Am 16.11.2009 einigten sich die Parteien auf
einen „CHF-Plus-Swap“ mit einem Bezugsbetrag in Höhe von 8 Mio. € und einer Laufzeit vom
30.12.2009 bis zum 30.12.2019. Die Klägerin
verpflichtete sich zur Zahlung eines variablen
Zinssatzes, der ausgehend von einem EUR/
CHF-Wechselkurs von 1,4350 an dessen weitere Entwicklung gekoppelt war. Unterschritt der
Wechselkurs zu bestimmten Stichtagen diesen
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Insolvenzrecht
Derivate – Aufklärungspflicht über anfänglich negativen
Marktwert bei Swaps – Voraus-setzungen der Konnexität von
Grundgeschäft und Gegengeschäft bei Abschluss von ZinssatzSwap-Verträgen
Kurs, ergab sich ein Aufschlag auf den in jedem
Fall zu zahlenden Zinssatz von 2,5 % p.a. Die Beklagte verpflichtete sich zur Zahlung eines festen
Zinses in Höhe von 3 % p.a. des Bezugsbetrages.
Auch hier wurde bei der Gestaltung der Vertragskonditionen ein zeitgleich vorzeitig aufgelöster
Vorgängerswap berücksichtigt, aus welchem die
Klägerin sonst zu einer Ausgleichszahlung verpflichtet gewesen wäre. Bislang hat die Klägerin
der Beklagten aus dem CHF-Plus-Swap von
1.224.686 € bezahlt.
Alle streitgegenständlichen Swap-Verträge dienten der Zinsoptimierung für bei anderen Banken
bestehende Kreditverbindlichkeiten. Aus Sicht
der Klägerin hat die Beklagte zum Zeitpunkt des
Vertragsabschlusses weder auf das Vorliegen
eines jeweils vorliegenden negativen Marktwerts
hingewiesen noch hat sie deren konkrete Höhe
offenbart.
Das LG Köln hat der Klägerin Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 1.357.436 € zuzüglich
Zinsen zugesprochen sowie festgelegt, dass keine weiteren Ansprüche der Beklagten aus dem
„Digitalen Zinsumfeld-Swap“ und dem „CHF-PlusSwap“ bestehen. Die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hin hat das OLG Köln ergänzend festgestellt,
dass die Beklagte auch keine weiteren Ansprüche
mehr gegen die Klägerin aus dem „Kündbaren
Zahler-Swap“ habe. Die Beklagte verfolgte mit der
Revision beim BGH die vollständige Klageabweisung. Der BGH hat das Urteil des OLG Köln insoweit aufgehoben und zur neuen Verhandlung und
Entscheidung zurückverwiesen, als zum Nachteil
der Beklagten erkannt worden ist.
Sowohl das OLG Köln als auch der BGH gehen
jeweils von Beratungsverträgen in Bezug auf die
streitgegenständlichen Swaps aus, die die Be-
klagte wegen Nichtaufklärung über die anfänglichen negativen Marktwerte und deren Höhe verletzt hat. Allerdings bekräftigt der BGH, dass dies
kein Aspekt der objektgerechten Beratung sei. Die
Aufklärungspflicht folge aus dem Gesichtspunkt
eines schwerwiegenden Interessenkonflikts.
Die Pflicht der Beklagten zur Aufklärung über die
anfänglichen negativen Marktwerte ist vorliegend
auch nicht deswegen entfallen, weil eine konnexe
Verknüpfung mit Darlehen als Grundgeschäften
bestanden hätte. Denn hierfür verlangt der BGH
in seiner Entscheidung, dass bei der den Swap
beratenden Bank ein Darlehensvertrag besteht,
unterhalten oder zeitgleich abgeschlossen wird.
Der Bezugsbetrag des Zinssatz-Swaps muss der
zur Rückzahlung ausstehenden Valuta des Darlehensvertrages entsprechen oder darf sie jedenfalls nicht übersteigen. Die Laufzeit des Swaps
muss der des Darlehensvertrages bzw. des Zinsbindungszeitraums entsprechen oder darf sie
jedenfalls nicht überschreiten. Nach Ansicht des
BGH müssen sich die Zahlungspflichten der Bank
aus dem Zinssatz-Swap mit dem vom Kunden im
Darlehensvertrag übernommenen Zins mindestens im Sinne einer teilweisen Absicherung gegenläufiger Zinsrisiken decken, um von der Konnexität des Grundgeschäfts ausgehen zu können.
Die Bank muss daher jeweils zum gleichen Stichtag wie der Kunde den auf denselben Basiswert –
beim Zinssatz-Swap denselben Referenzzinssatz
– bezogenen variablen Zinssatz des Kunden aus
dem Darlehensvertrag im Tausch gegen einen
festen Zins übernehmen oder dem Kunden den
von ihm aus dem Darlehensvertrag geschuldeten
Festzins gegen einen variablen Zins zahlen. Wirtschaftlich muss sich also bei einer Bank entweder
ein synthetisches Festzinsdarlehen oder ein synthetisches variabel verzinsliches Darlehen durch
die Kombination eines Swap-Vertrages mit einem Darlehensvertrag ergeben. Nachdem daher
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Insolvenzrecht
Derivate – Aufklärungspflicht über anfänglich negativen
Marktwert bei Swaps – Voraus-setzungen der Konnexität von
Grundgeschäft und Gegengeschäft bei Abschluss von ZinssatzSwap-Verträgen
Darlehensverträge mit dritten Darlehensgebern
als konnexe Grundgeschäfte ausscheiden, lag
schon nach eigenem Sachvortrag der Beklagten
nach Ansicht des BGH keine die Aufklärungspflicht ausschließende Konnexität vor.
Das Berufungsgericht ist jedoch rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die Beklagte zur
Widerlegung der zugunsten der Klägerin streitenden „Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens“ nicht erheblich vorgetragen hätte. Gemäß
dem BGH hätten die Angestellten der Klägerin
zu der Behauptung der Beklagten vernommen
werden müssen, dass die Klägerin in Kenntnis
des Einpreisens eines anfänglich negativen
Marktwertes gehandelt habe und an dessen
konkreter Höhe nicht interessiert war. Auch hätte das Berufungsgericht dem Vortrag der Beklagten nachgehen müssen, dass der frühere
Bürgermeister und der Kämmerer der Klägerin
die Zinssatz-Swaps ohne Rücksicht auf eine
Bruttomarge abschlossen, weil sie die Verluste
aus früheren Geschäften nicht publik machen
wollten. Für die Frage, ob ein Beratungsfehler ursächlich für die Anlageentscheidung geworden ist, kommt es nur darauf an, ob er die
Willensentschließung ausschlaggebend beeinflusst hat. Waren andere Motive entscheidend,
ist ohne Rücksicht auf deren Entstehungsgrund
der Beratungsfehler nicht kausal.
Der BGH hat zudem noch klarstellende Ausführungen hinsichtlich der Vorteilsanrechnung
und Verjährung zu der speziellen, hier vorliegenden Konstellation gemacht und sodann den
Rechtsstreit für weitere Feststellungen an das
OLG Köln zurückverwiesen. Hierbei wies der
Senat für das weitere Verfahren noch darauf hin,
dass das Festhalten an wirtschaftlich günstigen
Verträgen in Kenntnis des Umstands, dass die
Beklagte einen anfänglich negativen Marktwert
eingepreist hat, ein Indiz dafür sein kann, dass
sich der Beratungsfehler auf den Anlageentschluss nicht ursächlich ausgewirkt hat. [MK]
Thomas Kamm, UniCredit Bank AG
BuB-Monatsbrief • Nr. 6 • Mai 2016
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