Deutschland investigativ Knöllchen auf Raten Gegen zahlungsunfähige Schwarzfahrer und Parksünder soll es bessere Sanktionsmöglichkeiten geben. Darüber diskutiert die Justizministerkonferenz Mitte nächster Woche in Nauen. Für die Länder geht es um ein ziemlich teures Problem: Täglich sitzen schätzungsweise 5000 Menschen in deutschen Gefängnissen, die Geldstrafen für Schwarzfahren und andere Kleindelikte nicht zahlen können. Viele müssen deshalb sogenannte Ersatzfreiheitsstrafen antreten. Den Steuerzahler kostet der Strafvollzug jährlich gut 300 Millionen Euro. Die nordrhein- westfälische Landesregierung möchte dies ändern und hat deshalb vorgeschlagen, die Pfändungsfreigrenze bei der Vollstreckung der Geldstrafen außer Acht zu lassen. Denn die meisten Betroffenen leben von Hartz IV, und diese Sozialleistungen unterliegen dem Pfändungsverbot. Nach der Vorlage aus Düsseldorf sollen etwa Schwarzfahrer ihre Strafen künftig mit bis zu 20 Euro im Monat abstottern. „Für Hartz-IVBezieher ist das eine spürbare Strafe“, sagt NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD). Den Menschen bliebe das Gefängnis erspart – und Nordrhein-Westfalen hätte rund 1000 Häftlinge pro Tag weniger. bas Affären leiter Volker Clemens auf Knapp bei Kasse SPIEGEL-Anfrage einräumte. Die wegen demütigender Erziehungsmethoden in die Kritik geratene „Rimmelsberg Kinder- und Jugendhilfe“ (SPIEGEL 20/2016) hat offenbar auch erhebliche finanzielle Probleme. So kann sie den „Liquiditätsnachweis“ derzeit nicht erbringen, der für den Antrag auf eine Betriebserlaubnis für Heime in Schleswig-Holstein erforderlich ist, wie Rimmelsberg-Geschäfts- Dabei geht es um einen Betrag von mehr als 500 000 Euro. Die Summe errechnet sich nach der Formel „90 Tagessätze mal Platzzahl“; in den Rimmelsberg-Heimen sind derzeit 41 Plätze belegt, bei einem durchschnittlichen Tagessatz von 155 Euro. Die Summe kann der mit mehr als zwei Millionen Euro verschuldete Betreiber schon seit Monaten nicht aufbringen. Dies sei den „Verant- Gesetzentwürfe soll in Zukunft ihr Dienstherr einspringen. Als „besonders gefährdet“ nennt das Papier Polizeibeamte im Außeneinsatz. Auf Bundesebene rechnet das Innenministerium mit 45 Betroffenen im Jahr. Das Gesetz soll in der ersten Juniwoche vom Parlament beraten werden. cos Schmerzensgeld für Polizeibeamte Die Bundesregierung will Beamte und Soldaten, die im Dienst Opfer von Gewalttaten werden, besser absichern. Ein Gesetzentwurf des Bundesinnenministeriums sieht vor, dass der Dienstherr künftig „zur Zahlung des Schmerzensgelds verpflichtet werden“ kann. Bislang haben Beamte und Soldaten zwar Anspruch auf Rechtsschutz durch ihren Arbeitgeber, wenn sie einen Angreifer verklagen. Allerdings erhalten sie das ihnen zugesprochene Schmerzensgeld oft nicht, wenn ihr Schädiger zahlungsunfähig ist. In diesen Fällen MALTE CHRISTIANS / DPA Strafvollzug Bewusstloser Polizist bei Demo wortlichen im Sozialministerium bekannt“, so Clemens. Ein Sprecher des Ministeriums in Kiel bestätigt dies. „Seit Anfang 2016“ wisse die Heimaufsicht, „dass eine solche Summe aktuell nicht gewährleistet ist“. Auch über die Schulden der Rimmelsberg Jugendhilfe sei man im Bilde. Die wirtschaftliche Situation sei Gegenstand intensiver Prüfungen und Beratungen, die fortgesetzt würden. Die Gespräche dürften durch die Tatsache erschwert wer- den, dass Steuerfahnder aus Flensburg seit Herbst 2015 gegen Rimmelsberg-Verantwortliche ermitteln; wegen des Verdachts der Nichtabführung von Sozialabgaben und Steuerhinterziehung. Inhaber Manuel Feldhues bestreitet jede persönliche Schuld. Für die Heimaufsicht scheint das Verfahren bislang kein Problem: Hinweise, dass die Ermittlungen „relevant für die Sicherstellung des Kindeswohls“ seien, „liegen nicht vor“. gla,lba Lkw-Maut Der Lkw-Maut-Betreiber Toll Collect bekommt einen lukrativen Folgeauftrag der Bundesregierung. Das Konsortium um Telekom und Daimler soll die Bemautung weiterer 40 000 Kilometer Bundesstraßen vorbereiten – und dafür 503 Millionen Euro erhalten. So steht es in einem bislang unveröffentlichten Bericht des Bundesfinanzministeriums an den Haushaltsausschuss des Bundestags. Das Ressort von Wolfgang Schäuble (CDU) werde entsprechende Haushaltsmittel im Rahmen einer „außerplanmäßigen Ver- THOMAS RAUPACH Halbe Milliarde für Toll Collect Kontrollbrücke auf der A7 bei Hamburg pflichtungsermächtigung“ bewilligen; die Voraussetzungen dafür seien „erfüllt“. Die Gelder sollen 2017 und 2018 an Toll Collect ausgezahlt werden. Die Regierung erhofft sich von der Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen zusätzliche Einnahmen von bis zu zwei Milliarden Euro pro Jahr. Dabei ist die entsprechende Gesetzesänderung im Parlament noch gar nicht beschlossen. „Dieser halben Milliarde für Toll Collect fehlt die Rechtsund Vertragsgrundlage. Das ist Haushaltspolitik in Wildwestmanier“, kritisiert der Verkehrsexperte der Linken im Bundestag, Herbert Behrens. sve, was DER SPIEGEL 22 / 2016 27
© Copyright 2024 ExpyDoc