SWR2 Zeitwort

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SWR2 Zeitwort
23.06.1848
Adolphe Sax präsentiert ein neues Blasinstrument
Von Hans Hachmann
Sendung: 23.06.2016
Redaktion: Ursula Wegener
Produktion: SWR 2016
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Autor:
Beinahe hätte es das Saxophon nie gegeben, denn sein Erfinder, der 1814 im
belgischen Dinant geborene Adolphe Antoine Joseph Sax, 11. Kind eines verarmten
Instrumentenbauers, war schon von Jugend an vom Pech verfolgt. Er überlebte nur
knapp einen Treppensturz, verschluckte eine Nadel, verbrannte sich am Ofen und
erlitt eine Vitriolvergiftung. Allen Widrigkeiten zum Trotz erlernte er in der väterlichen
Werkstatt von Jugend an das Handwerk des Instrumentenbauers, bevor er am
Brüsseler Konservatorium Flöte und Klarinette studierte.
Zum einen erschienen ihm allerdings die Berufsaussichten in diesen Fächern alles
andere als rosig, zum anderen interessierte sich Sax – genialer Erfinder, der er war –
mehr für die technisch theoretische Seite von Instrumenten, deren insgesamt
Hunderte er erfunden hat. Nachdem er – für seine kritischen Ohren vergeblich –
versucht hatte, den Klang von Klarinette und Bassklarinette zu verbessern, begann
er gegen 1840 mit dem Bau eines völlig neuartigen Instruments. Sein Geheimnis,
dem metallischen Körper das Mundstück einer Klarinette hinzuzufügen, das sog.
Blatt aus Holz, und somit zählt das Saxophon zur Gruppe der weichen, runden,
verführerischer klingender Holzblasinstrumente.
In Belgien interessierte das niemanden, und so begab sich Sax 1842 nach Paris, das
neue Saxophon quasi sein einziges Gepäckstück, mit dem er bald die
Aufmerksamkeit der Pariser musikalischen Welt erregte. Hector Berlioz
beispielsweise schrieb einen überschwänglichen Artikel, der gewissermaßen als die
Geburtsurkunde des Instrumentes gilt.
Ungeachtet dessen konnte sich das Saxophon, welches in 8 verschiedenen Größen
existierte, im zeitgenössischen Opern- und Orchesterrepertoire nicht durchsetzen.
Andererseits aber bewarb sich Sax 1845 um die Aufnahme seiner Instrumente in die
französischen Militärorchester. Die komplette königliche Familie hörte zu, bei einem
auf dem Pariser Marsfeld abgehaltenen Wettbewerb zwischen einer normal
besetzten und einer mit Sax-Instrumenten bestückten Militärkapelle. Der Wettbewerb
fiel zu Gunsten des Belgiers aus.
Derartige Erfolge veranlassten Sax, seine Erfindung zu vermarkten. Am 23. – andere
Quellen sprechen vom 28. Juni 1846, erhielt er für 15 und später noch einmal für 5
Jahre das Patent für seine Instrumente, trotz vieler Neider, Intrigen und juristischer
Anfechtungen seiner Erfindung.
Durch sein Patent erhielt Sax zwar einen zeitlichen Vorsprung, während dem er
alleine diese Instrumente bauen durfte, er musste jedoch drei Mal mit seiner
Fabrikation Konkurs anmelden: zum einen wegen Niederlagen des französischen
Militärs mit der darauffolgenden schlechten Wirtschaftslage 1870, zum anderen
bestand einfach keine Nachfrage mehr und Sax’s Stelle als Lehrer wurde gestrichen,
und 1877 war’s dann endgültig soweit, alle Gelder waren ausgegeben, die Freunde
waren weg, der Ruhm war vergangen. Den Siegeszug, den sein Instrument dann mit
dem aufkommenden Jazz antreten sollte, hat er nicht mehr erlebt.
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Das Saxophon, wörtlich übersetzt „Die Stimme von Sax“, erlebte bei dieser Musik mit
dem Aufkommen neuer Klangfarben eine überragende Blütezeit. Immerhin hat selbst
der amerikanische Amateur-Saxophonist Bill Clinton Dinant, der Sax’schen
Geburtsstadt einen Besuch abgestattet, 1994, zwei Jahre bevor Belgien seinen
berühmten Erfinder auf einer Banknote würdigte. Die Belgier, so haben sie nicht nur
die Pommes frites, die Waffeln und das dunkle Bier erfunden, nein, ihr prominenter
Landsmann erfand so quasi nebenher noch eine Dampforgel, medizinische
Apparate, Eisenbahnsignale und eine Kanone für die Bombardierung von
Sebastopol. Diese hat ihm zum Glück weniger Ruhm eingebracht als sein
patentiertes Instrument.
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