Abgeordneter Dr. Marcus Franz (ohne Klubzugehörigkeit): Frau

Nationalrat, XXV. GP
16. März 2016
117. Sitzung / 1
16.12
Abgeordneter Dr. Marcus Franz (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsident! Herr
Minister! Hohes Haus! Ich spreche naturgemäß zur Causa Rainer. Es ist ja so, dass
Ärzte in totalitären Systemen gefürchtet sind. Wir kennen das von Josef Stalin. Dieser
hat ja in der letzten Umnachtung seines Lebens immer von der Ärzteverschwörung
gefaselt. Er hat Ärzte grundsätzlich gefürchtet. Das ist ein Kennzeichen von totalitären
Strukturen. Man hat nicht gerne Leute, die sich eigene Meinungen bilden und schon
gar nicht Leute, die in einem System diagnostisch tätig sind, wobei man natürlich
wissen muss, dass Ärzte grundsätzlich Diagnosen und Therapien erstellen. Das ist ihr
Beruf.
Aber wenn ein System ist, wie es ist – und die Gemeinde Wien ist ein verkrustetes,
einerseits traditionsreiches, andererseits nicht so gut aufgestelltes System
(Zwischenruf der Abg. Lueger) –, wenn dann jemand kommt und quertreibt und seine
eigene Meinung äußert, und dann noch hergeht und eine eigene Gewerkschaft bildet,
noch dazu recht hat und praktisch alle Ärzte auf seiner Seite hat, was muss dann der
Dienstgeber tun? – Er muss diesen Meinungsbildner, diesen Meinungsäußerer
natürlich früher oder später entfernen, denn sonst stellt sich das System selbst in
Frage.
Das ist aber ein grundsätzliches Problem von solchen Systemen, vor allem von
öffentlichen Systemen. Meine Damen und Herren! Der KAV, der Wiener
Krankenanstaltenverbund ist ein öffentlich finanziertes System. Das ist ganz wichtig zu
wissen, weil nämlich jede öffentliche Struktur, jedes öffentliche System dazu
verpflichtet ist, geradezu die Meinungsvielfalt garantieren zu müssen. Deswegen ist es
öffentlich und wird von jedem bezahlt. Und wenn dieses System ausscherende
Elemente, um es einmal so auszudrücken, kappt und köpft und hinausbugsiert, dann
ist dieses öffentliche System nicht mehr funktionstüchtig und nicht mehr in Ordnung.
(Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Lueger.) Das muss uns schon bewusst sein. Hier
ist etwas passiert, das ist ganz, ganz schlimm, jetzt abgesehen von den nepotistischen
Strukturen, die dort herrschen und heute schon besprochen worden sind.
Da ist im Kern grundsätzlich etwas falsch. Das muss man thematisieren. Das ist nicht
nur ein Landesthema, sondern das ist ein grundsätzliches Thema von öffentlichen
Systemen, die öffentlich finanziert werden. Das System muss die Meinungsvielfalt
garantieren, es muss Platz sein, allein durch die öffentliche Finanzierung und durch die
öffentliche Struktur, dass sich Leute öffentlich äußern und auch Kritik am System üben
können. Das muss das System gewährleisten.
Version vom 16. Juni 2016, 10:01
nach § 52(2) GOG autorisiert
Nationalrat, XXV. GP
16. März 2016
117. Sitzung / 2
Wenn es das nicht tut, dann ist es ein totalitäres System und ein System, das man
dringendst hinterfragen, kritisieren und reformieren muss. Das ist, glaube ich, auch ein
wichtiges Anliegen des Parlaments. Es kann hier aus meiner Sicht nicht argumentativ
rational dagegengesprochen werden.
Daher würde es dem KAV und den Oberen dort sehr gut anstehen – sie könnten
Größe beweisen –, wenn sie vor dem Gerichtsentscheid, der mit Sicherheit für Gernot
Rainer ausgehen wird, diese Größe haben und diese Autorität in positivem Sinn
zeigen, wenn sie sagen, okay, lieber Freund, du bist zwar ein Kritiker von uns, aber
gerade deswegen lassen wir dich hier weiter bei uns arbeiten. – Danke schön. (Beifall
bei Abgeordneten von ÖVP, NEOS und Team Stronach.)
16.15
Version vom 16. Juni 2016, 10:01
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