Impulsreferat - Österreichische Ärztekammer

Attraktivierung des Spitalsstandortes Österreich
Stand.Punkte von Dr.in Brigitte Steininger
Ich arbeite als Fachärztin für Chirurgie im kleinsten Krankenhaus Österreichs, auch hier ist
der Ärztemangel spürbar. Seit das KA-AZG in Kraft getreten ist, sind durch das Einhalten
der Ruhezeiten weniger Kollegen im Arbeitseinsatz. Zusätzlich steigende Patientenzahlen
im ambulanten Bereich bedeuten für uns eine massive Arbeitsverdichtung. Immer
schwieriger ist das Besetzen offener Facharztstellen, da es ganz einfach keine Bewerber
dafür gibt.
Qualitätssicherung, Patientensicherheit, Mitarbeitersicherheit - diese Schlagworte sind im
Prozess der Zertifizierung eines Krankenhauses wichtige Themen und sollten im
Krankenhausalltag umgesetzt sein. Qualitätssicherung und vor allem die
Weiterentwicklung der Patientensicherheit ist heute eine Voraussetzung, Patienten
verantwortungsvoll zu versorgen.
Der Kernprozess in den Krankenhäusern ist und bleibt die Versorgung des Patienten, diese
ist jedoch nach Qualitätsstandards der WHO zu erbringen. Dafür müssen auch die SupportProzesse erfüllt werden (das heißt : ausreichender Personalstand, Schwerpunkt auf Ausund Fortbildung oder andere unterstützende Prozesse wie zB. flächendeckende Umsetzung
der mitverantwortlichen Tätigkeiten, Einführen von DokumentationsassistentInnen,
dadurch Entlastung in der Bürokratie). Dann könnten wir uns wieder auf unsere
wesentliche medizinische Tätigkeit konzentrieren. Dies alles würde eine enorme
Erleichterung unserer täglichen Arbeit bringen.
Für hoch qualifizierte Medizin bedarf es auch des dritten Prozesses - dieser wird im
Qualitätsmanagement Führung genannt. Ich habe jedoch den Eindruck, dass der
Führungsprozess nur einseitig ökonomisch durchgeführt wird. Dieser Konflikt ist nicht
immer automatisch gegeben, nur dann, wenn mit begrenzten Mitteln nicht das
Bestmöglichste für alle Patientinnen und Patienten gemacht werden kann. Da gibt die
Ökonomie der Ärztin, dem Arzt Begrenzungen vor und das schafft Unbehagen.
Planung von Strategien und Zielsetzungen sind derzeit bei uns im Krankenhaus nicht
erkennbar, es gibt keinen neuen gültigen RSG und daher keine Zielplanung, in welche
Richtung die Entwicklung unseres Krankenhaus gehen soll. Personalplanung wird nur
kaufmännisch gesehen und nicht hinblickend auf Behandlungsprozesse und Patientensicherheit. Sonst wären bereits vor Jahren die Dienstposten der Ärzte und auch der Pflege
erhöht worden. Um dem Versorgungsauftrag gerecht zu werden, müssen ausreichend
qualifizierte Mitarbeiter vorhanden sein, sonst wächst die Unzufriedenheit des
Stammpersonals. Viele Kollegeinnen und Kollegen sind bereits ausgebrannt und am
Absprung oder auf der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz, wo bessere Arbeitsbedingungen geboten werden. Eigentlich können wir uns noch glücklich schätzen, dass
unser Standort so grenznah ist und wir eigentlich ein Vorort von Bratislava sind. Dieser
Umstand versorgt uns noch mit Kollegen aus der Slowakei, die nicht weit auspendeln
wollen; unsere Diensträder können gerade noch besetzt und die wohnortnahe Versorgung
unser Patienten dadurch aufrecht erhalten werden.
Stärkung der niedergelassen Versorgung und Entlastung der Spitalsambulanzen - welch
frommer Wunsch. Best point of Service, PHC - ein leidiges Thema, da das Pilotprojekt in
unserem Bezirk nur eine Versorgung der Patientinnen und Patienten durch den
niedergelassenen Bereich bis 22 Uhr gewährleistet, und die Spitalsärzte müssen diese
ungefragt ab dieser Uhrzeit übernehmen.
Weitere Probleme wie steigende Selbstzuweisungen in unsere Ambulanzen überlasten
uns. Die Politik muss endlich klare Regeln aufstellen, auch wenn sie nicht attraktiv für
Politiker sind. Ich fordere Zugangsbeschränkungen.
Hohe Ärztedichte in Österreich? Ja, auf dem Papier! Es stellt sich die Frage, wo sind die
Kollegen? Nach wie vor wandern viele Absolventen der medizinischen Universitäten ins
Ausland ab.
Die Arbeitsbedingungen sind entscheidend, dass der „brain drift“ - das Abwandern kluger
Köpfe - verhindert wird. Im Versorgungskonzept Spitalsärztin/ Spitalsarzt 2025 der
Bundeskurie angestellte Ärzte von 2014 sind manche Lösungsansätze enthalten, nur am
Willen der Umsetzung scheiterte es. Patientenströme müssen besser koordiniert werden
und wir, die die Verantwortung für die optimale Behandlung der Patienten tragen, müssen
auch die neuen Prozesse und Strukturen mitbestimmen dürfen. Es müssen endlich neue
Arbeitsmodelle für Ärztinnen und Ärzte geschaffen werden, damit in Zukunft auch ältere
Mitarbeiter gerne in unserem Betrieb arbeiten, da ich der Meinung bin, dass auch kleine
Versorgungseinheiten wichtig für die Grundversorgung der Bevölkerung sind.
Die Europäisierung der Ausbildung, wie Kollege Dr. Wehrschütz es nennt, ist bestimmt ein
Meilenstein in der Ausbildungsreform für österreichische Ärztinnen und Ärzte, jedoch mit
Sicherheit eine weitere Herausforderung für kleine Krankenhäuser. Ein Ausbildungskonzept bringt natürlich auch Ausbildungssicherheit für jeden Einzelnen. Aber die
Umsetzung erfordert vorausschauende Planung und viele Kooperationspartner, damit auch
die Inhalte rechtssicher in kleinen Krankenhäusern vermittelt werden können. Sehr viele
Unsicherheiten schrecken viele junge Kolleginnen und Kollegen ab, Ausbildungen in
kleinen Standorten zu beginnen.
Ressourcen, die immer begrenzter zur Verfügung und noch viele andere Probleme müssen
gelöst werden, damit wir weiter gerne unsere Beruf ausüben können und wollen. Wir
arbeiten gerne an neuen Konzepten mit, Qualitätszertifikate sollen nicht nur unsere
Wände zieren, sondern wir bieten hochqualifizierte Medizin von zufrieden gut
ausgebildeten Mitarbeitern an.
Dr.in Brigitte Steininger
Obfrau der Kurie angestellte Ärzte und Vizepräsidentin der Ärztekammer für Burgenland