VATERTAG | 5 KLEINE ZEITUNG SONNTAG, 12. JUNI 2016 ZUR PERSON Harald Werneck (49) ist Entwicklungs- psychologe, lehrt an der Fakultät für Psychologie an der Universität Wien und ist seit 2015 Obmann der Österreichischen Gesellschaft für Interdisziplinäre Familienforschung (ÖGIF). Er ist verheiratet und hat zwei Töchter. Buch. Übergang zur Vaterschaft: Auf der Suche nach den „Neuen Vätern“, Springer 2013, 204 Seiten, 54,99 Euro. FOTOLIA, KK Vaters gegenüber dem Kind auf die Entwicklung negativ auswirken? WERNECK: Ja, schon, sie kann das Risiko für negative Entwicklungsverläufe deutlich erhöhen. Buben profitieren besonders von einem engagierten Vater, heißt es immer: Wie kommt das? WERNECK: Weil sie als Buben vom Rollenvorbild des Vaters besonders profitieren können. Das heißt aber nicht, dass sich engagierte Väter nicht auch positiv auf die Entwicklung ihrer Töchter auswirken. Und wie wirkt sich ein gutes Verhältnis auf die Entwicklung der Tochter aus? WERNECK: Mädchen lernen von einem engagierten Vater zum Beispiel einen positiven Umgang mit dem anderen Geschlecht, auch für spätere eigene Partnerbeziehungen, ohne irrationale Abwertungen einer- seits, aber auch ohne illusorische und überzogene Überhöhungen andererseits. Beeinflussen Mütter die Rolle des Vaters? WERNECK: Durchaus, der sogenannte „Gatekeeping-Effekt“ ist inzwischen tatsächlich mehrfach nachgewiesen. Demnach können Mütter in einem relativ hohen Ausmaß beeinflussen, wie Väter ihre Rolle ausgestalten. Umgekehrt ist das interessanterweise nicht der Fall, die Mutter-Kind-Beziehung ist sehr autonom und kaum beeinflussbar durch den Kindesvater. Hat bei der Wahrnehmung der Vaterrolle auch die Beziehung zum eigenen Vater einen Einfluss? WERNECK: Junge Väter nehmen sich oft vor, es anders zu machen als ihre eigenen Väter, deren Fehler selbst zu vermeiden. In der Praxis übernehmen sie dann aber das „Modell“ des eigenen Vaters im Wesentlichen doch, wobei das natürlich meistens unbewusst passiert. Sind Papamonat und Väterkarenz aus Ihrer Sicht wichtige Errungenschaften? WERNECK: Das sind sie. Der „Papamonat“ gibt den Vätern selbst die Gelegenheit, sich von Anfang an intensiv am „Projekt Familie“ zu beteiligen. Gerade in diesen allerersten Wochen besteht auch bei den Vätern eine Art spezielle biologische Bereitschaft zu väterlichem Verhalten. Das konnte in psychophysiologischen und Hormonstudien in den letzten Jahren nachgewiesen werden. Diese Chance, dieses „biologische Zeitfenster“ zu nützen, bedeutet einen klaren Startvorteil für Väter, die ihre Rolle ernst nehmen. Erhalten Väter in dieser ersten Zeit nicht die Möglichkeit, sich intensiv mit dem Kind zu befassen, fördert dies den typischen „Traditionalisierungseffekt“, es kommt zu einer immer größer werdenden Differenz zwischen dem, was Väter für ihre Kinder tun könnten, und dem, was sie tatsächlich tun. In der Wissenschaft ist das als „Kompetenz-Performanz-Schere“ bekannt. Die allermeisten Väter, die die ersten Wochen tatsächlich beim Kind und bei der Partnerin verbringen, erleben diese Zeit als sehr intensiv, durchaus stressig, aber zugleich als sehr beeindruckende und essentielle Bereicherung ihrer Lebensqualität. Hat ein präsenter Vater vom Tag der Geburt an auch andere Vorteile? WERNECK: Diese erste Zeit ist auch eine wichtige Weichenstellung für die Partnerschaft der Eltern. Die ersten Wochen nach einer Geburt sind für die Mütter oft von physischer Erschöpfung und wechselhafter psychischer Befindlichkeit geprägt. Andererseits erfordert die Pflege des Neugeborenen die volle physische und psychische Kraft. Gerade in dieser Zeit wäre eine Unterstützung durch den Partner wichtig. Doch viele Mütter fühlen sich in dieser ersten Phase alleingelassen und hinterfragen daher nicht selten erstmals ernsthaft ihre Partnerschaft, das wissen wir aus der Scheidungsforschung. Ein präsenter Partner kann entlasten und ein wichtiges Signal in Richtung sein: „Wir starten gemeinsam unser Projekt Familie.“ Nicht zuletzt ist für die VaterKind-Beziehung und auch für Kinder eine erste intensive Kennenlernphase von unschätzbarem Wert. Eine intensive emotionale Beziehung zwischen Vater und Kind, als Ergänzung zur Mutter-Kind-Beziehung, kann eine zusätzliche starke Säule im Fundament für die spätere sozio-emotionale Entwicklung und Beziehungsfähigkeit des INTERVIEW: Kindes sein. PETRA PRASCSAICS
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