Teil 1

4 | THEMA
KLEINE ZEITUNG
SONNTAG, 12. JUNI 2016
Aktive Mitspieler
statt stille Statisten:
Entwicklungspsychologe Harald
Werneck erklärt,
warum Kinder
engagierte Väter
brauchen.
W
enn es um die Entwicklung und das
Wohlergehen
des
Kindes geht, steht im westlichen
Denken nach wie vor die Mutter
im Mittelpunkt. Seit wann spielen auch die Väter in der wissenschaftlichen Debatte eine Rolle?
HARALD WERNECK: Ich selbst habe
meine Dissertation zum Thema
Väter „Übergang zur Vaterschaft“ Mitte der 90er-Jahre
verfasst. Damals gab es in Österreich praktisch keine Väterforschung, nur ab und zu Einzelarbeiten, meist von Betroffenen. Hier hat sich das Bild inzwischen deutlich geändert, in
Deutschland entstanden in den
2000er-Jahren erste Teams, die
sich systematischer mit den
Rollen und Aufgaben von Vätern befassten und mittlerweile
gibt es die auch in Österreich.
Was weiß die Entwicklungspsychologie heute über die Bedeutung des Vaters in der Erziehungsarbeit?
WERNECK: Väter machen – im
Durchschnitt – manches anders
als Mütter. Sie bevorzugen oft
andere Spiele, spielen in einer
anderen Art und Weise, typischerweise körperbetonter und
für das Kind unvorhersehbarer,
sie pflegen oft auch einen anderen Stil in der Kommunikation
und Interaktion, meistens weniger sprach- und mehr handlungsorientiert, weniger emotional, eher sachorientiert. Das
kann für Kinder eine wichtige
Ergänzung zum Mütterlichen
sein. In der Psychoanalyse
„Väter machen
manches
anders“
spricht man hier auch von „Differenzerfahrungen“, also der
Bereicherung durch die Andersartigkeit. Es ist eine wichtige Lernerfahrung, dass zwei geliebte Personen anders agieren
und reagieren können und damit entsprechend umgehen zu
lernen.
Und wie sehr braucht ein Kind
den Vater für seine positive Entwicklung?
WERNECK: Ein liebevoller und
engagierter Vater erhöht für
sein Kind in jedem Fall die
Wahrscheinlichkeit, sich gut
entwickeln und wohlfühlen zu
können. Dazu braucht es einen
emotional verfügbaren Vater,
der sich auf das Kind einlässt.
Gibt es bestimmte Phasen im
Leben des Kindes, in denen ein
engagierter Vater besonders
wichtig ist?
WERNECK: Grundsätzlich ist ein
aktiver und engagierter Vater
von Geburt an wichtig. Natürlich gibt es immer wieder Phasen, wo Väter besondere Bedeutung bekommen können,
wie zum Beispiel bei der Geburt
eines jüngeren Geschwisters, in
der Pubertät oder auch im jungen Erwachsenenalter.
Kann sich eine gleichgültige
oder gar ablehnende Haltung des