© iStock Focus Sind Nachsteuern und Verzugszinsen bezahlt und ist die Nachsteuerverfügung rechtskräftig, dann können die Steuerpflichtigen wieder unbes chwert über ihr Geld verfügen. Die straflose Selbstanzeige im Schweizer Steuerrecht Mario Erni, diplomierter Steuerexperte/MLaw, Partner bei Rohner & Erni Tax AG Die Selbstanzeige ermöglicht, steuerliche Verfehlungen offenzulegen und reinen Tisch zu machen. Privatpersonen, aber auch Unternehmen können auf diese Art nicht deklarierte Einkünfte und Vermögenswerte nachträglich versteuern. Die Person X besitzt ein nicht deklariertes Privatkonto. Sie ist Alleinaktionär der H AG, die Maschinen verkauft. Seit Jahrzehnten wird ab und zu nur ein Teil des mündlich vereinbarten Verkaufserlöses von der H AG in Rechnung gestellt und der restliche Betrag (nachfolgend «Restzahlungen») wird direkt auf das nicht deklarierte Privatkonto von X überwiesen. Was gilt es zu bedenken? Eine Auslegeordnung • Gewinn- und Kapitalsteuern der H AG: Die Restzahlungen stehen der H AG zu. Durch die Nichtverbuchung der Restzahlungen wird der Handelsertrag und damit einhergehend der steuerbare Gewinn der H AG zu tief ausgewiesen. Es liegt in der Regel eine Hinterziehung von Gewinn- und Kapitalsteuern vor. Zudem wird durch die vorsätzlich unterlassene Verbuchung regel mässig der strafrechtliche Tatbestand der Falsch beurkundung erfüllt. • Mehrwertsteuern H AG: Die Lieferung von Maschinen ist grundsätzlich eine steuerbare Leistung. Sofern die H AG mehrwertsteuerpflichtig ist und keine befreite Leistung vorliegt, muss auf der Lieferung die Mehrwertsteuer erhoben und abgeführt werden. Es liegt eine Hinterziehung der Mehrwertsteuer auf den nicht abgerechneten Restzahlungen vor. • Verrechnungssteuern H AG: Durch die Vereinnahmung der Restzahlungen auf dem Privatkonto von X wird die H AG wirtschaftlich betrachtet «entreichert», was aus der 03/2016 | DENARIS | 15 Focus Sicht der H AG eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellt. Gewinnausschüttungen unterliegen der Verrechnungssteuer, weshalb vorliegend zumindest eine Hinterziehung der Verrechnungssteuer gegeben ist. • Einkommens- und Vermögenssteuern X: Die von X direkt vereinnahmten Restzahlungen hätten von der H AG verbucht und dann ausgeschüttet werden müssen. Die Restzahlungen stellen somit steuerbaren Vermögensertrag dar, der von X in seinem Wertschriftenverzeichnis als Einkommen zu deklarieren ist. Zudem ist das Privatkonto auch für Vermögenssteuerzwecke zu deklarieren. Es liegt eine Hinterziehung von Einkommens- und Vermögenssteuern vor. Was nun? Entweder man hofft weiterhin auf die Nicht entdeckung der Verfehlungen und nimmt die Strafbarkeit in Kauf oder man entscheidet sich für eine straflose Selbstanzeige. Voraussetzungen für eine straflose Selbstanzeige Die Voraussetzungen für eine straflose Selbstanzeige sind nicht bei jeder Steuerart identisch und müssen im Einzelfall konkret geprüft werden. Verallgemeinert lassen sich die Voraussetzungen wie folgt zusammenfassen: Erstens darf die Hinterziehung keiner Behörde bekannt sein; zweitens muss die Behörde bei der Festsetzung der Nachsteuer vorbehaltlos unterstützt werden und es müssen alle relevanten Sachverhaltsmomente offengelegt werden; drittens muss sich die steuerpflichtige Person ernstlich um die Bezahlung der Nachsteuer bemühen; und viertens muss es sich um eine erstmalige Selbstanzeige handeln (Ausnahme Mehrwertsteuer: Straflose Selbst anzeigen sind mehrmals möglich). Wenn mehrere Steuerarten betroffen sind und mehrere Steuerbehörden (Eidgenössische Steuerverwaltung und Kantonale Steuerämter) adressiert werden müssen, empfiehlt es sich dringend, das Vorgehen zu koordinieren. Wirkung einer straflosen Selbstanzeige Sofern die Voraussetzungen für eine straflose Selbstanzeige gegeben sind, werden die nicht verjährten Nach steuern zuzüglich Verzugszinsen nachgefordert und es wird von einer Strafverfolgung abgesehen. In den meisten Fällen bedeutet dies vor allem, dass der steuerpflichtigen Person keine Busse auferlegt wird. Weiter hebt eine straflose Selbstanzeige in bestimmten Konstellationen auch eine allfällige Solidarhaftung auf. Eine strafrechtlich relevante Falschbeurkundung bleibt in der Regel ebenfalls straflos. Falls X vor der Einreichung einer straflosen Selbstanzeige betreffend die Einkommens- und Vermögenssteuern versterben würde, könnten die Erben unter den gleichen Voraussetzungen eine vereinfachte Nachbesteuerung von Erben geltend machen. In diesem Fall wird die Nachsteuer (Einkommens- und Vermögenssteuern) zuzüglich Verzugszinsen nur für die drei vorangegangenen Jahre nachgefordert. Da die H AG ein anderes Steuersubjekt ist, wäre die Bereinigung der H AG durch das Versterben von X nicht unmittelbar tangiert. 16 | DENARIS | 03/2016 Wie geht man konkret vor? •Informationsbeschaffung: Die Belege bezüglich der bisher nicht deklarierten Werte sind zu beschaffen, was sich nicht immer ganz einfach gestaltet. Im Bewusstsein der Verfehlung werden Belege oft nicht aufbewahrt und müssen bei den entsprechenden, regelmässig auch ausländischen Institutionen neu angefordert werden. Bei ausländischen Depots kommt erschwerend dazu, dass die lokalen Auszüge nicht sämtliche für die Schweiz relevanten Informationen enthalten oder nur auf aus ländische, vom Kalenderjahr abweichende Steuerperioden zugeschnitten sind. •Auslegeordnung: Die gesammelten Informationen sind auf Vollständigkeit zu prüfen und rechtlich zu würdigen. In den meisten Fällen dürfte es sich lohnen, spätestens hier einen Steuerexperten beizuziehen. Oft ergeben sich im Rahmen der Auslegeordnung Folgefragen zum Sachverhalt, die näher abgeklärt werden müssen, um spätere Überraschungen zu vermeiden. Nach Abschluss der Auslegeordnung kann in der Regel approximativ geschätzt werden, was die Kosten einer (straflosen) Selbstanzeige sind und wie viel der nicht deklarierten Werte noch übrig bleiben werden. •Selbstanzeige: Der Sachverhalt wird in einer Selbst anzeige zusammengefasst und mit Belegen dokumentiert. Aus zeitlichen Gründen kann bei überschaubaren Sachverhalten eine «Red-Flag-Selbstanzeige» in Erwägung gezogen werden: Das heisst, die Verfehlung wird angezeigt und die fehlenden Informationen werden so rasch wie möglich nachgereicht. In der Praxis zeigt sich, dass eine sauber dokumentierte und schlüssige Selbstanzeige rascher erledigt wird und weniger oder gar keine Rückfragen verursacht. Dies verwundert nicht weiter, wenn man bedenkt, dass allein im Kanton Zürich gemäss Angaben des Kantonalen Steueramtes Zürich im Jahr 2015 rund 1500 Selbstanzeigen ein gereicht wurden. • Nachsteuer- und Bussenverfahren: Gestützt auf die Selbstanzeige eröffnen die zuständigen Behörden in der Regel ein Nachsteuer- und Bussenverfahren. Sofern nötig, wird die zuständige Behörde zur Beurteilung des Falles zusätzliche Informationen anfordern und Rückfragen stellen. Anschliessend werden die Nachsteuern und Verzugszinsen ermittelt sowie in Rechnung gestellt. Wenn die Voraussetzungen der Straffreiheit erfüllt sind, wird diese regelmässig explizit verfügt. Eine Sorge weniger Mit der Bezahlung der Nachsteuern mitsamt Verzugszinsen und der Rechtskraft der Nachsteuerverfügung findet das Verfahren seinen Abschluss. Danach geniessen die Steuerpflichtigen die Freiheit, über die nachversteuerten Gelder unbeschwert verfügen zu können. Abgesehen vom geringeren Schaden gegenüber einer potenziellen Auf deckung durch die zuständigen Steuerbehörden ist dies der grösste Nutzen der straflosen Selbstanzeige: Den Steuerpflichtigen (und oftmals auch ihren potenziellen Erben) fällt ein grosser Stein vom Herzen.
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