ExportManager Ausgabe 5 | 8. Juni 2016 www.exportmanager-online.de Ausgewählte Informationen für Exportverantwortliche Schwerpunktthema dieser Ausgabe: Westeuropa Brexit, TTIP und die Zukunft Europas | Zahlungsmoral in West- und Osteuropa | Bulgarien | Handels basierte Geldwäsche | Digitale Handelsfinanzierung | Finanzierung im E-Commerce | Meldepflichten | Iran und Post Shipment Controls | Unionszollkodex 2 | ExportManager D ie europäischen Absatzmärkte erholen sich. Exportzuwächse Ausgabe 5 | 8. Juni 2016 Themen lassen sich vor allem in den übrigen EU-Staaten erzielen. Doch dort drohen mit dem Brexit neue Hürden. In den östlichen Mitgliedsländern verschlechtern sich die Zahlungsmoral und das politische Klima im Austausch mit Brüssel. Die vorliegende Ausgabe des Export Managers geht darüber hinaus auf die notwendigen Maßnahmen zur Aufdeckung handelsbasierter Geldwäsche, neue Standards zur digitalen Handels finanzierung sowie Finanzierungsmög- Verkaufen Liefern ➤➤ Brexit, TTIP und die Zukunft der EU 3 Gunther Schilling, Leitender Redakteur ExportManager, FRANKFURT BUSINESS MEDIA ➤➤ Meldepflichten für ausländische Betriebsstätten PD Dr. Harald Hohmann, Rechtsanwalt, Hohmann Rechtsanwälte ➤➤ Zahlungsmoral in West- und Osteuropa unter Druck Andreas Tesch, Chief Market Officer, Atradius Kreditversicherung ➤➤ Update Iran-Embargo und „Post Shipment Controls“ Dr. Lothar Harings, Rechtsanwalt und Partner, und Adrian Loets, LL.M., Rechtsanwalt, Graf von Westphalen ➤➤ Bulgarien: Korruption trübt Geschäftsumfeld Christoph Witte, Direktor Deutschland, Credimundi, Member of the Credendo Group 5 sich den Meldepflichten für Überweisungen an ausländische Betriebsstätten, Post Shipment Controls und Iran- ➤➤ Der Unionszollkodex und die vereinfachten Verfahren Uwe Liebschner, Berater für Zoll und Außenwirtschaft, dbh Logistics IT AG Embargo sowie dem Unionszollkodex. Sie erhalten unseren Newsletter jährlich in zehn Ausgaben kostenlos online, wenn Sie möchten. Gerne stehen wir Ihnen für weitere Informationen zur Verfügung. Nutzen Sie bitte die Regis trierungsmöglichkeit und weitere Informationen auf unserer Website www.exportmanager-online.de. Finanzieren ➤➤ Handelsbasierte Geldwäsche sehen und verhindern Sylvia Röhrig im Gespräch mit Henry Balani, Global Head of Strategic Affairs, Accuity ➤➤ Digitale Handelsfinanzierung mit SWIFT MT798 Michael Fenyk, Senior Product Manager, Deutsche Bank AG 19 7 lichkeiten im internationalen E-Commerce ein. Weitere Beiträge widmen 17 Strategische Partner und Impressum 10 13 ➤➤ Flexible Finanzierung im internationalen E-Commerce15 Dirk Oliver Haller, Vorstandsvorsitzender, DFT Deutsche Finetrading AG 21 23 3 | ExportManager | Verkaufen Ausgabe 5 | 8. Juni 2016 Brexit, TTIP und die Zukunft der EU Gunther Schilling Leitender Redakteur ExportManager, FRANKFURT BUSINESS MEDIA Wenn die britischen Wähler am 23. Juni über den Verbleib des Landes in der Europäischen Union entscheiden, werden auch die deutschen Exporteure gebannt auf das Ergebnis blicken. Es drohen Zölle und zusätzliche Kontrollen. Und schließlich bleibt offen, wie sich das Ergebnis der TTIP-Verhandlungen auf die Handelsbeziehungen zwischen der EU und den USA einerseits und den Handel mit Großbritannien andererseits auswirken würde. gunther.schilling@ frankfurt-bm.com Exportzuwächse in Gefahr teile durch die europäische Arbeitsteilung werden zunichte gemacht. Und schließlich dürfte die Nachfrage in Großbritannien zurückgehen und sich auf andere Lieferanten verlagern. Das Vereinigte Königreich ist aktuell nach Frankreich und den USA drittgrößter Absatzmarkt der deutschen Exportwirtschaft. Die deutsche Ausfuhr verzeichnete dort in den ersten beiden Monaten 2016 mit +5,1% zudem weit überdurchschnittliche Zuwächse. Sollten die Wähler für einen Austritt Großbritanniens aus der EU stimmen, würde sich zunächst nichts an den Möglichkeiten des Zugangs zum britischen Markt ändern. Erst nach einer Übergangszeit von zwei Jahren würde der Austritt wirksam. © XXLPhoto/iStock/Thinkstock/Getty Images Doch die Marktreaktionen dürften wesentlich schneller erfolgen, da sich bereits zahlreiche Unternehmen auf eine Standortverlagerung auf das europäische Festland vorbereiten. Vor allem die Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen, die bislang von den günstigen Standortbedingungen in Großbritannien profitierten, scheuen die mit dem Austritt verbundene Unsicherheit. Dadurch verlagert sich auch das deutsche Exportgeschäft in die neuen Standorte, bzw. die Großbritannien unter Druck Frachtschiff in Dover – ein EU-Austritt Großbritanniens würde auch die britischen Häfen treffen. Lieferungen erfolgen innerhalb Deutschlands. Dass dies kein Nullsummenspiel ist, also nur eine Verlagerung des Geschäfts erfolgt, zeigen die positiven Effekte der Handelsliberalisierung im Zuge der EUErweiterung. Die dadurch entstandene Verflechtung von Wertschöpfungsketten bildet sich durch den Aufbau von Handelsbeschränkungen wie Zöllen und Kontrollen wieder zurück. Wettbewerbsvor- Eine zentrale Bedeutung für die britische Wirtschaft hat der Finanzsektor, der unter dem Austritt des Landes voraussichtlich besonders leiden würde. Durch den Abzug von Kapital dürfte das Britische Pfund unter starken Abwertungsdruck geraten und Importe aus der EU kräftig verteuern. Allerdings böte der Kursverfall ausländischen Investoren günstige Einstiegsmöglichkeiten in den britischen Markt und britischen Exporteuren deutliche Preisvorteile im internationalen Wettbewerb – sofern die Produktion keinen hohen Importanteil benötigt. Weitere Unsicherheit kommt durch die Verhandlungen über das TTIP-Abkommen zwischen der EU und den USA in die Exportaussichten Richtung Westen. Bei einem erfolgreichen Abschluss würde ein ➤ 4 | ExportManager | Verkaufen Ausgabe 5 | 8. Juni 2016 Anzeige Großbritannien droht indes eine Zerreißprobe im Innern, wenn Schottland seine Ankündigung wahr macht und in einem erneuten Referendum über den Austritt aus dem Vereinigten Königreich abstimmen ließe, um in der EU zu bleiben. Auch die Republik Irland verbliebe in der EU und müsste mit Beschränkungen im Wirtschaftsverkehr mit Nordirland reagieren. Dies würde den Handel auf den britischen Inseln beeinträchtigen. EU im Belastungstest Derzeit sind die EU-Mitglieder außerhalb der Euro-Zone die Stütze des deutschen Exports. Fast der gesamte Exportzuwachs der ersten beiden Monate 2016 entfällt auf diese Gruppe, zu der neben Großbritannien vor allem die EU-Staaten in Mittel- und Südosteuropa zählen. Auch dort ist die Skepsis gegenüber der Europäischen Union gewachsen. Im Falle Polens und Ungarns ist ein ernster politischer Konflikt mit den westlichen Mitgliedstaaten nicht ausgeschlossen – nicht allein wegen der Flüchtlingspolitik, sondern auch in Fragen der Rechtsstaatlichkeit. Zudem wächst in einigen Ländern die Bereitschaft, durch zusätzliche Kontrollen die Freizügigkeit im Binnenmarkt einzuschränken. Schließlich bleibt die Schuldenkrise in den südlichen Mitgliedstaaten eine anhaltende Belastung für die EuroZone, die einer erneuten Wirtschafts- und Finanzkrise möglicherweise nicht mehr standhalten würde. Deutsche Bank Akquirieren? Investieren? Expandieren? Mit dem richtigen Werkzeug entscheide ich besser. Markt- und Wettbewerbsinformationen liefert das UnternehmerPortal. „Derzeit sind die EU-Mitglieder außerhalb der Euro-Zone die Stütze des deutschen Exports. Fast der gesamte Exportzuwachs der ersten beiden Monate 2016 entfällt auf diese Gruppe .“ Bei allen Risiken und negativen Szenarien sind jedoch auch starke Kräfte spürbar, die die Europäische Union zusammenhalten. So überwiegt doch in den meisten Ländern die Zustimmung zur europäischen Zusammenarbeit und zu den wirtschaftlichen Vorteilen des gemeinsamen Binnenmarktes. Dies gilt in den Mitgliedstaaten, die von der politischen und finanziellen Unterstützung der europäischen Partner profitieren, ebenso wie in den Ländern, die den gemeinsamen Markt erfolgreich nutzen. Vor allem die deutschen Exporteure würden unter einem Auseinanderfallen der Europäischen Union leiden. Unser Wissen für Ihr Unternehmen. Wer mehr weiß, trifft die besseren unternehmerischen Entscheidungen. Das UnternehmerPortal der Deutschen Bank bietet Ihnen fundierte Informationen zu Wettbewerbern, Märkten, Außenhandel, Bonität von Geschäftspartnern und Geschäftsplänen. www.deutsche-bank.de/unternehmerportal ➤ aus der EU ausgetretenes Großbritannien voraussichtlich deutliche Nachteile erleiden. Sollte das Abkommen scheitern, könnten sich dagegen die Absatzmöglichkeiten deutscher Unternehmen auf dem US-Markt verschlechtern – insbesondere, wenn stattdessen ein Abkommen zwischen den USA und Großbritannien zustande käme. Unbenannt-1 1 06.06.16 14:37 5 | ExportManager | Verkaufen Ausgabe 5 | 8. Juni 2016 Zahlungsmoral in West- und Osteuropa unter Druck Gedämpftes Wachstum in der Euro-Zone und im übrigen Europa, eine Abschwächung der Weltwirtschaft, niedrige Rohstoffpreise und Krisen in wichtigen Schwellenmärkten: Das herausfordernde ökonomische Umfeld für die Unternehmen in West- und Ost europa macht sich auch bei der Entwicklung des Zahlungsverhaltens im B2B-Sektor bemerkbar. Es gibt kaum ein Unternehmen auf dem europäischen Kontinent, das nicht von verspäteten Zahlungen seiner in- bzw. ausländischen Kunden betroffen ist. Leere Kassen beim Kunden sorgen auch bei den Lieferanten für Liquiditätsengpässe. 88,5% der befragten Unternehmen in Westeuropa, die an der aktuellen Atradius-Studie zum Zahlungsverhalten ihrer Geschäftskunden teilgenommen haben, berichteten, im vergangenen Jahr von einem oder mehreren Abnehmern zu spät bezahlt worden zu sein. Bei den Unternehmen aus Deutschland gaben sogar 93% an, von Zahlungsverzug betroffen zu sein. Doch dieser Wert gibt noch keine Auskunft über die tatsächlich auftretenden Zahlungsausfälle. Diese betrugen bei deutschen Unternehmen 0,8% der Forderungen, während im westeuropäischen Durchschnitt 1,3% der Forderungen (60% mehr) als uneinbringlich abgeschrieben werden mussten. In West- und Osteuropa ist die Situation im Hinblick auf die am Fälligkeitstag noch offenen Forderungen recht ähnlich: Etwa 40% des Gesamtwer- Schaut man sich die Entwicklung in den einzelnen Ländern an, so stellt man fest, dass vor allen Dingen Unternehmen aus Italien und Griechenland von säumigen Zahlern aus dem Kreis ihrer inländischen Kunden berichteten: In beiden Märkten gab es bei fast 50% der offenen Forderungen Zahlungsverzögerungen zu beklagen, womit dieser Wert um etwa ein Viertel über dem westeuropäischen Durchschnitt lag. Demgegenüber litten 46,4% der in Großbritannien befragten Unternehmen unter verspäteten Zahlungen ihrer Exportkunden, das waren deutlich mehr als im Durchschnitt aller Länder Westeuropas (38,3%). [email protected] Polen wartet am längsten Von den an der Studie teilnehmenden Ländern Osteuropas waren die Unternehmen aus Polen am häufigsten von verzögerten Zahlungen ihrer ausländischen Kunden betroffen: 29,8% des Gesamtwertes der B2B-Forderungen waren hier auch 90 Tage nach dem Fälligkeitstermin noch unbezahlt. Damit lag deren Anteil fast um die Hälfte über dem Durchschnittswert aller untersuchten osteuropäischen Länder von 20%. Es folgten die Länder Türkei und Tschechische Republik mit 26,4% bzw. 22,3%. Diese Entwicklung korrespondiert mit dem Anstieg der durchschnittlichen Forderungslaufzeit (DSO – Days Sales Outstanding), die in der Türkei im vergangenen Jahr um drei Tage auf 63 Tage anstieg. Nur in Polen lag die DSO mit 71 Tagen noch deutlicher über dem Durchschnitt von 57 Tagen. Im Mittelfeld bewegten sich Ungarn (53 Tage) sowie die Tschechische Republik mit 55 Tagen durchschnittlicher Forderungslaufzeit. ➤ © EdnaM/iStock/Thinkstock/Getty Images Ost und West im Vergleich tes dieser Forderungen waren zu diesem Termin noch nicht beglichen, wobei sich vor allem in den an der Studie teilnehmenden Ländern Osteuropas ein deutlicher Zuwachs der offenen Posten abzeichnete: Dort stieg der Wert der inländischen Forderungssumme um 9% auf 45%, bei ausländischen Kunden waren sogar 19% mehr offene Forderungen zu verzeichnen (40,8% im Vergleich zu 34,2% im Vorjahr). Andreas Tesch Chief Market Officer, Atradius Kreditversicherung 6 | ExportManager | Verkaufen Anlass zur Besorgnis gibt die Tatsache, dass viele Unternehmen aufgrund von verspäteten Zahlungen ihrer Kunden dazu gezwungen sind, ihre eigenen Lieferanten zu spät zu bezahlen, da sie nicht über die notwendigen liquiden Mittel verfügen. Dieser Dominoeffekt betraf 25% der befragten Unternehmen in Westeuropa und fast 30% in Osteuropa. Zudem gaben 11% der Befragten in Osteuropa und 7,6% in Westeuropa an, dass der Zahlungsverzug ihr eigenes Wachstum behindere. Nur langsames Wachstum Damit wird deutlich, dass verzögerte Zahlungen nicht nur den Cashflow der betroffenen Unternehmen in Mitleidenschaft ziehen, sondern auch deren Wachstumsdynamik ausbremsen können. Bedeutsam ist dieser Umstand, weil die Konjunkturlage in Europa ohnehin durchwachsen ist und jeder weitere Negativfaktor das Wachstum zusätzlich abschwächt. Während für die gesamte EU 2016 bis zu 1,9% Wirtschaftswachstum erwartet werden, fallen die Prognosen für Osteuropa mit 1,1% deutlich geringer aus. Auch die internationalen Märkte bieten keine Alternative. Wichtige Exportmärkte aus den Schwellenländern befinden sich in der Krise: Während Russland unter dem Embargo sowie den niedrigen Erdölpreisen leidet, kühlt sich die Konjunktur in Anzeige China weiter ab. In Brasilien schließlich lähmen Korruption und eine Staatskrise die Wirtschaft. Embargos & Sanktionen „Marktführende außenhandelsrechtliche Praxis“ (JUVE Handbuch für Wirtschaftskanzleien 2015/2016) Schlechtere Zahlungsmoral und längere Forderungslaufzeiten Die genannten Faktoren werden auch im laufenden Jahr dafür sorgen, dass die Zahl der Insolvenzen auf einem hohen Niveau verharren wird und die Kreditrisiken zunehmen. Dieses Szenario spiegelt sich nicht zuletzt in den Erwartungen der im Rahmen unserer Studie befragten Unternehmen wider: Fast jedes dritte Unternehmen (31%) in Westeuropa erwartet eine Verschlechterung des Zahlungsverhaltens im laufenden Jahr, und in Osteuropa rechnet jeder fünfte Studienteilnehmer mit einem weiteren Anstieg der Forderungslaufzeiten (DSO). Um diesen Gefahren für die Liquidität des eigenen Unternehmens entgegenzuwirken, empfiehlt es sich zum einen, das eigene Kundenportfolio und die darin enthaltenen Kreditrisiken genauer unter die Lupe zu nehmen und eventuell zu diversifizieren. Zum anderen sollte das Forderungsmanagement professionalisiert werden, um Zahlungsausfälle so weit wie möglich zu begrenzen. In beiden Fällen kann eine Kreditversicherung dabei gute Dienste leisten. Hier finden Sie alle Ergebnisse der aktuellen Zahlungsmoralbarometer von Atradius für Westeuropa und Osteuropa. ➤ Dominoeffekt in der Lieferkette Ausgabe 5 | 8. Juni 2016 Graf von Westphalen Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaft mbB Berlin Düsseldorf Frankfurt Hamburg München Brüssel Istanbul Shanghai Kontakt: Dr. Lothar Harings, [email protected] Marian Niestedt, [email protected] gvw.com 7 | ExportManager | Verkaufen Ausgabe 5 | 8. Juni 2016 Bulgarien: Korruption trübt Geschäftsumfeld Christoph Witte Direktor Deutschland, Credimundi, Member of the Credendo Group Bulgarien spürt den Rückgang der EU-Mittel: Die öffentliche Hand schränkt ihre Investitionen ein. Doch der private Verbrauch und die Nettoexporte dürften das Wachstum in den Jahren 2016 und 2017 stabil bei 2,3 % halten. Gleichzeitig leiden die Unternehmen unter einer hohen Verschuldung, auch sie halten sich mit Investitionen zurück, und eine Erholung der Kreditvergabe ist nicht in Sicht. Darin spiegeln sich Engpässe auf der Angebots- und auf der Nachfrageseite wider. [email protected] Exporte profitieren von Euro-Schwäche Für 2016 und 2017 wird eine Wachstumsverlangsamung prognostiziert, die vor- Hohe Schulden erschweren Investitionen © Taratorki/iStock/Thinkstock/Getty Images Bulgariens Hauptexportpartner im Güterbereich sind Deutschland, Italien, die Türkei, Rumänien und Griechenland. Ein beträchtlicher Teil der bulgarischen Exporte geht in Länder außerhalb der Euro-Zone. Sie wurden im vergangenen Jahr vom niedrigen Wert des Euro begünstigt, an den Bulgariens Landeswährung gekoppelt ist. Das Wirtschaftswachstum profitierte 2015 auch vom Anstieg der öffentlichen Investitionen, die durch die Kohäsions- und Strukturfonds der als Kofinanzierer auftretenden EU ermöglicht wurden. Dieser Anstieg war auf die Verwendung der verbleibenden Mittel aus dem vorherigen Finanzierungszyklus von 2007–2013 zurückzuführen und dürfte sich folglich in diesem Jahr nicht mit derselben Geschwindigkeit fortsetzen. Die Privatinvestitionen werden weiterhin von einem ungünstigen Geschäftsumfeld beeinträchtigt. waren. Der Export dürfte von einer höheren Nachfrage aus der EU profitieren (nahezu 60 % der exportierten Güter werden in die Europäische Union ausgeführt), und der geringere Wert des Euro dürfte sich ebenfalls positiv auswirken. Dank dieser Faktoren sollten die Nettoexporte einen wichtigen Beitrag zum Wirtschaftswachstum leisten. Der IWF prognostiziert für die Jahre 2016 und 2017 ein reales BIPWachstum von 2,3%. Jeder möchte ein Stück vom Kuchen – die meisten Unternehmen sehen sich durch Korruption belastet. wiegend auf die verminderte Verfügbarkeit von EU-Zuschüssen im Vergleich zu 2015 zurückzuführen ist. Andererseits könnte der private Verbrauch künftig zunehmen. Noch im Jahr 2015 blieb er trotz der niedrigen Inflation eher gedämpft, da das Lohnwachstum gering und die Haushaltslage wenig expansiv Die Verschuldung bulgarischer Nichtfinanzunternehmen, die 2014 bei etwa 100% des BIP lag, gehört zu den höchsten unter den neuen EU-Mitgliedstaaten. Die Schulden sind in den Boomjahren vor der Krise stark angestiegen und seit 2008 nur leicht zurückgegangen. Dieses Schuldendienstrisiko wird nun von negativer Inflation weiter verschärft, was die Rentabilität von Nichtfinanzunternehmen unter Druck setzt und den Schuldenabbau erschwert. Die Bau- und Immobilienbranche wird vom in der Krise 2009 erfolgten Verfall der ➤ 8 | ExportManager | Verkaufen Ausgabe 5 | 8. Juni 2016 Anzeige Vermögenspreise noch zusätzlich getroffen, da diese Branche in der Zeit vor der Krise erheblich zum Schuldenanstieg beigetragen hat. Gemäß der Europäischen Kommission sind „die Branchen, die mit dem größten Risiko für die Tragfähigkeit des Schuldenstands konfrontiert sind, die Bau- und Immobilienbranche, Hotels und Restaurants sowie andere Unternehmensdienstleistungen.“ Die Schulden des öffentlichen Stromversorgers NEK betragen ebenfalls nahezu 4% des BIP, und die finanziellen Probleme werden aufgrund des gesellschaftlichen Drucks in Verbindung mit steigenden Strompreisen zunehmend akut. „Mit dem größten Risiko für die Tragfähigkeit des Schuldenstands sind die Bau- und Immobilien branche, Hotels und Restaurants sowie andere Unternehmensdienstleistungen konfrontiert.“ Trotz vielversprechender Finanzreformen erfolgt keine Erholung des Kreditwachstums. Das Kreditwachstum im Unternehmenssektor stagniert seit 2010 und verzeichnet seit der Bankenkrise 2014 sogar einen Rückgang, was Engpässe auf der Angebots- sowie auf der Nachfrageseite widerspiegelt. Zwar hat die Zentralbank negative Anreize eingeführt, damit Banken keine überschüssigen Liquiditätsreserven einbehalten, doch die schwachen Wirtschaftsaktivitäten und das Streben nach Schuldenabbau bei einem hohen Verschuldungsgrad senken die Nachfrage auf Unternehmensseite. Korruption und Bürokratie belasten Unternehmen Bürokratie und Korruption werden häufig als die größten Hürden für Geschäftstätigkeiten in Bulgarien genannt. Laut einer Studie der Europäischen Kommission geben 61% der Manager aus dem bulgarischen Privatsektor an, dass Korruption für ihre Geschäftstätigkeit ein Problem darstelle (EU-Durchschnitt: 40%). Nahezu 60% der Unternehmen (der höchste Prozentsatz in der EU) erklären, dass Korruption sie daran gehindert habe, eine öffentliche Ausschreibung zu gewinnen oder einen öffentlichen Auftrag zu erhalten (seit 2013 um 2 Prozentpunkte gestiegen). Nur 14% (der niedrigste Prozentsatz in der EU) erklären, dass Bulgarien Maßnahmen gegen Korruption neutral anwende (gesunken von 23% im Jahr 2013). Die Behörden gehen dieses Problem nur sehr langsam an und werden dabei von schwachen Institutionen behindert. Ein instabiler politischer und gesetzlicher Rahmen, Zweifel an der Unabhängigkeit, Qualität und Effizienz der Justiz sowie langwierige Insolvenzverfahren stellen ebenfalls Investitionshindernisse dar. Die derzeitige Minderheitsregierung stützt sich auf die Mitte-rechts-Partei „Bürger für eine Europäische Entwicklung ∆Exportiert. Finanziert. Installiert. Der Moment der Inbetriebnahme ist für jeden Investor etwas ganz Besonderes. Um internationale Industrieprojekte dieser Art zu realisieren, vertraut die deutsche und europäische Exportwirtschaft auf die Experten der KfW IPEX-Bank. Seit über 60 Jahren bieten wir unseren Partnern langfristige und individuell strukturierte Finanzierungen. Wir kennen die Länder und Branchen unserer Kunden und stehen ihnen verlässlich zur Seite: vom Projektstart bis zur Inbetriebnahme – und noch weit darüber hinaus. Weitere Informationen, Themen und Momente auf www.kfw-ipex-bank.de ➤ 9 | ExportManager | Verkaufen Ausgabe 5 | 8. Juni 2016 Anzeige Das kurzfristige politische Risiko Bulgariens, d.h. die Liquidität des Landes, wird von der Credendo Group in die niedrigste Kategorie eingestuft (1 von 7). Diese positive Bewertung ist hauptsächlich auf Bulgariens Mitgliedschaft in der Europäischen Union (EU) zurückzuführen, was die Auferlegung (langfristiger) Kapitalverkehrskontrollen innerhalb der Union verhindert und die Kontrolle des makro ökonomischen Gleichgewichts ermöglicht. Günstige interne Faktoren, z.B. hohe Währungsreserven, die deutlich über der kurzfristigen Auslandsverschuldung liegen, untermauern das positive Urteil. Die Bewertung des mittel- bis langfristigen politischen Risikos (Kategorie 4 von 7), das die Zahlungsfähigkeit des Landes widerspiegelt, wird unverändert von der recht hohen Auslandsverschuldung beeinträchtigt, auch wenn diese, sowohl absolut als auch relativ gesehen, zurückgeht. Die umfassende Reduzierung des Haushaltsdefizits, die geringe Anfälligkeit für externe Einflüsse (das Land erwirtschaftet seit 2013 einen Leistungsbilanzüberschuss), umfassende Finanzpolster im Rahmen des Currency-Boards und eine begrenzte Abhängigkeit vom internationalen Kapitalmarkt haben das Land vor den im vergangenen Jahr erfolgten K apitalabzügen aus Schwellenländern geschützt. Auch wenn die regelmäßigen Phasen politischer Instabilität diesen positiven Trend nicht beeinträchtigt haben, bilden sie dennoch ein Hindernis für dringend erforderliche Strukturreformen, die Bulgarien erlauben würden, mit dem Einkommensniveau anderer EUStaaten gleichzuziehen. Allgemeine Korruption und mangelnde Rechtsstaatlichkeit verschlechtern das Geschäftsumfeld. Insgesamt ordnet die Credendo Group das Geschäftsrisiko auf einer Skala von A bis C in Kategorie B ein. Weitere Länderberichte und aktuelle Risikobewertungen von Credimundi finden Sie unter www.credimundi.de. www.businesslaw-magazine.com Next Issue: June 9, 2016 Made in Germany Subscribe for free: www.businesslaw-magazine.com T he Business Law Magazine reports quarterly on all important questions related to German corporate, commercial, tax, labor, compliance and IP/IT law. Featuring articles written with real-world legal practice in mind, the online English-language magazine primarily targets company lawyers, managing directors, judges, prosecutors and attorneys in Germany’s leading trade partners. www.businesslaw-magazine.com No. 1 – March 3, 2016 Made in Germany In this issue Tax law – Management equity programs – BEPS – Bitcoins – VAT – European law – Digital single market – Compliance – UK Bribery Act – Gender diversity – Legal market Published by Strategic Partners Contact: FRANKFURT BUSINESS MEDIA, Karin Gangl, Telephone: +49 (0) 69-75 91-22 17, [email protected] ➤ Bulgariens“ (GERB) und den konservativen Reformblock (RB). Die Koalition benötigt für die Verabschiedung von Gesetzen die Unterstützung weiterer Parteien: der sozialdemokratischen ABV und der rechtsnationalen Patriotischen Front (PF). Im vergangenen Februar überstand die Koalition das erste von der Opposition beantragte Misstrauensvotum. Anlass war die Unzufriedenheit mit den Gesundheitsreformen, die das finanzschwache, ineffiziente Gesundheitssystem straffen sollen. Da die Regierung nicht über eine M ehrheit verfügt, können vorgezogene Neuwahlen offensichtlich nicht ausgeschlossen werden. Nichtsdestoweniger fährt die Regierung entschlossen einen wirtschaftsfreundlichen Kurs und setzt auf die weitere Verbesserung des Geschäftsumfelds und die Förderung von Direktinvestitionen, insbesondere in der IT-, Outsourcing-, Hightech-, Automobil- und Innovationsindustrie sowie in der Pharmazie-, Biotechnologie-, Elektronikbranche und im E-Commerce. BLM_127x170_Anzeige_ExMa.indd 1 06.06.2016 10:49:34 10 | ExportManager | Finanzieren Ausgabe 5 | 8. Juni 2016 Handelsbasierte Geldwäsche sehen und verhindern Geldwäscheaktivitäten nehmen weltweit zu. Drogenhandel, Terrorismusfinanzierung und Menschenschmuggel sind einige der Hauptursachen dafür. Eine für Kriminelle zunehmend beliebte Methode, Geld zu waschen, ist der Außenhandel. Das führt insbe sondere für Banken zu Compliance- und Reputationsrisiken. Sylvia Röhrig sprach mit Henry Balani, Global Head of Strategic Affairs, Accuity, darüber, wie die handelsbasierte Geldwäsche funktioniert und welche Maßnahmen dagegen ergriffen werden können. 22 Herr Balani, Gesetzgeber und Regulatoren stehen vor großen Herausforderungen, weil die Geldwäschemethoden immer komplexer und schwieriger zu durchschauen sind. Untersuchungen zeigen, dass in jüngerer Zeit die handelsbasierte Geldwäsche die am meisten verbreitete Methode ist, illegal erworbene Geldmittel in den legalen Finanzkreislauf zu bringen. Wie funktioniert die handels- basierte Geldwäsche, und warum gewinnt sie an Bedeutung? Es gibt für Kriminelle viele Wege, Geld zu waschen, aber viele der klassischen Geldwäschekanäle sind inzwischen leicht aufzudecken und somit nicht mehr attraktiv. Der internationale Handel bietet aufgrund der zunehmenden Komplexität der Waren- und Geldströme viele Möglichkei- Preissprünge sind verdächtig! Der fakturierte Preis sollte dem Marktwert 22 Können Sie ein Beispiel nennen? Ein klassisches Beispiel in Amerika ist der Drogenhandel von Mexiko in Richtung USA. Wenn die illegal über den Drogenverkauf erzeugten Einnahmen auf dem US-Markt zurück nach Mexiko fließen sollen, wird das z.B. über ein legales Exportgeschäft gemacht. Der Exporteur in Mexiko liefert Waren in Höhe von 1 Mio USD. Der US-amerikanische Importeur erhält eine Rechnung über 10 Mio USD. Mit Hilfe der Überfakturierung werden in diesem Fall scheinbar völlig legal 9 Mio USD nach Mexiko transferiert. Importeur und Exporteur stecken entweder unter einer Decke, oder hinter den Firmen verbirgt sich ein und dieselbe Person. Die Ausstellung von Rechnungen mit zu geringen oder zu hohen Preisen für Warenlieferungen hat sich inzwischen als eine der beliebtesten Techniken der Geldwäsche herausgebildet. Denn durch die Kontakt über: raimund.kaufmann@ accuity.com 069/2475689101 falsche Angabe des Preises kann zwischen dem Importeur und dem Exporteur ein Mehrwert übertragen und somit Geld in großen Mengen gewaschen werden. 22 Wenn solche Geldwäscheaktivitäten unter legalem Deckmantel stattfinden, wie können sie aufgedeckt werden, wer ist dafür zuständig, und welche Risiken bestehen insbesondere für Banken? Alle in einem Handelsgeschäft involvierten Akteure – Exporteure, Importeure, Zollbehörden, Logistiker und Banken – sind angehalten, Geldwäscheaktivitäten zu verhindern, das ist in ihrem Interesse, allein schon um gesetzestreu zu handeln und Reputationsschäden zu vermeiden. Viele Banken sind sich aber der Risiken noch nicht richtig bewusst. Wenn z.B. eine Bank ein Handelsgeschäft über ein Akkreditiv finanziert, wird sie nach den ERA600-Regeln der Internationalen Handelskammer sehr genau die Richtigkeit der vorgelegten Dokumente prüfen. Was die Bank in der Regel aber nicht macht, ist die Mengen und die Preise der gehandelten ➤ © SerhioGrey/iStock/Thinkstock/Getty Images annähernd entsprechen. ten, Transaktionen durchzuführen und Geld zu waschen – und das unter einem völlig legalen Deckmantel. Henry Balani Global Head of Strategic Affairs, Accuity 11 | ExportManager | Finanzieren 22 Gibt es Länder, die bereits Schritte in diese Richtung unternommen haben? Die Initialzündung für eine Sensibilisierung des Themas wurde 2013 von Großbritannien gegeben. Die britische Finanzaufsichtsbehörde (Financial Conduct Authority, FCA) stellte damals fest, dass die Banken zwar über gute Methoden verfügten, sanktionierte Individuen und Unternehmen zu identifizieren, die Verfahren zur Eindämmung von Geldwäscherisiken allerdings noch schwach entwickelt seien. Die Währungshüter erarbeiteten daraufhin eine Richtlinie für die Banken, mit dem Ziel, den Missbrauch des grenzüberschreitenden Handels für Geldwäschezwecke zu beschränken. In jüngerer Zeit ist das Thema auch in Ländern Asiens aufgegriffen worden. Vorreiter im Kampf gegen die handelsbasierte Geldwäsche sind Singapur und Hongkong. In beiden Stadtstaaten haben die obersten Währungshüter Richtlinien erlassen, die die Banken dazu anhalten, bei der Prüfung der Kunden und der Dokumentation auch die Warenmengen bzw. Leistungen und Preise auf Unstimmigkeiten hin zu untersuchen. In Singa- pur und Hongkong hat der Außenhandel einen besonders hohen Anteil an der Wirtschaftsleistung – die Stadtstaaten haben ein großes Interesse daran, für eine gute Reputation ihrer Märkte zu sorgen. 22 Braucht man neue Gesetze, um diese Geldwäscheaktivitäten einzudämmen? Ein regulatorischer Overkill könnte den Handel zu sehr hemmen. Deswegen dürfte die Vorgehensweise der genannten Staaten angemessen sein. Die Richtlinien nennen klassische Anhaltspunkte (sogenannte Red Flags) für den Verdacht auf Geldwäsche, auf die die Banken achten sollten, und geben bewährte Vorgehensweisen vor. 22 Ist handelsbasierte Geldwäsche auch im Handel zwischen China und Hongkong verbreitet? Ja, aber die Motivation ist in diesem Fall eine andere. Dort geht es vor allem darum, dass Unternehmen und Privatpersonen versuchen, die strengen Kapitalverkehrskontrollen von Festlandchina zu umgehen. Sie nutzen den Handel, um mehr Kapital zu exportieren, als offiziell erlaubt ist. Dieses wird außerhalb Chinas in Beteiligungen und Immobilien investiert. Aber auch dieses Vorgehen ist nicht gesetzestreu und somit als Geldwäsche anzusehen. 22 Das Thema Geldwäschebekämpfung ist auch in der Europäischen Union schon lange auf der Agenda. Im Mai 2015 wurde die 4. EU-Geldwäscherichtlinie verabschiedet. Die EU-Mitgliedstaaten werden diese bis Juni 2017 in nationales Recht umsetzen. Wird das Thema handelsbasierte Geldwäsche in der EU-Richtlinie behandelt? Dieses Thema steht dort nicht im Fokus. Die 4. EU-Geldwäscherichtlinie bringt zwar wichtige Veränderungen, die die Personenprüfungen noch weiter verschärfen werden, wie z.B. die Einführung eines zentralen Registers für wirtschaftlich Berechtigte. Zudem dürfen Banken beim Screening von politisch exponierten Personen (PEPs) sich nicht mehr allein auf Ausländer beschränken, sondern müssen mit der gleichen Sorgfalt inländische PEPs prüfen. Vorgesehen sind auch besondere Berichtspflichten hinsichtlich verdächtiger Transaktionen ihrer Kunden. Doch die Sensibilisierung hinsichtlich des steigenden Missbrauchs des Außenhandels für Geldwäschezwecke scheint mir in Europa noch in den Anfängen zu stecken. Dabei dürfte sich insbesondere Deutschland, als bedeutende Handelsnation, in Zukunft stärker darum kümmern müssen. Das florierende Schleppergeschäft in Verbindung mit den Flüchtlingen aus den Kriegs- und Konfliktgebieten Nordafrikas und des Nahen Ostens lässt vermuten, dass die handelsbasierte Geldwäsche in Europa und insbesondere in Deutschland an Bedeutung gewinnen wird. ➤ Güter auf Plausibilität hin zu überprüfen. So kann es passieren, dass sie ein Geschäft finanziert, das eigentlich Geldwäsche zum Ziel hat. Deswegen ist es wichtig, dass das Bewusstsein für diese Art von Aktivitäten bei den involvierten Akteuren geschärft wird. Ausgabe 5 | 8. Juni 2016 Ausgewählte „Red Flags“ oder beson dere Anhaltspunkte für handelsbasierte Geldwäsche ➤➤ Erhebliche Unstimmigkeiten zwischen dem auf der Rechnung eingetragenen Warenwert und dem angemessenen Marktwert der Ware. ➤➤ Die vom Kunden gewünschte Zahlungsart steht offenbar im Widerspruch zu den Risikomerkmalen der Transaktion. ➤➤ Der Umfang der Lieferung steht offenbar im Widerspruch zum Umfang der üblichen Geschäftstätigkeiten des Exporteurs/Importeurs. ➤➤ Eingehende Überweisungen auf mehrere Konten sowie ausgehende Zahlungen von mehreren Konten für Handelsgeschäfte ein und derselben Firma. ➤➤ Benutzung von Akkreditiven, um Geld zwischen Ländern zu transferieren, wo ein solcher Handel unter normalen Umständen nicht stattfinden würde bzw. im Widerspruch zu der üblichen Geschäftstätigkeit des Kunden steht. ➤➤ Die Art der gelieferten Waren steht offenbar im Widerspruch zu den üblichen Geschäftstätigkeiten des Exporteurs/Importeurs. ➤➤ Die Transaktion umfasst die Benutzung von mehrfach geänderten bzw. verlängerten Akkreditiven. Quelle: BKA, FIU-Newsletter, Nr. 12, September 2015. (Die Anhaltspunkte stammen aus dem Typologie projekt Trade Based Money Laundering der FATF – Financial Action Task Force on Money Laundering). 12 | ExportManager Ausgabe 5 | 8. Juni 2016 Anzeige 1. Deutscher Exporttag 2016: Themenplattform für die Exportpraxis www.deutscher-exporttag.de Eine Veranstaltung von Partner DeutscherExporttag_259x170_ExportManager_4c.indd 1 Veranstaltungspartner Mitveranstalter Initiator 20.05.2016 14:14:13 13 | ExportManager | Finanzieren Ausgabe 5 | 8. Juni 2016 Digitale Handelsfinanzierung mit SWIFT MT798 Internationale Handelsgeschäfte gehören zu den arbeitsintensivsten Transaktionen überhaupt, denn sie erfordern einen hohen manuellen Aufwand, unter anderem für deren Abwicklung. Die Beauftragung und Abwicklung von Trade-Finance-Geschäften ist daher für viele Unternehmen eine große Herausforderung. Die Digitalisierung, die an vielen Stellen das Bankgeschäft verändert, steht hier noch am Anfang. Papierlose Dokumentation Aufwand prüfen erfordert gute Standards. Schaut man sich die Wertschöpfungskette der Handelsaktivitäten vom Einkauf über die Produktion und Lieferung bis hin zum Verkauf an, stellt man fest, dass Teilbereiche bereits ein hohes Maß an Automatisierung aufweisen. Allerdings wird der Informationsfluss entlang der gesamten Wertschöpfungskette ineffizient, umständlich und fehlerträchtig abgewickelt, was an vie- Dabei könnte der gesamte Ablauf in eine hochgradig automatisierte Prozesskette und damit in das digitale Zeitalter überführt werden. Denn auch viele Bereiche der Unternehmen sind bereits digitalisiert und bieten damit eine gute Grundlage für die Automatisierung von Trade-FinanceGeschäften zwischen Banken und Unternehmen. Allerdings stand aufgrund einer Vielzahl dringenderer Anforderungen, z.B. aus dem regulatorischen Bereich, bei vielen Unternehmen das Thema Digitalisierung der Handelsgeschäfte nicht weit genug oben auf der Prioritätenliste. Alle Beteiligten vernetzen Nicht nur die klassischen Transaktionsbanken beeinflussen die Digitalisierung bei Handelsgeschäften, sondern auch andere Parteien, die eingebunden sind, beispielsweise Speditionen, Reedereien, Handelskammern, Versicherungen, Zollbehörden. All diese Gruppen können in [email protected] ihrem Rahmen zur Automatisierung und damit Digitalisierung von Handelstransaktionen beitragen. Allerdings setzt das bei diesen Unternehmen die Bereitschaft voraus umzudenken. Hierfür müssen bestehende Abläufe neu aufgesetzt wer- „Der Informationsfluss entlang der gesamten Wertschöpfungskette besteht oft noch aus manuellen Schritten und archaischen Formaten wie papierbasierten Aufträgen.“ den, was wiederum verlangt, dass Richt linien wie Risiko- und Sicherheitsvorschriften an das neue Zeitalter angepasst werden müssen. Erst dann kann der digitale Wandel die vollständige Wertschöpfungskette im Trade-Finance-Bereich, also dem Akkreditiv- und Avalgeschäft, umfassen. Dabei existieren die Grundlagen zur Digitalisierung von Informationen zwischen Banken und Unternehmen für TradeFinance-Geschäfte längst. Die Beauftra- ➤ © Model-la/iStock/Thinkstock/Getty Images Oftmals müssen Unternehmen ihre Akkreditive und Avale bei den lokalen Banken eigenständig über unterschied liche Formate, eine Vielzahl von Bankensystemen und Autorisierungsmöglichkeiten oder sogar vollständig auf Papier abwickeln. Das kostet Zeit, bedeutet enormen Aufwand und bindet sehr viele Ressourcen auf der Unternehmensseite. len manuellen Schritten und archaischen Formaten wie papierbasierten Aufträgen liegt. Michael Fenyk Senior Product Manager, Deutsche Bank AG 14 | ExportManager | Finanzieren „Viele Unternehmen nutzen zur effizienteren Abwicklung ihres Zahlungsverkehrs bereits heute die multibankfähige SWIFTKommunikation.“ Der Trend geht auf Unternehmensseite ganz klar zur Implementierung von multibankfähigen globalen Trade-Finance-Instrumenten für das Akkreditiv und Avalgeschäft. Diese allgemeine Tendenz wurde in vielen Kundengesprächen und unabhängigen Umfragen gefestigt und spiegelt die aktuelle Marktsituation wider. Denn die Automatisierung/Digitalisierung im Trade-Finance-Bereich erlaubt eine Kosten- und Zeiteinsparung, steigert die Produktivität und bietet viele neue Möglichkeiten rund um Themen wie z.B. Reporting, die Regulierung und Normierung. Quelle: Deutsche Bank. Abwicklung eines Handelsgeschäftes mittels SWIFT MT798 Standards nutzen Der strukturierte MT798 bietet noch weitere Aspekte, wie die vollständige Integration in die Enterprise-ResourcePlanning(ERP)- bzw. Treasury-Management-Systeme (TMS), damit Unternehmen eine zentrale bzw. globale Übersicht über Avale und Akkreditive sowie deren Konditionen erhalten können. Hierdurch wird eine optimale Transparenz der einzelnen Transaktionen gewährleistet. Viele Kundensysteme unterstützen bereits heute die SWIFT-MT798-Trade-FinanceLösung und ermöglichen dadurch eine einfache Integration in die Kunden- sowie Bankensysteme. Die Deutsche Bank erweitert zurzeit in Kooperation mit den TMS-Anbietern die gemeinsame Cashintegrationslösung in Richtung des Trade-Finance-Bereichs. Auf diese Weise kann in Zukunft das gesamte Akkreditiv- und Garantiegeschäft mit Hilfe von SWIFT-MT798-Nachrichten über die bestehenden Integrationsanwendungen abgewickelt werden. Diese praxisorientierte Komponente bringt den Kunden ganz konkrete Vorteile, etwa eine erhöhte Automatisierung in der Abwicklung und einen zentralen Überblick über alle Geschäfte. Zudem benötigen Unternehmen für sämtliche Cashmanagementund Trade-Finance-Geschäfte dann nur noch ein einziges multibankfähiges TMS – ein zukunftsweisender Industriestandard bei gleichzeitiger Erfüllung gesetz licher Vorgaben. Weichen für Digitalisierung stellen Kurzum: viele Unternehmen nutzen zur effizienteren Abwicklung ihres Zahlungsverkehrs bereits heute die multibankfä- hige SWIFT-Kommunikation. Mit der Einführung der SWIFT-Nachrichten „MT798“ bietet SWIFT einen wichtigen Baustein zur Steigerung der Automatisierung und Effizienz von Handelstransaktionen. Die globale Trade-Finance-Lösung ermöglicht eine reibungslose End-to-End-Integration in die ERP- bzw. TM-Systeme der Kunden und bietet somit einen durchgängigen Bearbeitungsprozess. Die Weichen für die Digitalisierung des Trade-Finance-Geschäfts durch SWIFT MT798 sind gestellt. Die Deutsche Bank begleitet Unternehmen bei der Umsetzung ihrer Automatisierungsprojekte und gibt Auskunft, wie die reibungslose Integration mit den jeweiligen ERP/TMS-Anbietern erfolgen könnte. ➤ gung und Abwicklung dieser Geschäfte kann heute bereits über den globalen Multibankstandard „SWIFT MT798“ dargestellt werden. Die etablierte SWIFT-Kommunikation auf Unternehmensseite wurde über die Nutzung für den Zahlungsverkehr sowie für Devisenhandelstransaktionen hinaus nun auch auf Handelsgeschäfte ausgeweitet. Somit ist bereits heute die internationale, reibungslose End-to-End-Abwicklung von Akkreditiven und Avalen auf Basis des einheitlichen Formates „MT798“ mit Banken möglich. Ausgabe 5 | 8. Juni 2016 15 | ExportManager | Finanzieren Ausgabe 5 | 8. Juni 2016 Flexible Finanzierung im internationalen E-Commerce Dirk Oliver Haller Vorstandsvorsitzender, DFT Deutsche Finetrading AG Für mittelständische Onlinehändler stellt der Direktimport von exklusiven Waren aus anderen EU-Ländern eine Marktnische dar, die auch kleinere Anbieter erfolgreich besetzen können. Der grenzüberschreitende Zahlungsverkehr innerhalb der Europäischen Union wurde in den vergangenen Jahren erheblich vereinfacht. Allerdings ist die Kreditfinanzierung von Handelsgeschäften zuletzt schwieriger geworden. Mit Finetrading kann sich die Finanzierungslücke schließen lassen. Kleinere Händler setzen auf exklusive Nischen © Ridofranz/iStock/Thinkstock/Getty Images Der Trend zum Onlinehandel ist schon seit einigen Jahren ein stabiler Wachstumsfaktor für die Einzelhandelsbranche. Bei näherer Betrachtung zeigen die digitalen Märkte ein differenziertes Bild: Während beispielsweise bei frischen Lebensmitteln der Onlinehandel nur eine minimale Bedeutung hat, setzen in anderen Warengruppen große Teile der Kunden auf das Shopping im Internet. Besonders hoch liegen die Marktanteile von Onlinehändlern laut einer GfK-Studie bei Technikartikeln und Medien sowie Sport- und Freizeitartikeln, wo jeweils mehr als 20 Prozent der Kunden ihre Waren über das Internet erwerben. Auch in den Bereichen Mode und Lifestyle, Garten und Heimwerken sowie Einrichten und Wohnen hat das wachstumsträchtige E-Commerce-Segment schon heute eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Neue grenzüberschreitende Zahlungssyteme haben den Onlinehandel in Europa spürbar belebt. Bei der Betrachtung der Anbieter zeigt sich, dass Konzerne wie Amazon, der Otto-Versand oder Zalando in ihren Marktsegmenten eine große Dominanz aufweisen. Weil im E-Commerce für den Verbraucher ein Preisvergleich mit weni- [email protected] gen Mausklicks durchführbar ist, haben kleinere Onlinehändler oft kaum eine Chance, sich im Preiswettbewerb mit den großen Platzhirschen zu behaupten. In allen Unternehmensbereichen vom Ein- kauf über Lagerhaltung und Logistik bis hin zu Marketing können die dominierenden Anbieter ihre Größenvorteile ausspielen und ihre Preise oft weitaus günstiger kalkulieren als ein kleiner Onlineshop. Gerade für kleine und mittelständische Onlinehändler besteht eine erfolgreiche Strategie, um sich dem ruinösen Preiswettbewerb zu entziehen, in der Verlagerung des Sortiments weg von der Massenware hin zu exklusiven Nischenprodukten. Auf diese Weise können auch kleinere Shops ein gewisses Alleinstellungs merkmal erzielen, einen Kundenstamm aufbauen und letztlich ertragreich wirtschaften. Das Zusammenwachsen der EU-Staaten und die damit verbundene Vereinfachung von Import- und Exportaktivitäten innerhalb der Europäischen Union haben überdies den Boden dafür bereitet, dass mittlerweile viele kleinere und mittelgroße E-Commerce-Unternehmen ihre Internationalisierung vorantreiben – das gilt sowohl auf der Einkaufs- wie auf der Verkaufsseite. So kommt bei der Gewinnung von Kunden im EU-Ausland mittelständischen Onlineshopbetreibern zugute, dass der grenzüberschreitende Zahlungsver- ➤ kehr innerhalb der Europäischen Union in den vergangenen Jahren erheblich vereinfacht wurde. Die Einführung der SEPALastschrift hat dazu ebenso einen wertvollen Beitrag geleistet wie das Aufkommen von internationalen Zahlungsdienstleistern wie etwa PayPal, über die Käufer und Verkäufer auch internationale Zahlungen auf unkomplizierte Weise abwickeln können. Ausgabe 5 | 8. Juni 2016 Wichtig für den betriebswirtschaftlichen Erfolg ist neben dem richtigen Gespür bei Produktauswahl und Marketingstrategie auch die effiziente Finanzierung der Handelsgeschäfte. Häufig gilt es, die Warenlieferung über einige Wochen oder Monate zwischenzufinanzieren und dann aus den damit erzielten Umsatzerlösen die Verbindlichkeiten zurückzuführen. Erfolg mit Direktimporten Erschwerter Kreditzugang bei der Handelsfinanzierung Auch der Import von Waren aus anderen EU-Ländern lässt sich mittlerweile fast genauso komfortabel abwickeln wie der Warenerwerb im Inland. Viele kleinere und mittelständische Onlineshopbetreiber setzen daher inzwischen auf Direktimporte aus anderen europäischen Regionen, um ihren Kunden mit einem möglichst einzigartigen Produktsortiment ein besonderes Einkaufserlebnis zu bieten. Die Beispiele für solche Geschäftsmodelle können überaus vielfältig sein, so etwa Allerdings zeigt eine Studie der Internationalen Handelskammer (ICC), in der 480 Banken aus mehr als 100 Ländern zu ihrem Verhalten bei der Kreditvergabe für Handelsfinanzierungen befragt wurden: Gerade für kleine und mittelständische Unternehmen ist die Finanzierung grenzüberschreitender Handelsgeschäfte schwieriger geworden. Als Grund für die zunehmende Anzahl an abgelehnten Finanzierungsanträgen nennt ein großer Teil der Banken verschärfte Regularien bei der Kreditvergabe. ➤➤ ein Onlineshop für mediterrane Olivenöle, die der Händler direkt aus Griechenland, Italien und Spanien importiert, ➤➤ ein Internetmodehändler, der handgefertigte Schuhe aus südeuropäischen Ländern verkauft oder ➤➤ ein Onlinespirituosenhändler, der Whisky direkt aus Schottland und Irland importiert und die edlen Tropfen in seinem Internetshop anbietet. Für viele mittelständische Onlinehändler ist es daher sinnvoll, den Finanzierungsmix mit bankenunabhängigen Alternativen zu ergänzen. Speziell für die Finanzierung von Import- oder Exportgeschäften kann sich Finetrading als nützlicher Baustein im Finanzierungsgefüge erweisen. Bei Finetrading handelt es sich um eine bankenunabhängige Finanzierungsform, der ein Handelsgeschäft zugrunde liegt. Der Finetrader schaltet sich als Zwischen- händler ein, erwirbt die Ware vom Verkäufer und veräußert sie praktisch im selben Moment an den Abnehmer weiter. Dabei kommen unterschiedliche Zahlungsziele zum Einsatz: Während der Finetrader die Rechnung des Lieferanten sofort begleicht, lässt er dem Abnehmer bis zu sechs Monate Zeit, um die Ware zu bezahlen. Bei Investitionsgütern kann das Zahlungsziel sogar zwölf Monate betragen. Auf diese Weise wird mit einfachsten Mitteln ein Finanzierungsmodell aufgebaut, ohne dass dabei ein Bankkredit benötigt wird. Spielraum bleibt erhalten Aufgrund der kurz- bis mittelfristigen Finanzierungsdauer und der überschaubaren Mindestfinanzierungssummen ist Finetrading gut geeignet, wenn mittelständische Handelsunternehmen einen Warenimport für den Zeitraum zwischen der Warenlieferung und der Erzielung von Umsätzen im Verkauf finanzieren wollen. Bei den Verhandlungen zu LieferbedinMarktanteile des Onlinehandels am gesamten Einzelhandel nach Waren gruppen (%) Technik und Medien 20,9 Sport und Freizeit 20,2 Fashion und Lifestyle 18,9 Garten und Heimwerken 7,9 Einrichten und Wohnen 7,8 Lebensmittel und Drogerie 1,2 Quelle: GfK. gungen und Preisen bleibt der Finetrader unbeteiligt, so dass sich Verkäufer und Abnehmer in gewohnter Weise über die Modalitäten verständigen können. Weil der Abnehmer keine betrieblichen Vermögenswerte als Finanzierungssicherheit stellen muss, bleibt auch der unternehmerische Spielraum für Investitionen und Wachstumsfinanzierung erhalten. „Häufig gilt es, die Warenlieferung über einige Wochen oder Monate zwischenzufinanzieren und dann aus den damit erzielten Umsatzerlösen die Verbindlichkeiten zurückzuführen.“ Der Trend zur bankenunabhängigen Finetrading-Finanzierung im grenzüberschreitenden E-Commerce spiegelt sich auch in den Kundenanfragen bei der DFT Deutsche Finetrading AG wider. So arbeitet das Unternehmen als Finanzierungsgeber mit etlichen Onlinehändlern zusammen, unter anderem auch mit einem in Deutschland ansässigen Onlinemodehändler, der handgefertigte Schuhe aus Spanien importiert. Je nach Bedarf können Finanzierungsnehmer einzelne Geschäfte über Finetrading finanzieren oder sich einen Finanzierungsrahmen einräumen lassen, der sich ähnlich wie ein Kontokorrentkredit flexibel nutzen lässt. ➤ 16 | ExportManager | Finanzieren 17 | ExportManager | Liefern Ausgabe 5 | 8. Juni 2016 Meldepflichten für ausländische Betriebsstätten PD Dr. Harald Hohmann Rechtsanwalt, Hohmann Rechtsanwälte Die Meldevorschriften im Kapital- und Zahlungsverkehr nach den §§ 63 ff. AWV gehören zu den Vorschriften, die innerhalb des Außenwirtschaftsrechts am häufigsten missachtet werden. Bei fast jeder Außenwirtschaftsprüfung wird eine Verletzung dieser Vorschriften gerügt. Richtig kompliziert wird es hier, wenn unklar ist, ob ein Wirtschaftsstandort im Ausland als ausländische Betriebsstätte anzusehen ist oder nicht. [email protected] Ausgangsfall träge (vom Inlandskonto auf das Auslandskonto oder umgekehrt) sind nach den §§ 63 ff. AWV nicht meldepflichtig. Hingegen sind Zahlungen, die von dem Auslandskonto an Ausländer geleistet oder auf dem Auslandskonto von Ausländern entgegengenommen werden, gemäß dem jeweiligen Grundgeschäft auf Anlage Z4 zu melden“ Der Verein D in Deutschland betreibt Hotels in Deutschland, Spanien und Portugal. Da die Gelder für alle drei Hotels immer in Deutschland eingehen, kommt es regelmäßig zu Überweisungen von D an S (Hotel in Spanien) und P (Hotel in Portugal). Muss D hierfür die Z4-Meldepflicht beachten? Lösung des Ausgangsfalls Nach dem Wortlaut des § 67 AWV ist entscheidend, ob es sich bei den Zahlungen von D an S und P um „Zahlungen an Ausländer“ handelt oder nicht. Der Begriff „Ausländer“ wird in § 63 Nr. 3 AWV wie folgt definiert: „Ausländer ist jede institutionelle Einheit im Ausland im Sinne der VO 2223/96. Ausländer … sind auch Unternehmen, Zweigniederlassungen, Betriebsstätten und Banken, deren Sitz sich im Ausland befindet“. Wenn man die Kriterien dieser zitierten EU-VO durchgeht, dann geht es v.a. um die folgenden zwei Kriterien: Entscheidungsfreiheit und © serezniy/iStock/Thinkstock/Getty Images Ausgangspunkt: eigene institutio nelle Einheit im Ausland? Handelt die ausländische Betriebsstätte auf eigene Rechnung? Dann ist der Geldtransfer dorthin zu melden. eigene Rechnungsführung im Ausland. Zahlungen an ein Hotel im Ausland, das keine eigene Entscheidungsfreiheit hat und keine eigene Rechnungsführung, unterfallen somit nicht der Pflicht, eine Z4-Meldung abzugeben. Auf der Homepage der Bundesbank findet sich hierzu folgende Mitteilung: „Reine Kontoüber- In einem aktuellen Fall ist D aufgrund dieses Hinweises der Bundesbank davon ausgegangen, dass es um reine Kontoüberträge vom Inlands- auf das Auslandskonto ginge, mit der Folge, dass keine Z4-Meldung erforderlich sei. Es wäre aber eine Prüfung erforderlich gewesen, ob es sich bei den Hotels S und P um eigene institutionelle Einheiten in Spanien und Portugal handelt. Rückfragen ergaben Folgendes: Die Hotels S und P entscheiden selbst über ihr Tagesgeschäft, sie stellen selbst Mitarbeiter ein und kündigen diese, und sie können selbst über ihre Ausgaben (mit Ausnahme von Investitionen und Jahresbudget) entscheiden. Sie machen auch ➤ 18 | ExportManager | Liefern Ausgabe 5 | 8. Juni 2016 Anzeige „Es wird höchste Zeit, dass sich der Exportkontrollbeauftragte monatlich von seiner Buchhaltungsabteilung informieren lässt, ob bzw. dass die Meldepflichten an die Bundesbank eingehalten werden.“ Zusätzlich ist dann zu prüfen, ob noch weitere Meldepflichten bestehen, wie etwa eine K3-Meldung. Dies wäre dann der Fall, wenn die Bilanzsumme für die Hotels S oder P mindestens 3 Mio EUR betrüge oder wenn eine mindestens 10%bzw. 50%-Beteiligung an einem ausländi- Diese Meldungen an die Bundesbank müssen elektronisch eingereicht werden. Hierfür ist zunächst eine Meldenummer zwingend erforderlich. Erst mit dieser Meldenummer kann auch ein Anwalt ein Dritteinreichungsrecht beantragen; und sofern er bei der Bundesbank schon vorher für die elektronischen Meldungen registriert ist, kann er dann mit diesem Dritteinreichungsrecht diese Meldungen für den Mandanten elektronisch einreichen. Für diese Meldungen sollte die Kennziffer 571 verwendet werden, welche für „Zuschüsse an Tochterunternehmen“ steht. Die Bundesbank hat angedeutet, dass diese Kennzahl auch für Zahlungen an ausländische Betriebsstätten genommen werden kann. Resümee Erstens: Bei den Transfermeldepflichten an die Bundesbank handelt es sich um die am meisten unterschätzten Pflichten im Außenwirtschaftsrecht. Die meisten Exportkontrollbeauftragten nehmen keinerlei Prüfungen vor, ob die Buchhaltungsabteilung ihres Unternehmens diese Meldungen rechtzeitig abgibt; sie sollten dies monatlich überprüfen oder Zweitens kann davon ausgegangen werden, dass viele Konzerne keine Prüfung vornehmen, ob ihre Wirtschaftsstandorte im Ausland (Forschungs- oder Ausbildungszentren, Fertigungsstätten, Lager etc.) eigene institutionelle Einheiten im Sinne der Meldevorschriften sind. Dies wird dazu führen, dass es in diesen Fällen praktisch immer zu einem Verstoß kommen wird. „Und es ist aktuell von höchster Bedeutung, dass die Unternehmen prüfen, ob ihre Wirtschaftsstandorte im Ausland eigene institutionelle Einheiten sind, welche eine Z4-Meldung auslösen – ansonsten wird es regelmäßig zu Verstößen kommen.“ Wenn es hier zu einem Verstoß gekommen ist, helfen nur folgende zwei Schritte: Erstens rasche Nachmeldungen bei der Bundesbank, zweitens eine freiwillige Selbstanzeige beim zuständigen Hauptzollamt – hierfür steht im Zweifel das Verfahren nach § 22 Abs. 4 AWG zur Verfügung. Nur dann wird dieser Verstoß auch geheilt. Wegen aktueller Hinweise zum Zollrecht vgl. auch: http://hohmann-rechtsanwaelte. de/rechtstexte-zollrecht.html Außenwirtschaft Tabeshian · Brunner · Hohmann Business-Guide Iran Erfolg und Rechtssicherheit bei Markteinstieg und Geschäftsaufbau Außenwirtschaft Tabeshian · Brunner · Hohmann Einige praktische Hinweise für diese Meldepflichten monatlich über diese Meldungen von der Buchhaltung informiert werden. Tabeshian · Brunner · Hohmann Neue Perspektiven im Iran-Geschäft nutzen! Business-Guide Iran Erfolg und Rechtssicherheit bei Markteinstieg und Geschäftsaufbau Business-Guide Iran Damit handelt es sich bei den Hotels S und P um eigene institutionelle Einheiten im Ausland; im Zweifel sind diese als ausländische Betriebsstätten anzusehen. Demnach sind die Hotels S und P „Ausländer“, so dass die Z4-Meldepflicht ausgelöst wird. Das bedeutet, dass für jede Transaktion von D an S oder P ab 12.501 EUR eine Z4-Meldung erforderlich ist. Diese sind monatlich einzureichen. schen Unternehmen vorläge. Sollte dies der Fall sein, wären hierfür einmal jährlich Meldungen an die Bundesbank einzureichen. ➤ ihre eigene Buchführung und erstellen ihre eigene steuerrechtliche Bilanz, weil S und P ihre Einnahmen in Spanien und Portugal versteuern. Es fehlt lediglich eine eigene handelsrechtliche Bilanz, weil ihre Werte alle in die Bilanz von D eingerechnet werden. Es liegt somit eine umfassende Entscheidungsfreiheit von S und P vor und auch eine eigene Rechnungsführung in Spanien und Portugal. ISBN 978-3-8462-0685-0 2016, ca. 250 Seiten, 16,5 x 24,4 cm, Buch (Softcover), 39,80 € PDF E-Book ISBN 978-3-8462-0686-7 Auch als E-Book (PDF), 39,80 € Jetzt versandkostenfrei (deutschlandweit) bestellen: shop.bundesanzeiger-verlag.de/0685-0 Bestell-Hotline: 02 21/9 76 68-173/-357 Fax: 02 21/ 9 76 68-232 · in jeder Fachbuchhandlung www.bundesanzeiger-verlag.de 19 | ExportManager | Liefern Ausgabe 5 | 8. Juni 2016 Update Iran-Embargo und „Post Shipment Controls“ Am 17. Mai 2016 hat das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) erstmals ein umfassendes Merkblatt zum Stand des Iran-Embargos nach den Sanktionslockerungen zum „Implementation Day“ herausgegeben. Am selben Tag wurde außerdem eine neue Bekanntmachung über Endverbleibsdokumente im Bundesanzeiger veröffentlicht, die künftig Vor-Ort-Kontrollen („Post Shipment Controls“) ermöglichen soll. Dr. Lothar Harings Rechtsanwalt und Partner, Graf von Westphalen [email protected] © ivanadb/iStock/Thinkstock/Getty Images Neubewertung der Genehmigungsbedürftigkeit Der Basar von Kashan lädt ein zum Verweilen, doch der Endverbleib von Gütern bleibt oft im Dunkeln. Bereits seit dem „Implementation Day“ am 16. Januar 2016 hat die Europäische Union (EU) die erste Stufe der Sanktionslockerungen gegenüber dem Iran aufgrund des Wiener Nuklearabkommens vom 14. Juli 2015 in Kraft gesetzt. Die IranEmbargo-Verordnung (Verordnung Nr. 267/2012) gilt seitdem weiter, wurde allerdings weitgehend umgeändert. Hintergrund ist die Resolution 2231 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (UN) zum Wiener Abkommen, die entsprechend den verschiedenen zugrundeliegenden internationalen Nichtverbreitungsregimen (NSG – Nuclear Supplier Group, Anhang I; sonstige proliferationsrelevante Güter – Anhang II; MTCR – Missile Technology Control Regime, Anhang III) strukturiert ist. Die in der Verordnung verbliebenen Genehmigungs- und Verbotstatbestände und die dazugehörigen Anhänge folgen nun diesem Aufbau. Eine anschauliche Erläuterung der nunmehr geltenden Embargoverordnung bietet das jüngst herausgegebene Merkblatt zum Iran-Embargo des BAFA. Das Bundesamt hatte schon kurz nach dem Implementation Day eine überblicksartige Sonderausgabe des Informationsdienstes „Exportkontrolle Aktuell“ veröffentlicht. Das neue Merkblatt ist jedoch deutlich umfassender und bezieht Stellung zu einigen Auslegungsfragen. Wichtig ist vor allem der Hinweis an Unternehmen, die Genehmigungsbedürftigkeit ihrer Waren anhand der neugefassten Anhänge zur Iran-Embargo-Verordnung neu zu bewerten. Dies sollte gerade auch Güter umfassen, für die vor den Embargolockerungen ein „Nullbescheid“ erteilt wurde, die also früher genehmigungsfrei exportiert werden konnten; denn auch ein Nullbescheid gilt nicht absolut und ohne Ausnahme, sondern er steht unter dem Vorbehalt der zukünftigen Änderung der Rechtslage. Teilweise gibt es auch Adrian Loets, LL.M. Rechtsanwalt, Graf von Westphalen [email protected] Überschneidungen zwischen Anhang III (Trägertechnologie für Raketen nach MTCR-Regime) und der Dual-Use-Verordnung (Verordnung Nr. 428/2009). Für diese Fälle ist Anhang III vorrangig mit der Folge, dass ein absolutes Ausfuhrverbot besteht; auch innerhalb der Embargoverordnung soll dieser Anhang Vorrang genießen. „Beschaffungskanal“ für Nukleargüter Von Interesse sind ebenfalls die Erläuterungen zu dem neu eingerichteten „Beschaffungskanal“ („Procurement Channel“). Die Embargoverordnung sieht die Möglichkeit vor, den Export von Nukleargütern des Anhangs I mit Zustim- ➤ 20 | ExportManager | Liefern Laut BAFA ist es wichtig, entsprechende Genehmigungsanträge frühzeitig zu stellen und von Anfang an alle relevanten Angaben, möglichst auf Englisch, mitzuteilen. Da Rückfragen und Rückantworten dieser Gremien nicht möglich seien, würden unvollständige Anträge laut BAFA „zurückgewiesen“. Bei späteren Ergänzungen sei ein „neuer Antrag“ nötig, der den UN erneut vorgelegt werden müsse. Da ein solcher Neuantrag in jedem Fall Zeit in Anspruch nehmen würde, ist Unternehmen zu raten, ihren Genehmigungsantrag möglichst „entscheidungsreif “ samt Güterbeschreibung in englischer Sprache einzureichen und darüber hinaus einen „Zeitpuffer“ einzuplanen. Neues Erfordernis für Endverbleibs erklärungen (EVE) Bei der Beantragung der Ausfuhrgenehmigungen für Güter der Anhänge I und II sind spezielle EVEs vorzulegen – eine Besonderheit dabei ist, dass auch bei Gütern des Anhangs II – darunter Dichtungen aus Viton oder Tecnoflon – eine staatliche EVE erforderlich ist, die der Bundesrepublik Deutschland das Recht auf Durchführung von „Post-Shipment-Kontrollen“ vor Ort einräumt – eine zweifel- hafte Voraussetzung bei Gütern, die häufig in Anlagen eingebaut werden. Zudem geht diese Forderung – jedenfalls nach Auffassung des Irans – über die Abmachungen des JCPOA hinaus, weshalb der Iran derzeit keine entsprechenden EVEs ausstellt. In der Tat regelt der JCPOA zwar die Verpflichtung, den Exportstaaten Prüfungen der Endverwendung zu erlauben, verbindet dies aber nicht ausdrücklich mit der staatlichen EVE, die der Gemeinsamen Kommission im Rahmen des Beschaffungskanals vorzulegen ist. Die Sicherheitsrats-Resolution 2231 (2015) schreibt jedoch vor, dass die Exportstaaten sich die „effektive Ausübung“ des Rechts zu Verifikationen vor Ort „sichern“ müssten. Diesem Wortlaut folgt auch die überarbeitete Iran-Embargo-Verordnung. Die kuriose Folge dieser Meinungsverschiedenheit zwischen den Vertragsparteien ist, dass manche Güter, deren Ausfuhr bis 16. Januar 2016 gegen Vorlage einer privaten EVE genehmigt worden ist, nach den „Sanktionslockerungen“ wegen des Streits über den Inhalt der staatlichen EVEs derzeit nicht ausgeführt werden können. Selbstverpflichtung zu „Post-Shipment-Kontrollen“ Durch die Sechste AWV-Änderungsverordnung sind im März 2016 zusätzliche Endverbleibsnachweise in § 21 AWV eingefügt worden. Das BAFA kann nun auch in sog. „Neu-für-alt“-Fällen verlangen, dass der Empfänger sich zur Vernichtung der zu ersetzenden Güter verpflichtet. Für Ausfuhren von Waffen und Rüstungsgütern in bestimmte Länder kann das BAFA die Genehmigung von der Zustimmung des Bestimmungslandes zur Duldung von Vor-Ort-Kontrollen des Endverbleibs bzw. der Vernichtung der „Altgüter“ abhängig machen. Derartige „Post-Shipment-Kontrollen“ sollen einem vielfach bemängelten Kontrolldefizit der deutschen Ausfuhrkontrollstellen entgegenwirken. Gerade bei leicht beweglichen Kleinwaffen, bei denen ein höheres Zweckentfremdungsrisiko besteht, wurde ein Bedürfnis einer nachgelagerten Überwachung gesehen. Das deutsche Modell orientiert sich nach Auskunft der Bundesregierung am schweizerischen Modell, nach dem sich der Empfänger zur Duldung von Vor-Ort-Kontrollen verpflichten muss, nicht am Ansatz der USA im Rahmen des „Blue Lantern Program“ mit eigenen VorOrt-Ermittlungen durch Botschaftsmitarbeiter. Letzteren Ansatz sieht die deutsche Regierung wegen der Souveränität der Empfängerstaaten als problematisch an. Eine entsprechende Nachweisregelung ist nun durch Allgemeinverfügung des BAFA umgesetzt worden. Die „Bekanntmachung über Endverbleibsdokumente nach § 21 Abs. 6 AWV“ vom 31. März 2016 wurde am 17. Mai 2016 im Bundesanzeiger veröffentlicht und ändert die entsprechenden Regelungen in der Vorgängerbekanntmachung von 2002 ab. Sie ist für alle Neuanträge und bei Bekannt- gabe noch nicht beschiedener Anträge anwendbar – das BAFA kann hier also EVEs nach den neuen Formularmustern anfordern. Diese stehen auf der Internetseite des BAFA (www.ausfuhrkontrolle. info) bereit. „Post-Shipment-Kontrollen“ sind insbesondere vorgesehen bei der Ausfuhr in Drittstaaten und der Verbringung von Scharfschützengewehren, Vorderschaftsrepetierflinten („Pump Guns“), Pistolen, Revolvern und zugehöriger Munition und Herstellungsausrüstung (Anlage 2 zur Bekanntmachung) sowie von kleinen und leichten Waffen und dazugehöriger Munition zur Ausfuhr in Länder außerhalb der EU, der NATO und der der NATO gleichgestellten Staaten (Anlage 4). Fazit Während das neue Merkblatt zum Stand des Iran-Embargos die Notwendigkeit einer ständigen Überprüfung und ggf. Neubewertung der unternehmensinternen Güterbewertungen verdeutlicht, wird die Praxis der neu eingeführten Endverbleibskontrollen vor Ort mit Spannung zu beobachten sein. Interessant wird zum einen sein, ob und in welchem Umfang angesichts begrenzter Ressourcen die Behörden tatsächlich von diesen Befugnissen Gebrauch machen werden. Zum anderen bleibt aber – wie der Streit mit dem Iran vor Augen führt – auch abzuwarten, auf welche Akzeptanz derartige Kontrollen bei den Abnehmern und den Empfängerstaaten treffen werden. ➤ mung einer neu geschaffenen Gemeinsamen Kommission, gebildet aus Vertretern der Parteien des Wiener Abkommens, sowie des UN-Sicherheitsrates zu genehmigen. Von dieser Zustimmung hängt die Erteilung der Genehmigung ab. Ausgabe 5 | 8. Juni 2016 21 | ExportManager | Liefern Ausgabe 5 | 8. Juni 2016 Der Unionszollkodex und die vereinfachten Verfahren Seit dem 1. Mai ist nun das neue europäische Zollrecht – der Unionszollkodex – in Anwendung. Da der Gesetzgeber einen definierten Übergangszeitraum bis zum 1. Mai 2019 festgeschrieben hat, sind dramatische Probleme seither ausgeblieben. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Übergang ganz ohne Änderungen ablaufen wird. Insbesondere sind die neuen Regelungen rund um mögliche Vereinfachungen in Bezug auf die Prozessgestaltung in den Unternehmen für die zukünftigen Abläufe zu bewerten. Uwe Liebschner Berater für Zoll und Außenwirtschaft, dbh Logistics IT AG [email protected] Der Unionszollkodex (UZK) bietet eine Reihe von Vereinfachungen. Diese sind zum Großteil bereits aus dem vorherigen Recht (Zollkodex + DVO) bekannt und somit keine wirklichen Überraschungen. Jedoch ist dabei zu beachten, dass neben den gänzlich neuen Konstruktionen das Altbewährte durchaus kleine, aber zum Teil signifikante Änderungen erfahren hat. Diese gilt es nun zu analysieren und auf die jeweilige bestehende Infrastruktur anzuwenden. Was versteht nun der europäische Gesetzgeber unter Vereinfachungen für die Zollabwicklung? Für die Neubewilligung besagter Vereinfachungen bzw. bei Neubewertung bestehender Bewilligungen (spätestens bis zum 1. Mai 2019) sind die geänderten Anforderungen aus dem neuen Recht zu beachten. 1. A rtikel 166 UZK = Vereinfachtes Anmeldeverfahren. Weiterhin gibt es wie bisher auch die „Vereinfachte Zollanmeldung“. Diese wiederum fasst nun die Möglichkeiten der bisher unter dem Begriff „Unvollständige © mb-fotos/iStock/Thinkstock/Getty Images Vereinfachungen im UZK Das bewilligende Zollamt entscheidet, ob die „Art“ und die „Menge“ der betroffenen Waren das vereinfachte Verfahren beim Wirtschaftsbeteiligten rechtfertigen. Zollanmeldung“ und „VAV – Vereinfachtes Anmeldeverfahren“ bekannten Ausprägungen zusammen. Eine förmliche Bewilligung ist dabei nur dem „Vereinfachten Anmeldeverfahren“ zu erteilen. Das wichtigste Kriterium für die Unterscheidung ist hierbei die Frequenz der Anmeldungen. Dies bedeutet, dass die jeweilig zuständige Zollstelle prüfen muss, ob es sich bei der Nutzung der Vereinfachung um eine regelmäßige Aktivität handelt. 2.Artikel 182 UZK = Anschreibung in der Buchführung. Eine der wichtigsten Änderungen beim Anschreibeverfahren ist, dass die Anforderungen an Bewilligungen mit einer „Gestellungs- befreiung“ enger gefasst worden sind. Betrachtet man die „Gestellungsbefreiung“ genauer, so muss zwischen der tatsächlichen körperlichen Gestellung der Ware am zugelassenen Ort und der Mitteilung darüber unterschieden werden. In Art. 182 (3) UZK muss daher die Funktion der Mitteilung über die Gestellung als „Gestellungsbefreiung“ verstanden werden. Somit wird zukünftig auf die Abgabe der Anschreibemitteilung verzichtet. Demnach wäre „nur“ die periodische Zollanmeldung („Ergänzende Zollanmeldung“ üblicherweise monatlich) abzugeben. Diese Vorgehensweise kann also als „echte“ Anschreibung in der Buchführung betrachtet werden. Damit ver- bunden ist dann auch die sofortige Überlassung zum angemeldeten Verfahren im Zeitpunkt der Anschreibung in der Buchführung. Die Umsetzung des prozessualen Ablaufs braucht jedoch noch etwas Geduld. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass die nationalen IT-Systeme – in Deutschland ATLAS – angepasst werden müssen. Dies dauert noch einige Zeit, so dass der bekannte Ablauf für den Zeitraum bis zum Einsatz der überarbeiteten IT in Anwendung bleibt. Spätestens Ende 2020 muss diese Anpassung durchgeführt sein. Belastbare Datumsangaben liegen aktuell noch nicht vor. Abzuwarten sind die Planungen auf nationaler Ebene. ➤ Eine rechtliche Voraussetzung für die Erteilung der „Gestellungsbefreiung“ ist der Status des AEO C (Zoll, nicht Sicherheit). Weiterhin muss das bewilligende Zollamt entscheiden, ob die „Art“ und die „Menge“ der betroffenen Waren dieses vereinfachte Verfahren beim jeweiligen Wirtschaftsbeteiligten rechtfertigen. Die inhaltlich sehr weit aufgestellten Begriffe Art und Menge können als die größere „Schwachstelle“ oder, positiv betrachtet, als Chance angesehen werden. Warum? Die Behörde hat, resultierend aus der Globalität der Begriffe, einen individuellen Ermessensspielraum. Ein Ermessensspielraum ist grundsätzlich nicht kritikwürdig. Da es jedoch keine endgültige inhaltliche Darstellung im europäischen Zollrecht zur Auslegung dieser Begriffe gibt, ist zu hoffen, dass seitens der nationalen Zollbehörden eine einheitliche und sehr weit gefasste Auslegung vorgegeben und damit auch der Ermessensspielraum tendenziell in Richtung von wirtschaftsfreundlichen Regelungen verschoben wird. Mit dieser Hoffnung verbindet sich auch die klare Position der Wirtschaft, dass keine Limitierung auf einzelne Warengruppen erfolgen darf oder aber eine separate Definition dieser Begriffe für die einzelnen Kapitel des Tarifs erstellt wird. Individuell im Rahmen der mit der Bewilligungserteilung vorgenommenen Vorprüfung durch den Zoll sollte die Entscheidung über die Anforderung bezüglich der Art und der Menge der einzubeziehenden Waren gemeinsam mit dem Ausgabe 5 | 8. Juni 2016 Wirtschaftsteilnehmer sinnvoll analysiert und erarbeitet werden. Derzeit sind Bewilligungen mit unterschiedlichen Zeitpunkten der Überlassung in Anwendung. Die deutsche Zollverwaltung unterteilt die Bewilligungen in die drei Kategorien A, B und C. Dabei ist die Kategorie C aus Sicht der Wirtschaft die erstrebenswerteste Variante, da hier die Gestellungsbefreiung Bestandteil der Bewilligung ist und die Überlassung im Zeitpunkt der Anschreibung stattfindet. Kategorie B dagegen basiert auf der Überlassung nach einer Wartezeit (gebunden an Öffnungszeiten des Zollamtes), und Kategorie A benötigt für die Überlassung den manuellen Eingriff des Zollbeamten. Übersetzt in die neuen Regelungen des UZK, bedeutet dies, dass zukünftig die Kategorie C der Bewilligungen den Anforderungen für die Gestellungsbefreiung aus dem Artikel 182 (3) UZK genügen muss. Anschreibeverfahren in Verbindung mit der direkten Vertretung Nach derzeitiger Lesart des UZK wird das Anschreibeverfahren der Person des Anmelders bewilligt. Dies bedeutet, dass sich mit Blick auf die Formulierung „Anschreibung in der Buchführung des Anmelders“ eine Begrenzung des Personenkreises ergeben kann und, daraus resultierend, bestehende Abwicklungsprozesse betroffen sein können. Konkret sollen keine neuen Bewilligungen für die Anschreibung mehr an direkte Vertreter erteilt werden. Damit wäre dann zukünftig mit Ende der Übergangsphase 2019 keine A2-Bewilligung mehr in der Praxis im Einsatz. Die deutsche Zollverwaltung hat dies aktuell so aus den Regelungen des UZK interpretiert. Bisher war auch die EU-Kommission dieser Ansicht. Umfangreiche Diskussionen zu diesem Punkt auf europäischer Ebene haben jedoch dazu geführt, dass die Kommission den Rechtsdienst der EU erneut um Stellungnahme gebeten hat. Dieser hat dann eine abweichende und damit für die Wirtschaft positive Auslegung gegenüber der Kommission verlauten lassen. Demzufolge kann die Kombination, wie bisher in Deutschland unter den A2-Bewilligungen alltäglich genutzt, weiterhin bewilligt werden (Bewilligungsinhaber ist der direkte Vertreter). Der Rechtsdienst verknüpft damit jedoch die Auflage, dass ein direkter Zugriff auf die Buchhaltung des Anmelders vorhanden sein muss. Hier ist wiederum klar festzulegen (und zwar auch hier wünschenswerterweise eine praxisnahe, wirtschaftsfreundliche Variante), wie dieser „direkte Zugriff“ aussehen soll. Die erkennbare, klare Angabe der internen Referenzen aus der Buchhaltung des Anmelders in den Zollanmeldungen sollte als ausreichend anerkannt werden. Hier besteht noch Klärungsbedarf. Anschreibung und Ausfuhr Für die Ausfuhr ist die Situation in Bezug auf das Anschreibeverfahren auf den rsten Blick ungleich problematischer als e beim Import. Da hier der Gesetzgeber vorgibt, dass ein Anschreibeverfahren nur in Frage kommt für Waren, die keiner Risikoanalyse bedürfen [Artikel 150 (4) Delegierte Verordnung], sind die Fälle für eine Nutzung sehr übersichtlich bzw. fast unmöglich. Somit sind Überlassungen zur Ausfuhr im Zeitpunkt der Anschreibung zukünftig eher selten. Dies wäre, bezogen auf den heutigen Ablauf in der Exportlandschaft, ein immenser Rückschritt und eine Erschwerung für die Abwicklung bei der Überführung in das Ausfuhrverfahren. Wie geht nun die deutsche Verwaltung mit dieser Situation um? Die bestehenden und innerhalb der Übergangsphase neu zu bewertenden/neu zu erteilenden Bewilligungen zum „Zugelassenen Ausführer“ werden zukünftig als vereinfachte Anmeldeverfahren gelebt werden. Damit ist dann auch klar, dass die Überlassung nur mit einer Wartezeit erfolgen kann. Es liegt also bei der Zollbehörde, mit welchem Entgegenkommen die Thematik der Wartezeiten gehandhabt wird. Laut Aussagen der Generalzolldirektion soll es zu keinen Einschränkungen des bisher genutzten Ablaufs, basierend auf dem „alten“ Recht, kommen. Es kann demnach davon ausgegangen werden, dass die im ATLAS-System hinterlegte Wartezeit grundsätzlich sehr kurz sein und es keine Koppelung an die Wartezeiten der Ausfuhrzollstellen geben wird. ➤ 22 | ExportManager | Liefern 23 | ExportManager Ausgabe 5 | 8. Juni 2016 Strategische Partner IMPRESSUM Accuity Raimund Kaufmann Key Account Manager DACH Barckhausstraße 1 60325 Frankfurt am Main (069) 24 75 68 91 01 raimund.kaufmann@ accuity.com Amber Road Irene Kasapis Marketing Coordinator Luisenstraße 14 80333 München (089) 200 03 41-14 IreneKasapis@ AmberRoad.com Atradius Kreditversicherung Stefan Deimer Advisor Marketing & Communication Opladener Straße 14 50679 Köln (02 21) 20 44-20 16 [email protected] Bayerische Landesbank Florian Seitz Senior Director, Head of Trade & Export Finance Lorenzer Platz 27 90402 Nürnberg (09 11) 23 59-299 [email protected] BHF-BANK Aktiengesellschaft Constanze Neumann Stellvertretende Abteilungsdirektorin Strukturierte Außenhandelsfinanzierungen Bockenheimer Landstraße 10 60323 Frankfurt am Main (069) 718-26 54 constanze.neumann@ bhf-bank.com Coface Niederlassung in Deutschland Erich Hieronimus Pressesprecher Isaac-Fulda-Allee 1 55124 Mainz (0 61 31) 323-541 erich.hieronimus@ coface.de Herausgebender Verlag: FRANKFURT BUSINESS MEDIA GmbH – Der F.A.Z.-Fachverlag Geschäftsführung: Torsten Bardohn Dr. André Hülsbömer Vorsitzender der Geschäftsleitung: Bastian Frien Frankenallee 68–72, 60327 Frankfurt am Main HRB Nr. 53454, Amtsgericht Frankfurt am Main Redaktionsleitung: Gunther Schilling (verantwortlich) Telefon: (069) 75 91-21 96 E-Mail: gunther.schilling@ frankfurt-bm.com Redaktion: Sylvia Röhrig Anzeigen: Jens Walther Commerzbank AG Frank-Oliver Wolf Leiter Commerzbank Transaction Services Deutschland Kaiserstraße 16 60311 Frankfurt am Main (069) 136-412 09 frank-oliver.wolf@ commerzbank.com Credimundi Christoph Witte Direktor Deutschland Luisenstraße 21 65185 Wiesbaden (06 11) 50 40 52-01 [email protected] Graf von Westphalen Dr. Lothar Harings Rechtsanwalt Poststraße 9 – Alte Post 20354 Hamburg (040) 359 22-278 [email protected] Hohmann Rechtsanwälte PD Dr. Harald Hohmann Rechtsanwalt Schlossgasse 2 63654 Büdingen (0 60 42) 95 67-0 harald.hohmann@ hohmann-rechtsanwaelte.com dbh Logistics IT AG Ina-Sophie Kramer Presse und Kommunikation Martinistraße 47–49 28195 Bremen (04 21) 309 02-71 [email protected] HSBC Alexander J. 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