verlagerungen vorgelegt

Gesetzentwurf zu Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen vorgelegt
[06.06.2016]
Von: Stefan Groß, Christian Palm und Steffen Klein
Mit der Veröffentlichung der Ergebnisse des Projektes gegen Gewinnkürzung und Gewinnverlagerung („Base Erosion and Profit Shifting“, kurz BEPS) hat die OECD umfassende Empfehlungen vorgegeben, wodurch Besteuerungslücken im Internationalen
Steuerrecht wirksam eingedämmt werden sollen. Kernelemente der Empfehlungen der
OECD waren ein stärkerer Informationsaustausch der Steuerverwaltungen, den Ort der
Besteuerung stärker an die tatsächliche wirtschaftliche Substanz zu knüpfen, die Kohärenz der einzelnen nationalen Steuersysteme zu erhöhen und den unfairen Steuerwettbewerb stärker einzugrenzen.
Mit dem nun am 01.06.2016 veröffentlichten Referentenentwurf eines Gesetzes zur
Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen
gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen legt das Bundesfinanzministerium (BMF)
dar, wie die Vorschläge und Empfehlungen seitens der OECD als auch der EUKommission in Bezug auf die Besteuerung von multinationalen Unternehmen in die
Praxis umgesetzt werden sollen. Schwerpunkte des Gesetzentwurfs sind der automatische Informationsaustausch, die Stärkung der Transparenz in der Besteuerung multinationaler Unternehmen sowie die Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie. Zudem verfolgt
der Gesetzentwurf die Intention, die in bestimmten Sachverhalten steuerzahlerfreundliche Rechtsprechung des BFH durch Änderungen in den Einzelsteuergesetzen zu korrigieren.
A. Umsetzung der OECD-Empfehlungen und der Vorgaben der Kommission
1. Aufzeichnungspflichten im Bereich der Verrechnungspreise
Die Empfehlungen der OECD sehen umfangreiche Aufzeichnungspflichten für international agierende Unternehmen vor. Die Finanzverwaltungen sollen durch länderbezogene Berichte für multinationale Unternehmen (sogenannte Country-by-Country Reports)
besser in die Lage versetzt werden, Risikoeinschätzungen über steuerschädliche grenzüberschreitende Verrechnungspreisgestaltungen, Gewinnverlagerungen und Gewinnverkürzungen treffen zu können. Dabei enthält die Abgabenordnung in ihrer aktuellen
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Fassung bereits weitgehend die gesetzlichen Aufzeichnungspflichten, die für eine
Stammdokumentation (Master File), eine landesspezifische, unternehmensbezogene
Dokumentation (Local File) und einen länderbezogenen Bericht (Country-by-Country
Report – CbCR) benötigt werden. Der Gesetzentwurf sieht in § 90 Abs. 3 AO darüber
hinaus vor, bestehende Aufzeichnungspflichten noch weiter an die internationalen Empfehlungen, einschließlich des durch eine Änderung der EU-Amtshilferichtlinie geforderten „Secondary Reports“, anzugleichen. Die sich daraus ergebenden Folgeanpassungen
der bereits bestehenden Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung (GAufzV) sollen
im Anschluss vorgenommen werden.
Mit der Einführung eines § 138a AO sollen die europäischen Vorgaben in Bezug auf die
verfahrensrechtlichen Mindeststandards für die länderbezogenen Berichte wie auch die
Berichtspflichten umgesetzt werden. Dabei sind nach dem jeweiligen Steuerhoheitsgebiet aggregierte Angaben zu allen dortigen Unternehmen und Betriebsstätten eines Konzerns, etwa hinsichtlich Umsatzerlöse und Erträge, mitzuteilen. Des Weiteren haben
multinationale Unternehmen auch Informationen zu den einzelnen Unternehmensteilen
der Gruppe hinsichtlich der konkreten Geschäftstätigkeit und Funktion zu übermitteln.
Nach § 138a AO sollen inländische Konzernobergesellschaften stets dann zur Erstellung
eines länderbezogenen Berichts verpflichtet sein, wenn
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der Konzernabschluss mindestens ein Unternehmen mit Sitz und Geschäftsleitung
im Ausland oder eine ausländische Betriebsstätte umfasst und
die konsolidierten Umsatzerlöse mind. 750 Millionen Euro betragen.
Darüber hinaus wurde mit dem sogenannten „Secondary Mechanism“ in § 138a Abs. 4
AO eine von der Europäischen Union vorgesehene Option umgesetzt. Im Rahmen dieser Regelung können einbezogene inländische Gesellschaften – bei Vorliegen gewisser
Voraussetzungen – dazu verpflichtet werden, einen länderbezogenen Bericht anstelle
der ausländischen Konzernobergesellschaft zu erstellen. Diese Möglichkeit scheint für
die Finanzverwaltung notwendig, da ausländische Konzernobergesellschaften nicht gezwungen werden können, einen entsprechenden Bericht zu liefern.
2. Verbesserung des automatischen Informationsaustauschs
Die vorgesehenen Anpassungen des EU-Amtshilfegesetzes betreffen die Richtlinienvorgaben der EU-Kommission hinsichtlich der Verpflichtung zum automatischen Austausch
von Informationen im Bereich der Besteuerung. Dem Gesetzentwurf (§ 178a Abs. 1 AO)
entsprechend sollen innerhalb der Europäischen Union Informationen über grenzüberschreitende steuerliche Vorbescheide und Vorabverständigungen über Verrechnungs2/5
preise zwischen international verbundenen Unternehmen (sogenannte „Tax Rulings“)
automatisch ausgetauscht werden. Gerade im Zuge der sogenannten „Luxemburg-LeaksAffäre“ war bekannt geworden, dass multinationalen Konzernen Vorbescheide erteilt
worden waren, welche letztlich zu großzügigen grenzüberschreitenden Gewinnverlagerungen genutzt werden konnten. Der automatische Informationsaustausch von Tax
Rulings sowie der damit einhergehende umfassende Informationszugang zu Steuerverfahren und Entscheidungen von Finanzbehörden in anderen Mitgliedstaaten soll der
Finanzverwaltung die Möglichkeit eröffnen, steuerliche Risiken besser einzuschätzen
und Gewinnverlagerungen entgegenwirken zu können.
B. Rechtsprechungsbrechende Gesetzesänderungen
1. Anpassungen bei der Auslegung und Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen
Durch die Anpassungen des § 50d Abs. 9 EStG und des § 1 Abs. 1 AStG sollen Unsicherheiten in der Auslegung und Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen
(DBA) beseitigt werden. Die Zielsetzung des § 50d Abs. 9 EStG n. F. besteht in der wirksamen Verhinderung der Nichtbesteuerung oder Geringbesteuerung bestimmter Einkünfte durch Nichtgewährung der Freistellung ausländischer Einkünfte von der deutschen Besteuerung (sogenannte Notifikationsklausel). Hintergrund sind zwei Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH), wonach über die Anwendung des § 50d Abs. 9
EStG in der aktuellen Fassung eine Freistellung der Einkünfte zu gewähren ist, wenn das
im Abkommen zugewiesene Besteuerungsrecht im anderen Vertragsstaat nur für einen
Teil der Einkünfte wahrgenommen wird (im Ausland erfolgt nur eine teilweise Besteuerung von Erträgen). Durch die im Gesetzentwurf vorgesehene Umformulierung des
§ 50d Abs. 9 S. 1 EStG soll die Regelung künftig auch für den Teil der Einkünfte Anwendung finden, die im anderen Vertragsstaat nur teilweise von der Besteuerung ausgenommen sind oder nur teilweise einer geringeren Besteuerung unterliegen.
Mit der Einführung eines § 1 Abs. 1 S. 5 AStG soll sichergestellt werden, dass es zu keinen inhaltlichen Abweichungen zwischen den Regelungen zum Fremdvergleichsgrundsatz der Doppelbesteuerungsabkommen und der nationalen Vorschrift des § 1 AStG
kommt. Sowohl § 1 Abs. 1 AStG als auch die entsprechenden DBA-Artikel enthalten
Regelungen, welche eine Gewinnanpassung bei nicht fremdüblichen Preisen zwischen
verbundenen Unternehmen erlauben. In diesem Zusammenhang stellte der BFH jedoch
fest, dass eine „inhaltliche“ Sperrwirkung der DBA gegenüber § 1 Abs. 1 AStG bestehe,
d. h. die Regelung des jeweiligen DBA sollte der nationalen Regelung vorgehen. Wenn
es nach dem Willen des Gesetzgebers geht, soll sich der Inhalt des Fremdvergleichs3/5
grundsatzes, der in Art. 9 Abs. 1 OECD-MA enthalten ist, künftig nach der nationalen
Vorschrift des § 1 Abs. 1 S. 5 AStG bestimmen, was im Ergebnis zu einer Durchbrechung des DBA (sogenanntes „Treaty Override“) führen würde.
2. Schließung von Besteuerungslücken im Rahmen der Gewerbesteuer
Eine weitere im Gesetzentwurf vorgesehene Änderung betrifft die Gewerbesteuer. Ausgangspunkt ist dabei wiederum eine Entscheidung des BFH. Konkret urteilen die Finanzrichter, dass bei Anwendung eines Hinzurechnungsbetrag nach § 10 Abs. 1 S. 1 AStG
auf den Gewinn eines inländischen Unternehmens diese Hinzurechnung bei der Ermittlung des maßgeblichen Gewerbeertrages wiederum zu kürzen ist (§ 9 Nr. 3 S. 1
GewStG). Im Ergebnis nehmen die Finanzrichter damit die Hinzurechnungsbeträge von
der Gewerbesteuer aus. Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll § 7 ff. AStG jedoch
gerade eine Besteuerung der hinzurechnungspflichtigen Einkünfte im Inland gewährleisten und dies schließe die gewerbesteuerliche Berücksichtigung zwingend ein. Der Gesetzentwurf sieht entsprechend eine klarstellende Änderung der §§ 7 und 9 GewStG
vor, wonach Hinzurechnungsbeträge im Sinne des AStG künftig durchgängig der Gewerbesteuer unterliegen.
Eine weitere Änderung im Bereich der Gewerbesteuer betrifft die ertragsteuerliche Organschaft. Wiederum war es der BFH, der mit Urteil vom 17.12.2014 dazu Anlass gab,
indem er Gewinnerhöhungen nach § 8b Abs. 5 KStG (Ansatz von 5 % der Dividende als
nichtabzugsfähige Betriebsausgabe) bei der Ermittlung des Gewerbeertrages im Organkreis ausgenommen hat. Im Urteilsfall erzielte eine deutsche Tochter-GmbH als Organgesellschaft Dividenden von einer italienischen Kapitalgesellschaft. Nach Ansicht der
Finanzrichter komme es auf Ebene des Organträgers (Obergesellschaft) nicht zu einem
Ansatz der sonst immer hinzugerechneten 5 % nichtabzugsfähigen Betriebsausgaben.
Schachteldividenden, welche von einer Organgesellschaft bezogen werden, unterliegen
demnach beim Organträger auch nicht mit 5 % der Gewerbesteuer. Nach Ansicht des
BMF führe dies zu einer Besserstellung von Dividendenbezügen über eine Organgesellschaft im Vergleich zu einer Gesellschaft, die nicht Organgesellschaft ist. Diesem Umstand will der Gesetzentwurf über die Neuregelung des § 7a GewStG entgegenwirken,
wodurch bei entsprechenden Konstellationen künftig auch Gewinnerhöhungen i. S. d.
§ 8b Abs. 5 KStG bei der Ermittlung des Gewerbeertrages einzubeziehen sind.
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3. Bekämpfung von Steuergestaltungen
Der Gesetzentwurf beinhaltet ferner eine Änderung der Voraussetzungen für die Anwendung des § 3 Nr. 40 EStG und des § 8b Abs. 7 KStG zur Bekämpfung von Steuergestaltungen. Mit der Systemumstellung vom Anrechnungsverfahren zum Halb- bzw.
Teileinkünfteverfahren wurden die Regelungen zu § 3 Nr. 40 S. 3 EStG und § 8b Abs. 7
S. 1 KStG speziell für Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsunternehmen eingeführt,
die eine Ausnahme zu den Regelungen zur Beteiligungsertragsbefreiung darstellen. Diese Regelungen wurden zum Teil für Gestaltungen genutzt, bei denen über die Nutzung
von Finanzunternehmen innerhalb eines Unternehmensverbundes Gewinnminderungen
aus Beteiligungen steuerlich geltend gemacht wurden. Diese Gestaltungen sollen dem
Gesetzentwurf entsprechend künftig verhindert werden.
Einordnung und Ausblick
Die dargestellten Gesetzesänderungen sollen dem Referentenentwurf entsprechend
überwiegend ab dem 01.01.2017 zur Anwendung kommen. Man darf gespannt sein, ob
mit den zumeist multilateral abgestimmten Maßnahmen dem deutschen Fiskus der große Wurf gelingt, um die bestehenden Defizite im internationalen Steuerwettbewerb zu
beseitigen. Bei der Frage nach Erfolg oder Misserfolg wird es entscheidend darauf ankommen, dass möglichst viele EU- und Nicht-EU-Staaten gleichwertige Maßnahmen
implementieren und dann auch durchsetzen. Dazu sind mit Blick auf das umfangreiche
Maßnahmenpaket durchaus berechtigte Zweifel angebracht, ob diese im Einklang
mit bestehenden rechtlichen Vorgaben stehen. So führt gerade der Austausch der Tax
Rulings zur Weitergabe höchst sensibler Unternehmensdaten, die national durch das
Steuergeheimnis geschützt sind. Wie es um das Steuergeheimnis in anderen Staaten
bestellt ist, und ob sich dort durchgehend adäquate Regelungen und Schutzmaßnahmen
finden, darf bezweifelt werden. Dazu dürften die Maßnahmen bei den betroffenen
Unternehmen zu nicht unerheblichen Mehrkosten führen, um die geforderte Tax
Compliance herzustellen und nachzuhalten.
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