Anämiediagnostik

05/2016
Laborinformation
Rationale Labordiagnostik zur Anämieabklärung
Basislabordiagnostik:
Laborroutine (besonders CRP, LDH, Bilirubin, Urinstatus)
Manuelles Differentialblutbild (Fragestellung: übersegmentierte Granulozyten? im Facharztlabor)
Retikulozyten, Retikulozytenproduktionsindex
Vitamin B12, Folsäure
Hämolyseparameter
Antikörper gegen Parietalzellen und Intrinsic-Factor
TSH
Hämoccult im Stuhl (mehrfach)
Ferritin, Homocystein
Knochenmarkspunktion mit Eisenfärbung
Abb. 1: Aufteilung der Anämien nach Erythrozytenindizes
Hypochrom – mikrozytäre Anämie
Theoretisch gibt es einige mögliche Ursachen einer hypochrom-mikrozytären Anämie (s. Abb. 1). In der klinischen
Praxis spielen jedoch nur drei davon eine Rolle: die Eisenmangelanämie, die ACD (Anämie der chronischen Erkrankungen) und die Thalassämien. Ein „All-inklusive-Panel“,
das eine hinreichende Abklärung der Hauptursachen einer
hypochrom-mikrozytären Anämie erlaubt, würde aus hämatologischer Sicht folgende Parameter enthalten:
Basislabordiagnostik:
Laborroutine, einschließlich Bilirubin, LDH und ALAT (GPT)
Differentialblutbild (im Facharztlabor)
CRP
Retikulozyten, Retikulozytenproduktionsindex
Urinstatus
Hämoccult im Stuhl (mehrfach)
Ferritin
Löslicher Transferrin-Rezeptor (sTfR)
Transferrinsättigung
ZPP (Zinkprotoporphyrin)
Hepcidin
Haptoglobin (zur Frage einer begleitenden Hämolyse)
Hämoglobinelektrophorese
Knochenmarkspunktion
Hyperchrom – makrozytäre Anämie
Die Gruppe der hyperchrom-makrozytären Anämien umfasst
hauptsächlich Anämieformen, die durch eine Beeinträchtigung der Zellteilung, in erster Linie durch Beeinträchtigung
der DNA-Synthese zustande kommen. Die klinisch wichtigsten Ursachen sind der Vitamin-B12- und Folsäuremangel.
Bei Vorliegen einer hyperchrom-makrozytären Anämie sind
in der klinischen Praxis zunächst ein Vitamin-B12- und ein
Folsäuremangel auszuschließen. Das eingesetzte Laborpanel sollte dabei zumindest Retikulozyten, LDH, Bilirubin,
Vitamin B12 und Folsäure beinhalten. Um auch komplexere
Störungen aufzudecken empfehlen wir, diese Laborparameter um das Homocystein im Serum zu erweitern.
Normochrom – normozytäre Anämie
Zu dieser Gruppe zählen die meisten Anämien, was den Kliniker häufig vor eine wirkliche diagnostische Herausforderung
stellt. Dies ist jedoch auch dadurch bedingt, dass Anämien
in der Praxis häufig nicht nur eine Ursache haben, sondern in
rund 30 % multifaktoriell bedingt sind. Durch Überlagerung
mehrerer Komponenten können klassische Anämieformen
maskiert werden, so dass hinter einem normochrom-normozytären Blutbild auch ein Eisenmangel, bzw. ein Vitamin-B12- oder ein Folsäuremangel stecken können.
Basislabordiagnostik:
Retikulozyten
LDH
Kreatinin, Kreatinin-Clearence
Ferritin
Transferrinsättigung, löslicher Transferrinrezeptor (sTfR)
Bilirubin, ALAT (GPT), CRP
ZPP (Zinkprotoporphyrin)
Erythropoetin
Hinweise
Natürlich ist es sinnvoll die im Rundschreiben aufgeführten Panels patientengerecht zu adaptieren, bzw. zusammenzustreichen.
Mit einer ausführlichen Anamnese und unter Beachtung
von Erythrozytenindizes und Retikulozyten kann die Abklärung einer Anämie rationell erfolgen.
Bei einem Drittel der geriatrischen Patienten bleibt die
Ursache einer Anämie jedoch unklar.
Die Bestimmung des Serumeisens spielt bei der Abklärung einer Anämie keine Rolle.
Das weitere diagnostische Vorgehen hängt von der Befundkonstellation dieser Laborparameter ab. Normochrom-normozytäre Anämien sind sehr häufig nicht monokausal, sondern multifaktorell, insbesondere wenn es sich um ältere,
multimorbide Patienten handelt. In solchen Fällen geht es
nicht darum, alle Komponenten herauszufinden, die zu der
festgelegten Anämie beigetragen haben.
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05/2016
Laborinformation
Rationale Labordiagnostik zur Anämieabklärung
Primär geht es darum, die Hauptursache zu finden. Außerdem müssen vor allem diejenigen Komponenten nachgewiesen, bzw. ausgeschlossen werden, die man leicht behandeln
kann, wie zum Beispiel Substrat- oder Erythropoetinmangel.
Eine Tandembestimmung von sTfR und ZPP liefert wertvolle
Hinweise für die Differentialdiagnose einer Anämie, insbesondere wenn sie in Kombination mit der Bestimmung des
Erythropoetinspiegels erfolgt. Man kann dadurch nicht nur
eine Eisendefizitäre Erythropoese nachweisen bzw. ausschließen, sondern auch eine ACD diagnostizieren, die in
der Regel normochrom-normozytär beginnt. Bei einem normalem ZPP ist eine Störung des Eisenstoffwechsels ausgeschlossen.
Differentialdiagnose der Anämien mit ZPP und sTfR
ZPP
sTfR
Diagnose
normal
normal
Keine IDE, EP normal
↑
↑
Eisenmangel
↑
normal
ACD
Normal
↑
Keine IDE, EP gesteigert
normal
↓
Keine IDE, EP reduziert
IDE: eisendefizitäre Erythropoes
EP: Erythropoese
ACD: Anämie der chronischen Erkrankungen
Algorithmus bei normochromer Anämie
Normochrome Anämie
MCH 28 - 32 pg
MCV 80 - 100 fl
Retikulozyten
adäquat
(RPI > 3)
nein
?
ja
Knochenmarkzytologie
normal
pathologisch
Hypoplasie
Anämie bei Nieren-,
Leberleiden,
Endokrine Störung
Akute Blutung
Aplastische Anämie
Infiltration
Fibrose
Leukämie,
Multiples Myelom,
KM-Karzinose,
Myelofibrose
Dyserythropoese
Myelodysplasie
Literatur:
J. Hastka, G. Metzgeroth: Rationale Anämieabklärung; J Lab Med 2015; 39(5): 273–289.
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Hämolyse