Familiengeführt machtsichbezahlt

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Asset-Management
In der Beschränkung
zeigt sich der Meister
«Familiengeführt
macht sich bezahlt»
das Finanzinstitutsgesetz (Finig) ist zu entschlacken.
FondsmanagerIntervIew BIrgItte oLsen
neue Regulierungsebenen
alte Struktur
Frau Olsen, der BB Entrepreneur Switzerland investiert in kotierte eigentümergeführte Unternehmen. Dieses Jahr feiert er
sein zehnjähriges Jubiläum. Sie führen ihn
seit 2008. Was freut Sie am meisten?
Die Performance, so glaube ich, darf sich
sehen lassen. In zehn Jahren hat der Fonds
rund 70% an Wert gewonnen, fast doppelt
so viel wie der SPI, und das mitunter in
turbulenten Zeiten.
Nationalbankgesetz
(Systemstabilität)
Pfandbriefgesetz PfG
Geldwäschereigesetz
Börsengesetz BEHG
Finanzinstitutsgesetz (Finig)
Bankengesetz
Finanzinfrastrukturgesetz (Finfrag)
Kollektivanlagengesetz KAG
Finanzdienstleistungsgesetz (Fidleg)
Versicherungsaufsichtsgesetz VAG
Versicherungsvertragsgesetz VVG
Finanzmarktaufsichtsgesetz (Finmag)
Quelle: Eidgenössisches Finanzdepartement EFD / Grafik: FuW, sm
mattHÄUs den otter
Mitte Februar hat die Kommission für
Wirtschaft und Abgaben (WAK) des
Ständerats Eintreten auf das Fidleg-/
Finig-Gesetzespaket beschlossen. Das
ist wichtig für den Finanzplatz. Gleichzeitig hat sie Vorschläge verlangt, wie
die Vorlage in der Detailberatung vereinfacht und verändert werden kann.
Gerne liefere ich einenVorschlag: Lasst
das Kollektivanlagengesetz (KAG) aus
dem Spiel und verzichtet darauf, die
KAG-Institute Fondsleitung und Vermögensverwalter kollektiver Kapitalanlagen (KAG-Vermögensverwalter)
ins Finig hineinzuzwängen.
Das Finanzdepartement schlug
vor, nur die Produkte im KAG zu belassen, die Institute aber ins Finig zu verpflanzen. Das KAG ist ein auf einer klaren Vision und einem typischen Geschäftsmodell beruhendes Gesetz aus
einem Guss. Noch vor wenigen Jahren
hatte das Parlament um eine Teilrevision gerungen und vor allem den Anlegerschutz ausgebaut sowie das Institut des «KAG-Vermögensverwalters»
an die Anforderungen der AIFMDRichtlinie der EU angepasst. Die entsprechende KAG-Regulierung wurde
jüngst von der europäischen Aufsicht
Esma geprüft und für gleichwertig mit
AIFMD befunden, was den KAG-Vermögensverwaltern den Zugang zum
EU-Markt eröffnen könnte.
Am Ziel vorbei
Das teilrevidierte KAG und die dazugehörige Finma-Praxis sind eingespielt. Es ist nicht nötig, an der bewährten Architektur und der Einheit
der Materie zu rütteln. Eine schlüssige
Begründung findet man auch in der
Finig-Botschaft nicht. Weder die angebliche Kohärenz noch die Rechtssicherheit, die Wettbewerbsfähigkeit
des Finanzplatzes oder die neu geschaffene Bewilligungskaskade erfordern das Zerfleddern des KAG und das
Das teilrevidierte
KAG und die dazugehörige Finma-Praxis
sind eingespielt.»
Zusammenführen eines Sammelsuriums von Vermögensverwaltungs-Finanzinstituten in einem Gesetz.
Bei näherer Betrachtung stellt sich
heraus, dass das Finig diesen Namen
nicht verdient, weil es längst nicht alle
Finanzinstitute umfasst. DieAufnahme
der Fondsleitungen und der KAG-Vermögensverwalter leuchtet auch deshalb nicht ein. Die Versicherungen haben nie zur Finig-Population gehört.
Auch die Banken haben sich verabschiedet. Sie wollen weiter im angestammten Bankengesetz geregelt werden.Was den Banken recht ist, soll den
KAG-Instituten billig sein. Sie haben
bereits eine regulatorische Heimat
und einen anerkannten Platz in der Finanzgesetzgebung. Die vorgeschlagene gesetzliche Trennung von KAG-
Produkten und den dazugehörenden
KAG-Instituten ist der EU fremd: In
den beiden EU-Fondsrichtlinien Ucits
und AIFMD, wie auch in der Gesetzgebung unserer Nachbarländer, sind die
Fonds (Ucits bzw. AIF) als Produkte
und ihre Leitungen bzw. Manager im
selben Gesetz geregelt.
Daran hat sich auch nach Inkrafttreten der Mifid-Richtlinie, des EUVorbilds fürs Fidleg, nichts geändert.
Die vorgeschlagene Aufweichung des
KAG trägt somit nichts zum sehnlichst
gewünschten Marktzutritt der Schweizer Kollektivanlagen und ihrer Bewilligungsträger zum EU-Binnenmarkt
bei. Im Gegenteil, wir müssten dem
Ausland erklären, wieso hier getrennt
reguliert wird, was sonst überall gesetzestechnisch zusammengehört.
Andere Prioritäten
In Liechtenstein etwa werden die Institute der einzelnen Fondskategorien
weiterhin gemeinsam im Gesetz über
die Investmentunternehmen reguliert, während das Vermögensverwaltungsgesetz u. a. die unabhängigen
Vermögensverwalter regelt. Folgerichtig wurden die Investmentunternehmen ausdrücklich vom Geltungsbereich des erwähnten Vermögensverwaltungsgesetzes ausgenommen.
Das Zusammenwürfeln ganz
unterschiedlicher Institute in einem
Finig mag akademisch reizvoll sein, sichert aber weder den Zugang zum EUMarkt noch verbessert es die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz. Da gäbe
es im KAG-Bereich andere Themen,
die den Standort, trotz weiterhin fehlendem EU-Marktzugang, zumindest
leicht verbessern könnten: etwa die
Reduktion des Anfangskapitals für die
Gründung einer Fondsleitung von 1
Mio. Fr. auf weniger als die Hälfte
(Ucits 125000 €). Das könnte gewisse
KAG-Vermögensverwalter ermutigen,
selbst als Fondsleitung ihrer Fonds zu
wirken. Oder: eine Analyse des gesetzgeberischen Handlungsbedarfs bei
der Kommanditgesellschaft für kollektive Kapitalanlagen (KGK), die auch
nach Jahren der Einführung nicht
richtig vom Fleck kommt.
Das alles wäre umso wichtiger, als
die EU im Rahmen der geplanten Capital Market Union bereits neue Massnahmen beschlossen hat – wie das mit
der KGK vergleichbare neue Vehikel
Eltif –, die neue Herausforderungen an
den Fondsstandort Schweiz stellen
werden. Fidleg verfolgt mehrere wichtige Ziele, wie einheitliche Mindeststandards in Anlageberatung und Vermögensverwaltung, «Same Business,
Same Rules» in der Produktregulierung und die (Selbst-)Regulierung der
unabhängigen Vermögensverwalter.
Um dem Parlament die gewünschte
Fokussierung auf diese Hauptthemen
zu ermöglichen, sollte keine Energie
darauf verwendet werden, im Rahmen
von Fidleg/Finig das KAG auseinanderzureissen.
Matthäus Den Otter, Consultant
Financial Services und unabhängiger
Verwaltungsrat, bis 2013 Direktor
des Schweizerischen Fondsverbands.
Und Ihr grösster Ärger?
Ein gewisses Ärgernis ist, wenn ein ausgezeichnet geführtes Unternehmen von
einem weniger guten übernommen wird.
Oft ist es ein grösseres, eher schwerfälliges
Konstrukt, das ein kleineres schluckt. In
Europa gab es solche Situationen, in der
Schweiz sind sie eher die Ausnahme. Aber
wir haben den Fall Sika, der Unmut verursacht. Ich kenne das Unternehmen ziemlich gut, es war das erste, das ich in meiner
beruflichen Tätigkeit, damals noch bei
Generali in Deutschland, im Jahr 2003 besucht hatte. Seither hat sich die Marktkapitalisierung von Sika versechsfacht –
ein grossartiger Erfolg.
vom BB Entrepreneur Switzerland übertrifft den SPI klar.
Wenn nicht das, was sind denn die Risiken?
Die Nachfolgproblematik und was wir, etwas salopp, den Grössenwahn nennen.
Unternehmer sind Überzeugungstäter,
bestimmt, aber manchmal auch beratungsresistent. Es ist unser Job, solche Situationen zu erkennen und uns auf die
besten Titel zu konzentrieren.
Sind Sie investiert?
Wir waren es, bis letztes Jahr die Nachricht
vom Verkauf des Anteils der Familie Burkard an Saint-Gobain kam.Wir investieren
grundsätzlich nur in Unternehmen, in
denen Eigentumsstruktur und Management eine produktive Einheit bilden. Anfang des laufenden Jahres haben wir jedoch wieder eine kleine Position gekauft.
Entgegen dem Grundsatz? Weshalb?
Sika ist sehr dezentral organisiert. Die verschiedenen Einheiten können so ihre
Möglichkeiten optimal wahrnehmen.
Klar, der Rechtsstreit dürfte noch länger
anhalten. Aber uns gefällt, wie die Leute
bei Sika voll motiviert arbeiten und weiteres Wachstum schaffen.
Ziehen Sie Lehren aus dem Fall Sika?
Ja, die Brisanz des Opting-out, wenn ein
Käufer kein Angebot an alle Aktionäre
unterbreiten muss, haben wir, wie viele
andere auch und selbst das Management
des Bauzulieferers, unterschätzt. Es ist
eine Gefahr, vor allem dann, wenn das
emotionale Engagement der Gründerfamilie nachlässt. In Zukunft meiden wir
solche Situationen.
Kommt es oft vor, dass die Identität
und das Engagement der
Besitzerfamilie schwinden?
Nein, jedenfalls gibt es kein Muster dafür.
Wenn man von einer kritischen Phase
sprechen kann, dann ist es der Übergang
von der Gründer- zur Zweitgeneration.
Gerade in Europa ist jedoch häufig schon
die vierte, die fünfte oder sogar die sechste
Generation unternehmerisch aktiv. Und
es gibt das Umgekehrte, wenn das Engagement stärker wird. Beim Schraubenhersteller Bossard zum Beispiel hat ab
der dritten Generation eine viel stärkere
Konzentration auf profitables Wachstum
stattgefunden.
Was zeichnet familiengeführte
Unternehmen aus?
Sie haben in der Regel kurze Entscheidungswege, sind agil und kompetitiv, achten auf eine gesunde Bilanz mit hohem
Eigenkapital und verfolgen eine langfristige Strategie.
Wie verhält es sich mit der Ausschüttung?
Zehrt die oft hohe und wachsende Zahl an
Familienmitgliedern nicht an der Substanz?
Wenn es ein Risiko nicht gibt, dann ist es
dieses. Die Zeit der Babyboomer ist vorbei, und dann gibt es immer Familienmitglieder, die sich auszahlen lassen. So
konzentrieren sich die Aktien dort, wo ein
Interesse am Unternehmen besteht.
Unternehmen mit schlechter Bilanz zahlen oft mehr aus, Ölgesellschaften, Versorger, Banken. Sie müssen die Aktionäre bei
Laune halten.
Familienunternehmen nicht?
Doch, aber anders. Ihre Dividende ist in
den meisten Fällen sicher, weil sie eben
Caps im Fonds 30 zu 70%. Es war auch
schon umgekehrt, aber das ist länger her.
Den grössten Teil der Performance haben
wir auch dieses Jahr über die Small Caps
gemacht. Dieser Trend gilt europaweit
und dürfte anhalten.
etwas fettere Bilanzen vorziehen. Die Vorstellung, sich in die Abhängigkeit von Banken begeben zu müssen, ist für viele ein
Graus. Finanzielle Unabhängigkeit ist ein
grosser strategischer Vorteil.
Die grösste Position im Fonds ist der
Bauwert Implenia. Aus welchem Grund?
Implenia hat sich über geschickte Akquisitionen von einem inlandorientierten zu
einem wachstumsstarken internationalen
Bau- und Generalunternehmen gewandelt, und die Schwächen im inländischen
Gebäudebau sind behoben, auch wenn’s
länger gedauert hat als erwartet. Rund
40% des Auftragsbestands stammen heute
aus dem Ausland, unter anderem aus Norwegen, das jährlich 9 Mrd.€ für den Bau
von Strassen, Brücken und Tunnels ausgibt. Auch Deutschland hat einen riesigen
Bedarf an Infrastruktur. Implenia ist Spezialist auf diesem Gebiet, und die Aktien
sind noch immer günstig bewertet.
BIld: PaBlo FaccInEt to
Architektur neues Finanzmarktrecht
Nationalbankgesetz
(Systemstabilität)
Samstag, 28. Mai 2016 · Nr. 42
«Die Brisanz des Optingout bei Sika haben wir,
wie viele andere auch und
selbst das Management
des Bauzulieferers, unterschätzt.»
BIrgItte oLsen
Sie wählen Gesellschaften, bei denen das
Familienstimmrecht zwischen 20 und 30%
liegt. Weshalb exakt diese Zahlen?
Der Stimmrechtsanteil ist ein Kriterium.
Zusätzlich muss die Familie in der operativen Führung oder im Verwaltungsrat
eine aktive Rolle spielen. Was den Stimmenanteil angeht, so belegen Studien zur
Korrelation zwischen Unternehmenserfolg und Eigentümerverhältnissen Folgendes: Ein Stimmrecht unter 20% ist eher
symbolisch, und bei mehr als 30% besteht
die Gefahr, dass die übrigen Aktionäre
übergangen werden. Diese sind im Sinne
der Checks and Balances im Unternehmen wichtig.
Der Fonds zählt zwischen dreissig
und vierzig Titel, vor allem kleinere.
Eine Wette auf Small Caps?
Eigentümergeführt bringt einen automatisch in Richtung Small und Mid Caps. Da
ist die Auswahl viel grösser als bei den
grosskapitalisierten Titeln und nicht so
konzentriert. Unter den Large Caps dominieren Roche, Novartis, Nestlé und die
Banken, und vom Gesundheitssektor nehmen wir aus Bewertungsgründen zurzeit
eher Abstand. Aktuell beträgt das Kräfteverhältnis zwischen Small/Mid und Large
BB Entrepreneur Switzerland
top-10-Positionen anteil in %
Implenia
Partners Group
dätwyler
Kühne + nagel
lem
4,4
3,9
3,7
3,6
3,5
Volumen in Mio. Fr.
Verwaltungsgebühr in %
auflagedatum
länderzulassung
Investment Manager
Valorennummer
Performance in %
Fonds
Benchmark (SPI)
Daten per Ende April 2016
anteil in %
dufry
Roche
clariant
Huber + Suhner
Swatch Group
3,3
3,3
3,2
3,2
3,2
69,1
1,25
4. april 2006
Schweiz
Bellevue asset Management
2324436
seit anf. Jahr
+2,31
–5,80
1 Jahr
2,75
–6,97
3 Jahre
+33,57
+15,38
Quelle: Fonds.fuw.ch
Die Konjunktur schwächelt. Sind zyklische
Aktien die richtige Wahl?
Die Frage ist: Was ist heute noch defensiv
und was zyklisch? Bietet ein Nebenwert
wie Implenia mit einem KGV von 11 zwar
im Wissen, dass der Bau zyklisch ist, der
Bedarf an Infrastruktur jedoch gross, nicht
mehr Schutz als die nicht billigen Gesundheitsaktien? Oder ist der Logistikwert
Kühne + Nagel, der unter die Industrieaktien fällt, nicht ein Dienstleister – ohne
teure Anlagen, bekannt für seine Kostenstringenz, dem Auf und Ab des Welthandels dank seiner Flexibilität trotzend und
dadurch defensiver als manch anderer Titel, der diesen Namen trägt? Die Grenzen
haben sich verwischt. Jedes Unternehmen, jede Aktie ist einzeln zu beurteilen.
Wie gehen Sie vor?
Zuerst geht es darum, wie Warren Buffett,
ein Unternehmen zu verstehen. Dann versuchen wir, die nächsten ein, zwei Jahre zu
modellieren: Wie entwickeln sich Umsatz,
Cashflow und Gewinn? Daraus resultiert
ein Kursziel. Ist das Aufwärtspotenzial höher als 20% und das Risiko gering, halten
wir einen Titel für attraktiv.
Wann wird verkauft? An Swatch Group
halten Sie beispielsweise trotz kräftigem
Kursrückgang fest.
Familienunternehmen denken weit voraus. Sie investieren nicht fürs nächste
oder übernächste Quartal, sondern langfristig. Manchmal gilt das alte Wort: Reculer pour mieux sauter. Um nochmals auf
Implenia zurückzukommen: Für den Baukonzern war 2014 und 2015 keine gute
Zeit, es waren Konsolidierungs- und Investitionsjahre. Swatch ist in einer ähnlichen Situation.
Sie würden kaufen?
Die Familie Hayek hat schon mehrfach
bewiesen, dass sie fürs Unternehmen und
für die Aktionäre Mehrwert schafft. Das
bleibt, Swatch ist innovativ und glänzt mit
einer hohen Eigenkapitalquote von 85%.
Man darf gespannt sein, was der neue Batteriensektor liefern wird. Auch die Smartwatch verspricht einiges, sie ist keine alleinige Erfindung von Apple. Das alles wiegt
mehr als die Chinaschwäche, die jetzt den
Kurs belastet.
Was glauben Sie, wohin geht allgemein
die Reise an der Börse?
Wir haben es mit einer schleppenden,
leicht aufwärts tendierenden Wirtschaft
zu tun. Es gibt wie keinen Zyklus mehr. Da
hilft nur eines: Unternehmen besuchen,
Stock Picking machen. Als Fondsmanagement haben wir das Glück, Menschen zu
treffen, die ihr eigenes Geld investieren,
die aktiv sind, Ziele haben und eine grosse
Verantwortung tragen. Regierungen und
Notenbanken machen einen zunehmend
verzweifelten Eindruck. Aber das Unternehmertum lebt. Es gibt so viele interessante Nischen und Gesellschaften mit
spannenden Geschichten. Das stimmt
mich optimistisch.
IntervIew: Hanspeter Frey