Helaba Volkswirtschaft/Research AUßER DER REIHE 3. Juni 2016 EZB schafft unnötige Verzerrung bei Corporate Bonds AUTOR Ulrich Kirschner, CFA Telefon: 0 69/91 32-28 39 [email protected] REDAKTION Stefan Rausch HERAUSGEBER Dr. Gertrud R. Traud Chefvolkswirt/ Leitung Research Helaba Landesbank Hessen-Thüringen MAIN TOWER Neue Mainzer Str. 52-58 60311 Frankfurt am Main Telefon: 0 69/91 32-20 24 Telefax: 0 69/91 32-22 44 Am 8. Juni wird die EZB mit ihrem Corporate Sector Purchase Programme (CSPP), dem Ankauf von Unternehmensanleihen, beginnen. Sie legt also mit einer weiteren Form der quantitativen Lockerung nach, für die es bis dato kaum Erfahrungswerte gibt. Auf die Ankündigung Mitte März reagierte der Sekundärmarkt zunächst mit einem massiven Spreadrückgang. Im Primärmarkt haben sich zudem die Emissionsvolumina kräftig erhöht. Zuletzt machten sich gleichwohl Ermüdungserscheinungen bemerkbar. Manch ein Marktteilnehmer dürfte zwar hoffen, dass der tatsächliche Start der Ankäufe zu dauerhaft niedrigeren Risikoprämien führt. Dass sich die Spreads allerdings allein aufgrund des EZB-Ankaufsprogramms nachhaltig weiter einengen, ist angesichts der vielen Unbekannten keine ausgemachte Sache. Auch die Erfahrungen mit dem bereits vor eineinhalb Jahren gestarteten Covered Bond Purchase Programm zeigen, dass es bei den Spreads nicht nur eine Richtung gibt. Mittelfristig sollten bei Corporate Bonds fundamentale und unternehmensspezifische Faktoren wieder stärker in den Fokus der Anleger rücken. Ankündigung beflügelt Sekundär- und Primärmarkt Die Ankündigung der EZB, ab Juni auch EUR-Corporate Bonds aufzukaufen, führte Mitte März zu einem abrupten Rückgang der Risikoprämien bei Unternehmensanleihen. Binnen zwei Tagen sanken die Credit Spreads der im iBoxx EUR Non-Financials zusammengefassten Anleihen um 10 %. Auf Einzeltitelebene fielen die Bewegungen teils noch drastischer aus. So konnten einige Bonds mit schlechteren Bonitäten überproportional zulegen. Im Auto-Sektor klappten die Risikoaufschläge teilweise um fast 50 % zusammen. In der Summe liegen die Spreads der Anleihen in allen Sektoren heute deutlich unter ihren Ständen zum Zeitpunkt vor der Ankündigung. Die Prämien am deutlich liquideren CDS-Markt reagierten dagegen wesentlich moderater auf die Bekanntgabe der geplanten Maßnahmen. So rangieren die Kreditversicherungsprämien der im iTraxx Europe zusammengefassten Emittenten aus dem Non Financials-Segment mittlerweile knapp 20 Basispunkte über den korrespondierenden Anleihe-Spreads, nachdem sie Anfang des Jahres noch etwa gleichauf lagen. Dies ist unseres Erachtens ein starkes Indiz dafür, dass viele Investoren wegen des Eingreifens der Zentralbank ein weiteres Austrocknen des ohnehin bereits recht illiquide gewordenen Kassa-Bondmarktes erwarten. Die Publikation ist mit größter Sorgfalt bearbeitet worden. Sie enthält jedoch lediglich unverbindliche Analysen und Prognosen zu den gegenwärtigen und zukünftigen Marktverhältnissen. Die Angaben beruhen auf Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität wir aber keine Gewähr übernehmen können. Sämtliche in dieser Publikation getroffenen Angaben dienen der Information. Sie dürfen nicht als Angebot oder Empfehlung für Anlageentscheidungen verstanden werden. Investoren befürchten Verschärfung der Liquiditätsengpässe im Kassa-Markt Durchschnittlicher Asset Swap Spread (ASW) bzw. CDS-Spread in Bp. 120 CSPP-Ankündigung 100 120 100 Cash Bonds iTraxx Universe* 80 80 60 60 Non-Financials iTraxx 40 40 20 20 0 06.15 08.15 10.15 12.15 02.16 04.16 0 06.16 *Emittentenbasis: 76 im iTraxx Europe enthaltene Unternehmen Quellen: Bloomberg, Helaba Volkswirtschaft/Research H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 3 . J U N I 2 0 1 6 · © H E L A B A 1 AUßER DER REIHE Am Primärmarkt hat die angekündigte Erweiterung der geldpolitischen Maßnahmen zu einem wahren Emissionsfeuerwerk geführt. Sah es zu Jahresanfang noch so aus, als blieben die Volumina substanziell unter den Vorjahresergebnissen, kehrte im März neuer Schwung ein. Im Mai markierten die Corporates-Platzierungen mit knapp 44 Mrd. EUR schließlich einen Rekord, der auch den Vergleichswert im bisherigen Ausnahmejahr 2009 in den Schatten stellt. Primärmarkt erreicht Rekordniveau Spreadrally kommt im Mai ins Stocken Emissionsvolumen EUR-Unternehmensanleihen, in Mrd. EUR 50 . 50 40 40 Iboxx Non-Financials ASW in Bp. bzw. Rendite in % 180 2,0 160 Rendite (re. Achse) 1,6 140 30 30 20 20 10 10 0 0 120 1,2 100 80 Jan Febr Mär Apr Mai Jun 2013 2014 Jul Aug Sept Okt Nov Dez 2015 2016 Quellen: Bloomberg, Helaba Volkswirtschaft/Research 0,8 Asset Swap Spread 60 40 0,4 20 0 05.14 0,0 08.14 11.14 02.15 05.15 08.15 11.15 02.16 05.16 Quellen: Datastream, Helaba Volkswirtschaft/Research Investoren zuletzt eher zurückhaltend Im Sekundärmarkt machten sich in den letzten Wochen gleichwohl erste Ermüdungserscheinungen bemerkbar. So liegen die Asset Swap Spreads des iBoxx Non-Financials inzwischen wieder rund 10 Bp. über ihrem Tiefstand von Ende April. Darin ist u. E. weniger eine nachhaltige Trendwende zu sehen. Die Investoren dürften vielmehr nach der anfänglichen Euphorie erst einmal eine abwartende Haltung eingenommen haben. Entsprechend sind die Handelsaktivitäten am Kassamarkt zu weiten Teilen zum Erliegen gekommen. Schließlich war bisher nicht völlig klar, wie die Zentralbank am Markt auftreten wird. Zunächst war nur bekannt, dass das Ankaufsprogramm EUR-Titel mit einer Laufzeit von 6 Monaten bis 30 Jahren von Nicht-Banken mit Sitz in der Eurozone umfasst, die ein Investmentgrade-Rating besitzen. Die EZB kann zudem bis zu 70 % einer Einzelemission erwerben. Die Ankäufe können prinzipiell sowohl auf dem Primär- als auch auf dem Sekundärmarkt stattfinden. Im Anschluss an ihre Pressekonferenz am 02. Juni hat die Zentralbank inzwischen noch einige weitere Details zu der geplanten Maßnahme veröffentlicht. Die Ankäufe werden demnach am 08. Juni starten und in ihrem Umfang vorab nicht bekannt gegeben. Das Programm wird zudem auch kleine Platzierungen ohne Untergrenze beim Emissionsvolumen umfassen. Die Bonds müssen zwar eine Rendite über dem Einlagenzins der Zentralbank aufweisen, diese kann aber auch negativ sein. Sollte eine Anleihe nach dem Ankauf durch eine Herabstufung des Emittentenratings in den Non-Investmentgrade-Bereich nicht mehr den Auswahlkriterien des Programms entsprechen, kann sich die EZB dennoch für einen Verbleib des Titels in ihren Büchern entscheiden. Insgesamt bleiben die Auswahlkriterien des CSPP damit deutlich weiter gefasst als einige Analysten erwartet hatten. Langfristige Wirkung der Ankäufe eher begrenzt Ankäufe am Primärmarkt unterstützen kurzfristig Rückgang der Spread Unseres Erachtens wird die EZB bevorzugt am Primärmarkt zugreifen, da sich größere Sekundärmarktkäufe bei der inzwischen sehr eingeschränkten Liquidität wohl sehr schwierig gestalten. Die zusätzliche Nachfrage nach neuen Anleihen dürfte die Emittenten zu recht ambitionierten Preisvorstellungen verleiten. Aller Voraussicht nach wird dies dann auch das Bewertungsniveau am Sekundärmarkt beeinflussen und könnte zunächst zu einem weiteren Rückgang der Risikoprämien beitragen. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 3 . J U N I 2 0 1 6 · © H E L A B A 2 AUßER DER REIHE Gleichwohl gibt es einige Gründe, warum sich die Spreads mittelfristig nur noch moderat einengen dürften. Zwar sind die Risikoprämien noch ein Stück von ihren Tiefständen im Jahr 2015 entfernt. Bei einer erneuten Verteuerung des Segmentes dürften die Anleger ihre Suche nach Anlagealternativen aber intensivieren. Bereits in den vergangenen Wochen war zu beobachten, dass sich die Spreads auch in nicht vom CSPP erfassten Bereichen, wie etwa bei Finanzwerten oder Adressen aus dem Non-Investmentgrade-Bereich, eingeengt haben. Auch Anlagen in anderen Währungsräumen könnten in diesem Fall an Attraktivität gewinnen. Ebenso dürfte einige Investoren die Sorge umtreiben, dass die weiter sinkende Liquidität zu einer erheblichen Störung der Preisbildung und steigenden Bewertungsrisiken bei Unternehmensanleihen führt. Es erscheint uns plausibel, dass diese Anleger ihr Engagement in diesem Marktsegment weiter reduzieren und damit für eine kursdämpfende Verschiebung der Nachfragestruktur sorgen könnten. Pfandbriefe wieder auf Ausgangsniveau Fundamentaldaten stützen Peripherieländer ASW in Bp. . 50 40 30 50 Ankündigung und Bekanntgabe der Details zum CB Ankaufsprogramm 40 30 Beginn der Ankäufe 20 IBoxx € Covered Frankreich 0 0 -20 30.05.2014 Deutschland 30.11.2014 31.05.2015 30.11.2015 -10 -20 31.05.2016 Quellen: Datastream, Helaba Volkswirtschaft/Research 120 Ankündigung und Bekanntgabe der Details zum CB Ankaufsprogramm 100 100 Portugal Beginn der Ankäufe 80 80 60 10 -10 120 20 10 Niederlande ASW in Bp. 60 Ireland Spanien - Single Cedulas 40 40 Italien 20 20 IBoxx € Covered 0 31.05.2014 30.11.2014 31.05.2015 30.11.2015 0 31.05.2016 Quellen: Datastream, Helaba Volkswirtschaft/Research Fundamentaldaten dürften wieder in den Vordergrund treten Für eine nur begrenzte Dauer der Preiseffekte des CSPP sprechen auch die bisherigen Erfahrungen mit dem Covered Bond-Ankaufsprogramm der EZB: Die Bekanntgabe der Ankaufsabsicht (September 2014) sowie der Details (Oktober 2014) führten jeweils innerhalb kurzer Zeit zu einem merklichen Spreadrückgang. Die Risikoprämien des iBoxx € Covered halbierten sich bis Mitte Oktober auf unter 15 Bp. Nach Start der Ankäufe sanken die Asset Swap Spreads des europäischen Benchmarkindex zeitweise sogar auf knapp 5 Bp. Eineinhalb Jahre nach den ersten Ankäufen ist dieser Rückgang aber praktisch nicht mehr zu sehen. Allenfalls bei einzelnen Emittenten aus den Euro-Peripherieländern ist noch ein positiver Effekt wahrnehmbar. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich das fundamentale Umfeld in diesen Regionen in diesem Zeitraum wesentlich verbessert hat. Bei den Pfandbriefen hat sich das Rendite-Risiko-Profil dagegen wieder normalisiert: Hier liegen die Spreads gegenwärtig auf dem Niveau vom Spätsommer 2014. Fundamentale Faktoren rücken mittelfristig wieder stärker in den Fokus Wir halten es daher für wahrscheinlich, dass die Investoren die möglichen langfristigen Auswirkungen des CSPP mit der kräftigen Spreadbewegung Mitte März bereits zu einem erheblichen Teil eingepreist haben. Kurzfristig könnten die Ankäufe zwar in der Tat zu einer Übertreibung der Risikoprämien nach unten beitragen. Mittelfristig sollten jedoch auch hier fundamentale und unternehmensspezifische Faktoren wieder stärker in den Fokus der Anleger rücken. Unterstützt durch eine fortgesetzte Verbesserung der Konjunkturperspektiven besteht zwar noch Potenzial für eine weitere Spreadeinengung. Allerdings steigt aufgrund der anhaltend günstigen Refinanzierungsbedingungen die Gefahr weiterer größerer fremdfinanzierter M&A-Transaktionen, die die Finanzprofile der Unternehmen verschlechtern könnten. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 3 . J U N I 2 0 1 6 · © H E L A B A 3
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