Marktneutrale Long/Short Strategien – Ersatz oder Ergänzung von Multi-Asset-Fonds? Europäische Investoren stehen zunehmend vor dem Dilemma historisch niedriger Renditen und volatiler Aktienmärkte. Durch die unkonventionellen Maßnahmen der Notenbanken in den vergangenen Jahren sind die Zinsen in weiten Bereichen der Anlageklassen stark gefallen und teilweise negativ. Der Trend der letzten Jahre weg von klassischen BalancedMandaten hin zu Multi-Asset-Ansätzen war sinnvoll und sorgte für den nötigen "Pick Up". Angesichts instabiler Korrelationen der Multi-Asset-Ansätze seit der Finanzkrise (die Korrelationen zwischen allen Anlageklassen außer Bundesanleihen stiegen deutlich an!) und aktuell zu niedriger Zinsen bei Renten können damit die Renditeverpflichtungen institutioneller Anleger zukünftig nicht mehr erfüllt werden. Auch der ausgleichende Effekt der Rentenanlagen bei fallenden Aktienmärkten dürfte der Vergangenheit angehören. So ist es nicht verwunderlich, dass alternative, dauerhaft unkorrelierte Investments, wie etwa marktneutrale Long-Short-Investmentanlagen stärker nachgefragt werden. Niedrige Volatilität, niedrige Korrelation Long-Short-Aktienkonzepte bieten im Vergleich zu den üblichen Anlageformen diverse Vorteile und sind eine Alternative zu Multi-Asset-Portfolien. Die Volatilität liegt im einstelligen Bereich, während die Korrelation zu Aktien und Renten auch in Krisenzeiten stabil auf niedrigem Niveau verharrt. Insbesondere marktneutrale Konzepte, bei denen die Nettoaktienquote nicht variiert wird und dauerhaft sehr niedrig ist, verfügen über einen deutlich geringeren Maximum Drawdown. Eine klassische Markowitz-Optimierung kommt aufgrund des einzigartigen Rendite-Risiko-Profils zu dem Ergebnis, dass eine derartige Strategie mit besonderem Fokus auf Nebenwerte in einem 70/30-Balanced-Mandat zu 23 Prozent beigemischt werden sollte, um zum Minimum-Varianz-Portfolio zu gelangen. Gleichwohl ist eine genaue Analyse des Long/Short Aktien-Ansatzes von entscheidender Bedeutung. Zu unterscheiden ist zwischen tradingorientierten Ansätzen, bewertungsorientierten Ansätzen oder Ansätzen, bei denen eine Portfoliooptimierung durch ein Risikomodell vorangestellt wird. Bei vielen Long-Short-Ansätzen tritt ein stringent wertorientierter Investmentansatz, sprich ein Fokus auf stark unter- und überbewertete Wertpapiere, in den Hintergrund. So agieren viele Manager tradingorientiert oder selektieren Wertpapiere ausschließlich auf Basis von Volatilitäten und Risikobudgets. Vorteil: Limited Drawdown. Nachteil: Geringe Renditeerwartungen, die viele Long/Short-Investoren in der Vergangenheit bemängelt haben. Insbesondere Overlay-Entscheidungen (Variation der Aktienquote und / oder der Sektorgewichte) führen zu enormen Klumpenrisiken. Die Wertentwicklung wird dann von nur wenigen Einzelentscheidungen bestimmt. Ein sowohl auf Long- als auch auf Short-Seite diversifiziertes Portfolio aus Einzeltiteln vermeidet diese Risiken. Eine gewissenhafte Analyse der Unternehmen im Hinblick auf Bilanzsolidität und Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells ist eine weitere Komponente des Risikomanagements. Die Überrenditen eines derartigen wertorientierten, fundamentalen Investmentansatzes sind deutlich und mehrfach nachgewiesen. So belegt eine Studie des französischen Kreditinstituts Sociéte Générale, dass eine Long-Short-Aktienstrategie auf der Basis eines Bewertungsansatzes im Segment der Nebenwerte seit 1990 eine Rendite von 17% p.a. erzielt hat. Deutlich besser, als eine Value-Strategie im Segment der Large Caps oder auf Basis des Gesamtmarktes umzusetzen. Hintergrund sind die nach wie vor bestehenden Informationsineffizienzen im Segment der Nebenwerte. Professor Roger G. Ibbotson von der Yale School of Management liefert den Nachweis: In einem Zeitraum von 1926 bis heute erzielten Nebenwerte jährlich einen Mehrwert von ca. 2,5 % gegenüber Blue Chips. Dies ist plausibel: Neben dem Aspekt der Informationsineffizienz wachsen Nebenwerte schneller und liefern durch ihre Nischenposition deutlich höhere Kapitalrenditen. Marc Siebel Ist Portfoliomanager und Gründer von Peacock Capital. Seine berufliche Karriere begann er im Jahr 2000 im institutionellen Asset Management bei der WestLB AG. Seine langjährige Spezialisierung auf europäische Nebenwerte baute er bei Lampe Asset Management aus, bevor er im Jahr 2012 Peacock Capital gründete.
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