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Süddeutsche Zeitung
WIRTSCHAFT
Montag, 10. Oktober 2016
Serie
Bayern, Deutschland, München Seite 23
Lukrative Nebenwerte Warum sie oft besser abschneiden als die Dax-Konzerne
Im Schatten der Großen
Aktien kleiner und mittlerer Unternehmen tauchen selten in den Schlagzeilen auf. Viele Anleger kennen sie gar nicht.
Dabei bieten Firmen aus der zweiten oder dritten Reihe gute Anlagemöglichkeiten – wenn man die Risiken kennt
von nils wischmeyer
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München – Wer wissen will, wie es der
deutschen Wirtschaft geht, der schaut auf
die großen deutschen Konzerne: BASF,
Deutsche Bank oder Volkswagen. An der
Börse spricht man von sogenannten Large
Caps. Der Begriff „Cap“ als Kurzform für
„Capitalization“ steht für Kapitalisierung.
Mit dieser Größe wird der Wert einer Firma an der Börse beschrieben. Firmen, die
mehr als zehn Milliarden Euro wert sind,
gelten als Large Caps. Die 30 größten deutschen Large Caps sind im Dax gelistet.
Was sind Vorteile von Nebenwerten?
Der größte Vorteil dieser Unternehmen sei
die bessere Rendite im Vergleich zu den
großen Konzernen, erklärt Maik Hoffmann, Manager bei der FPM Frankfurt Performance Management AG. Der Dax sei in
den vergangenen drei Jahren um 21 Prozent gewachsen. Der S-Dax hingegen, der
50 deutsche Small Caps abbildet, konnte in
der gleichen Zeit etwa um 45 Prozent zulegen.
Ein ähnliches Bild ergibt sich, betrachtet man die Märkte in Europa oder den
USA. Dass die kleinen Unternehmen besser abschneiden als die großen, mag im ersten Moment verwundern, ist in Fachkreisen aber weitläufig bekannt. Das Phänomen wird hier als „Size-Effect“ (Größeneffekt) beschrieben. Gründe für den Effekt
gibt es gleich mehrere.
Der wohl wichtigste: Kleine Unternehmen sind meist unabhängiger vom globalen Wirtschaftsgeschehen. Geht es in Indien oder Brasilien bergab, scheidet Großbritannien aus der EU aus oder stottert der
Wirtschaftsmotor China mal wieder, sind
viele Small und Mid Caps davon nicht oder
ILLUSTRATION: LISA BUCHER
Was aber abseits dieser Liste passiert,
bleibt vielen Anlegern oft verborgen. Dabei gibt es gerade in der zweiten und dritten Reihe durchaus interessante Unternehmen. Im Fachjargon werden sie – je nach
Größe – Small oder Mid Caps genannt. Als
Mid Cap zählen Unternehmen mit einem
Börsenwert zwischen zwei und zehn Milliarden Euro. Von einem Small Cap spricht
man bei einem Wert von bis zu zwei Milliarden Euro. Zusammengefasst heißen die
beiden Anlageklassen Nebenwerte.
nur geringfügig betroffen. „Das liegt daran, dass sie nicht immer so international
aufgestellt sind“, sagt Fondsmanager Hoffmann. Denn die Unternehmen sind oft nur
in einer Nische tätig oder haben sich auf einen Geschäftsbereich fokussiert. Für Thomas Angermann, Portfoliomanager bei
der Schweizer Großbank UBS, ist das ein
wichtiger Vorteil gegenüber den großen
Konzernen: „Die Firmen sind agiler und
können sich besser neuen Entwicklungen
anpassen.“ Neue Märkte seien für sie leichter zu erobern als für große Konzerne. Dadurch entstehe ein weiterer Vorteil: Nebenwerte werden schneller zu Übernahmekandidaten. Wird ein Unternehmen gekauft,
können Anleger mit einer Prämie von bis
zu 25 Prozent auf den letzten Aktienkurs
rechnen. Ein durchaus lohnendes Geschäft, wie Angermann von UBS sagt.
Was sind Nachteile von Nebenwerten?
Dass die Unternehmen so hohe Renditen
abwerfen, liegt auch daran, dass sie ein
höheres Risiko mitbringen. So haben kleinere Unternehmen oftmals eine geringere
Liquidität, was bedeutet, dass nicht so
viele Aktien dieser Unternehmen auf dem
Markt sind. Für Anleger ist es deshalb
schwierig, Anteile zu kaufen. In Krisenzeiten verhält es sich genau spiegelverkehrt:
Dann wird es schwierig, die Aktien loszuwerden, weil sich kein Käufer findet. Der
Experten raten davon ab,
ohne Beratung in
den Markt einzusteigen
Grund: So schnell Nebenwerte in guten
Zeiten wachsen, so schnell brechen sie in
schlechten Zeiten auch wieder ein. Man
spricht dann von einer erhöhten Volatilität, was nichts anderes bedeutet, als dass
ihr Aktienkurs stark schwankt. Anleger
schrecke das oft ab, erklärt Fondsmanager Hoffmann. Sie flüchteten während
der Krise in sichere Anlagemöglichkeiten,
wie etwa Gold oder Bundesanleihen. In
der Folge verlören die Nebenwert-Aktien
weiter an Wert. Ein weiteres Risiko stellt
die oft schwierige Finanzierung der kleine-
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ren Unternehmen dar. Während große Konzerne ihre Anleihen auf dem freien Markt
platzieren können, sind kleinere Unternehmen im Normalfall stärker auf Bankkredite angewiesen. Gewährt diese keine neue
Kreditlinie, kann das im Extremfall existenzgefährdend sein, oder die geplante Expansion stoppen und weiteres Wachstum
der Firma hemmen. So zumindest die Theorie. In der Praxis hätten sich die Finanzierungschancen in den vergangenen Jahren
verbessert, meint Angermann von der
UBS. Gerade mittelgroße Unternehmen kämen heutzutage leichter an neues Geld als
noch vor einigen Jahren.
Wie kann ich in Nebenwerte investieren,
und worauf muss ich achten?
Generell raten Experten den Laien bei Nebenwerten davon ab, selbständig und ohne
Beratung in den Markt einzusteigen. Zu
schwierig sei es, an Informationen der kleineren Unternehmen zu kommen. „Oft werden diese Unternehmen nur von wenigen
oder sogar gar keinem Analysten regelmäßig betrachtet“, sagt Hoffmann. Das bringe
zwar den Vorteil, dass man unbekannte
„Schätze“ finden könne, doch müsse man
genau hinschauen, wenn man Aktien dieser Unternehmen kaufe. Die Bilanzen kennen, das Produkt verstehen und im besten
Fall eine gute Verbindung ins Management haben: Das sei wichtig bei Investitionen in Nebenwerte, betont auch Angermann von der UBS. Er empfiehlt deshalb
ein aktiv verwaltetes Portfolio, bei dem ein
Fondsmanager eine Mischung an Aktien
auswählt und diese dann langfristig im
Blick behalten kann.
Wer auf Nebenwerte setze, solle diese zudem nur als Beimischung für das eigene
Portfolio einsetzen. Ausschließlich in
Small und Mid Caps zu investieren, sei zu
riskant, erklärt UBS-Experte Angermann.
Er empfiehlt einen Anteil von 20 bis 25 Prozent. Hoffmann von FPM hält bis zu 30 Prozent im Portfolio für vernünftig. Grundsätzlich gelte, dass man sein Geld in verschiedene Unternehmen, Branchen und
Länder investieren solle. Ausschließlich
auf ein Unternehmen zu setzen, halten die
Experten für zu riskant.
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