SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Feature Fußballfans am rechten Flügel Von Hooligans und neuen Schlachtfeldern Von Manuel Gerber Sendung: Mittwoch, 18. Mai 2016 Redaktion: Wolfram Wessels Regie: Tobias Krebs Produktion: SWR 2016 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Feature können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/feature.xml Mitschnitte aller Sendungen der Redaktion SWR2 Feature sind auf CD erhältlich beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden zum Preis von 12,50 Euro. Bestellungen über Telefon: 07221/929-26030 Bestellungen per E-Mail: [email protected] Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? 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Anfang 30, groß gewachsen, fast kahl geschoren. Kein Emblem auf der Lederjacke. Schlägt er sich? Und warum? O-Ton Hooligan: Der Nervenkitzel. Wird was passieren? Wird nichts passieren? Schreitet die Polizei ein? Ist die gegnerische Gruppe größer? Gewaltbereiter? Sprecher: Der Mann redet von der sogenannten Dritten Halbzeit, wenn sich Hooligans nach dem Spiel mit dem Gegner treffen, vor dem Stadion oder ganz woanders. „Erlebnisorientiertes Fanverhalten“ ist der harmlos klingende soziologische Fachbegriff. O-Ton Hooligan: Ja, würden Sie so bezeichnen. Für uns ist das halt Sport. Wir treffen uns, und einer organisiert das, über Facebook, über What`s App, und dann treffen wir uns mit ner Gruppe aus ner anderen Stadt und schlagen uns. Sprecher: Vor einiger Zeit ist er umgezogen, aus beruflichen Gründen. Er arbeitet als Disponent in einem Logistikunternehmen. Den Kontakt zu seinen Kumpanen und seinem Heimatverein hat er weitestgehend verloren. Andernfalls würde er sich niemals öffentlich äußern. Man würde ihm an den Kragen gehen. Zu Eintracht Frankfurt findet er keine Bindung. O-Ton Hooligan: Jeder Verein hat ja ne gewaltbereite Gruppe, oder Leute, die sich schlagen wollen, die Stress suchen am Wochenende. Für uns ist datt en Sport. Dann verabredet man 20 gegen 20 oder 30 gegen 30, man trifft sich irgendwo, muss nicht immer vor dem Stadion sein, vielleicht auch im Park oder, man kann sich schon organisieren. Ist ja kein Problem heutzutage. Sprecher: Hat er keine Angst? 1 O-Ton Hooligan: Doch, das ist ja gerade der Kick sozusagen. Man weiß nie vorher, was passiert, daher ist auch oft Alkohol im Spiel, trinkt man sich en bisschen Mut an, und ja darum geht`s ja. Welche Gruppe zieht zurück, welche Gruppe hat Angst, man muss ja ein bisschen datt Revier verteidigen, seine Stadt, seinen Verein. Sprecher: Auf die Frage, ob er ausländerfeindlich sei, dreht er wortlos ab, zieht die Kapuze hoch und verschwindet zwischen Bäumen zur nahen S-Bahn-Station. Atmo 2: Fanchöre Bundesligaspiel Ansagerin: Fußballfans am rechten Flügel.: Von Hooligans und neuen Schlachtfeldern. Ein Feature von Manuel Gerber. O-Ton Rolf-Arnd Marewski: Ich hab sie wahrgenommen als junge Menschen, die so nem rechten Leithammel hinterher liefen. Dem Siggi Borchardt. // Die aber sonst in ihrem Auftreten, ihrem Habitus gar nicht radikal erschienen. Das waren ganz normale junge Leute. Sprecher: Rolf-Arnd Marewski aus seiner Anfangszeit im Fanprojekt von Borussia Dortmund Ende der 1980er Jahre. O-Ton Rolf-Arnd Marewski: Als ich die damals ansprach auf rechte Gesinnung und auch auf Siggi Borchard und ihrer politischen Einstellung, da hat mir einer gesagt, hör mal: „Der Siggi, der labert uns doch eigentlich zu viel. Wir wollen doch nur boxen.“ // Das waren erlebnisorientierte Leute, die, weiß ich nicht, aus verschiedenen Gründen sich dann samstags getroffen haben und dann ne Gruppe gebildet haben und dann irgendwelche Schlägereien verabredet haben. Sprecher: Siggi Borchard, bekannt auch unter dem Namen SS-Siggi, gründete Anfang der 1980er Jahre die „Borussenfront“. Gleichzeitig war er in der später verbotenen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ aktiv. Die „Borussenfront“ positionierte sich gegen Ausländer und diente als Saalschutz bei NPD-Veranstaltungen. Lange Zeit versäumte es der Verein Borussia Dortmund, gegen die „Borussenfront“ vorzugehen. Mittlerweile besteht Stadionverbot gegen führende Mitglieder, die auf Spiele der unteren Ligen ausgewichen sind. Doch noch immer versuchen sie, ihren Nachwuchs im Stadion zu platzieren. 2014 errang Siggi Borchardt für die Partei „Die Rechte“ einen Sitz im Stadtrat von Dortmund. Nach zwei Monaten gab er ihn an einen Parteikollegen ab. Atmo 3: Im Nahverkehrszug 2 Sprecher: Rolf-Arnd Marewski gelang es damals, als Sozialarbeiter das Vertrauen der Hooligans zu gewinnen. Er fuhr mit dem Zug zu einem Auswärtsspiel nach Mannheim mit. O-Ton Rolf-Arnd Marewski: Und als wir dann in Essen waren, und Duisburg, kam dann der Zugführer auf mich zu // und sagte: „Wer hat hier dat Sagen? Es sind Beschwerden laut geworden.“ Da hatten die Jungs im Vorfeld den Wagen also relativ gewaltsam besetzt. Die hatten die ganzen Reisenden in andere Waggons geschickt unter Androhung von Gewalt. Atmo 4: grölende Fußballfans am Bahnhof Sprecher: Tätlichkeiten in Zügen sind keine Ausnahme. Bis heute. Fast an jedem Wochenende kommt es zu Gewalt der Fans untereinander oder gegen Unbeteiligte. Unlängst kündigte die Deutsche Bahn an, einschlägig bekannten Hooligans per Post Zugverbote für Anfahrten zu Fußballspielen zukommen zu lassen. Ein Zeichen von Hilflosigkeit. Wer soll das kontrollieren? Die Schaffner? Marewski schaffte es damals, zu deeskalieren und einige der Hooligans vor Festnahmen zu bewahren. Fortan war er akzeptiert, besorgte Jobs und half bei Behördengängen. Am Wochenende tobten sich die Jungs aus, gegen Hardcorefans gegnerischer Vereine. Atmo 5: Massenschlägerei auf der Straße O-Ton Rolf-Arnd Marewski: Rund ums Stadion, also es gab ja verschiedene Orte, besonders hier in Dortmund, // die haben sich wirklich manchmal auf Wiesen verabredet, manchmal allerdings auch in Dortmund auf der Münsterstraße, // aber die Polizei wusste immer, wo sie waren, und große Überraschungen gab`s da nicht, ne. Sprecher: Noch immer verleiten Vorfälle wie diese Sicherheitsorgane, Vereinsführungen und die Öffentlichkeit zu der Auffassung, Hooligans seien am Fußball nicht interessiert. Atmo 2: Fanchöre Bundesligaspiel O-Ton Rolf-Arnd Marewski: Also das war en Riesen-Missverständnis auch in den Medien //, dass immer wieder gesagt wurde, Hooligans haben mit Fußball nix zu tun, die wollen nur kloppen. Das ist völliger Blödsinn. // Schon 1992, als Dortmund beinahe mal Meister wurde, als der Buchwald irgendwann mal in der vorletzten Minute des Spiels für Stuttgart das Siegtor köpfte und Stuttgart Meister wurde, // da fielen mir fünf vermeintlich harte Hooligans weinend um die Schulter, ne. Und nahmen mich heulend in den Arm. Also wenn mir da einer erzählen möchte, die hätten nix mit Fußball zu tun, dann kann ich das nicht so recht nachvollziehen. 3 Sprecher: Dann aber folgt oft die „Dritte Halbzeit“. So heißen im Hooliganterminus die Auseinandersetzungen nach den Spielen. O-Ton Rolf-Arnd Marewski: „Hört mal zu, hier sind wir auch, nehmt uns ernst, wenn ihr uns schon nicht lieben könnt, dann fürchtet uns wenigstens.“ Und die haben das sichtlich genossen, diesen Mythos des Schlägers // zu erfüllen oder in sich zu tragen. // „Wir wollen uns doch eigentlich nur beweisen, wir wollen doch unsere Stadt gut vertreten und wir wollen doch eigentlich nur zeigen, dass wir die Besten sind, ne, und dass wir besser als andere sind.“ Atmo 6: Laufen, Schreie Sprecher: Doch die Aggressionen richten sich nicht nur gegen Fans anderer Vereine. In und außerhalb der Stadien kämpfen Ultras und Hooligans um ihre Vormachtstellung. Das sind auch politische Auseinandersetzungen. Ultras sorgen für die Choreographie in den Stadionkurven, mit Sprechchören, Fanbannern, großflächigen Vereinsfahnen. Ultras sind oft linke Fans, aber es gibt auch rechtsoffene Gruppen wie die „Boyz“ des 1. FC Köln. Auch Ultras lassen sich immer wieder zu Gewalt hinreißen. Und dann und wann treffen sie auf Hooligans des eigenen Vereins. Atmo 7: Massenschlägerei auf der Straße O-Ton Ludwig Ewertz, Reporter Radio Bremen: Mit großem Lärm kam eine große Gruppe schwarzer Vermummter, teilweise mit Strumpfmasken und schwarzen Schals vorm Gesicht, // wirklich im Laufschritt. Sie wurden verfolgt von Polizeibeamten, und es war mit Sicherheit eine Verabredung, das Verdener Eck zu stürmen. Sprecher: Ludwig Ewertz, Sportreporter von Radio Bremen. Es ist der letzte Spieltag der Saison 2014/15. Ewertz wohnt in der Nähe der Gaststätte Verdener Eck. Er sieht, wie Ultras von Werder Bremen direkt nach dem Spiel heraneilen. O-Ton Ludwig Ewertz, Reporter Radio Bremen: Die Hooligans haben sich blitzschnell ins Verdener Eck zurückgezogen, die Türen zugemacht, und dann flogen alle möglichen Gegenstände Richtung Kneipe, die Tische und Bänke flogen durch die Luft, wurden teilweise auch demoliert, Flaschen flogen, ich hab auch zwei blutüberströmte Hooligans gesehen, also das war ein richtiger Überfall auf diese Kneipe. Atmo 6: Laufen, Schreie O-Ton Fan von Werder Bremen: Dieses Verdener Eck ist eine bekannte Kneipe, wo sich rechte Nazis treffen vor dem Spiel. Und es hat auch bei den Nazifans, bei den Hooligans, ich nenne sie aber Nazifans, weil es einfach auch Nazifans sind, hat es sogar Mutproben gegeben, wie 4 Überfälle auf den Ostkurvensaal, auf das Fanprojekt, wo Fußball geguckt wird. Und da sind dann Menschen krankenhausreif geschlagen worden. Sprecher: Ein Fan, der ebenfalls Anwohner ist. Die Gaststätte ist gleich in der Nähe des Weserstadions. Zu Heimspielen treffen sich Hooligans von Werder Bremen dort. Die meisten von ihnen haben seit einiger Zeit Stadionverbot. Unter ihnen ist auch Hannes Ostendorf, Sänger der rechten Musikgruppe „Categorie C“. Die Band war eng mit dem im Jahr 2000 verbotenen Neonazi-Netzwerk „Blood & Honours“ verbunden, das damals Verbindungen zum Nationalsozialistischen Untergrund NSU hatte. Ostendorf wurde vor 25 Jahren wegen eines Brandanschlags auf eine Flüchtlingsunterkunft zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Als vor dem Spiel einige Ultras an der Kneipe vorbeiziehen, attackieren die Hooligans sie. Die späteren Kämpfe waren mithin ein Rückspiel, wie die Polizei es nennt. O-Ton Fan von Werder Bremen: Die Polizei hat leider einen Fehler gemacht, // sie hat die Ultras ausgerechnet die Straße runtergetrieben, // genau vor die Kneipe, und das war natürlich schlecht, und vor der Kneipe ist es dann eskaliert, // aber es geht natürlich zu weit, mit Blumenkübeln auf am Boden liegende Menschen, denn in erster Linie sind auch Nazis Menschen, wenn auch Verirrte und vom Verhalten her nicht zu Akzeptierende, // da kann man nicht mit Blumenkübeln draufrumschmeißen. Sprecher: Auch Hannes Ostendorf gehört zu den Verletzten. Über Facebook schwört man Rache. Die Hooligans von Werder Bremen fühlen sich ohnehin im Hintertreffen. O-Ton Fan von Werder Bremen: Der Frust der Nazis ist groß, dass ihr Einfluss im Stadion gleich null ist. Und die // versuchen sich immer, wenn es Vorfälle politischer Art gegeben hat, // Anschläge oder rechte Übergriffe, dann versuchen die Nazis sich sozusagen Stadionhoheit zurückzuholen, und das auf brutale Art und Weise, aber es gelingt nicht. Atmo 8: Aachener Hooligans mit Hasstiraden gegen Ultras Sprecher: Doch oft gelingt es eben doch. Dann dominieren rechte Hooligans und vertreiben linke Ultras aus den Fußballstadien. Vor allem auch, weil der jeweilige Verein es versäumt sich zu positionieren. O-Ton Pavel Brunßen: In Aachen war die Entwicklung eine völlig andere, auch eine etablierte rechte Hooligan-Kultur, eine etablierte rechtsoffene Fankultur, die dort mit den AachenUltras eine Gruppe gefunden hat, die ihr widersprochen hat – Sprecher: Pavel Brunßen. Herausgeber des Online-Fußballmagazins „Transparent“ und Mitautor des Buches „Zurück am Tatort Stadion“. Der Mann kennt sich aus. Früher war er selbst ein Ultra. 5 Der Verein Alemannia Aachen, mittlerweile in der 4. Liga, hat die Auseinandersetzungen in der Stadionkurve weitestgehend ignoriert. Bei einem Spiel geht die Polizei gegen die Aachen Ultras vor. Die nehmen unter dem Jubel der Hooligans ihre Banner vom Metallzaun, eines davon trägt die Aufschrift „Unpolitisch gibt es nicht“. O-Ton Pavel Brunßen: Das hat dazu geführt, dass eben diese rechten Hooliganstrukturen gemeinsam mit rechtsoffenen Ultras und Leuten aus der Neonaziszene, // die eben versucht haben, diese antidiskriminierende Politik mit Gewalt zu unterdrücken; und die Aachen-Ultras allein gelassen von Verein, Fanprojekt, Polizei, Stadt und so weiter und so fort, völlig auf sich allein gestellt, und dieser ständigen Gewaltbedrohung ausgesetzt, haben sich dann Anfang 2011 aus dem Stadion zurückgezogen und sind bis heute auch nicht zurückgekehrt. Sprecher: Teilweise gab es Hausbesuche der Rechten bei einzelnen Mitgliedern der AachenUltras. Äußern will sich niemand. Ohnehin sind sowohl Ultras als auch Hooligans sehr misstrauisch gegenüber der Öffentlichkeit. Es gehört zum Kodex, die Medien zu meiden. Das Fanprojekt und die Fanbeauftragten scheinen an einer Klärung dieses Konflikts nicht interessiert. Man fürchtet um das Ansehen des Vereins. Auch der MSV Duisburg hat es zugelassen, dass Ultras sich nicht mehr ins Stadion trauen, und bei Eintracht Braunschweig hat der Verein selbst dafür gesorgt, dass die linken Ultras verbannt wurden. O-Ton Pavel Brunßen: Hier kam es auch vor // wenigen Jahren zu einem Angriff auf die Ultras Braunschweig //, eine Gruppe, die // gegen rechtsoffene Gruppierungen in der Fanszene Stellung bezieht, // und dort anders als bei Alemannia Aachen hatte der Verein in Braunschweig // sofort Stellung bezogen, hat allerdings so reagiert, dass er dann nicht die angreifenden Gruppen sanktioniert hat, sondern die angegriffene Gruppe, die Ultras Braunschweig, Sebastian Ebel, der Präsident, // hat damals im ZDF gesagt, wir haben die Gruppe bestraft, die provoziert hat, eben der Ausschluss dieser Gruppierung aus dem Stadion, und weil sie mit ihrem Antirassismus provoziert habe. Sprecher: Der Präsident des Verfassungsschutzes, Hans Georg Maaßen, hält die Hooliganszene nach wie vor nicht für ein Beobachtungsobjekt. Er glaubt, es lediglich mit Leuten zu tun zu haben, „die nur Bier trinken und sich prügeln“. Er hält sie zum größten Teil für "politisch indifferent". O-Ton Pavel Brunßen: Es gibt // von der staatlichen Seite ne starke Unterscheidung zwischen Hooliganszene und rechtsextremer Szene, die so einfach nicht standhält, sondern es gibt sehr starke eben persönliche Überschneidungen zwischen diesen beiden Milieus, doch nicht nur persönliche Überschneidungen sind sehr intensiv zu beobachten, sondern es sind auch Wertvorstellungen, welche diese beiden Szenen miteinander vereinen, also Werte von Macht, Dominanz, Stärke, Überlegenheit, das Recht des Stärkeren, ein Hass auf Linke und so weiter und so fort, // aus etlichen 6 Hooligan-Gruppierungen haben sich da mit Neonazis offen auf der Straße verbündet, etwas // was bei Länderspielen seit Jahren zu beobachten ist, // diese Mär vom unpolitischen Hooligan kann als auserzählt eigentlich betrachtet werden. Fußball ist nicht unpolitisch, Hooligans sind es auch nicht. Atmo 9, Archiv: „Deutschland-Sprechchöre“ im Stadion Sprecher: Schon 1986 tauchten Hooligans mit Reichskriegsflaggen bei einem Länderspiel auf. Aber auch in jüngerer Zeit äußern sich Fans offen rechtsradikal. Bei der Europameisterschaft in der Ukraine 2012 zeigt ein Fan auf seiner Jacke die Zahl 88, die Initialen für Adolf Hitler. Antisemitische Lieder werden gesungen, ebenso antitürkische. Auch beim Public Viewing äußert sich die rechte Szene unverblümt fremdenfeindlich. Nationalspieler mit Migrationshintergrund wie Mezut Özil und Jerome Boateng werden zur Zielscheibe. Die rechten Fans fordern eine rein weiße Fußballmannschaft. Den Gewinn der Weltmeisterschaft 2014 aber bejubeln sie, als Endsieg. Der Fußballsport ist für Nazis ein Forum, auf dem sich weidlich spielen lässt. O-Ton Pavel Brunßen: Es gibt aus den 80er Jahren von Michael Kühnen einen Aufruf, // ein ehemaliger damals führender Neonazi in Deutschland, wo er zum Kampf um die Stadionkurven // aufgerufen hat, und eben dorthin zu gehen, um rechten politischen Nachwuchs zu rekrutieren, // aber so ne stumpfe Instrumentalisierung mit Hooligans lässt sich da auch nicht machen. Ganz so einfach ist es dann nicht. O-Ton Tommy Frenck: Ja, Jugendliche sind immer vorhanden, also egal bei welcher Kundgebung da, Veranstaltungen da sind eigentlich immer von, ich sag mal, Babyalter an bis 70, 80jährige aufwärts alles vorhanden. Sprecher: Tommy Frenck, ein untersetzter, breitschultriger junger Mann. Er betritt gerade den Kreistag von Hildburghausen, eine Kleinstadt im Süden von Thüringen. Frenck hat dort einen Sitz für das „Bündnis Zukunft Hildburghausen“. Früher war er Deutscher Jugendmeister im Gewichtheben, Tätowierungen führen den Hals hinauf. Der Mann gilt als einer der umtriebigsten von ganz rechts außen. Gelegentlich tragen er und seine Gesinnungsgenossen nationale Fußballturniere aus. Atmo 10: Fußballtraining, Rufe, Bälle werden geschossen O-Ton Tommy Frenck: Ja, das machen wir immer noch. // Natürlich. // Es gibt immer noch öffentliche Fußballplätze, die man natürlich immer benutzen kann, und da gehen wir natürlich auch drauf. Sprecher: Zu diesem Zweck gründete der heute 29-jährige Frenck 2007 den Verein SG Germania Hildburghausen. Der damalige Thüringer NPD-Funktionär Kai-Uwe 7 Trinkaus brüstet sich damit, an der Gründung von mehr als 20 nationalen Vereinen mitgewirkt zu haben. Beobachter der Szene bestätigen, dass im Osten fast alle bedeutenden Neonazigruppierungen aus dem Fußball-Bereich stammen. Frenck jedenfalls lässt stramm deutsch spielen. O-Ton Tommy Frenck: Das Problem ist immer, wenn man viel über einen längeren Zeitraum vorher bekannt gibt, kommen immer irgendwelche ehemaligen SED-Kader auf die Idee und versuchen da einem Steine in den Weg zu legen, ja. O-Ton Steffen Harzer, Landtagsabgeordneter „die Linke“: Haben sie illegaler Weise, haben sie ein Fußballturnier auf nem Platz der Stadt ausgerichtet, und das war nicht angemeldet, der Platz war nicht gemietet offiziell und da bin ich dann mal hingefahren. Sprecher: Steffen Harzer, Landtagsabgeordneter der Partei „die Linke“, 2008 noch Bürgermeister von Hildburghausen. O-Ton Steffen Harzer, Landtagsabgeordneter „die Linke“: Mit zwei Polizisten bin ich da hin, und da gab`s dann Aufruhr, ich hab gesagt, das hier ist beendet, das wollten sie dann nicht, einer der Freunde von dem Herrn wollte mir dann beide Beine brechen, ist mir ins Kreuz gehüpft, zum Glück bin ich etwas größer und korpulenter, nicht so leicht zu fällen, sonst wär ich wahrscheinlich im Krankenhaus gelandet – O-Ton: Tommy Frenck: Mit dem haben wir gar nix gemacht. // Das sind da irgendwelche Phantasiegeschichten, ich weiß ja nicht, was da irgendwo dran sein soll, aber man kann sich viel einbilden. O-Ton Steffen Harzer, Landtagsabgeordneter „die Linke“: Zum Glück hatte ich auch die Polizisten mit dabei. Die dann da auch eingegriffen haben, und das ist dann auch vorzeitig beendet worden, das Turnier. Die haben ihr Fußballspiel gemacht, aber abends ihre Party, die sie noch machen wollten, haben sie dann nicht mehr machen können. Atmo 9, Archiv: „Deutschland-Sprechchöre“ im Stadion Sprecher: Monate später kommt es zu einem erneuten Zwischenfall. Sommer 2008. Die Fußballeuropameisterschaft in Österreich und der Schweiz hat begonnen. Viele Menschen sitzen beim Public Viewing zusammen. O-Ton Steffen Harzer, die Linke“: An dem Abend, wo das Spiel Deutschland Türkei war, was wir knapp gewonnen haben, ist ein Autokorso durch die Stadt, und dann auf einmal hat das bei mir gehalten, // und haben dann Fahnen, diese schwarz-weiß-roten Fahnen haben sie hier geschwunken, und Heil Hitler und so zu meinem Haus gemacht, und dann kam 8 Tommy Frenck an und hat dann geäußert: „Dein Haus wird brennen.“ Die Polizei gerufen, die haben dann auch ihn wohl über Nacht festgesetzt, // und es gab dann auch ne Gerichtsverhandlung im Zuge dieser Geschichte. Atmo ausblenden Sprecher: Tommy Frenck wohnte lange Jahre am Marktplatz in Hildburghausen. Dort ließ er die Reichskriegsflagge aus dem Fenster wehen. Nun hat er in Kloster Veßra, einem kleinen Ort nahebei, den Gasthof „Goldener Löwe“ gekauft. Hier kann er sich beinahe ungestört entfalten. Er ist Koch von Beruf. Manchmal richtet er Wettbewerbe im Scharfessen aus und wirbt auf Facebook mit Catchup-Flaschen, die ein Etikett mit dem Aufdruck Brandstifter tragen. Musik 2: Categorie C O-Ton Tommy Frenck: Ich weiß schon, was Sie meinen, aber das hat das eine mit dem anderen nichts zu tun. Das sind so Zweideutigkeiten, die kann man dann natürlich jemandem in den Mund legen, aber muss man natürlich nicht machen. // (00:40) Diese ganzen Chilisaucen die haben ja alles spektakuläre Namen, wie der Bomb oder die schwarze Witwe oder wie auch immer, und das war eine von den Saucen, die wir da am Anfang ausgeschenkt haben. Sprecher: Zum Aufheizen lädt Tommy Frenck gelegentlich „Categorie C“ ein, die Band, dessen Frontmann Hannes Ostendorf, seines Zeichens Hooligan von Werder Bremen, wegen eines Brandanschlages auf ein Flüchtlingsheim verurteilt wurde. O-Ton Tommy Frenck: Was soll da rassistisch sein? // Ich finde, das ne ganz normale Musikrichtung, und da kommen natürlich Leute, die diesen Musikgeschmack gut finden. Sprecher: Hooligans, aber auch gesetzter aussehende Damen und Herren, die als Mittelstand durchgehen könnten, kommen aus dem gesamten Bundesgebiet. Die rechte Szene gibt heutzutage gern ein seriöses Bild ab. O-Ton Steffen Harzer, Landtagsabgeordneter „die Linke“: Der sammelt um sich halt, versucht Menschen zu sammeln, auch Jugendliche zu sammeln, um die mit seiner kruden Ideologie, rassistischen, faschistischen Ideologie zu beeinflussen, das ist ihm eine Weile ganz gut gelungen, dann konnten wir so schrittweise einen Riegel vorschieben, aber jetzt mit der Gaststätte ist es natürlich wieder schwierig. Sprecher: Frenck ist ein Paradebeispiel, wie man über den Fußballsport rechtes Gedankengut einfließen lassen kann. 9 O-Ton Steffen Harzer, Landtagsabgeordneter „die Linke“: Sie verfolgen ja ein Ziel, sie wollen ja diese demokratische Grundordnung der Bundesrepublik abschaffen, und wollen wieder ein Reich errichten wie von 33 bis 45, wo sie das Sagen haben und Andersdenkende verfolgt werden. Das ist ja nun ne eindeutige Geschichte, die Ideologie die dahinter steht, und das ist ja auch Politik. Und wie die nun zum Ausdruck kommt, und indem man Fußball spielt, damit sein Sache verbreitet oder Demos macht oder Gerüchte verbreitet // oder über das Betreiben einer Gaststätte, der Sachen sind ja viele, aber es ist ja immer ein politischer Ansatz, der dort gemacht wird, auch wenn er uns nicht gefällt. O-Ton Tommy Frenck als Sprecher bei der Sügida: Unsere Kinder dürfen jetzt von Kopftuchlehrern ehm ja unterrichtet werden. Sauerei, oder? Buhrufe Wollen wir Kopftuchlehrer an unseren Schulen? Nein Das denke ich doch auch. Jetzt hat kurz nachdem das bekannt wurde, der Ministerpräsident von Thüringen, Bodo Ramelow von der Mauer-Mörder-Partei SED Zuschauer ruft: Arschloch! Sprecher: Tommy Frenck hetzt bei einer Sügida-Veranstaltung im südthüringischen Suhl. Er ist dort regelmäßig einer der Wortführer. Unter ihm stehen besorgte Bürger, Mitglieder freier Kameradschaften und der NPD sowie Hooligans, und die gerne auch als Ordner. O-Ton Tommy Frenck als Sprecher bei der Sügida: Seid ihr der Meinung, dass der Islam zu Thüringen gehört? Zuschauer rufen: Nein! Das war zu leise, das hat Herr Ramelow nicht gehört. Gehört der Islam zu Thüringen? Zuschauer rufen: Nein! // Das denke ich doch auch. // Es gibt Aussagen, man hörte uns bis zum Himmelreich schon hoch. Zuschauer im Chor: Wir kommen wieder, wir kommen wieder! // Jubel Atmo 11: Fußballspiel der Kreisliga, Rufe, Bälle werden geschossen O-Ton albanischer Fußballspieler: Wir haben eins null geführt durch einen Strafstoß, und hatten wir dann ne Ecke bekommen, und dann hab ich auf einmal gesehen, dass ich angegriffen wurde, // und ich dachte, ich seh nicht richtig, dass ein gegnerischer Spieler mich dann angreift, und dann anschließend hat er mich umgerempelt, hat er mich dann natürlich auch ins Gesicht angespuckt Atmo: die Rufe werden erregter, die Situation eskaliert Sprecher: Kreisklasse. Der SG Blau-Weiß Niegripp spielt gegen den FC Ostelbien Dornburg. Dessen Spieler gehören in großer Mehrheit der rechten Szene an. Sie haben sich einen Spieler mit Migrationshintergrund, einen Albaner als Opfer ausgesucht, während ihre Fans lässig an der Metallabsperrung lehnen und auf Action warten. 10 O-Ton albanischer Fußballspieler: Und bin zu dem Schiedsrichter gegangen, hab den Vorfall geschildert, und der Schiedsrichter natürlich ist er irgendwie in Angstzustände geraten und wollte mir ne gelbe Karte geben, was ich überhaupt nicht verstanden habe. // Und dann haben die auch weiterhin gefoult, // dann hat mein Trainer kurze Zeit später mich aus dem Spielfeld rausgenommen, weil er natürlich auch Angst hatte, dass mir was Schlimmeres passiert. Sprecher: Die Spieler des FC Ostelbien Dornburg sind im Jerichower Land in Sachsen-Anhalt gefürchtet. Vorfälle wie diese sind keine Ausnahme. Schiedsrichter wagen nicht einzugreifen. Andere Vereine weigern sich, zu Partien gegen Ostelbien Dornburg anzutreten. Den Albaner werde man im Auge behalten, so die Drohung der ostelbischen Hooligan-Kicker. O-Ton albanischer Fußballspieler: Ich hatte derzeit die Nummer sieben gehabt, und dann haben die gesagt, merkt euch den, die Nummer sieben, merkt euch sein Gesicht, der wird schon seine Strafe sozusagen oder seine Rechnung bekommen. Sprecher: Spiel- und Wortführer von Ostelbien Dornburg ist Dennis Wesemann. Im Heimatort Stresow ist er ein geachteter Mann. Bei kleineren Festen spendiert er schon mal die Bratwürste. Der Ortsvorsteher buckelt, und wenn ein Kamerateam auftaucht, geht Wesemann in den Kampfmodus. Die Polizei geleitet die Journalisten an den Ortsausgang. Wesemann vertreibt Devotionalien der rechten Szene im Internet. Gelegentlich soll er gemeinsam mit der Hooligangruppe „Blue White Street Elite“ in Schlägereien verwickelt gewesen sein, auch gerne schon mal gleich nach einem Spiel. Atmo 12: Fußballspiel der Kreisliga, Rufe, Bälle werden geschossen, Schlägerei am Rande des Spielfeldes Sprecher: Wesemann wurde gefährliche Körperverletzung vorgeworfen sowie Landfriedensbruch und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Bestraft wurde er allerdings nicht, da sich niemand fand, der vor Gericht gegen ihn aussagen wollte. O-Ton albanischer Fußballspieler: Und dann habe ich schon am Montag gesehen, dass es sehr sehr weh tut, das war hier so in meine Oberschenkel, Kniehöhe, und habe ich dann wirklich tatsächlich gesehen, dass es ein abgedrucktes Fußballschuhe war. // Okay, ich kann`s auch verstehen, dass Fußball kein Ballett ist, aber dass man halt so krass rangeht, das kann ich nicht verstehen, // sowas kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Sprecher: Schwer nachvollziehbar ist auch, dass der Fußball-Verband lange Jahre nicht eingreift, obwohl Schiedsrichter sich weigerten, Partien des Vereins zu pfeifen. So erklärte der Präsident des sachsen-anhaltinischen Fußballverbandes Erwin Bugar: 11 Zitator: „Bei Spielen mit Beteiligung des FC Dornburg sind uns bisher keine Vorkommnisse mit rassistischem oder rechtsextremistischem Hintergrund bekannt geworden.“ Sprecher: Rechte Strukturen in den unteren Ligen sind keine Ausnahme. In MecklenburgVorpommern fungiert Sven Rau als Vorsitzender des Vereins Blau-Weiß Tutow. Gleichzeitig war er Vorstandsmitglied der Kreissportjugend Demmin und als Schiedsrichter tätig. Ebenso organisierte er ein Konzert der Band „Categorie C“. Der SC Osterbek bei Hamburg meldete wegen mutmaßlicher rechtsradikaler Vorkommnisse seine 3. Herren-Mannschaft vom Spielbetrieb ab. O-Ton albanischer Fußballspieler: Dass immer noch solche Leute gibt, und die wirklich nicht in der Realität leben, sondern wirklich immer noch sehr sehr sehr lange zurückgeblieben sind oder hängengeblieben sind. Man muss doch nach vorne schauen, man muss wirklich Realität mal schauen, wo die sich gerade befinden. Sprecher: Mittlerweile ist der FC Ostelbien Dornbusch vom Spielbetrieb ausgeschlossen worden. Der Verband reagierte erst auf anhaltenden Druck der Medien. Der albanische Fußballer, als Angestellter in der Versicherungsbranche tätig, versteht die Gemütslage der Rechten nicht so ganz. O-Ton albanischer Fußballspieler: Die haben wirklich nichts anderes im Kopf außer prügeln prügeln prügeln. Die denken überhaupt nicht an ihre Zukunft, die denken, ich sag mal so, die haben auch nichts zu verlieren. Was sollten sie denn verlieren? Nichts. Die bekommen doch von Vater Staat das Geld, Wohnung wird doch alles bezahlt, alles drum und dran. Was sollen sie denn verlieren? Sprecher: Es gibt nicht wenige Hooligans, die führen im Alltag ein geregeltes Berufs- und Familienleben. Auch leitende Angestellte und Immobilienmakler seien unter ihnen, verrät ein Hooligan von Fortuna Düsseldorf. Und längst nicht alle gehören der rechten Szene an, manchmal sind die Grenzen fließend. Atmo 13: Fußballtraining, erregte Rufe unter den Zuschauern O-Ton Alon Meyer: Nach dem Spiel in der Umkleidekabine, dann lief ‘s schon sehr laut, aber wir haben uns zurückgehalten, nicht geantwortet, haben uns nicht reizen lassen, sind dann zu den Autos gegangen, und dann an den Autos wurden wir dann erwartet und auch mit einem Messer erwartet von mehreren gegnerischen Spielern, und dann kam`s zum tätlichen Übergriff, Polizei kam dann auch, Krankenwagen kam dann auch, beide Spieler wurden dann ins Krankenhaus gebracht, der Attentäter und das Opfer - 12 Sprecher: Alon Meyer, Vorsitzender des jüdischen Vereins Makkabi Frankfurt. Die Jugend trainiert soeben auf einem Gelände im Norden der Stadt. Alon Meyer hat in seiner Karriere als Spieler und Funktionär viele Übergriffe von Spielern und Zuschauern auf sein Team erlebt. O-Ton Alon Meyer: Das passiert dann meistens von außen, dass meistens die Zuschauer, die sich in der Anonymität verstecken, // wenn Sie draußen niemanden kennen, der was gerufen hat, den kennen Sie nicht, und der versteckt sich dann. // (06:00) Die Übergriffe, wenn man sie erst mal einteilt, nicht nur aus dem rechten Lager, sondern auch aus dem muslimischen Raum, vor allem unterklassig, // je tiefer Sie gehen mit der Klasse, desto öfters passieren diese Vorfälle. Sprecher: Die erste Mannschaft von Makkabi Frankfurt spielt in der Kreisoberliga. Oft gegen türkische und arabische Vereine. Vor allem, wenn die Lage in den Palästinensergebieten mal wieder eskaliert, eskaliert sie auch auf und neben dem Platz, durch Fans mit faschistoidem Gedankengut. Für Alon Meyer sind das muslimische Hooligans. O-Ton Alon Meyer: Ganz sicher gibt`s die, in einer ganzen Anzahl, und wie so oft bei Hooligans allgemein, da steht der Sport eigentlich im Hintergrund, das was auf dem Spielfeld passiert, ist uninteressant, man will seine persönlichen Aggressionen, die in einem aufgestaut sind, dann freien Lauf lassen, und man denkt, dass man auf dem Fußballplatz vielleicht in der Anonymität der großen Truppe, der Zuschauer sich verstecken kann, um dort den Aggressionen freien Lauf zu lassen und seinen Unmut dann nach außen hin auch wirklich deutlich zu machen. Sprecher: Dann glaubt der Gegner samt Anhang, man spiele gegen den Staat Israel. O-Ton Alon Meyer: Dann kommen schon die ersten Ausrufe mit „Wir hätten den Schiedsrichter gekauft, wir hätten ihn bestochen, wir haben ja das Geld“, dann kommen die antisemitischen Vorurteile, die es gibt, die judenfeindlichen, // (09:04) oder „Juden, euch hat man vergessen zu vergasen, oder wenn`s Hitler noch geben würde, gäb`s euch nicht mehr“ Sprecher: Zu Saisonbeginn studiert Alon Meyer den Spielplan und überlegt, zu welcher Partie man besser Polizeischutz anfordert oder einen privaten Sicherheitsdienst. Aber nicht nur der Verein ist einer permanenten Bedrohung ausgesetzt, auch die Schiedsrichter stehen unter Druck. Viele haben einfach Angst. O-Ton Alon Meyer: Jaa, ja, jaa, und da bin ich einfach menschlich genug zu sagen: Ich versteh die Schiedsrichter, wissen Sie, Sie kommen da teilweise als 18-, als 20, als 22-Jähriger, // der Schiedsrichter kommt dann dorthin, und sieht dann eine Mauer an Gewalt, die 13 auf ihn wartet. Wissen Sie, der hat Angst, der hat Angst um Leib und Seele und pfeift vielleicht etwas, was er nicht unbedingt will, // das ist traurig, dass es sowas gibt, // wir müssen schauen, dass wir dem einen Riegel vorschieben. Atmo 9, Archiv: „Deutschland-Sprechchöre“ im Stadion Sprecher: Beim Fußball identifizieren sich sowohl Spieler als auch Zuschauer über ein „Wir gegen die anderen“. Da finden auch Vorurteile leicht ihren Weg aus der Gesellschaft in den Sport und in die Stadionkurven. Kaum ein anderer Spieler weiß das aus leidvollerer Erfahrung als Gerald Asamoah, der 1990 als Junge mit seinen Eltern aus Ghana einwanderte. Die Öffentlichkeit konnte 1997 live am Fernseher verfolgen, wie der Spieler fortlaufend diskriminiert wurde. Atmo 14: Stadion, Zuschauer pfeifen: einen Moment freistehen lassen, folgend weiter unterlegen: O-Ton Gerald Asamoah: Damals war ich 18, und Cottbus war halt ein Spiel, eine meiner ersten Spiele, wo ich jetzt sehr negativ Fanausschreitungen entgegen bekommen habe – Sprecher: Gerald Asamoah spielte damals für Hannover 96 auswärts die Relegation gegen Energie Cottbus. O-Ton Gerald Asamoah: Das ganze Stadion halt, du hast einfach diese negative Stimmung gemerkt, es ging ja um den Aufstieg in die 2. Liga, // und ich meine, wenn ein Spieler mit Bananen beschmissen wird, und wie die von gewissen Gegenspielern auch beleidigt werden, dann ist halt, // schon ne harte Situation für mich. Sprecher: Gerald Asamoah musste seit seinem 12. Lebensjahr mit solchen Attacken umzugehen lernen. O-Ton Gerald Asamoah: Als Junge wurdest du immer beschimpft, // dass du dann auf dem Platz meistens von gewissen gegnerischen Fans halt meistens beleidigt wurdest. // Das war immer leider schade. Sprecher: Rassistische Anfeindungen gegen dunkelhäutige Spieler sind gang und gäbe, europaweit. Kevin Prince Boateng verließ bei einem Freundschaftsspiel für den AC Mailand kurzerhand den Platz. Seine Mannschaftskameraden folgten ihm. Er erhielt dafür Lob und Anerkennung. Gerald Asamoah schaffte es 2001 bis in die Nationalmannschaft, und schon wurden rechte Stimmen laut, man wolle eine „reine“ Mannschaft, ausschließlich mit deutschen Spielern. Seitdem engagiert sich Asamoah gegen Rassismus im Sport. Atmo 15: Fußballfanrufe: „auf die Fresse, auf die Fresse!“ 14 O-Ton Gerald Asamoah: Es ist einfach ne Situation, wo du dich einfach alleine fühlst. Du fragst dich einfach, warum? Warum ausgerechnet ich? Warum werde ich ausgepfiffen oder warum so beleidigt? Aber wie gesagt: // Wenn du halt in diesem Sport bist, dann musst du versuchen, damit umzugehen. Atmo 16: Schreie, Laufen, Pyrotechnik,: eine Frau ruft: Ich hab Angst O-Ton Hannes Merz: Also während es // am ersten Abend ne Mischung zwischen Nazis und sozusagen Bürgern der Stadt war, gingen die Krawalle am zweiten Abend ganz deutlich von ner Gruppe von ungefähr 5, 600 Mann aus, die hauptsächlich wirklich organisierte Nazis waren, also autonome Nationalisten und auch Hooligans aus dem Umfeld von Fußballvereinen hier aus der Region. Sprecher: Hannes Merz vor der Flüchtlingsunterkunft im sächsischen Heidenau. O-Ton Hannes Merz: Aus dem Umfeld von Dynamo Dresden, es gab Leute, also einzelne, wohl aus dem Umfeld aus Cottbus, also Hooligangruppe Inferno Cottbus und wohl auch noch einzelne Leute aus Leipzig, vor allem aus dem Umfeld von Lok Leipzig. Atmo 17: Laufen, Schreie Atmo 18: Industriegeräusche Sprecher: Die Flüchtlingsunterkunft von Heidenau ist in einem Gewerbegebiet angesiedelt. Ein Bauzaun umfasst das Gelände. Plastikplanen dienen als Sichtschutz. Der schmale Eingang wird von Sicherheitspersonal kontrolliert. Vor dem Zaun stehen einige Flüchtlinge in kleinen Gruppen und unterhalten sich. Hinter ihnen summen die Maschinen eines Industriebetriebes. Hannes Merz ist vom Bündnis 90/die Grünen. Er stellte sich mit vielen anderen dem Mob entgegen, nachdem die örtliche NPD eine Demonstration angemeldet hatte. O-Ton Hannes Merz: Es kamen auch über den Abend verteilt immer wieder Leute aus der Stadt, also normale Bürger dazu, auch komplett mit Kind und Kegel, und stellten sich dann zu den Nazis dazu. Atmo 16: Schreie, Laufen, Pyrotechnik Sprecher: Als aber sehr bald rechte Hooligans auftauchten und sich im angrenzenden Supermarkt mit Bier versorgten, eskalierte die Situation. O-Ton Hannes Merz: Und dann sozusagen wie auf einen Schlag um 23 Uhr begann der Angriff auf die Polizei, mit Feuerwerkskörpern, Steinen, Flaschen, und wie gesagt, das war irgendwie wie so`n Knopfdruck, die rannten auf einmal los und griffen die Polizei an. 15 Sprecher: Die Hooliganszene wird nicht nur gezielt von Neonazis infiltriert, ebenso von der so genannten bürgerlichen Rechten. Pegida benutzt die Hooligans als ihr Fußvolk, das als Ordner bei eigenen Veranstaltungen auftritt und gelegentlich auch zutritt. Atmo 15: Fußballfanrufe: „auf die Fresse, auf die Fresse!“ O-Ton Hannes Merz: Also wir hatten ja hier in Dresden den Vorfall der Hooligans Elbflorenz, die 2008 nach dem verlorenen EM-Halbfinale in Dresden mehrere Dönerläden angegriffen haben, die ja jetzt vor kurzem auch als kriminelle Vereinigung verboten wurden, wo`s auch zwei Leute gab, die direkt Verbindungen zur NPD hatten, und so ist das hier überall. Also das ist wirklich ein Netzwerk, was untereinander verknüpft ist. Sprecher: Meistens schauen erstmal alle weg. Die Fußballvereine, der Verfassungsschutz, Polizei und Politik. O-Ton Hannes Merz: Natürlich gibt`s schon seit Jahren, faktisch seit 1990, aber auch eigentlich davor im Umfeld von Dynamo Dresden in der Fanszene größere rechte Gruppen. Die hat der Verein einfach ne Zeitlang ignoriert, totgeschwiegen, zeitweise waren das auch mal richtig offizielle Fanclubs von Dynamo Dresden, mittlerweile seit ein paar Jahren macht der Verein was, aber die Strukturen sind natürlich noch da. Atmo 19: Kundgebung pro Deutschland-Bewegung, Hooligans rufen: „Lügenpresse“ Sprecher: Szenenwechsel, September 2015: In Wuppertal hat die Pro-Deutschland-Bewegung zu einer Demonstration gegen die Willkommenskultur der Bundesregierung aufgerufen. Etwa 30 Personen nehmen daran teil. Überschaubar das Ganze. Aber genau bei dieser Kundgebung tut sich die direkte Verbindung zwischen der Rechten, die sich als bürgerlich bezeichnet, und den Hooligans kund, live gewissermaßen. O-Ton Markus Stranzenbach: Wir demonstrieren heute gegen den massenhaften Asylmissbrauch, ohne das Asylrecht als solches in Frage zu stellen. Was fälschlicherweise oft kolportiert wird. Sprecher: Markus Stranzenbach. Er ist einer der Wortführer der Bewegung und gleichzeitg Kandidat für die Wahl zum Oberbürgermeister. Als Nazi mag er sich nicht bezeichnen, auch wenn in seinem Umfeld einige Demonstranten sind, die eine NPDVergangenheit haben und markige Reden schwingen. O-Ton Markus Stranzenbach: Nein, das ist vollkommener Blödsinn, dass ich en Nazi bin. Ich sehe mich überhaupt nicht auf einer Stufe mit Nazis, also das ist vollkommen absurd, meiner Meinung nach. 16 Autor: Was ist mit Gewalt? Was soll mit Gewalt denn sein? Ne ziemliche Suggestivfrage, sag ich mal. Also welche Art von Gewalt, körperlich, verbal? // Da bin ich natürlich strikt gegen, bringt ja auch nichts. Ist doch vollkommener Blödsinn. Die Gewalt geht ja auch nicht von uns aus. Wir schmeißen keine Steine, keine Flaschen, keine Gipseier. Sprecher: Dann aber demaskiert sich die Versammlung. Etwas abseits stehen einige kahlköpfige Hooligans. Anscheinend sind sie nicht richtig instruiert. O-Ton Beifall, Rufe der Hooligans: „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus, Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ Ein „bürgerlicher Rechter“ ruft dazwischen: „Mit solchen Parolen habt ihr hier nix verloren, das ist eine Bürgerversammlung. Redner: Meine Damen und Herren: Extremisten jeder Couleur haben bei uns nichts verloren, wir sind und bleiben nur in einem Punkt radikal. Sprecher: Einer der Teilnehmer beschwert sich bei der Polizei über die Hooligans. Von denen aber drängt einer gegen die Polizeiabsperrung, um dort auf ein paar Autonome loszugehen. Nur mit Mühe kann er zurückgehalten werden. Beim anschließenden Zug durch die Straßen laufen die Hooligans im Schlepptau mit. Die Rechte braucht sie, als Mitläufer, ohne sie wäre die Bewegung kaum vorhanden. Atmo 3 Im Nahverkehrszug Sprecher: Auch die Hogesa – Hooligans gegen Salafisten - hat zu einer Demonstration aufgerufen. Vier junge Männer sitzen in der S-Bahn von Wuppertal nach Essen. Zwei von ihnen tragen unter den Jacken T-Shirts von Thor Steinar mit Runenschrift. Hooligans bevorzugen diese Marke. Aus einem Handy spielt Musik der Gruppe „Landser“, die im Jahr 2003 zur kriminellen Vereinigung erklärt wurde. Man bringt sich mit Bier in Stimmung. Die Atmosphäre ist latent aggressiv. Man schaut sich ständig um, zusteigende Fahrgäste werden kommentiert, homophobe und ausländerfeindliche Sprüche fallen. Es ist die jüngere Generation gewaltbereiter Hooligans. Ständig hat man das Gefühl, die Situation könnte eskalieren. O-Ton Dominik Röseler: Wir sind wieder da! Jubel. // Wenn ihr heute, ich sag das nochmal, wir haben das im Vorfeld mehrfach erwähnt, wenn hier heute von unserer Seite irgendein Blödsinn passiert, dann können wir Köln vergessen. Atmo 20: Hogesa, Rufe, Sprechchöre 17 Sprecher: Essen. Etwa 300 Hooligans haben sich auf einem Kirchenpark in der Essener Stadtmitte versammelt. Man gelobt, friedlich zu bleiben. Der Pfarrer der Gemeinde lässt aus Protest fortwährend die Glocken läuten. Dominik Röseler steht auf der Bühne und heizt die Stimmung an. Er sitzt für die Partei „Pro NRW“ im Stadtrat von Mönchengladbach. Die Demonstration hat er mitorganisiert, er war auch an der von Köln im Jahr 2014 beteiligt, wo es zu massiven Ausschreitungen gegen die Polizei kam. Zum Jahrestag soll es eine erneute Demonstration geben. O-Ton Dominik Röseler: Auf der anderen Seite, wenn wir hier heute richtig Disziplin haben, deutsche Tugenden an den Tag legen, dann werden wir auch in Köln auf die Straße gehen können. Jubel. Sprecher: Gelegentlich wird Dominik Röseler von der Parteiführung zurückgepfiffen, dann taucht er wieder auf. Er kann mit den Hooligans umgehen, er ist der Verführer, er dirigiert sie. Hooligans aus verschiedenen Fußballvereinen stehen beisammen. Normalerweise prügelt man aufeinander los, für den Verein, aber nun lautet das Motto: In der Farbe getrennt, in der Sache vereint. O-Ton Dominik Röseler: Aber bevor wir das machen, sollten wir natürlich den Mann hier auf die Bühne holen, der das Gesicht für Hogesa ist, der hier im letzten Jahr in Essen zum Medienstar geworden ist, den wir alle kennen und lieben, Riesenapplaus, komm auf die Bühne, Kalle, Ahu Ahu Ahu! Sprecher: „Ahu“ ist der Schlachtruf der Hooligans, und mit Kalle ist Andreas Kraul gemeint, alias Kalle Grabowski. Ein Althooligan aus Herne im Ruhrgebiet. Er betreibt ein Tattoo-Studio, hat Verbindungen zum Rockermilieu und zur Hooligangruppe Brigade Bochum des dortigen Zweitligisten VfL. Der Verein hat bislang lediglich zugesichert, die Gruppe beobachten zu wollen. O-Ton Andreas Kraul: Ihr wisst, ich bin kein guter Redner, watt bei mir kommt, kommt aus dem Bauch, wir haben uns heute hier versammelt, weil wir damals in Essen … wir haben uns viele Gedanken gemacht, und der Gedanke ist mittlerweile verschwunden, warum wir überhaupt auf die Straße gehen. Sprecher: Da stehen viele Hooligans der ersten Stunde, überwiegend glatzköpfig, alles was in der Szene Rang und Namen hat. Dazu der Nachwuchs, eher unauffällig gekleidet. Für Hooligans ein typischer Nachmittag mit Erlebnischarakter. Atmo noch einmal hochziehen, kurz weiter unterlegen: O-Ton Andreas Kraul: Wir sind das Volk aus der Mitte, und wir gehen gegen diesen ganzen Wahnsinn, der mittlerweile hier in Deutschland passiert, an und auf die Straße. // Wir sind deutsch, 18 wir bleiben deutsch, und wir wollen hier keine Kopfabschneider, und wir wollen hier keine Salafisten, und deswegen sind wir damals auf die Straßen gegangen. Ahu ahu ahu ahu! // Wir zeigen uns und wir zeigen der ganzen Welt, dass wir noch da sind. Wir sind hier! Wir sind da! Hogesa! Ich bitte euch auch nochmal, dass ihr alle ruhig bleibt … Atmo 21: Hogesa Sprechchöre, Humba-Täterä-Gesänge Sprecher: Das aber will mal wieder nicht so recht gelingen. Nachdem Dominik Röseler die Hogesa-Leute einmal um den Block geführt und angefeuert hat, greift eine größere Gruppe ein Café an, in das Gegendemonstranten geflohen sind. Atmo 6: Laufen, Schreie Atmo 22: Rufe „Lügenpresse“ von einer Pegida-Demo Sprecher: In Dresden ist die Hooligangruppe „Elbflorenz“ als kriminelle Vereinigung verboten. Das hält die ehemaligen Mitglieder aber nicht davon ab, weiter zu agieren. Sie waren auch an den Ausschreitungen gegen das Flüchtlingslager im sächsischen Heidenau beteiligt. Bei einer Pegida-Demonstration auf dem Theaterplatz vor der Semperoper sollen rund 50 rechtsextreme Fans von Dynamo Dresden eine Gruppe jugendlicher Einwanderer in einer Einkaufspassage gejagt haben. Meist treten die Hooligans in bedrohlicher Manier als Ordner auf, die Journalisten auf Distanz zu den Demonstranten halten. Dabei hetzen sie mit Parolen gegen Lügenpresse und Volksverräter. Hooligans mischen nicht nur bei Demonstrationen als „Ordner“ mit. Ein Ultra, der nur zu einem Hintergrundgespräch bereit ist, bestätigt, dass bei Borussia Dortmund jahrelang Stadionordner Mitglieder der berüchtigten Gruppe „Northside“ waren. Den Fanbeauftragten eines Drittligisten wundert es nicht, wenn Rechte bei Heimspielen als Security-Mitarbeiter fungieren und auswärts als Hooligans. Nach den Sylvesterattacken am Kölner Hauptbahnhof gegen Frauen beteiligten sich rechte Hooligans an Bürgerwehren in Köln, Düsseldorf und Bielefeld, mit gezielten Übergriffen gegen Ausländer. So weiten sie ihre Schlachtfelder aus. Atmo 23: Straßengeräusche O-Ton Autonomer: … und haben Tumult angefangen. Und wollten diskutieren, dass sie gar nicht rechts sind und so weiter und so fort, und man hat denen aber unmissverständlich klar gemacht, dass sie jetzt gehen müssen, dass sie rausfliegen und nicht mehr reinkommen, und dann hat sich einer der drei halt geoutet und gerufen: „Wir sind die Jungs von der Hogesa“, daraufhin einen Angriff gestartet, diesen Teleskopschlagstock rausgezogen Sprecher: Ein junger Mann aus dem Umfeld der linken Szene. Tatort ist der Eingangsbereich zum Autonomen Zentrum in Wuppertal. 19 O-Ton Autonomer: Man hat gemerkt, jetzt wird’s brenzlig, einer ist dann auch zu Boden gegangen, man hats dann aber geschafft, die drei rauszuschieben, und hat die Tür geschlossen, und dabei allerdings nicht gemerkt, dass das spätere Opfer mit rausgedrängt wurde, und der sah sich dann draußen dieser drei-zu-eins-Situation gegenüber, und die drei Hogesa-Nazis haben dann die Chance genutzt, den zusammenzuprügeln und abzustechen, mit acht Stichen, und sind dann geflohen. Sprecher: Das Opfer, ein Cafébetreiber türkischer Herkunft, lag wochenlang im Koma. Er wird möglicherweise ein Leben lang an den traumatischen Erfahrungen der Tat leiden. Alle drei Angeklagten haben als Hooligans und Neonazis eine lange Karriere mit rechten Gewalttaten hinter sich. Einer der Täter ist der Hooliganszene von Borussia Mönchengladbach zuzurechnen. Zwei von ihnen haben Kontakte zum HogesaAktivisten und Hooligan Andreas Kraul sowie zur Partei „Die Rechte“ in Dortmund, die wiederum mit der „Borussenfront“ verbandelt ist. Der Angriff auf das Autonome Zentrum war schon Monate zuvor über Whats App angekündigt worden. Leute dieser Art sind unbelehrbar, wie einer der Täter beweist. O-Ton Autonomer: Ja, der hat während des laufenden Prozesses sich ein Tattoo stechen lassen auf der Brust, wo unter anderem ein Hakenkreuz drinnen ist, hat idiotischerweise das auch bei Facebook hochgeladen, und das wurde abfotografiert und wurde der Staatsanwaltschaft zugespielt, er hat davon Wind bekommen und hat das dann wegmachen lassen Sprecher: Während der Verhandlung ist er zu keiner Aussage bereit. Auch nicht vor dem Gerichtssaal. O-Ton: Bei Gericht, Schritte Autor: Kann ich Sie kurz was fragen? Täter. Nein. Sprecher: Das Gericht ging ausdrücklich nicht von einer Gesinnungstat aus. Acht Jahre Haft für den Haupttäter, 18 Monate für den angeblichen Rädelsführer, Bewährungsstrafe für den Dritten, dem als Mitläufer rechte Motive abgesprochen wurden. Atmo ausblenden Es gibt Beispiele, wie die rechte Szene aus dem Fußballsport verdrängt werden kann. Borussia Dortmund hat immerhin erreicht, dass die „Borussenfront“ nicht mehr offen im Stadion auftaucht. Außerdem hat der Verein, wie es scheint, dafür gesorgt, daß unter den Ordnern keine Hooligans mehr sind. Werder Bremen hat nach langen Jahren rechter Fandominanz gezeigt, wie man Rassismus aus dem Stadion verbannt. Atmo 2: Fanchöre Bundesligaspiel 20 O-Ton Pavel Brunßen: Bei Werder Bremen ist es glücklicherweise so, dass viele der Akteure die Ultras in ihrem antidiskriminierenden Verhalten unterstützen. Sprecher: Pavel Brunßen. Herausgeber des Online-Fußballmagazins „Transparent“ O-Ton Pavel Brunßen: Das Fanprojekt zieht ne Grenze und fokussiert sich vor allem darauf, antidiskriminierende Fans zu unterstützen durch Infrastruktur, Finanzierung von Veranstaltungen und so weiter und so fort, das heißt, da haben sie sehr sehr viel Rückendeckung, und das Stadion ist eigentlich ein Raum, wo die rechten Hooligans nicht mehr hinkommen. Sprecher: Der FC St. Pauli hat solche Probleme eigentlich nie gehabt. Der Hamburger Stadtteil ist ein multikultureller Schmelztiegel, viele Anhänger des Vereins gehören der autonomen Szene an. O-Ton Pressesprecher von FC-St-Pauli: Wir beziehen klare Positionen, wir wollen hier keine Nazis im Verein. Sprecher: Christoph Pieper, Pressesprecher des FC St. Pauli. O-Ton Pressesprecher von FC-St-Pauli: Wir wollen die hier nicht. Wir würden auch alles dafür tun, die Leute hier nicht im Stadion zu haben. Bei uns ist in der Stadionordnung klar geregelt, wer sich mit rechtsradikalen Symbolen kleidet, wer sich mit diskriminierenden, rassistischen oder Naziparolen hier äußert, der hat hier bei und nichts zu suchen. Sprecher: Auch der DFB hat in der Vergangenheit einiges geleistet. Vor allem der damalige Präsident Theo Zwanziger engagierte sich gegen Rassismus und Homophobie. Doch 2014 ließ der Verband bei einem Training der DFB-Elf im Millerntor-Stadion in St. Pauli ein Banner mit der Aufschrift „Kein Fußball den Faschisten“ teilweise zukleben. Der Pressesprecher der Nationalmannschaft beharrte darauf, dass bei DFBVeranstaltungen keine politischen Statements zu sehen sein dürfen. Atmo 2: Fanchöre Bundesligaspiel Ansagerin: Fußballfans am rechten Flügel.: Von Hooligans und neuen Schlachtfeldern. Ein Feature von Manuel Gerber. Es sprachen: Volker Risch, Johannes Wördemann und Frauke Vetter Ton und Technik: Johanna Fegert und Angela Raymond Regie: Tobias Krebs Redaktion: Wolfram Wessels. Eine Produktion des Südwestrundfunks 2016. 21
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