Manuskript

SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Feature
Fußballfans am rechten Flügel
Von Hooligans und neuen Schlachtfeldern
Von Manuel Gerber
Sendung: Mittwoch, 18. Mai 2016
Redaktion: Wolfram Wessels
Regie: Tobias Krebs
Produktion: SWR 2016
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Atmo 1: Vor einem Stadion, Stimmen, ein paar Fangesänge
Sprecher:
Vor einem Bundesligaspiel an einem ganz normalen Wochenende. Die Zuschauer
strömen ins Stadion, eine Gruppe von Hooligans steht vor den Toren unter dem
Tribünendach und trinkt Bier. Plötzlich kommt einer aus der Gruppe herangetorkelt
und lässt von weitem rassistische Sprüche ab.
O-Ton: betrunkener Hooligan, aus dem Hintergrund
Ey, ich hasse Ausländer. Ja, ist normal, Alter. Was is das für ein Land hier? Verpiss
dich!
Sprecher:
In einem Waldstück zwischen dem Frankfurter Stadion und dem Flughafen erklärt
sich ein Hooligan zu einem kurzen Gespräch bereit. Anfang 30, groß gewachsen,
fast kahl geschoren. Kein Emblem auf der Lederjacke. Schlägt er sich? Und warum?
O-Ton Hooligan:
Der Nervenkitzel. Wird was passieren? Wird nichts passieren? Schreitet die Polizei
ein? Ist die gegnerische Gruppe größer? Gewaltbereiter?
Sprecher:
Der Mann redet von der sogenannten Dritten Halbzeit, wenn sich Hooligans nach
dem Spiel mit dem Gegner treffen, vor dem Stadion oder ganz woanders.
„Erlebnisorientiertes Fanverhalten“ ist der harmlos klingende soziologische
Fachbegriff.
O-Ton Hooligan:
Ja, würden Sie so bezeichnen. Für uns ist das halt Sport. Wir treffen uns, und einer
organisiert das, über Facebook, über What`s App, und dann treffen wir uns mit ner
Gruppe aus ner anderen Stadt und schlagen uns.
Sprecher:
Vor einiger Zeit ist er umgezogen, aus beruflichen Gründen. Er arbeitet als Disponent
in einem Logistikunternehmen. Den Kontakt zu seinen Kumpanen und seinem
Heimatverein hat er weitestgehend verloren. Andernfalls würde er sich niemals
öffentlich äußern. Man würde ihm an den Kragen gehen. Zu Eintracht Frankfurt findet
er keine Bindung.
O-Ton Hooligan:
Jeder Verein hat ja ne gewaltbereite Gruppe, oder Leute, die sich schlagen wollen,
die Stress suchen am Wochenende. Für uns ist datt en Sport. Dann verabredet man
20 gegen 20 oder 30 gegen 30, man trifft sich irgendwo, muss nicht immer vor dem
Stadion sein, vielleicht auch im Park oder, man kann sich schon organisieren. Ist ja
kein Problem heutzutage.
Sprecher:
Hat er keine Angst?
1
O-Ton Hooligan:
Doch, das ist ja gerade der Kick sozusagen. Man weiß nie vorher, was passiert,
daher ist auch oft Alkohol im Spiel, trinkt man sich en bisschen Mut an, und ja darum
geht`s ja. Welche Gruppe zieht zurück, welche Gruppe hat Angst, man muss ja ein
bisschen datt Revier verteidigen, seine Stadt, seinen Verein.
Sprecher:
Auf die Frage, ob er ausländerfeindlich sei, dreht er wortlos ab, zieht die Kapuze
hoch und verschwindet zwischen Bäumen zur nahen S-Bahn-Station.
Atmo 2: Fanchöre Bundesligaspiel
Ansagerin:
Fußballfans am rechten Flügel.:
Von Hooligans und neuen Schlachtfeldern.
Ein Feature von Manuel Gerber.
O-Ton Rolf-Arnd Marewski:
Ich hab sie wahrgenommen als junge Menschen, die so nem rechten Leithammel
hinterher liefen. Dem Siggi Borchardt. // Die aber sonst in ihrem Auftreten, ihrem
Habitus gar nicht radikal erschienen. Das waren ganz normale junge Leute.
Sprecher:
Rolf-Arnd Marewski aus seiner Anfangszeit im Fanprojekt von Borussia Dortmund
Ende der 1980er Jahre.
O-Ton Rolf-Arnd Marewski:
Als ich die damals ansprach auf rechte Gesinnung und auch auf Siggi Borchard und
ihrer politischen Einstellung, da hat mir einer gesagt, hör mal: „Der Siggi, der labert
uns doch eigentlich zu viel. Wir wollen doch nur boxen.“ // Das waren
erlebnisorientierte Leute, die, weiß ich nicht, aus verschiedenen Gründen sich dann
samstags getroffen haben und dann ne Gruppe gebildet haben und dann
irgendwelche Schlägereien verabredet haben.
Sprecher:
Siggi Borchard, bekannt auch unter dem Namen SS-Siggi, gründete Anfang der
1980er Jahre die „Borussenfront“. Gleichzeitig war er in der später verbotenen
„Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ aktiv. Die „Borussenfront“ positionierte sich
gegen Ausländer und diente als Saalschutz bei NPD-Veranstaltungen. Lange Zeit
versäumte es der Verein Borussia Dortmund, gegen die „Borussenfront“ vorzugehen.
Mittlerweile besteht Stadionverbot gegen führende Mitglieder, die auf Spiele der
unteren Ligen ausgewichen sind. Doch noch immer versuchen sie, ihren Nachwuchs
im Stadion zu platzieren. 2014 errang Siggi Borchardt für die Partei „Die Rechte“
einen Sitz im Stadtrat von Dortmund. Nach zwei Monaten gab er ihn an einen
Parteikollegen ab.
Atmo 3: Im Nahverkehrszug
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Sprecher:
Rolf-Arnd Marewski gelang es damals, als Sozialarbeiter das Vertrauen der
Hooligans zu gewinnen. Er fuhr mit dem Zug zu einem Auswärtsspiel nach
Mannheim mit.
O-Ton Rolf-Arnd Marewski:
Und als wir dann in Essen waren, und Duisburg, kam dann der Zugführer auf mich zu
// und sagte: „Wer hat hier dat Sagen? Es sind Beschwerden laut geworden.“ Da
hatten die Jungs im Vorfeld den Wagen also relativ gewaltsam besetzt. Die hatten
die ganzen Reisenden in andere Waggons geschickt unter Androhung von Gewalt.
Atmo 4: grölende Fußballfans am Bahnhof
Sprecher:
Tätlichkeiten in Zügen sind keine Ausnahme. Bis heute. Fast an jedem Wochenende
kommt es zu Gewalt der Fans untereinander oder gegen Unbeteiligte. Unlängst
kündigte die Deutsche Bahn an, einschlägig bekannten Hooligans per Post
Zugverbote für Anfahrten zu Fußballspielen zukommen zu lassen. Ein Zeichen von
Hilflosigkeit. Wer soll das kontrollieren? Die Schaffner?
Marewski schaffte es damals, zu deeskalieren und einige der Hooligans vor
Festnahmen zu bewahren. Fortan war er akzeptiert, besorgte Jobs und half bei
Behördengängen. Am Wochenende tobten sich die Jungs aus, gegen Hardcorefans
gegnerischer Vereine.
Atmo 5: Massenschlägerei auf der Straße
O-Ton Rolf-Arnd Marewski:
Rund ums Stadion, also es gab ja verschiedene Orte, besonders hier in Dortmund, //
die haben sich wirklich manchmal auf Wiesen verabredet, manchmal allerdings auch
in Dortmund auf der Münsterstraße, // aber die Polizei wusste immer, wo sie waren,
und große Überraschungen gab`s da nicht, ne.
Sprecher:
Noch immer verleiten Vorfälle wie diese Sicherheitsorgane, Vereinsführungen und
die Öffentlichkeit zu der Auffassung, Hooligans seien am Fußball nicht interessiert.
Atmo 2: Fanchöre Bundesligaspiel
O-Ton Rolf-Arnd Marewski:
Also das war en Riesen-Missverständnis auch in den Medien //, dass immer wieder
gesagt wurde, Hooligans haben mit Fußball nix zu tun, die wollen nur kloppen. Das
ist völliger Blödsinn. // Schon 1992, als Dortmund beinahe mal Meister wurde, als der
Buchwald irgendwann mal in der vorletzten Minute des Spiels für Stuttgart das
Siegtor köpfte und Stuttgart Meister wurde, // da fielen mir fünf vermeintlich harte
Hooligans weinend um die Schulter, ne. Und nahmen mich heulend in den Arm. Also
wenn mir da einer erzählen möchte, die hätten nix mit Fußball zu tun, dann kann ich
das nicht so recht nachvollziehen.
3
Sprecher:
Dann aber folgt oft die „Dritte Halbzeit“. So heißen im Hooliganterminus die
Auseinandersetzungen nach den Spielen.
O-Ton Rolf-Arnd Marewski:
„Hört mal zu, hier sind wir auch, nehmt uns ernst, wenn ihr uns schon nicht lieben
könnt, dann fürchtet uns wenigstens.“ Und die haben das sichtlich genossen, diesen
Mythos des Schlägers // zu erfüllen oder in sich zu tragen. // „Wir wollen uns doch
eigentlich nur beweisen, wir wollen doch unsere Stadt gut vertreten und wir wollen
doch eigentlich nur zeigen, dass wir die Besten sind, ne, und dass wir besser als
andere sind.“
Atmo 6: Laufen, Schreie
Sprecher:
Doch die Aggressionen richten sich nicht nur gegen Fans anderer Vereine. In und
außerhalb der Stadien kämpfen Ultras und Hooligans um ihre Vormachtstellung. Das
sind auch politische Auseinandersetzungen. Ultras sorgen für die Choreographie in
den Stadionkurven, mit Sprechchören, Fanbannern, großflächigen Vereinsfahnen.
Ultras sind oft linke Fans, aber es gibt auch rechtsoffene Gruppen wie die „Boyz“ des
1. FC Köln. Auch Ultras lassen sich immer wieder zu Gewalt hinreißen. Und dann
und wann treffen sie auf Hooligans des eigenen Vereins.
Atmo 7: Massenschlägerei auf der Straße
O-Ton Ludwig Ewertz, Reporter Radio Bremen:
Mit großem Lärm kam eine große Gruppe schwarzer Vermummter, teilweise mit
Strumpfmasken und schwarzen Schals vorm Gesicht, // wirklich im Laufschritt. Sie
wurden verfolgt von Polizeibeamten, und es war mit Sicherheit eine Verabredung,
das Verdener Eck zu stürmen.
Sprecher:
Ludwig Ewertz, Sportreporter von Radio Bremen. Es ist der letzte Spieltag der
Saison 2014/15. Ewertz wohnt in der Nähe der Gaststätte Verdener Eck. Er sieht,
wie Ultras von Werder Bremen direkt nach dem Spiel heraneilen.
O-Ton Ludwig Ewertz, Reporter Radio Bremen:
Die Hooligans haben sich blitzschnell ins Verdener Eck zurückgezogen, die Türen
zugemacht, und dann flogen alle möglichen Gegenstände Richtung Kneipe, die
Tische und Bänke flogen durch die Luft, wurden teilweise auch demoliert, Flaschen
flogen, ich hab auch zwei blutüberströmte Hooligans gesehen, also das war ein
richtiger Überfall auf diese Kneipe.
Atmo 6: Laufen, Schreie
O-Ton Fan von Werder Bremen:
Dieses Verdener Eck ist eine bekannte Kneipe, wo sich rechte Nazis treffen vor dem
Spiel. Und es hat auch bei den Nazifans, bei den Hooligans, ich nenne sie aber
Nazifans, weil es einfach auch Nazifans sind, hat es sogar Mutproben gegeben, wie
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Überfälle auf den Ostkurvensaal, auf das Fanprojekt, wo Fußball geguckt wird. Und
da sind dann Menschen krankenhausreif geschlagen worden.
Sprecher:
Ein Fan, der ebenfalls Anwohner ist. Die Gaststätte ist gleich in der Nähe des
Weserstadions. Zu Heimspielen treffen sich Hooligans von Werder Bremen dort. Die
meisten von ihnen haben seit einiger Zeit Stadionverbot. Unter ihnen ist auch
Hannes Ostendorf, Sänger der rechten Musikgruppe „Categorie C“. Die Band war
eng mit dem im Jahr 2000 verbotenen Neonazi-Netzwerk „Blood & Honours“
verbunden, das damals Verbindungen zum Nationalsozialistischen Untergrund NSU
hatte. Ostendorf wurde vor 25 Jahren wegen eines Brandanschlags auf eine
Flüchtlingsunterkunft zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Als vor dem Spiel einige
Ultras an der Kneipe vorbeiziehen, attackieren die Hooligans sie. Die späteren
Kämpfe waren mithin ein Rückspiel, wie die Polizei es nennt.
O-Ton Fan von Werder Bremen:
Die Polizei hat leider einen Fehler gemacht, // sie hat die Ultras ausgerechnet die
Straße runtergetrieben, // genau vor die Kneipe, und das war natürlich schlecht, und
vor der Kneipe ist es dann eskaliert, // aber es geht natürlich zu weit, mit
Blumenkübeln auf am Boden liegende Menschen, denn in erster Linie sind auch
Nazis Menschen, wenn auch Verirrte und vom Verhalten her nicht zu Akzeptierende,
// da kann man nicht mit Blumenkübeln draufrumschmeißen.
Sprecher:
Auch Hannes Ostendorf gehört zu den Verletzten. Über Facebook schwört man
Rache. Die Hooligans von Werder Bremen fühlen sich ohnehin im Hintertreffen.
O-Ton Fan von Werder Bremen:
Der Frust der Nazis ist groß, dass ihr Einfluss im Stadion gleich null ist. Und die //
versuchen sich immer, wenn es Vorfälle politischer Art gegeben hat, // Anschläge
oder rechte Übergriffe, dann versuchen die Nazis sich sozusagen Stadionhoheit
zurückzuholen, und das auf brutale Art und Weise, aber es gelingt nicht.
Atmo 8: Aachener Hooligans mit Hasstiraden gegen Ultras
Sprecher:
Doch oft gelingt es eben doch. Dann dominieren rechte Hooligans und vertreiben
linke Ultras aus den Fußballstadien. Vor allem auch, weil der jeweilige Verein es
versäumt sich zu positionieren.
O-Ton Pavel Brunßen:
In Aachen war die Entwicklung eine völlig andere, auch eine etablierte rechte
Hooligan-Kultur, eine etablierte rechtsoffene Fankultur, die dort mit den AachenUltras eine Gruppe gefunden hat, die ihr widersprochen hat –
Sprecher:
Pavel Brunßen. Herausgeber des Online-Fußballmagazins „Transparent“ und
Mitautor des Buches „Zurück am Tatort Stadion“. Der Mann kennt sich aus. Früher
war er selbst ein Ultra.
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Der Verein Alemannia Aachen, mittlerweile in der 4. Liga, hat die
Auseinandersetzungen in der Stadionkurve weitestgehend ignoriert. Bei einem Spiel
geht die Polizei gegen die Aachen Ultras vor. Die nehmen unter dem Jubel der
Hooligans ihre Banner vom Metallzaun, eines davon trägt die Aufschrift „Unpolitisch
gibt es nicht“.
O-Ton Pavel Brunßen:
Das hat dazu geführt, dass eben diese rechten Hooliganstrukturen gemeinsam mit
rechtsoffenen Ultras und Leuten aus der Neonaziszene, // die eben versucht haben,
diese antidiskriminierende Politik mit Gewalt zu unterdrücken; und die Aachen-Ultras
allein gelassen von Verein, Fanprojekt, Polizei, Stadt und so weiter und so fort, völlig
auf sich allein gestellt, und dieser ständigen Gewaltbedrohung ausgesetzt, haben
sich dann Anfang 2011 aus dem Stadion zurückgezogen und sind bis heute auch
nicht zurückgekehrt.
Sprecher:
Teilweise gab es Hausbesuche der Rechten bei einzelnen Mitgliedern der AachenUltras. Äußern will sich niemand. Ohnehin sind sowohl Ultras als auch Hooligans
sehr misstrauisch gegenüber der Öffentlichkeit. Es gehört zum Kodex, die Medien zu
meiden. Das Fanprojekt und die Fanbeauftragten scheinen an einer Klärung dieses
Konflikts nicht interessiert. Man fürchtet um das Ansehen des Vereins. Auch der MSV
Duisburg hat es zugelassen, dass Ultras sich nicht mehr ins Stadion trauen, und bei
Eintracht Braunschweig hat der Verein selbst dafür gesorgt, dass die linken Ultras
verbannt wurden.
O-Ton Pavel Brunßen:
Hier kam es auch vor // wenigen Jahren zu einem Angriff auf die Ultras
Braunschweig //, eine Gruppe, die // gegen rechtsoffene Gruppierungen in der
Fanszene Stellung bezieht, // und dort anders als bei Alemannia Aachen hatte der
Verein in Braunschweig // sofort Stellung bezogen, hat allerdings so reagiert, dass er
dann nicht die angreifenden Gruppen sanktioniert hat, sondern die angegriffene
Gruppe, die Ultras Braunschweig, Sebastian Ebel, der Präsident, // hat damals im
ZDF gesagt, wir haben die Gruppe bestraft, die provoziert hat, eben der Ausschluss
dieser Gruppierung aus dem Stadion, und weil sie mit ihrem Antirassismus provoziert
habe.
Sprecher:
Der Präsident des Verfassungsschutzes, Hans Georg Maaßen, hält die
Hooliganszene nach wie vor nicht für ein Beobachtungsobjekt. Er glaubt, es lediglich
mit Leuten zu tun zu haben, „die nur Bier trinken und sich prügeln“. Er hält sie zum
größten Teil für "politisch indifferent".
O-Ton Pavel Brunßen:
Es gibt // von der staatlichen Seite ne starke Unterscheidung zwischen
Hooliganszene und rechtsextremer Szene, die so einfach nicht standhält, sondern es
gibt sehr starke eben persönliche Überschneidungen zwischen diesen beiden
Milieus, doch nicht nur persönliche Überschneidungen sind sehr intensiv zu
beobachten, sondern es sind auch Wertvorstellungen, welche diese beiden Szenen
miteinander vereinen, also Werte von Macht, Dominanz, Stärke, Überlegenheit, das
Recht des Stärkeren, ein Hass auf Linke und so weiter und so fort, // aus etlichen
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Hooligan-Gruppierungen haben sich da mit Neonazis offen auf der Straße verbündet,
etwas // was bei Länderspielen seit Jahren zu beobachten ist, // diese Mär vom
unpolitischen Hooligan kann als auserzählt eigentlich betrachtet werden. Fußball ist
nicht unpolitisch, Hooligans sind es auch nicht.
Atmo 9, Archiv: „Deutschland-Sprechchöre“ im Stadion
Sprecher:
Schon 1986 tauchten Hooligans mit Reichskriegsflaggen bei einem Länderspiel auf.
Aber auch in jüngerer Zeit äußern sich Fans offen rechtsradikal. Bei der
Europameisterschaft in der Ukraine 2012 zeigt ein Fan auf seiner Jacke die Zahl 88,
die Initialen für Adolf Hitler. Antisemitische Lieder werden gesungen, ebenso
antitürkische.
Auch beim Public Viewing äußert sich die rechte Szene unverblümt fremdenfeindlich.
Nationalspieler mit Migrationshintergrund wie Mezut Özil und Jerome Boateng
werden zur Zielscheibe. Die rechten Fans fordern eine rein weiße
Fußballmannschaft. Den Gewinn der Weltmeisterschaft 2014 aber bejubeln sie, als
Endsieg.
Der Fußballsport ist für Nazis ein Forum, auf dem sich weidlich spielen lässt.
O-Ton Pavel Brunßen:
Es gibt aus den 80er Jahren von Michael Kühnen einen Aufruf, // ein ehemaliger
damals führender Neonazi in Deutschland, wo er zum Kampf um die Stadionkurven //
aufgerufen hat, und eben dorthin zu gehen, um rechten politischen Nachwuchs zu
rekrutieren, // aber so ne stumpfe Instrumentalisierung mit Hooligans lässt sich da
auch nicht machen. Ganz so einfach ist es dann nicht.
O-Ton Tommy Frenck:
Ja, Jugendliche sind immer vorhanden, also egal bei welcher Kundgebung da,
Veranstaltungen da sind eigentlich immer von, ich sag mal, Babyalter an bis 70, 80jährige aufwärts alles vorhanden.
Sprecher:
Tommy Frenck, ein untersetzter, breitschultriger junger Mann. Er betritt gerade den
Kreistag von Hildburghausen, eine Kleinstadt im Süden von Thüringen. Frenck hat
dort einen Sitz für das „Bündnis Zukunft Hildburghausen“. Früher war er Deutscher
Jugendmeister im Gewichtheben, Tätowierungen führen den Hals hinauf. Der Mann
gilt als einer der umtriebigsten von ganz rechts außen. Gelegentlich tragen er und
seine Gesinnungsgenossen nationale Fußballturniere aus.
Atmo 10: Fußballtraining, Rufe, Bälle werden geschossen
O-Ton Tommy Frenck:
Ja, das machen wir immer noch. // Natürlich. // Es gibt immer noch öffentliche
Fußballplätze, die man natürlich immer benutzen kann, und da gehen wir natürlich
auch drauf.
Sprecher:
Zu diesem Zweck gründete der heute 29-jährige Frenck 2007 den Verein SG
Germania Hildburghausen. Der damalige Thüringer NPD-Funktionär Kai-Uwe
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Trinkaus brüstet sich damit, an der Gründung von mehr als 20 nationalen Vereinen
mitgewirkt zu haben.
Beobachter der Szene bestätigen, dass im Osten fast alle bedeutenden
Neonazigruppierungen aus dem Fußball-Bereich stammen.
Frenck jedenfalls lässt stramm deutsch spielen.
O-Ton Tommy Frenck:
Das Problem ist immer, wenn man viel über einen längeren Zeitraum vorher bekannt
gibt, kommen immer irgendwelche ehemaligen SED-Kader auf die Idee und
versuchen da einem Steine in den Weg zu legen, ja.
O-Ton Steffen Harzer, Landtagsabgeordneter „die Linke“:
Haben sie illegaler Weise, haben sie ein Fußballturnier auf nem Platz der Stadt
ausgerichtet, und das war nicht angemeldet, der Platz war nicht gemietet offiziell und
da bin ich dann mal hingefahren.
Sprecher:
Steffen Harzer, Landtagsabgeordneter der Partei „die Linke“, 2008 noch
Bürgermeister von Hildburghausen.
O-Ton Steffen Harzer, Landtagsabgeordneter „die Linke“:
Mit zwei Polizisten bin ich da hin, und da gab`s dann Aufruhr, ich hab gesagt, das
hier ist beendet, das wollten sie dann nicht, einer der Freunde von dem Herrn wollte
mir dann beide Beine brechen, ist mir ins Kreuz gehüpft, zum Glück bin ich etwas
größer und korpulenter, nicht so leicht zu fällen, sonst wär ich wahrscheinlich im
Krankenhaus gelandet –
O-Ton: Tommy Frenck:
Mit dem haben wir gar nix gemacht. // Das sind da irgendwelche
Phantasiegeschichten, ich weiß ja nicht, was da irgendwo dran sein soll, aber man
kann sich viel einbilden.
O-Ton Steffen Harzer, Landtagsabgeordneter „die Linke“:
Zum Glück hatte ich auch die Polizisten mit dabei. Die dann da auch eingegriffen
haben, und das ist dann auch vorzeitig beendet worden, das Turnier. Die haben ihr
Fußballspiel gemacht, aber abends ihre Party, die sie noch machen wollten, haben
sie dann nicht mehr machen können.
Atmo 9, Archiv: „Deutschland-Sprechchöre“ im Stadion
Sprecher:
Monate später kommt es zu einem erneuten Zwischenfall. Sommer 2008. Die
Fußballeuropameisterschaft in Österreich und der Schweiz hat begonnen. Viele
Menschen sitzen beim Public Viewing zusammen.
O-Ton Steffen Harzer, die Linke“:
An dem Abend, wo das Spiel Deutschland Türkei war, was wir knapp gewonnen
haben, ist ein Autokorso durch die Stadt, und dann auf einmal hat das bei mir
gehalten, // und haben dann Fahnen, diese schwarz-weiß-roten Fahnen haben sie
hier geschwunken, und Heil Hitler und so zu meinem Haus gemacht, und dann kam
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Tommy Frenck an und hat dann geäußert: „Dein Haus wird brennen.“ Die Polizei
gerufen, die haben dann auch ihn wohl über Nacht festgesetzt, // und es gab dann
auch ne Gerichtsverhandlung im Zuge dieser Geschichte.
Atmo ausblenden
Sprecher:
Tommy Frenck wohnte lange Jahre am Marktplatz in Hildburghausen. Dort ließ er die
Reichskriegsflagge aus dem Fenster wehen. Nun hat er in Kloster Veßra, einem
kleinen Ort nahebei, den Gasthof „Goldener Löwe“ gekauft. Hier kann er sich
beinahe ungestört entfalten. Er ist Koch von Beruf. Manchmal richtet er Wettbewerbe
im Scharfessen aus und wirbt auf Facebook mit Catchup-Flaschen, die ein Etikett mit
dem Aufdruck Brandstifter tragen.
Musik 2: Categorie C
O-Ton Tommy Frenck:
Ich weiß schon, was Sie meinen, aber das hat das eine mit dem anderen nichts zu
tun. Das sind so Zweideutigkeiten, die kann man dann natürlich jemandem in den
Mund legen, aber muss man natürlich nicht machen. // (00:40) Diese ganzen
Chilisaucen die haben ja alles spektakuläre Namen, wie der Bomb oder die schwarze
Witwe oder wie auch immer, und das war eine von den Saucen, die wir da am
Anfang ausgeschenkt haben.
Sprecher:
Zum Aufheizen lädt Tommy Frenck gelegentlich „Categorie C“ ein, die Band, dessen
Frontmann Hannes Ostendorf, seines Zeichens Hooligan von Werder Bremen,
wegen eines Brandanschlages auf ein Flüchtlingsheim verurteilt wurde.
O-Ton Tommy Frenck:
Was soll da rassistisch sein? // Ich finde, das ne ganz normale Musikrichtung, und da
kommen natürlich Leute, die diesen Musikgeschmack gut finden.
Sprecher:
Hooligans, aber auch gesetzter aussehende Damen und Herren, die als Mittelstand
durchgehen könnten, kommen aus dem gesamten Bundesgebiet. Die rechte Szene
gibt heutzutage gern ein seriöses Bild ab.
O-Ton Steffen Harzer, Landtagsabgeordneter „die Linke“:
Der sammelt um sich halt, versucht Menschen zu sammeln, auch Jugendliche zu
sammeln, um die mit seiner kruden Ideologie, rassistischen, faschistischen Ideologie
zu beeinflussen, das ist ihm eine Weile ganz gut gelungen, dann konnten wir so
schrittweise einen Riegel vorschieben, aber jetzt mit der Gaststätte ist es natürlich
wieder schwierig.
Sprecher:
Frenck ist ein Paradebeispiel, wie man über den Fußballsport rechtes Gedankengut
einfließen lassen kann.
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O-Ton Steffen Harzer, Landtagsabgeordneter „die Linke“:
Sie verfolgen ja ein Ziel, sie wollen ja diese demokratische Grundordnung der
Bundesrepublik abschaffen, und wollen wieder ein Reich errichten wie von 33 bis 45,
wo sie das Sagen haben und Andersdenkende verfolgt werden. Das ist ja nun ne
eindeutige Geschichte, die Ideologie die dahinter steht, und das ist ja auch Politik.
Und wie die nun zum Ausdruck kommt, und indem man Fußball spielt, damit sein
Sache verbreitet oder Demos macht oder Gerüchte verbreitet // oder über das
Betreiben einer Gaststätte, der Sachen sind ja viele, aber es ist ja immer ein
politischer Ansatz, der dort gemacht wird, auch wenn er uns nicht gefällt.
O-Ton Tommy Frenck als Sprecher bei der Sügida:
Unsere Kinder dürfen jetzt von Kopftuchlehrern ehm ja unterrichtet werden. Sauerei,
oder? Buhrufe Wollen wir Kopftuchlehrer an unseren Schulen? Nein Das denke ich
doch auch. Jetzt hat kurz nachdem das bekannt wurde, der Ministerpräsident von
Thüringen, Bodo Ramelow von der Mauer-Mörder-Partei SED Zuschauer ruft: Arschloch!
Sprecher:
Tommy Frenck hetzt bei einer Sügida-Veranstaltung im südthüringischen Suhl. Er ist
dort regelmäßig einer der Wortführer. Unter ihm stehen besorgte Bürger, Mitglieder
freier Kameradschaften und der NPD sowie Hooligans, und die gerne auch als
Ordner.
O-Ton Tommy Frenck als Sprecher bei der Sügida:
Seid ihr der Meinung, dass der Islam zu Thüringen gehört?
Zuschauer rufen: Nein!
Das war zu leise, das hat Herr Ramelow nicht gehört. Gehört der Islam zu
Thüringen?
Zuschauer rufen: Nein! //
Das denke ich doch auch. //
Es gibt Aussagen, man hörte uns bis zum Himmelreich schon hoch.
Zuschauer im Chor: Wir kommen wieder, wir kommen wieder! // Jubel
Atmo 11: Fußballspiel der Kreisliga, Rufe, Bälle werden geschossen
O-Ton albanischer Fußballspieler:
Wir haben eins null geführt durch einen Strafstoß, und hatten wir dann ne Ecke
bekommen, und dann hab ich auf einmal gesehen, dass ich angegriffen wurde, // und
ich dachte, ich seh nicht richtig, dass ein gegnerischer Spieler mich dann angreift,
und dann anschließend hat er mich umgerempelt, hat er mich dann natürlich auch ins
Gesicht angespuckt
Atmo: die Rufe werden erregter, die Situation eskaliert
Sprecher:
Kreisklasse. Der SG Blau-Weiß Niegripp spielt gegen den FC Ostelbien Dornburg.
Dessen Spieler gehören in großer Mehrheit der rechten Szene an. Sie haben sich
einen Spieler mit Migrationshintergrund, einen Albaner als Opfer ausgesucht,
während ihre Fans lässig an der Metallabsperrung lehnen und auf Action warten.
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O-Ton albanischer Fußballspieler:
Und bin zu dem Schiedsrichter gegangen, hab den Vorfall geschildert, und der
Schiedsrichter natürlich ist er irgendwie in Angstzustände geraten und wollte mir ne
gelbe Karte geben, was ich überhaupt nicht verstanden habe. // Und dann haben die
auch weiterhin gefoult, // dann hat mein Trainer kurze Zeit später mich aus dem
Spielfeld rausgenommen, weil er natürlich auch Angst hatte, dass mir was
Schlimmeres passiert.
Sprecher:
Die Spieler des FC Ostelbien Dornburg sind im Jerichower Land in Sachsen-Anhalt
gefürchtet. Vorfälle wie diese sind keine Ausnahme. Schiedsrichter wagen nicht
einzugreifen. Andere Vereine weigern sich, zu Partien gegen Ostelbien Dornburg
anzutreten. Den Albaner werde man im Auge behalten, so die Drohung der
ostelbischen Hooligan-Kicker.
O-Ton albanischer Fußballspieler:
Ich hatte derzeit die Nummer sieben gehabt, und dann haben die gesagt, merkt euch
den, die Nummer sieben, merkt euch sein Gesicht, der wird schon seine Strafe
sozusagen oder seine Rechnung bekommen.
Sprecher:
Spiel- und Wortführer von Ostelbien Dornburg ist Dennis Wesemann. Im Heimatort
Stresow ist er ein geachteter Mann. Bei kleineren Festen spendiert er schon mal die
Bratwürste. Der Ortsvorsteher buckelt, und wenn ein Kamerateam auftaucht, geht
Wesemann in den Kampfmodus. Die Polizei geleitet die Journalisten an den
Ortsausgang. Wesemann vertreibt Devotionalien der rechten Szene im Internet.
Gelegentlich soll er gemeinsam mit der Hooligangruppe „Blue White Street Elite“ in
Schlägereien verwickelt gewesen sein, auch gerne schon mal gleich nach einem
Spiel.
Atmo 12: Fußballspiel der Kreisliga, Rufe, Bälle werden geschossen,
Schlägerei am Rande des Spielfeldes
Sprecher:
Wesemann wurde gefährliche Körperverletzung vorgeworfen sowie
Landfriedensbruch und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger
Organisationen. Bestraft wurde er allerdings nicht, da sich niemand fand, der vor
Gericht gegen ihn aussagen wollte.
O-Ton albanischer Fußballspieler:
Und dann habe ich schon am Montag gesehen, dass es sehr sehr weh tut, das war
hier so in meine Oberschenkel, Kniehöhe, und habe ich dann wirklich tatsächlich
gesehen, dass es ein abgedrucktes Fußballschuhe war. // Okay, ich kann`s auch
verstehen, dass Fußball kein Ballett ist, aber dass man halt so krass rangeht, das
kann ich nicht verstehen, // sowas kann ich überhaupt nicht nachvollziehen.
Sprecher:
Schwer nachvollziehbar ist auch, dass der Fußball-Verband lange Jahre nicht
eingreift, obwohl Schiedsrichter sich weigerten, Partien des Vereins zu pfeifen. So
erklärte der Präsident des sachsen-anhaltinischen Fußballverbandes Erwin Bugar:
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Zitator:
„Bei Spielen mit Beteiligung des FC Dornburg sind uns bisher keine Vorkommnisse
mit rassistischem oder rechtsextremistischem Hintergrund bekannt geworden.“
Sprecher:
Rechte Strukturen in den unteren Ligen sind keine Ausnahme. In MecklenburgVorpommern fungiert Sven Rau als Vorsitzender des Vereins Blau-Weiß Tutow.
Gleichzeitig war er Vorstandsmitglied der Kreissportjugend Demmin und als
Schiedsrichter tätig. Ebenso organisierte er ein Konzert der Band „Categorie C“. Der
SC Osterbek bei Hamburg meldete wegen mutmaßlicher rechtsradikaler
Vorkommnisse seine 3. Herren-Mannschaft vom Spielbetrieb ab.
O-Ton albanischer Fußballspieler:
Dass immer noch solche Leute gibt, und die wirklich nicht in der Realität leben,
sondern wirklich immer noch sehr sehr sehr lange zurückgeblieben sind oder
hängengeblieben sind. Man muss doch nach vorne schauen, man muss wirklich
Realität mal schauen, wo die sich gerade befinden.
Sprecher:
Mittlerweile ist der FC Ostelbien Dornbusch vom Spielbetrieb ausgeschlossen
worden. Der Verband reagierte erst auf anhaltenden Druck der Medien. Der
albanische Fußballer, als Angestellter in der Versicherungsbranche tätig, versteht die
Gemütslage der Rechten nicht so ganz.
O-Ton albanischer Fußballspieler:
Die haben wirklich nichts anderes im Kopf außer prügeln prügeln prügeln. Die
denken überhaupt nicht an ihre Zukunft, die denken, ich sag mal so, die haben auch
nichts zu verlieren. Was sollten sie denn verlieren? Nichts. Die bekommen doch von
Vater Staat das Geld, Wohnung wird doch alles bezahlt, alles drum und dran. Was
sollen sie denn verlieren?
Sprecher:
Es gibt nicht wenige Hooligans, die führen im Alltag ein geregeltes Berufs- und
Familienleben. Auch leitende Angestellte und Immobilienmakler seien unter ihnen,
verrät ein Hooligan von Fortuna Düsseldorf. Und längst nicht alle gehören der
rechten Szene an, manchmal sind die Grenzen fließend.
Atmo 13: Fußballtraining, erregte Rufe unter den Zuschauern
O-Ton Alon Meyer:
Nach dem Spiel in der Umkleidekabine, dann lief ‘s schon sehr laut, aber wir haben
uns zurückgehalten, nicht geantwortet, haben uns nicht reizen lassen, sind dann zu
den Autos gegangen, und dann an den Autos wurden wir dann erwartet und auch mit
einem Messer erwartet von mehreren gegnerischen Spielern, und dann kam`s zum
tätlichen Übergriff, Polizei kam dann auch, Krankenwagen kam dann auch, beide
Spieler wurden dann ins Krankenhaus gebracht, der Attentäter und das Opfer -
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Sprecher:
Alon Meyer, Vorsitzender des jüdischen Vereins Makkabi Frankfurt. Die Jugend
trainiert soeben auf einem Gelände im Norden der Stadt. Alon Meyer hat in seiner
Karriere als Spieler und Funktionär viele Übergriffe von Spielern und Zuschauern auf
sein Team erlebt.
O-Ton Alon Meyer:
Das passiert dann meistens von außen, dass meistens die Zuschauer, die sich in der
Anonymität verstecken, // wenn Sie draußen niemanden kennen, der was gerufen
hat, den kennen Sie nicht, und der versteckt sich dann. // (06:00) Die Übergriffe,
wenn man sie erst mal einteilt, nicht nur aus dem rechten Lager, sondern auch aus
dem muslimischen Raum, vor allem unterklassig, // je tiefer Sie gehen mit der Klasse,
desto öfters passieren diese Vorfälle.
Sprecher:
Die erste Mannschaft von Makkabi Frankfurt spielt in der Kreisoberliga. Oft gegen
türkische und arabische Vereine. Vor allem, wenn die Lage in den
Palästinensergebieten mal wieder eskaliert, eskaliert sie auch auf und neben dem
Platz, durch Fans mit faschistoidem Gedankengut. Für Alon Meyer sind das
muslimische Hooligans.
O-Ton Alon Meyer:
Ganz sicher gibt`s die, in einer ganzen Anzahl, und wie so oft bei Hooligans
allgemein, da steht der Sport eigentlich im Hintergrund, das was auf dem Spielfeld
passiert, ist uninteressant, man will seine persönlichen Aggressionen, die in einem
aufgestaut sind, dann freien Lauf lassen, und man denkt, dass man auf dem
Fußballplatz vielleicht in der Anonymität der großen Truppe, der Zuschauer sich
verstecken kann, um dort den Aggressionen freien Lauf zu lassen und seinen Unmut
dann nach außen hin auch wirklich deutlich zu machen.
Sprecher:
Dann glaubt der Gegner samt Anhang, man spiele gegen den Staat Israel.
O-Ton Alon Meyer:
Dann kommen schon die ersten Ausrufe mit „Wir hätten den Schiedsrichter gekauft,
wir hätten ihn bestochen, wir haben ja das Geld“, dann kommen die antisemitischen
Vorurteile, die es gibt, die judenfeindlichen, // (09:04) oder „Juden, euch hat man
vergessen zu vergasen, oder wenn`s Hitler noch geben würde, gäb`s euch nicht
mehr“
Sprecher:
Zu Saisonbeginn studiert Alon Meyer den Spielplan und überlegt, zu welcher Partie
man besser Polizeischutz anfordert oder einen privaten Sicherheitsdienst. Aber nicht
nur der Verein ist einer permanenten Bedrohung ausgesetzt, auch die Schiedsrichter
stehen unter Druck. Viele haben einfach Angst.
O-Ton Alon Meyer:
Jaa, ja, jaa, und da bin ich einfach menschlich genug zu sagen: Ich versteh die
Schiedsrichter, wissen Sie, Sie kommen da teilweise als 18-, als 20, als 22-Jähriger,
// der Schiedsrichter kommt dann dorthin, und sieht dann eine Mauer an Gewalt, die
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auf ihn wartet. Wissen Sie, der hat Angst, der hat Angst um Leib und Seele und pfeift
vielleicht etwas, was er nicht unbedingt will, // das ist traurig, dass es sowas gibt, //
wir müssen schauen, dass wir dem einen Riegel vorschieben.
Atmo 9, Archiv: „Deutschland-Sprechchöre“ im Stadion
Sprecher:
Beim Fußball identifizieren sich sowohl Spieler als auch Zuschauer über ein „Wir
gegen die anderen“. Da finden auch Vorurteile leicht ihren Weg aus der Gesellschaft
in den Sport und in die Stadionkurven. Kaum ein anderer Spieler weiß das aus
leidvollerer Erfahrung als Gerald Asamoah, der 1990 als Junge mit seinen Eltern aus
Ghana einwanderte. Die Öffentlichkeit konnte 1997 live am Fernseher verfolgen, wie
der Spieler fortlaufend diskriminiert wurde.
Atmo 14: Stadion, Zuschauer pfeifen: einen Moment freistehen lassen,
folgend weiter unterlegen:
O-Ton Gerald Asamoah:
Damals war ich 18, und Cottbus war halt ein Spiel, eine meiner ersten Spiele, wo ich
jetzt sehr negativ Fanausschreitungen entgegen bekommen habe –
Sprecher:
Gerald Asamoah spielte damals für Hannover 96 auswärts die Relegation gegen
Energie Cottbus.
O-Ton Gerald Asamoah:
Das ganze Stadion halt, du hast einfach diese negative Stimmung gemerkt, es ging
ja um den Aufstieg in die 2. Liga, // und ich meine, wenn ein Spieler mit Bananen
beschmissen wird, und wie die von gewissen Gegenspielern auch beleidigt werden,
dann ist halt, // schon ne harte Situation für mich.
Sprecher:
Gerald Asamoah musste seit seinem 12. Lebensjahr mit solchen Attacken
umzugehen lernen.
O-Ton Gerald Asamoah:
Als Junge wurdest du immer beschimpft, // dass du dann auf dem Platz meistens von
gewissen gegnerischen Fans halt meistens beleidigt wurdest. // Das war immer leider
schade.
Sprecher:
Rassistische Anfeindungen gegen dunkelhäutige Spieler sind gang und gäbe,
europaweit. Kevin Prince Boateng verließ bei einem Freundschaftsspiel für den AC
Mailand kurzerhand den Platz. Seine Mannschaftskameraden folgten ihm. Er erhielt
dafür Lob und Anerkennung. Gerald Asamoah schaffte es 2001 bis in die
Nationalmannschaft, und schon wurden rechte Stimmen laut, man wolle eine „reine“
Mannschaft, ausschließlich mit deutschen Spielern. Seitdem engagiert sich Asamoah
gegen Rassismus im Sport.
Atmo 15: Fußballfanrufe: „auf die Fresse, auf die Fresse!“
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O-Ton Gerald Asamoah:
Es ist einfach ne Situation, wo du dich einfach alleine fühlst. Du fragst dich einfach,
warum? Warum ausgerechnet ich? Warum werde ich ausgepfiffen oder warum so
beleidigt? Aber wie gesagt: // Wenn du halt in diesem Sport bist, dann musst du
versuchen, damit umzugehen.
Atmo 16: Schreie, Laufen, Pyrotechnik,: eine Frau ruft: Ich hab Angst
O-Ton Hannes Merz:
Also während es // am ersten Abend ne Mischung zwischen Nazis und sozusagen
Bürgern der Stadt war, gingen die Krawalle am zweiten Abend ganz deutlich von ner
Gruppe von ungefähr 5, 600 Mann aus, die hauptsächlich wirklich organisierte Nazis
waren, also autonome Nationalisten und auch Hooligans aus dem Umfeld von
Fußballvereinen hier aus der Region.
Sprecher:
Hannes Merz vor der Flüchtlingsunterkunft im sächsischen Heidenau.
O-Ton Hannes Merz:
Aus dem Umfeld von Dynamo Dresden, es gab Leute, also einzelne, wohl aus dem
Umfeld aus Cottbus, also Hooligangruppe Inferno Cottbus und wohl auch noch
einzelne Leute aus Leipzig, vor allem aus dem Umfeld von Lok Leipzig.
Atmo 17: Laufen, Schreie
Atmo 18: Industriegeräusche
Sprecher:
Die Flüchtlingsunterkunft von Heidenau ist in einem Gewerbegebiet angesiedelt. Ein
Bauzaun umfasst das Gelände. Plastikplanen dienen als Sichtschutz. Der schmale
Eingang wird von Sicherheitspersonal kontrolliert. Vor dem Zaun stehen einige
Flüchtlinge in kleinen Gruppen und unterhalten sich. Hinter ihnen summen die
Maschinen eines Industriebetriebes.
Hannes Merz ist vom Bündnis 90/die Grünen. Er stellte sich mit vielen anderen dem
Mob entgegen, nachdem die örtliche NPD eine Demonstration angemeldet hatte.
O-Ton Hannes Merz:
Es kamen auch über den Abend verteilt immer wieder Leute aus der Stadt, also
normale Bürger dazu, auch komplett mit Kind und Kegel, und stellten sich dann zu
den Nazis dazu.
Atmo 16: Schreie, Laufen, Pyrotechnik
Sprecher:
Als aber sehr bald rechte Hooligans auftauchten und sich im angrenzenden
Supermarkt mit Bier versorgten, eskalierte die Situation.
O-Ton Hannes Merz:
Und dann sozusagen wie auf einen Schlag um 23 Uhr begann der Angriff auf die
Polizei, mit Feuerwerkskörpern, Steinen, Flaschen, und wie gesagt, das war
irgendwie wie so`n Knopfdruck, die rannten auf einmal los und griffen die Polizei an.
15
Sprecher:
Die Hooliganszene wird nicht nur gezielt von Neonazis infiltriert, ebenso von der so
genannten bürgerlichen Rechten. Pegida benutzt die Hooligans als ihr Fußvolk, das
als Ordner bei eigenen Veranstaltungen auftritt und gelegentlich auch zutritt.
Atmo 15: Fußballfanrufe: „auf die Fresse, auf die Fresse!“
O-Ton Hannes Merz:
Also wir hatten ja hier in Dresden den Vorfall der Hooligans Elbflorenz, die 2008 nach
dem verlorenen EM-Halbfinale in Dresden mehrere Dönerläden angegriffen haben,
die ja jetzt vor kurzem auch als kriminelle Vereinigung verboten wurden, wo`s auch
zwei Leute gab, die direkt Verbindungen zur NPD hatten, und so ist das hier überall.
Also das ist wirklich ein Netzwerk, was untereinander verknüpft ist.
Sprecher:
Meistens schauen erstmal alle weg. Die Fußballvereine, der Verfassungsschutz,
Polizei und Politik.
O-Ton Hannes Merz:
Natürlich gibt`s schon seit Jahren, faktisch seit 1990, aber auch eigentlich davor im
Umfeld von Dynamo Dresden in der Fanszene größere rechte Gruppen. Die hat der
Verein einfach ne Zeitlang ignoriert, totgeschwiegen, zeitweise waren das auch mal
richtig offizielle Fanclubs von Dynamo Dresden, mittlerweile seit ein paar Jahren
macht der Verein was, aber die Strukturen sind natürlich noch da.
Atmo 19: Kundgebung pro Deutschland-Bewegung, Hooligans rufen:
„Lügenpresse“
Sprecher:
Szenenwechsel, September 2015: In Wuppertal hat die Pro-Deutschland-Bewegung
zu einer Demonstration gegen die Willkommenskultur der Bundesregierung
aufgerufen. Etwa 30 Personen nehmen daran teil. Überschaubar das Ganze. Aber
genau bei dieser Kundgebung tut sich die direkte Verbindung zwischen der Rechten,
die sich als bürgerlich bezeichnet, und den Hooligans kund, live gewissermaßen.
O-Ton Markus Stranzenbach:
Wir demonstrieren heute gegen den massenhaften Asylmissbrauch, ohne das
Asylrecht als solches in Frage zu stellen. Was fälschlicherweise oft kolportiert wird.
Sprecher:
Markus Stranzenbach. Er ist einer der Wortführer der Bewegung und gleichzeitg
Kandidat für die Wahl zum Oberbürgermeister. Als Nazi mag er sich nicht
bezeichnen, auch wenn in seinem Umfeld einige Demonstranten sind, die eine NPDVergangenheit haben und markige Reden schwingen.
O-Ton Markus Stranzenbach:
Nein, das ist vollkommener Blödsinn, dass ich en Nazi bin. Ich sehe mich überhaupt
nicht auf einer Stufe mit Nazis, also das ist vollkommen absurd, meiner Meinung
nach.
16
Autor:
Was ist mit Gewalt?
Was soll mit Gewalt denn sein? Ne ziemliche Suggestivfrage, sag ich mal. Also
welche Art von Gewalt, körperlich, verbal? // Da bin ich natürlich strikt gegen, bringt
ja auch nichts. Ist doch vollkommener Blödsinn. Die Gewalt geht ja auch nicht von
uns aus. Wir schmeißen keine Steine, keine Flaschen, keine Gipseier.
Sprecher:
Dann aber demaskiert sich die Versammlung. Etwas abseits stehen einige
kahlköpfige Hooligans. Anscheinend sind sie nicht richtig instruiert.
O-Ton Beifall, Rufe der Hooligans:
„Deutschland den Deutschen, Ausländer raus, Deutschland den Deutschen,
Ausländer raus“
Ein „bürgerlicher Rechter“ ruft dazwischen: „Mit solchen Parolen habt ihr hier nix
verloren, das ist eine Bürgerversammlung.
Redner: Meine Damen und Herren: Extremisten jeder Couleur haben bei uns nichts
verloren, wir sind und bleiben nur in einem Punkt radikal.
Sprecher:
Einer der Teilnehmer beschwert sich bei der Polizei über die Hooligans. Von denen
aber drängt einer gegen die Polizeiabsperrung, um dort auf ein paar Autonome
loszugehen. Nur mit Mühe kann er zurückgehalten werden.
Beim anschließenden Zug durch die Straßen laufen die Hooligans im Schlepptau mit.
Die Rechte braucht sie, als Mitläufer, ohne sie wäre die Bewegung kaum vorhanden.
Atmo 3 Im Nahverkehrszug
Sprecher:
Auch die Hogesa – Hooligans gegen Salafisten - hat zu einer Demonstration
aufgerufen. Vier junge Männer sitzen in der S-Bahn von Wuppertal nach Essen. Zwei
von ihnen tragen unter den Jacken T-Shirts von Thor Steinar mit Runenschrift.
Hooligans bevorzugen diese Marke. Aus einem Handy spielt Musik der Gruppe
„Landser“, die im Jahr 2003 zur kriminellen Vereinigung erklärt wurde. Man bringt
sich mit Bier in Stimmung. Die Atmosphäre ist latent aggressiv. Man schaut sich
ständig um, zusteigende Fahrgäste werden kommentiert, homophobe und
ausländerfeindliche Sprüche fallen. Es ist die jüngere Generation gewaltbereiter
Hooligans. Ständig hat man das Gefühl, die Situation könnte eskalieren.
O-Ton Dominik Röseler:
Wir sind wieder da! Jubel. // Wenn ihr heute, ich sag das nochmal, wir haben das im
Vorfeld mehrfach erwähnt, wenn hier heute von unserer Seite irgendein Blödsinn
passiert, dann können wir Köln vergessen.
Atmo 20: Hogesa, Rufe, Sprechchöre
17
Sprecher:
Essen. Etwa 300 Hooligans haben sich auf einem Kirchenpark in der Essener
Stadtmitte versammelt. Man gelobt, friedlich zu bleiben. Der Pfarrer der Gemeinde
lässt aus Protest fortwährend die Glocken läuten.
Dominik Röseler steht auf der Bühne und heizt die Stimmung an. Er sitzt für die
Partei „Pro NRW“ im Stadtrat von Mönchengladbach. Die Demonstration hat er
mitorganisiert, er war auch an der von Köln im Jahr 2014 beteiligt, wo es zu
massiven Ausschreitungen gegen die Polizei kam. Zum Jahrestag soll es eine
erneute Demonstration geben.
O-Ton Dominik Röseler:
Auf der anderen Seite, wenn wir hier heute richtig Disziplin haben, deutsche
Tugenden an den Tag legen, dann werden wir auch in Köln auf die Straße gehen
können. Jubel.
Sprecher:
Gelegentlich wird Dominik Röseler von der Parteiführung zurückgepfiffen, dann
taucht er wieder auf. Er kann mit den Hooligans umgehen, er ist der Verführer, er
dirigiert sie. Hooligans aus verschiedenen Fußballvereinen stehen beisammen.
Normalerweise prügelt man aufeinander los, für den Verein, aber nun lautet das
Motto: In der Farbe getrennt, in der Sache vereint.
O-Ton Dominik Röseler:
Aber bevor wir das machen, sollten wir natürlich den Mann hier auf die Bühne holen,
der das Gesicht für Hogesa ist, der hier im letzten Jahr in Essen zum Medienstar
geworden ist, den wir alle kennen und lieben, Riesenapplaus, komm auf die Bühne,
Kalle, Ahu Ahu Ahu!
Sprecher:
„Ahu“ ist der Schlachtruf der Hooligans, und mit Kalle ist Andreas Kraul gemeint,
alias Kalle Grabowski. Ein Althooligan aus Herne im Ruhrgebiet. Er betreibt ein
Tattoo-Studio, hat Verbindungen zum Rockermilieu und zur Hooligangruppe Brigade
Bochum des dortigen Zweitligisten VfL. Der Verein hat bislang lediglich zugesichert,
die Gruppe beobachten zu wollen.
O-Ton Andreas Kraul:
Ihr wisst, ich bin kein guter Redner, watt bei mir kommt, kommt aus dem Bauch, wir
haben uns heute hier versammelt, weil wir damals in Essen … wir haben uns viele
Gedanken gemacht, und der Gedanke ist mittlerweile verschwunden, warum wir
überhaupt auf die Straße gehen.
Sprecher:
Da stehen viele Hooligans der ersten Stunde, überwiegend glatzköpfig, alles was in
der Szene Rang und Namen hat. Dazu der Nachwuchs, eher unauffällig gekleidet.
Für Hooligans ein typischer Nachmittag mit Erlebnischarakter.
Atmo noch einmal hochziehen, kurz weiter unterlegen:
O-Ton Andreas Kraul:
Wir sind das Volk aus der Mitte, und wir gehen gegen diesen ganzen Wahnsinn, der
mittlerweile hier in Deutschland passiert, an und auf die Straße. // Wir sind deutsch,
18
wir bleiben deutsch, und wir wollen hier keine Kopfabschneider, und wir wollen hier
keine Salafisten, und deswegen sind wir damals auf die Straßen gegangen. Ahu ahu
ahu ahu! // Wir zeigen uns und wir zeigen der ganzen Welt, dass wir noch da sind.
Wir sind hier! Wir sind da! Hogesa! Ich bitte euch auch nochmal, dass ihr alle ruhig
bleibt …
Atmo 21: Hogesa Sprechchöre, Humba-Täterä-Gesänge
Sprecher:
Das aber will mal wieder nicht so recht gelingen. Nachdem Dominik Röseler die
Hogesa-Leute einmal um den Block geführt und angefeuert hat, greift eine größere
Gruppe ein Café an, in das Gegendemonstranten geflohen sind.
Atmo 6: Laufen, Schreie
Atmo 22: Rufe „Lügenpresse“ von einer Pegida-Demo
Sprecher:
In Dresden ist die Hooligangruppe „Elbflorenz“ als kriminelle Vereinigung verboten.
Das hält die ehemaligen Mitglieder aber nicht davon ab, weiter zu agieren. Sie waren
auch an den Ausschreitungen gegen das Flüchtlingslager im sächsischen Heidenau
beteiligt.
Bei einer Pegida-Demonstration auf dem Theaterplatz vor der Semperoper sollen
rund 50 rechtsextreme Fans von Dynamo Dresden eine Gruppe jugendlicher
Einwanderer in einer Einkaufspassage gejagt haben. Meist treten die Hooligans in
bedrohlicher Manier als Ordner auf, die Journalisten auf Distanz zu den
Demonstranten halten. Dabei hetzen sie mit Parolen gegen Lügenpresse und
Volksverräter.
Hooligans mischen nicht nur bei Demonstrationen als „Ordner“ mit. Ein Ultra, der nur
zu einem Hintergrundgespräch bereit ist, bestätigt, dass bei Borussia Dortmund
jahrelang Stadionordner Mitglieder der berüchtigten Gruppe „Northside“ waren. Den
Fanbeauftragten eines Drittligisten wundert es nicht, wenn Rechte bei Heimspielen
als Security-Mitarbeiter fungieren und auswärts als Hooligans.
Nach den Sylvesterattacken am Kölner Hauptbahnhof gegen Frauen beteiligten sich
rechte Hooligans an Bürgerwehren in Köln, Düsseldorf und Bielefeld, mit gezielten
Übergriffen gegen Ausländer. So weiten sie ihre Schlachtfelder aus.
Atmo 23: Straßengeräusche
O-Ton Autonomer:
… und haben Tumult angefangen. Und wollten diskutieren, dass sie gar nicht rechts
sind und so weiter und so fort, und man hat denen aber unmissverständlich klar
gemacht, dass sie jetzt gehen müssen, dass sie rausfliegen und nicht mehr
reinkommen, und dann hat sich einer der drei halt geoutet und gerufen: „Wir sind die
Jungs von der Hogesa“, daraufhin einen Angriff gestartet, diesen
Teleskopschlagstock rausgezogen Sprecher:
Ein junger Mann aus dem Umfeld der linken Szene. Tatort ist der Eingangsbereich
zum Autonomen Zentrum in Wuppertal.
19
O-Ton Autonomer:
Man hat gemerkt, jetzt wird’s brenzlig, einer ist dann auch zu Boden gegangen, man
hats dann aber geschafft, die drei rauszuschieben, und hat die Tür geschlossen, und
dabei allerdings nicht gemerkt, dass das spätere Opfer mit rausgedrängt wurde, und
der sah sich dann draußen dieser drei-zu-eins-Situation gegenüber, und die drei
Hogesa-Nazis haben dann die Chance genutzt, den zusammenzuprügeln und
abzustechen, mit acht Stichen, und sind dann geflohen.
Sprecher:
Das Opfer, ein Cafébetreiber türkischer Herkunft, lag wochenlang im Koma. Er wird
möglicherweise ein Leben lang an den traumatischen Erfahrungen der Tat leiden.
Alle drei Angeklagten haben als Hooligans und Neonazis eine lange Karriere mit
rechten Gewalttaten hinter sich. Einer der Täter ist der Hooliganszene von Borussia
Mönchengladbach zuzurechnen. Zwei von ihnen haben Kontakte zum HogesaAktivisten und Hooligan Andreas Kraul sowie zur Partei „Die Rechte“ in Dortmund,
die wiederum mit der „Borussenfront“ verbandelt ist. Der Angriff auf das Autonome
Zentrum war schon Monate zuvor über Whats App angekündigt worden. Leute dieser
Art sind unbelehrbar, wie einer der Täter beweist.
O-Ton Autonomer:
Ja, der hat während des laufenden Prozesses sich ein Tattoo stechen lassen auf der
Brust, wo unter anderem ein Hakenkreuz drinnen ist, hat idiotischerweise das auch
bei Facebook hochgeladen, und das wurde abfotografiert und wurde der
Staatsanwaltschaft zugespielt, er hat davon Wind bekommen und hat das dann
wegmachen lassen Sprecher:
Während der Verhandlung ist er zu keiner Aussage bereit. Auch nicht vor dem
Gerichtssaal.
O-Ton: Bei Gericht, Schritte
Autor: Kann ich Sie kurz was fragen?
Täter. Nein.
Sprecher:
Das Gericht ging ausdrücklich nicht von einer Gesinnungstat aus. Acht Jahre Haft für
den Haupttäter, 18 Monate für den angeblichen Rädelsführer, Bewährungsstrafe für
den Dritten, dem als Mitläufer rechte Motive abgesprochen wurden.
Atmo ausblenden
Es gibt Beispiele, wie die rechte Szene aus dem Fußballsport verdrängt werden
kann. Borussia Dortmund hat immerhin erreicht, dass die „Borussenfront“ nicht mehr
offen im Stadion auftaucht. Außerdem hat der Verein, wie es scheint, dafür gesorgt,
daß unter den Ordnern keine Hooligans mehr sind. Werder Bremen hat nach langen
Jahren rechter Fandominanz gezeigt, wie man Rassismus aus dem Stadion
verbannt.
Atmo 2: Fanchöre Bundesligaspiel
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O-Ton Pavel Brunßen:
Bei Werder Bremen ist es glücklicherweise so, dass viele der Akteure die Ultras in
ihrem antidiskriminierenden Verhalten unterstützen.
Sprecher:
Pavel Brunßen. Herausgeber des Online-Fußballmagazins „Transparent“
O-Ton Pavel Brunßen:
Das Fanprojekt zieht ne Grenze und fokussiert sich vor allem darauf,
antidiskriminierende Fans zu unterstützen durch Infrastruktur, Finanzierung von
Veranstaltungen und so weiter und so fort, das heißt, da haben sie sehr sehr viel
Rückendeckung, und das Stadion ist eigentlich ein Raum, wo die rechten Hooligans
nicht mehr hinkommen.
Sprecher:
Der FC St. Pauli hat solche Probleme eigentlich nie gehabt. Der Hamburger Stadtteil
ist ein multikultureller Schmelztiegel, viele Anhänger des Vereins gehören der
autonomen Szene an.
O-Ton Pressesprecher von FC-St-Pauli:
Wir beziehen klare Positionen, wir wollen hier keine Nazis im Verein.
Sprecher:
Christoph Pieper, Pressesprecher des FC St. Pauli.
O-Ton Pressesprecher von FC-St-Pauli:
Wir wollen die hier nicht. Wir würden auch alles dafür tun, die Leute hier nicht im
Stadion zu haben. Bei uns ist in der Stadionordnung klar geregelt, wer sich mit
rechtsradikalen Symbolen kleidet, wer sich mit diskriminierenden, rassistischen oder
Naziparolen hier äußert, der hat hier bei und nichts zu suchen.
Sprecher:
Auch der DFB hat in der Vergangenheit einiges geleistet. Vor allem der damalige
Präsident Theo Zwanziger engagierte sich gegen Rassismus und Homophobie. Doch
2014 ließ der Verband bei einem Training der DFB-Elf im Millerntor-Stadion in St.
Pauli ein Banner mit der Aufschrift „Kein Fußball den Faschisten“ teilweise zukleben.
Der Pressesprecher der Nationalmannschaft beharrte darauf, dass bei DFBVeranstaltungen keine politischen Statements zu sehen sein dürfen.
Atmo 2: Fanchöre Bundesligaspiel
Ansagerin:
Fußballfans am rechten Flügel.:
Von Hooligans und neuen Schlachtfeldern.
Ein Feature von Manuel Gerber.
Es sprachen: Volker Risch, Johannes Wördemann und Frauke Vetter
Ton und Technik: Johanna Fegert und Angela Raymond
Regie: Tobias Krebs
Redaktion: Wolfram Wessels.
Eine Produktion des Südwestrundfunks 2016.
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