Chronischer Lokführermangel bei der S

München, 10. Mai 2016
Pressemitteilung
Chronischer Lokführermangel bei der
S-Bahn München
Eisenbahner können sich ein Leben in München
kaum noch leisten.
Lokomotivführer Josef K. hat ein monatliches Tabellenentgelt von
2.616 Euro brutto. Für seine Wohnung im Münchener Osten mit 85 Quadratmetern bezahlt er monatlich 1.400 Euro warm. Josef K. ist verheiratet und
hat zwei Kinder. Für die Betreuung im Kindergarten und in der Schule liegen
die monatlichen Kosten bei 550 EUR. Die Frau kann wegen der Öffnungszeiten im Kindergarten und dem unregelmäßigen Schichtdienst ihres Mannes
nur in Teilzeit arbeiten. Das 10 Jahre alte Auto der Familie braucht Josef K.
um zur Arbeit zu kommen wenn noch keine öffentlichen Verkehrsmittel fahren. Die von der Bahn angebotenen Appartements sind nur als erste Anlaufstelle für neue Mitarbeiter gedacht. Sie bieten aber keine dauerhafte Lösung
für Familien mit Kindern. Josef K. hat schon oft überlegt ins Münchener Umland zu ziehen aber das ist angesichts des Schichtdienstes kaum möglich.
Schließlich arbeitet er im unregelmäßigen Wechseldienst. Wenn beispielsweise eine Schicht um 18 Uhr endet, kann die nächste schon wieder um 4
Uhr beginnen. Da ist keine Zeit für lange Wege in die Arbeit. Seine Arbeitszeit wird aber, im Interesse der Kunden, vom Fahrplan der Züge bestimmt.
Die einzige Chance auf Erleichterung besteht ansonsten nur in einem Wechsel in ein anderes Unternehmen, in eine andere Stadt.
Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) • Bezirk Bayern
Karlstraße 54 a • 80333 München • Tel.: (089) 2 17 55 28 10 • [email protected]
GDL fordert Zulage für hohe Lebenshaltungskosten
Der Lokomotivführer Josef K. ist kein Einzelfall. So wie er können sich viele
seiner Kollegen ein Leben in München kaum noch leisten. Um die Not der
Beschäftigten zu lindern, hat die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer
(GDL) den Arbeitgeber- und Wirtschaftsverband der Mobilitäts- und Verkehrsdienstleister e.V. (Agv MoVe) am 22. März 2016 zu Verhandlungen
über die Einführung einer ortsbezogenen Zulage für die Lokomotivführer bei
der S-Bahn München aufgefordert. „Wir halten diesen Schritt für notwendig
und längst überfällig, auch damit den Münchener Fahrgästen in Zukunft ein
stabiler und sicherer S-Bahnverkehr angeboten werden kann“, so Uwe
Böhm, Bezirksvorsitzender der GDL in Bayern.
In 2015 wurden die durch den Personalmangel verursachten Zugausfälle bei
der S-Bahn mindestens zweimal zu einem öffentlichen Thema in den Medien
der Landeshauptstadt. Der ständige Personalmangel wird durch die jährlich
stattfindende und hohe Mitarbeiterfluktuation noch verstärkt. Zudem spitzt
sich die Situation regelmäßig gegen Ende September zu, wenn die ersten
Lokomotivführer ihre zu leistende Arbeitszeit für das ganze Jahr bereits erbracht haben. Uwe Böhm hält den Personalmangel deshalb für „ein chronisches und strukturelles Problem“. Die S-Bahn bildet zwar aus, aber die absoluten Zahlen liefern ein Zerrbild. Die Anzahl der Ausbildungsplätze für den
dreijährigen Lehrberuf des Lokomotivführers ist gesunken. Zusätzlich werden
Lokomotivführer in einer innerbetrieblichen, neunmonatigen Erwachsenenqualifizierung ausgebildet. Hier zeigt sich allerdings, dass Ausbildungsklassen wegen Mangels an Bewerbern zusammengelegt werden müssen. „Wenn
die Lokomotivführer merken, dass sie nur noch für die Miete schuften, suchen sie sich Arbeit in anderen Städten“, so Böhm.
Maßnahmen des Arbeitgebers bleiben wirkungslos
Alle bisherigen Versuche der S-Bahn München, Gelder durch betriebliche
Regelungen an die Lokomotivführer auszuschütten, haben den seit Jahren
bestehenden Personalmangel nicht beseitigt. Sie hatten keinerlei regionalen
Bezug zu den hohen Lebenshaltungskosten in München und haben keine
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nachhaltige Wirkung erzeugt. Nach der Tarifforderung der GDL hat die SBahn einen Werbefeldzug gestartet. Kurzfristig werden Lokomotivführer aus
anderen Betrieben eingestellt. Deren Einsatz soll aber nur vorübergehend
erfolgen. Diese Lokomotivführer werden mit einer einmaligen Zahlung von
mehreren tausend Euro und weiteren monatlichen Sonderzahlungen gelockt.
„Jetzt soll offenbar ein Feuer gelöscht werden, um die Tarifforderung wieder
vom Tisch zu bekommen, aber die Brandursache schwelt weiter“, so Böhm.
Weil die so neu geworbenen Lokomotivführer aus anderen Unternehmen für
ihren vorübergehenden Einsatz bei der S-Bahn wesentlich höhere finanzielle
Anreize erhalten als die Lokomotivführer, die den Betrieb seit Jahren aufrechterhalten haben, steigt der Frust in der Stammbelegschaft weiter an. Die
Frage, wie Fluktuation und damit Personalmangel vermieden werden können, wenn die Lokomotivführer die jetzt aus anderen Betrieben zu Hilfe eilen
wieder weg sind, bleibt weiter unbeantwortet.
GDL fordert Belastungssenkung
Ein Leben im Taktfahrplan und Schichten, die auf die Minute durchrationalisiert sind, stellen eine enorm hohe Belastung für die Lokomotivführer bei der
S-Bahn München dar. Die Belastung entsteht durch einen gehetzten Arbeitsablauf. Geld kann diese Belastung nicht senken. Aber über zusammenhängende Pausenzeiten, in der Mitte einer Schicht gäbe es beispielsweise Steuerungsmöglichkeiten zur Entlastung. Das A und O ist jedoch ein ausgeglichener
Personalbestand, damit die Lokomotivführer nicht ständig zu Sonderdiensten
an freien Tagen eingeteilt werden müssen.
Die GDL bleibt bei ihrem Grundsatz: „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. Aber
auch Gleichheit kann ungerecht werden, wenn sich trotz gleicher Löhne zwischen den Lokomotivführern in und denen außerhalb Münchens ein immer
stärker auseinander driftendender Lebensstandard entwickelt. Deshalb wird
die GDL ihr Modell zur Stabilisierung der Lebenshaltungskosten ihrer Mitglieder mit Nachdruck verfolgen. Der Ball liegt jetzt im Spielfeld der S-Bahn München.
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