Newsletter Mai 2016 - ebl factum rechtsanwälte

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- An unsere Mandanten-
Mai 2016
1. ebl miller rosenfalck
“Brexit“
Rechtschaos nach Referendum
Die Frage, über die die Briten am
23. Juni 2016 abstimmen werden,
lautet:
“Should the United Kingdom remain a member of the European
Union or leave the European Union?”
Der Ausgang des Referendums ist
völlig offen. In Umfragen liefern
sich EU-Befürworter und Europaskeptiker ein Kopf-an-Kopf-Rennen.
Was passiert, wenn die Mehrheit
der Briten tatsächlich für den
"Brexit", den Abschied von der
EU,
stimmt?
Die Entscheidung des britischen
Wählers bindet die britische Regierung, setzt aber nicht direkt ein
Austrittsverfahren gegenüber der
EU in Bewegung. Die britische Regierung müsste den Austrittswunsch offiziell gegenüber der EUKommission kundtun. Innerhalb
von zwei Jahren müsste dann das
Verhältnis zwischen EU und dem
Vereinigten Königreich neu verhandelt werden.
Was passiert, wenn die zwei
Jahre ergebnislos verstreichen?
Während dieser Frist wird sich zunächst nichts ändern, die Briten
blieben ein vollwertiges EU-Mitglied. Scheitert eine Einigung zwischen dem Vereinigten Königreich
und der EU, würde der Extremfall
eintreten: das Vereinigte Königreich fiele gegenüber der EU auf
den Status eines x-beliebigen Drittlandes, es würden nur die Regeln
der
Welthandelsorganisation
(WTO) gelten. Den Briten ginge es
dann ähnlich wie den USA – ohne
Handelsabkommen TTIP.
Wie würden die Verhandlungen
ablaufen?
Die Briten wickeln etwa die Hälfte
ihres Handels mit der EU ab, für
deutsche Unternehmen ist Großbritannien der drittwichtigste Auslandsmarkt. Somit ist klar, dass großes Interesse an einer Einigung besteht. Allerdings müssen die EUStaaten einer Einigung mit qualifizierter Mehrheit zustimmen. Es
könnte Länder geben, die sich allein aus disziplinierenden Gründen
strikt gegen Sonderrechte aussprechen, da die EU wohl keine attraktive
Austrittsoption
schaffen
möchte.
Gibt
es
Vorbilder?
Einen Status wie Norwegen oder
die Schweiz wird Großbritannien
nicht anstreben wollen, beide Länder müssen ohne großes Mitspracherecht zum EU-Haushalt finanziell beitragen und Richtlinien und
Verordnungen häufig übernehmen
(z.B. die Arbeitnehmerfreizügigkeit – ohnehin ein Dorn in den Augen der britischen Austrittsbefürworter). Diese Modelle wären mithin für die Brexit-Befürworter sogar eine Verschlechterung gegenüber des bisher für sie schon unakzeptablen Zustandes.
Welche Fragen wird ein "Brexit"
aufwerfen?
Die Unsicherheiten sind groß. Welche Folgen treffen hochregulierte
Branchen wie den Telekommunikations- oder Energiesektor? Wie
sieht es künftig mit Online-Bestellungen aus England aus? Wäre das
Vereinigte Königreich aus EUSicht noch ein sicherer Datenaufbewahrungsort? Wie stünde es um die
Durchsetzung von Gerichtsurteilen? Wie um EU-Patente? Werden
EU-Bürger einen Aufenthaltstitel
benötigen? Fragen über Fragen.
Wie realistisch wäre eine Loslösung Schottlands vom Vereinigten Königreich im Falle eines
„Brexits“?
Sollten sich die schottischen Wähler für einen Verbleib in der EU
aussprechen, aber vom Rest des
Landes überstimmt werden, ist zu
erwarten, dass es in Schottland zu
einer erneuten Volksabstimmung
über die Unabhängigkeit kommt.
Der Ausgang eines solchen Referendums ist derzeit nicht abschätzbar; ein Zerfall des Vereinigten Königreichs würde mit einer längeren
Phase politischer und wirtschaftlicher Unsicherheit einhergehen.
Wie können sich Unternehmen
darauf
vorbereiten?
Wie sich das Verhältnis des Vereinigten Königreiches zu den anderen
europäischen Ländern nach einem
möglichen EU-Austritt gestalten
wird, ist noch offen. Am 24. Juni
2016 dürfte nicht viel passieren abgesehen von zu erwartenden
Währungskursschwankungen. Um
einen Plan B zu entwerfen, ist es zu
früh. Hierzu müsste zumindest klar
sein, über welches Vertragsmodell
verhandelt wird.
Edzard Clifton-Dey
2. ebl esch & kramer
Arbeitsrecht
Ausgestaltung von Teilzeit im öffentlichen Dienst
Am 14.04.2016 konnte vor dem
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
ein langjähriger Rechtsstreit beigelegt werden, in dem die Parteien
über die Modalitäten einer Teilzeitbeschäftigung im öffentlichen
Dienst stritten.
Die Klägerin ist Mutter eines Sohnes und als Altenpflegerin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TVöD (VKA) Anwendung.
Dieser sieht in § 11 Abs. 1 unter bestimmten Voraussetzungen (u.a.
zur Betreuung eines Kindes) die
Möglichkeit einer befristeten Teilzeitbeschäftigung vor. Bei der Gestaltung der Arbeitszeit hat der Arbeitgeber im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten der persönlichen Situation der/des Beschäftigten Rechnung zu tragen.
Die von der Kanzlei ebl esch&kramer vertretene Beklagte betreibt
eine Altenpflegeeinrichtung mit ca.
400 Beschäftigten. Die Bewohner
werden 24 Stunden am Tag betreut,
das Personal arbeitet in drei Schichten.
Die alleinerziehende Klägerin hatte
von der Beklagten nach Rückkehr
aus ihrer Elternzeit - erstmals im
Jahr 2010 - verlangt, sie zeitlich befristet in einer eigens für sie eingerichteten Sonderschicht mit 30 Wochenstunden zu beschäftigen.
Die Beklagte hatte sich mit der Arbeitszeitreduzierung auf 30 Wochenstunden einverstanden erklärt
und war auch dem Wunsch der Klägerin hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung weitgehend entgegengekommen (Einsatz ausschließlich im
Frühdienst). Sie verlangte allerdings von der Klägerin, ihre Arbeitszeiten an den bestehenden
Schichtrhythmus anzupassen und
zumindest für volle Schichten einsetzbar zu sein.
Die Beklagte argumentierte, dass es
ihr und den Bewohnern der Altenpflegeeinrichtung nicht zumutbar
sei, die Klägerin unter kompletter
Herausnahme aus dem Schichtsystem zu beschäftigen. Ihr unternehmerisches Konzept bestehe darin,
den Bewohnern so weit als möglich
eine Kontinuität der Betreuungspersonen zu gewährleisten. Es sei
wissenschaftlich erwiesen, dass ältere pflegebedürftige Menschen
konstante Bezugspersonen bräuchten. Dem werde mit dem bestehenden Schichtmodell Rechnung getragen. Die Bewohner sollten neben
den unvermeidbaren Personalwechseln (Urlaub, Krankheit) nicht
noch weiteren Unregelmäßigkeiten
ausgesetzt werden.
Das LAG Düsseldorf verurteilte die
Beklagte am 06.05.2013, die alleinerziehende Klägerin ihren Wünschen entsprechend zu beschäftigen.
Der hiergegen gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten
hat das BAG am 12.11.2013 stattgegeben und die Revision zugelassen. Mit Urteil vom 16.12.2014 (9
AZR 915/13) wurde das Revisionsverfahren zugunsten der Altenpflegeeinrichtung entschieden.
Nach Auffassung des BAG gewährt
die hier maßgebliche Vorschrift des
§ 11 Abs. 1 TVöD (VKA) Beschäftigten nur einen Anspruch auf befristete Verringerung der vertraglich festgelegten Arbeitszeit. Der
Arbeitgeber sei nicht verpflichtet,
den Arbeitsvertrag auch hinsichtlich der Verteilung der Arbeitszeit
zu ändern. Die Ausgestaltung der
Arbeitszeitlage unterfalle dem arbeitgeberseitigen Direktionsrecht.
Die Parteien stritten in der Folge
noch über eine erneute Verlängerung des Teilzeitgesuchs der Klägerin für die Zeit vom 01.11.2014 bis
zum 31.10.2019. Die Beklagte hatte
den Verlängerungsantrag abgelehnt
und der Klägerin keine Arbeitszeitreduzierung zugestanden, weil
diese weiterhin nur bereit war, außerhalb
des
bestehenden
Schichtrhythmus zu arbeiten. Auf
tatsächliche Beschäftigung in Teilzeit gerichtete Arbeitsangebote der
Klägerin lehnte die Beklagte infolge ab.
In Bezug auf den geltend gemachten Teilzeitanspruch erfolgte am
16.09.2015 eine Verständigung dahingehend, dass die Klägerin bis
zur Beendigung des 4. Schuljahres
ihres Kindes in Vollzeit ausschließlich in den Frühschichten eingesetzt
wird.
Das LAG Düsseldorf bescheinigte
der Beklagten in der Verhandlung
vom 14.04.2016, sich bezüglich der
zuletzt erfolgten Ablehnung des
Teilzeitgesuchs der Klägerin - insbesondere unter Berücksichtigung
der
BAG-Entscheidung
vom
16.12.2014 - rechtmäßig verhalten
zu haben. Ohne Verständigung auf
ein Teilzeitarbeitsverhältnis habe
die Beklagte eine ihr nur angebotene Teilzeittätigkeit der Klägerin
nicht annehmen müssen. Die Klägerin hat daraufhin ihre auf Zahlung von Annahmeverzugslohn gerichtete Berufung zurückgenommen.
Die Entscheidung des BAG vom
16.12.2014 sorgt für Klarheit im
Verhältnis des § 11 Abs. 1 TVöD
(VKA) zu § 8 Abs. 4 S. 1 TzBfG.
Im Rahmen eines Teilzeitbegehrens
nach § 8 Abs. 4 S. 1 TzBfG hat der
Arbeitnehmer
nach
ständiger
höchstrichterlicher
Rechtsprechung nicht nur einen Anspruch auf
- in diesem Fall unbefristete - Festlegung der reduzierten Arbeitszeit,
sondern darüber hinaus auch auf die
vertragliche Festschreibung der
veränderten Arbeitszeitlage. Diese
Rechtsprechung ist auf die Vorschrift des § 11 Abs. 1 TVöD
(VKA) nicht übertragbar.
Dr. Eva Graune
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