Handlungsbegriff Voraussetzung nach allen Handlungslehren

LS Roth
TU-Dresden – Juristische Fakultät
AG Strafrecht SoSe 2016
Danny Gude, LL.M.
Handlungsbegriff
Voraussetzung
nach allen Handlungslehren:
 menschliches Verhalten
 äußerlich körperliches Verhalten
= Abgrenzung zu bloßem Denken und Wollen
 willensgetragenes Verhalten, d.h. menschlicher Wille muss bei Verhaltenssteuerung
mitwirken
Nichthandlungen sind folglich:
Geschehensabläufe, zwar physische Beteiligung, aber ohne Mitwirkung »geistiger Kräfte«
 menschlicher Steuerungsapparat ausgeschaltet (Reaktionen im Schlaf oder bei
Bewusstlosigkeit)
 vis absoluta - mit unwiderstehlicher / willensbrechender Gewalt erzwungene
Handlungen
 Reflexbewegungen ohne Zwischenschaltung des Bewusstseins (Kniereflex, Krampfan
fall)
Abgrenzungsfragen
Abgrenzung Reflexbewegungen zu sog. Spontan- oder Kurzschlussreaktionen
Steuerungsapparat eingeschaltet, aber mit so großer Geschwindigkeit, dass gar keine möglichen
Gegenvorstellungen bzgl. Gefährlichkeit aufkommen konnten
Handlung in solchen Fällen nicht willkürlich, sondern zielgerichtet
(Insekt ins Auge geflogen und ruckartige Abwehrbewegung)
Abgrenzung zu sog. automatisierten Verhaltensweisen
eingeübte Verhaltensmuster, ursprünglich war Willensbildungsprozess vorhanden, aber im
Laufe der Zeit durch lange Übung keine aktuelle Bewusstheit des Handelns, Handlung bleibt
aber beherrschbar
(Schalten und Kuppeln beim Autofahren)
In der Fallbearbeitung


Ausführungen zur Handlungsqualität nur, wenn wirklich zweifelhaft (sind ganz wenige
Fälle), ansonsten kein Wort zur Handlungsqualität
sofern tatsächlich einmal fraglich, vor Tatbestandsprüfung (gewissermaßen als
Vorprüfung darstellen
Beispielsfall
Oma Elfriede (E) fährt mit ihrem alten Auto des späten Nachmittags im Dämmerlicht auf einer
Landstraße mit mindestens 90 km/h. Plötzlich nimmt sie in einer Entfernung von ca. 10 m einen
Hasen wahr, der sich anschickt, über die Fahrbahn zu laufen. E möchte ausweichen und verreißt
das Lenkrad nach links. Das Auto kommt ins Schlingern und stürzt eine Böschung hinab. Dabei
zieht sich Lilly (L), die Beifahrerin und Enkelin der F, schwere Kopfverletzungen zu. Hätte E
von einem Ausweichmanöver abgesehen, wäre nichts passiert.
Strafbarkeit der E?
LS Roth
TU-Dresden – Juristische Fakultät
AG Strafrecht SoSe 2016
Danny Gude, LL.M.
Lösung
Verreißen des Lenkrads noch willensgesteuert, aber eben mit großer Geschwindigkeit, dass
negativer Folgen nicht bedacht werden konnten.
Verreißen war Antwort auf eine konkret erkannte Situation.
Verreißen war keine zwangsläufige Fehlbewegung, sondern hätte auch unterlassen werden
können
 Handlungsqualität (+)