Dinosaurier ARNO BURGI/DPA - BILDFUNK Braunkohlekraftwerke passen nicht in ein modernes Energienetz. Sie sind zu langsam, um auf wechselnden Strombedarf zu reagieren. Benötigt wird eine dezentrale Versorgung durch viele kleine Kraftwerke. Von Wolfgang Pomrehn SEITEN 12/13 GEGRÜNDET 1947 · DONNERSTAG, 12. MAI 2016 · NR. 110 · 1,50 EURO (DE), 1,70 EURO (AT), 2,20 CHF (CH) · PVST A11002 · ENTGELT BEZAHLT WWW.JUNGEWELT.DE Arbeitsprämie Abstimmung Auftragsarbeit Alleingang 2 3 5 9 Bundesregierung plant »Anreiz« für Vor Eskalation: Am 5. Juni sollen in Langzeiterwerbslose und GeringMazedonien Wahlen stattfinden. qualifizierte. Ein Interview Interview mit Andrej Hunko Koalition einigt sich zu Leiharbeit und Werkverträgen. Von Susan Bonath. Siehe auch Seite 8 Saudi-Arabien will Wirtschaftspolitik durch Ministerwechsel umkrempeln. Von Gerrit Hoekman Superbehörde Europol AP PHOTO/ERALDO PERES Dilma Rousseff will weiterkämpfen JERRY LAMPEN/REUTERS Europaparlament stattet EU-Polizeiagentur mit wesentlich mehr Kompetenzen und technischen Möglichkeiten aus. Von Andrej Hunko Ein Freund des deutschen Repressionsapparats: Der britische Direktor von Europol, Robert Wainwright, am 16. März 2011 in Den Haag D as Europaparlament hat am Mittwoch in Strasbourg die neue Europol-Verordnung mit einer großen Mehrheit der Fraktionen angenommen. Vorher war der Gesetzestext drei Jahre lang zwischen dem Rat der Europäischen Union, der EU-Kommission und dem Europaparlament beraten worden. Die Neufassung tritt im Frühjahr 2017 in Kraft, allerdings werden viele der problematischen Regelungen schon jetzt im rechtsfreien Raum angewandt. Vorgesehen ist der Austausch von Daten mit privaten Unternehmen. Dies betrifft vor allem Internetkonzerne wie Facebook, Google oder Twitter, mit denen die Agentur mit Sitz in Den Haag schon jetzt eine Art Stammtisch eingerichtet hat: Eine bei Europol bestehende Meldestelle durchsucht das Internet nach »gewaltverherrlichenden Inhalten« und beantragt bei den Dienstleistern deren Entfernung. Zukünftig sollen die Unternehmen Per- sonendaten der betreffenden Nutzer übergeben, damit Europol gegen diese ermitteln kann. Anfangs arbeitete die Meldestelle nur zu »islamistischem Terrorismus«, 3.200 Postings wurden gelöscht. Schon seit geraumer Zeit verfolgt Europol aber auch Facebook-Gruppen kommerzieller Fluchthelfer, über die viele syrische Geflüchtete ihre Überfahrt über das Mittelmeer organisieren. Das führt zu noch gefährlicheren, unkontrollierten Fluchtrouten mit vermutlich noch mehr Toten. Viele der neuen Maßnahmen werden mit dem Kampf gegen »islamistischen Terrorismus« begründet. Rund 84.000 Personen werden hierzu in Datenbanken geführt, die Kriterien der Speicherung sind aber unklar. Auch sensible Informationen zu Kontaktpersonen werden erfasst. Unter Anleitung des früheren niederländischen Geheimdienstchefs, Wil van Gemert, hat Europol drei gro- ße Zentren für die Bereiche Cyberkriminalität, Terrorismus und Migration eingerichtet. Das zuletzt eröffnete »Zentrum zur Bekämpfung der Migrantenschleusung« kooperiert mit der EU-Grenzagentur Frontex und den Militäroperationen zur Migrationskontrolle im Mittelmeer. Europol verdächtigt bereits 38.000 Personen als »Schleuser«. Diese Zahl ist anzuzweifeln, denn es handelt sich vorwiegend um Geflüchtete, die bei der Überfahrt kleinere Aufgaben übernehmen. Auch viele humanitär oder politisch motivierte Fluchthelfer geraten mit solchen Meldungen unter Generalverdacht. Wir erleben einen rasanten Aufwuchs der Kompetenzen innenpolitischer EU-Agenturen. Zwischen dem Beschluss und der Umsetzung von Maßnahmen liegen manchmal nur wenige Monate. Diese Geschwindigkeit macht eine gesellschaftliche und politische Debatte unmöglich. Die Aufstockung von Europol bestätigt seit langem vorgebrachte Befürchtungen, denn sie steht in keinem Verhältnis zu den parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten. Deutsche Polizeistellen gehören zu den »Power Usern« bei der Lieferung und Abfrage von Daten bei Europol. Dabei fungiert als vermittelnde Zentralstelle das Bundeskriminalamt in Wiesbaden. Seit Jahren kritisiert die Linkspartei den Ausbau polizeilicher Informationssysteme und warnt vor einem »Data Mining«, wenn die verschiedenen Datensammlungen bei Europol miteinander in Beziehung gesetzt werden. Möglicherweise umgeht das Bundesinnenministerium auf diese Weise die deutschen Bestimmungen zum Datenschutz, denn die gleichzeitige Suche in mehreren Datensätzen ist vom Bundesverfassungsgericht an hohe Auflagen geknüpft. Andrej Hunko ist Europapolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag Schengen bleibt außer Kraft BRD darf weitere sechs Monate Grenze zu Österreich kontrollieren D ie EU-Staaten haben Deutschland und vier weiteren Ländern eine Verlängerung ihrer Grenzkontrollen im Schengenraum erlaubt. Die Botschafter der 28 Mitgliedsstaaten billigten am Mittwoch einen Vorschlag der EU-Kommission, die Kontrollen bis spätestens November beizubehalten. Deutschland kann somit weiter an der Grenze zu Österreich kontrollieren. Die Fortführung der Kontrollen wird auch Dänemark, Österreich, Schweden und dem NichtEU-Land Norwegen gestattet. Im Schengenraum kann man normalerweise ungehindert reisen. Am 13. September 2015 hatte die BRD als erstes Land Grenzkontrollen eingeführt und diese mehrfach verlängert. Auf Basis der bisherigen Rechtsgrundlage wären sie für Berlin nur noch bis zum Freitag möglich. Über Artikel 29 des Schengener Grenzkodex können die Kontrollen aber nochmals um jeweils sechs Monate bis zu einem Maximalzeitraum von zwei Jahren ausgedehnt werden. Die EU-Kommission will dies nun nur noch einmal für einen SechsMonats-Zeitraum erlauben. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte die Kontrollen ursprünglich nicht über Mitte Mai hinaus verlängern wollen. Die CSU-geführte Regierung in Bayern drängte aber auf Beibehaltung. Nach dem EU-Beschluss müssen die Grenzkontrollen »gezielt und begrenzt in Ausdehnung, Häufigkeit, Ort und Zeit« erfolgen. Österreich darf nach der Entscheidung die Kontrollen an den Grenzen zu Ungarn und Slowe- nien beibehalten. Im Falle Dänemarks geht es um Fähren und Landübergänge nach Deutschland. Schweden kann weiter in Häfen im Süden und Westen sowie auf der Öresundbrücke kontrollieren und Norwegen gleichfalls in Häfen mit Fährverbindungen nach Dänemark, Deutschland und Schweden. Formal muss der Beschluss noch abschließend im EU-Ministerrat gefasst werden. Dies wird Diplomaten zufolge am Donnerstag am Rande des Treffens der Entwicklungsminister in Brüssel erfolgen. (AFP/jW) Brasilia. Brasiliens Senat hat in der Nacht zum Donnerstag über eine Amtsenthebung von Präsidentin Dilma Rousseff abgestimmt. Mit einer Entscheidung wurde in den frühen Morgenstunden (MESZ) gerechnet. Bei einer Mehrheit für das »Impeachment« wäre Rousseff für maximal 180 Tage von ihrem Amt suspendiert. In dieser Zeit muss der Senat endgültig über ihre Absetzung entscheiden. Bis dahin tritt Vizepräsident Michel Temer, ein Widersacher der Staatschefin, an ihre Stelle. Strittig ist jedoch, welche Befugnisse Temer hat. Rousseffs Arbeiterpartei (PT) hat beim Obersten Bundesgericht eine Klage eingereicht, durch die es dem Übergangspräsidenten verboten werden soll, Minister des bisherigen Kabinetts zu entlassen. Rousseff sei trotz Suspendierung weiter im Amt, Temer dürfe deshalb keine ihrer Entscheidungen aufheben, argumentieren die Kläger. Die PT wertet die Amtsenthebung der Präsidentin als Putsch. (Agencia Brasil/AFP/jW) Metallindustrie: Weiter Warnstreiks Frankfurt am Main/Köln. Unmittelbar vor der fünften Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie hat die IG Metall am Mittwoch ihre Warnstreiks fortgesetzt. Zu den rund 95.000 Teilnehmern aus mehr als 416 Betrieben gesellten sich 61.500 VW-Arbeiter, die für ihren Haustarifvertrag vor die Werkstore zogen. Seit Ende der Friedenspflicht haben sich damit nach gewerkschaftlicher Zählung mehr als 700.000 Beschäftigte an den Warnstreiks beteiligt In Köln treffen sich am heutigen Donnerstag IG Metall und Arbeitgeber zur möglicherweise abschließenden Verhandlungsrunde für das mitgliederstärkste Tarifgebiet Nordrhein-Westfalen. Die Gewerkschaft fordert für die bundesweit 3,8 Millionen Beschäftigten fünf Prozent mehr Geld, die Arbeitgeber haben für 24 Monate Laufzeit 2,1 Prozent angeboten. (dpa/jW) wird herausgegeben von 1.832 Genossinnen und Genossen (Stand 29.4.2016) n www.jungewelt.de/lpg
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