NGOs in China – mit Argwohn betrachtet, aber immer noch gebraucht Von Bertram Lang (Dieser Artikel erschien in leicht veränderter Fassung am 7. Mai 2016 in der Rubrik „Fremde Federn“ der Frankfurter Allgemeine Zeitung.) Ausländische Nichtregierungsorganisationen werden in China nach der Verabschiedung eines neuen Gesetzes (am 28.04.) unter die strenge Kontrolle des Polizeiministeriums gestellt. Doch die Entwicklungen der vergangenen Monate zeigen, dass es der Regierung weniger um Abschottung gegenüber dem Westen als um den mittelfristigen Aufbau eines einheimischen NonProfit-Sektors geht. Nun also auch China. Wie zahlreiche andere autoritäre Staaten hat auch die Volksrepublik ein Gesetz zur strengeren Kontrolle ausländischer NGOs verabschiedet. In der westlichen Berichterstattung wurde dies überwiegend als Angriff auf die westliche Zivilgesellschaft gewertet. In der Tat dürfte die Arbeit in China gerade für NGOs in den Bereichen Rechtsberatung oder Interessenvertretung deutlich schwieriger werden. Insbesondere die Tatsache, dass das 'Management' ausländischer NGOs in Zukunft Aufgabe des Polizeiministeriums sein wird, verheißt nichts Gutes. Doch das Gesetz ist gleichzeitig auch Ausdruck widersprüchlicher Interessen innerhalb der chinesischen Führung. Dies zeigt sich schon daran, dass die Verabschiedung zunächst für Mitte 2015 geplant war, dann jedoch immer wieder aufgeschoben wurde. Auch die ungewöhnliche Anzahl an wichtigen Änderungen in letzter Minute lässt sich nicht alleine mit dem Verweis auf die heftige Kritik vonseiten westlicher NGOs und Diplomaten erklären. Vielmehr prallen auch im Machtzentrum in Peking unterschiedliche Kräfte und Interessen aufeinander: Während die einen das Primat der nationalen Sicherheit und den absoluten Kontrollanspruch der Partei hochhalten, betonen andere die Notwendigkeit der internationalen Zusammenarbeit. So ist es in erster Linie auf den innerstaatlichen Druck betroffener Akteure zurückzuführen, dass Kooperationsprojekte im Bildungs- und Gesundheitswesen explizit vom Geltungsbereich des NGO-Gesetzes ausgenommen werden. Zudem wurden aber auch einige wichtige Kritikpunkte, die gerade deutsche Stiftungen vorgebracht hatten, berücksichtigt. Bürokratische Schikanen wie die Pflicht zur Neuregistrierung nach fünf Jahren oder Beschränkungen bei der Anstellung chinesischer Mitarbeiter wurden gestrichen. Nicht zuletzt auch der Titel des Gesetzes ist geändert: Dieses soll jetzt offiziell nicht mehr die ausländischen NGOs an sich, sondern nur deren Aktivitäten in China regulieren. Die Nachrichtenagentur Xinhua thematisierte die Änderungen in einer für die chinesische Gesetzgebung ungewöhnlichen Meldung und ging dabei sogar explizit auf Kritik an Vorgängerversionen des Gesetzes ein. Dabei ist das politische Klima in China derzeit vor allem von öffentlichkeitswirksamen Aktionen gegen ausländische Infiltration geprägt: Vom Kampf gegen westliche Werte an Universitäten über drastische Beschränkungen für ausländische Medien bis hin zum "Nationalen Erziehungstag", bei dem vor jungen Ausländern als potentiellen Spionen gewarnt wurde, zeigt sich unter Präsident Xi Jinping ein beunruhigender Trend zur Instrumentalisierung nationalistischer Gefühle. Die parteistaatlichen Medien aber verzichteten dieser Tage auf nationalistische Töne. Auch in der Pressekonferenz im Anschluss an die Verabschiedung hoben die Regierungsvertreter in erster Linie die positive Rolle der Mehrzahl ausländischer NGOs hervor. Klarer werden die gesellschaftspolitischen Intentionen Pekings vor dem Hintergrund eines weiteren, erst Mitte März verabschiedeten Gesetzes: Das Wohltätigkeitsgesetz soll dazu beitragen, der chinesischen Philanthropie Aufschwung zu verleihen. Die betroffenen chinesischen Organisationen nahmen es überwiegend positiv auf. Denn es schafft nicht nur erstmals einen gesetzlichen Rahmen für den durch Korruptionsskandale in Verruf geratenen Non-Profit-Sektor, sondern erleichtert auch das Fundraising deutlich. Im Kontrast dazu werden ausländischen Organisationen mit dem NGO-Gesetz nun wesentlich härtere Vorgaben zu Finanzierung und Rechenschaftspflicht auferlegt. Diese Diskriminierung ausländischer Organisationen bei gleichzeitiger Förderung chinesischer Wettbewerber erinnert stark an die chinesische Industriepolitik: Mittelfristig sollen so auch chinesische NGOs zu globalen Champions aufgebaut werden und der eigenen „kulturellen Soft Power“ auf die Sprünge helfen. Bis zu einem eigenständigen Non-Profit-Sektor „made in China“ ist es aber noch ein langer Weg. Bislang liegt China in internationalen Philanthropie-Rankings auf den hintersten Rängen. Auch wenn die Spendenbereitschaft unter Chinas Multimillionären derzeit sprunghaft ansteigt und vielerorts neue Stiftungen aus dem Boden schießen, so wird dadurch der Bedarf an ausländischer Expertise im Non-Profit-Management zunächst deutlich ansteigen. Ausländische Akteure sind so lange willkommen, wie sie zur Erfüllung chinesischer Entwicklungsziele beitragen und ihre Expertise vom Parteistaat als „nützlich“ anerkennen. Dem westlichen Modell der Zivilgesellschaft setzt China das einer 'zivilisierten Gesellschaft' entgegen, die staatliche Institutionen in Bereichen wie Armutsbekämpfung, Umweltschutz oder Bildung unterstützt. Gleichzeitig sehen beide Gesetze die Möglichkeit vor, „staatsgefährdende“ Organisationen und Aktivitäten ohne Umschweife zu unterbinden. Für chinesische ebenso wie ausländische NGOs mit politischen Ambitionen dürfte das Leben und Arbeiten unter dem misstrauischen Auge des Polizeiministeriums daher in Zukunft noch unangenehmer werden. Bertram Lang ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Mercator Institut für China Studien (MERICS) in Berlin.
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