Wohin soll die Österreich-Reise gehen? Was sich die

Wohin soll die Österreich-Reise gehen?
Was sich die Hilfsorganisationen von einer neuen Regierung erwarten.
Statement der Caritas anlässlich eines Pressegesprächs am 30. Oktober 2008
gemeinsam mit anderen Hilfsorganisationen (Diakonie, Volkshilfe, Rotes Kreuz, Hilfswerk).
Soziale Dienstleister, große Arbeitgeber, Innovationsträger, Schließer von Lücken im
Sozialstaat, Impulsgeber: Um diese wichtigen gesellschaftlichen Aufgaben wahrnehmen zu
können, brauchen wir als Sozialunternehmen förderliche Rahmenbedingungen, einen offenen
Dialog und Fairness. In diesem Sinne sind unsere Forderungen an die nächste neue Regierung
für bessere Rahmenbedingungen zu verstehen.
• Steuerliche Absetzbarkeit von Spenden
Trotz Teuerungen bei Lebensmitteln und Energie vergessen die Menschen in Österreich ihre
notleidenden Mitmenschen nicht. Auch wenn sie derzeit vielleicht weniger geben können,
leisten sie ihren Beitrag gegen die Armut. Mit der Spendenabsetzbarkeit hätte der Staat die
Möglichkeit, dieses uneigennützige Engagement von Millionen österreichischer Spenderinnen
und Spender zu würdigen. Während es in fast allen anderen EU-Staaten gängige Praxis ist,
Spenden zu begünstigen und nicht zu besteuern, leistet sich Österreich hier eine unrühmliche
Schlussposition. Die Rechnung bezahlen die Armen. Es kann nicht angehen, dass die bereits
mehrmals versprochene Möglichkeit zur Absetzung von Spenden bis zum St.-Nimmerleinstag
verschoben wird. Schließlich ist Solidarität der Leim, der eine Gesellschaft zusammenhält. Ich
fordere die neue Bundesregierung auf, mit der Spendenabsetzbarkeit ein Signal der
Solidarität zu setzen.
• Etablierter Dialog zwischen Staat und NGOs
Österreich ist vorbildhaft im Bereich der Sozialpartnerschaft. Im Dialog mit den NGOs gleicht
Österreich allerdings, gerade auch im Vergleich zu anderen EU-Staaten, gelinde gesagt einem
Entwicklungsland. Ein wirklicher Austausch findet nur dann statt, wenn wir als NGOs darauf
bestehen und den Kontakt einfordern. Ein ernstzunehmender, etablierter Dialog zwischen
Bund bzw- Ländern und NGOs muss auch in Österreich zur politischen Kultur werden.
• Berechenbare, mehrjährige Leistungsverträge
Dort, wo wir im Auftrag der öffentliche Hand soziale Dienste übernehmen, etwa in der Pflege,
oder der Betreuung von Menschen mit Behinderung, sind wir teilweise damit konfrontiert, am
Anfang des Jahres nicht zu wissen, ob die Leistungen, die wir für die Allgemeinheit erbringen,
finanziert werden und wenn ja, in welcher Höhe. Wir fordern daher berechenbare
Leistungsverträge zwischen Trägern und öffentlicher Hand, die für mehrere Jahre
abgeschlossen werden und einen klaren Finanzierungsmodus festschreiben. Nur so
können wir planen, Neues entwickeln und den Menschen gegenüber die Leistungen, die wir
erbringen, klar kommunizieren.
• Abbau von unnötigem, bürokratischem Aufwand
Klar ist: Ausführliche Dokumentationen, etwa im Pflegebereich und transparente, detaillierte
Abrechnungen sind für professionelle NGOs ein Muss. Diese Dinge dürfen aber nicht auf
Kosten der direkten Hilfe für Menschen gehen. Pflegekräfte dürfen nicht dazu gezwungen sein,
mehr Zeit mit ihren Akten zu verbringen, als mit den Menschen, um die sie sich kümmern
sollen. In praktisch allen Arbeitsbereichen erweisen sich Bund und Länder als bürokratisch
aufwändige Gegenüber. Wir fordern den Abbau eines unnötigen, bürokratischen
Aufwandes zugunsten der betreuten Menschen.
Also: Steuerliche Absetzbarkeit von Spenden, ein etablierter Dialog von Staat und
Sozialorganisationen, berechenbare, mehrjährige Leistungsverträge und der Abbau von
unnötigem, bürokratischen Aufwand: Das sind die Rahmenbedingungen, die uns als
Wohlfahrtsorganisationen die nötige Luft gibt, um unserem gesellschaftlichen Auftrag
gerecht zu werden: Den Menschen in Österreich zu helfen.
Gestatten Sie mir nun einen abrupten Themenwechsel zur Kinderbetreuung.
Kinderbetreuungsangebote, seien es klassische Kindergärten, Tagesmütter, Horte oder
Spielgruppen, zählen ja zu den ganz wesentlichen Angeboten, die die Organisationen der
Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt bereitstellen. Auch wenn dieses Thema an
öffentlicher Aufmerksamkeit gewonnen hat, sind wir hier weit von einem Durchbruch bei der
Bewältigung der Probleme entfernt. Daher steht das Thema Verbesserungen bei der
Kinderbetreuung ebenfalls ganz oben auf unserem Forderungskatalog.
• Schließung von Angebotslücken
Es ist eine große Herausforderung für die Menschen, die Betreuung ihrer Kinder mit einer
Erwerbsarbeit unter einen Hut zu bringen. Viele Familien in Österreich sind aber auf das
Einkommen beider Elternteile angewiesen. Die Arbeitszeiten der Eltern gehen vielfach nicht mit
den Öffnungs- und Ferienzeiten der Kinderbettreuungseinrichtungen konform. Damit Beruf und
Kinder vereinbar sind, fordern wir die Schließung von Angebotslücken insbesondere
außerhalb der Öffnungszeiten von Kindergärten und während der Ferien. Erfolgen muss
diese durch die Kombination verschiedener Angebote durch Kindergärten, Tagesmütter
und Spielgruppen. Besonders das Betreuungsangebot für Unter-Dreijährige muss dringend
ausgebaut werden.
• gezielte Förderung benachteiligter Kinder
Es gibt ein fatales Wechselspiel zwischen Armut und mangelnder Bildung, das man mit
intelligenten Lösungen durchbrechen kann und muss. Hier braucht es eine gezielte Förderung
für Kinder aus benachteiligten Familien, insbesondere Sprachförderung, Förderung sozialer
Kompetenzen und motorischer Fähigkeiten. Bei Kindern mit Migrationshintergrund ist es
sinnvoll zu verhindern, dass sie in die Schule kommen, ohne ein Wort Deutsch zu können.
Förderung brauchen aber auch viele andere Kinder, die aufgrund sozialer Probleme erhebliche
Entwicklungsrückstände und vielfach auch Sprachprobleme haben. Eine gezielte Förderung
für Kinder aus benachteiligten Familien mit und ohne Migrationshintergrund ist der erste
Schritt für eine bessere Zukunft.
• flächendeckender Ausbau integrativer Angebote
Der Umgang von Kindern mit und ohne Behinderung ist für beide Seiten eine Bereicherung und
kann nicht früh genug beginnen. Behinderte Kinder müssen prinzipiell zu allen
Kindergärten, also auch in der Nähe ihres Wohnorts Zugang haben.