Ausgabe Mai 2016, privat

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Ausgabe: private Mandanten / Mai 2016
Verkehrsrecht
Unzulässige Nutzung der Handy-Fotofunktion
Der Begriff des Benutzens eines Mobiltelefons beim
Führen eines Kraftfahrzeugs gemäß § 23 Abs. 1a
StVO (Straßenverkehrsordnung) umfasst für das
Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg auch die
Nutzung der Kamerafunktion. Ausreichend ist, dass
die Handhabung einen Bezug zu einer der Funktionstasten des Handys hat.
Beschluss des OLG Hamburg vom 28.12.2015
2 - 86/15 (RB)
JurPC Web-Dok. 19/2016
K&R 2016, 202
Videoaufzeichnung durch Dash-Cam mit Ringspeicherung im Zivilprozess verwertbar
Zunehmend müssen sich die Zivilgerichte bei
Rechtsstreitigkeiten nach Verkehrsunfällen mit der
Verwertbarkeit von mittels einer im Auto oder auf
dem Helm eines Unfallbeteiligten installierten Kamera (Dash-Cam) gemachten Aufzeichnungen als
Beweismittel befassen.
Wie bereits eine Reihe anderer Gerichte stellte
das Landgericht Landshut zunächst klar, dass die
Verwertbarkeit der bei einem permanenten Betrieb erfolgten Aufnahme mit einer Dash-Cam im
Zivilprozess über die Haftungsverteilung bei einem
Verkehrsunfall von einer Abwägung der betroffenen
Interessen abhängt. Der hier entschiedene Fall wies
jedoch die Besonderheit auf, dass die zu Beweiszwecken vorgelegte Aufzeichnung mithilfe einer
Kamera mit einer sogenannten Ringspeicherung
gefertigt wurde, bei der die Aufnahmen regelmäßig
wieder überspielt werden. In diesem Fall scheiden
Bedenken gegen die Verwertung im Zivilprozess
wegen eines Verstoßes gegen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) von vornherein aus. Ein mit
dieser Technik aufgenommenes Video ist daher im
Zivilprozess verwertbar.
Beschluss des LG Landshut vom 01.12.2015
12 S 2603/ 15
jurisPR-VerkR 4/2016 Anm. 2
ZD 2016, 187
Willkürliches Abbremsen ist gefährlicher Eingriff in
den Straßenverkehr
Das grundlose Abbremsen eines Pkws aus hoher
Geschwindigkeit, um den nachfolgenden Kraftfahrzeugführer zu einer scharfen Bremsung oder Vollbremsung zu zwingen, kann nach Einschätzung des
Oberlandesgerichts Hamm einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr durch Hindernisbereiten
im Sinne des § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB darstellen.
Handelt der Täter mit der Absicht einen Unglücksfall herbeizuführen oder verursacht er durch die Tat
eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen, ist eine Freiheitsstrafe von einem
Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen
eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf
Jahren oder eine Geldstrafe zu verhängen.
Beschluss des OLG Hamm vom 15.12.2015
III-5 RVs 139/15
StRR 2016, Nr. 2, 3
Rotlichtverstoß bei „unsinniger“ Ampelschaltung
Ein Autofahrer, der ein Rotlicht missachtet, kann sich
nicht damit entschuldigen, dass die Ampelschaltung
- aus seiner Sicht - völlig unsinnig ist und auch tatsächlich nicht der von der Straßenverkehrsbehörde
gewollten entspricht. Auch subjektiv wie objektiv
wenig sinnvolle Verkehrsregelungen sind von den
Verkehrsteilnehmern unbedingt zu beachten.
Urteil des AG Zeitz vom 04.08.2015
13 OWi 713 Js 204952/15
jurisPR-VerkR 7/2016 Anm. 5
„Berauschter“ E-Bike-Fahrer
Ein E-Bike-Fahrer wurde von einer Polizeistreife in
verkehrsuntüchtigem Zustand angehalten. Es stellte sich heraus, dass er vor Fahrtantritt mehrfach
die Kräutermischung „After Dark“ geraucht hatte.
Während der Verkehrskontrolle verfiel er in einen
regelrechten Wahnzustand, bei dem er sich zeitweise völlig entkleidete. Die Polizei zog daraufhin seinen Führerschein der Klasse B für mehrere Stunden
ein. Als die zuständige Straßenverkehrsbehörde von
dem Vorfall erfuhr, ordnete sie die Beibringung eines
medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU)
über seine Fahreignung an. Da sich der Betroffene
weigerte, wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen.
Die Entscheidung wurde vom Verwaltungsgericht
Neustadt (Weinstraße) bestätigt. Ein hinzugezoge-
ner Gutachter stellte fest, dass in der entnommenen
Blutprobe neben Cannabis auch die Aufnahme von
synthetischen Cannabinoiden nachgewiesen werden konnte. Diese Substanzen rufen eine ähnliche
Beeinflussung wie der Cannabiswirkstoff THC hervor. Die Wirkung dieser Substanzen ist in der Regel
sogar noch deutlich ausgeprägter als bei THC selbst
und stellt für den Straßenverkehr ein signifikant höheres Risiko dar, was regelmäßig den Verlust der
Fahreignung zur Folge haben muss. Dabei kommt
es nicht darauf an, ob der Betreffende unter dem
Einfluss eines Betäubungsmittels als Kraftfahrer am
Straßenverkehr teilgenommen hat.
Beschluss des VG Neustadt (Weinstraße) vom
21.01.2016
3 L 1112/15.NW
Pressemitteilung des VG Neustadt (Weinstraße)
Verspätung bei Gerichtstermin wegen Staus
Nach den Grundsätzen des fairen Verfahrens hat
das Gericht, vor dem über einen Einspruch gegen
einen Bußgeldbescheid verhandelt wird, eine Wartezeit von mindestens 15 Minuten einzuhalten, bevor es das Rechtsmittel wegen Nichterscheinens
des Betroffenen verwirft. Teilt der Betroffene während dieser Zeit mit, dass er sich wegen eines unvorhersehbaren Staus verspäten, aber noch in einer
angemessenen Zeit bei Gericht eintreffen werde, ist
die Wartezeit entsprechend zu verlängern.
Beschluss des KG Berlin vom 08.05.2015
3 Ws (B) 126/15 - 122 Ss 40/15
jurisPR-VerkR 4/2016 Anm. 6
Widerlegbarer Anscheinsbeweis beim Sturz eines
Fahrgastes eines Linienbusses
Fahrgäste in Linienbussen haben sowohl beim
­Anfahren, während der Fahrt und auch beim Anhalten stets für die eigene Sicherheit zu sorgen und
sich festen Halt zu verschaffen. Dies ergibt sich
aus § 4 BefBedV (Verordnung über die Allgemeinen ­
Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Busverkehr). Dem Fahrer ist es wegen
der ­vorrangigen Verpflichtung, auf den Verkehr zu
achten - von Ausnahmen abgesehen - weder möglich noch ist er verpflichtet zu überprüfen, ob die
­Fahrgäste über einen festen Halt verfügen oder ob
ihre Steh- oder Sitzposition eine Gefährdung nahelegt.
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Ausgabe: private Mandanten / Mai 2016
Insbesondere im innerörtlichen Busverkehr, bei
dem stets mit ruckartigem Fahrverhalten oder starken Bremsmanövern zu rechnen ist, gilt der Beweis
des ersten Anscheins dafür, dass der Sturz eines
Fahrgastes auf mangelhafte Sicherung der eigenen
Person zurückzuführen ist. In dem vom Oberlandesgericht Frankfurt entschiedenen Fall jedoch konnte der durch eine Vollbremsung verletzte Fahrgast
nachweisen, dass er sich zu diesem Zeitpunkt auf
einem Sitzplatz befand. Da die Vollbremsung durch
einen Fahrfehler des Busfahrers veranlasst worden
war, konnte der Verletzte Ersatz des entstanden
Schadens und ein angemessenes Schmerzensgeld
verlangen.
Entwicklung und Gesundheitszustand) des beim
anderen lebenden Kindes verlangen, soweit dies
dem Wohl des Kindes nicht widerspricht. Diese
Regelung hat insbesondere dann Bedeutung, wenn
das Umgangsrecht eines Elternteils ganz oder teilweise ausgeschlossen ist. Hierzu hat nun das Oberlandesgericht Hamm entschieden, dass ein leiblicher Vater, dem weder die elterliche Sorge noch
ein Umgangsrecht zustehen, von der Kindesmutter
in regelmäßigen Abständen Auskunft über die Entwicklung des Kindes verlangen kann.
Ausbildungsunterhalt: Einsatz von Kindesvermögen
Eltern schulden auch ihrem volljährigen, bedürftigen
Kind im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Unterhalt für eine Schul- und Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem
Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht.
Die Erteilung der verlangten Auskunft widersprach im
konkreten Fall nicht dem Kindeswohl. Insoweit ist ein
strenger Maßstab anzulegen. Gründe, die zur Versagung eines Umgangsrechts geführt haben, genügen
hierfür nicht. Die verlangte Auskunft kann nur dann
abgelehnt werden, wenn der antragstellende Elternteil
mit der Auskunft rechtsmissbräuchliche Ziele verfolgt.
Das Kind muss sich dabei nicht nur eigene (Neben-)
Einkünfte, sondern auch eigenes Vermögen anrechnen lassen. Ein solches Vermögen ist sukzessive zur
Deckung des Lebensbedarfs einzusetzen und darf
nicht anderweitig für nicht zum allgemeinen Lebensbedarf zählende Aufwendungen verbraucht werden.
Bei einem Verstoß gegen diese Obliegenheit muss
sich das Unterhalt verlangende Kind so behandeln
lassen, als ob noch Vermögen vorhanden wäre und
bedarfsdeckend eingesetzt werden könnte.
Urteil des OLG Hamm vom 24.11.2015
2 WF 191/15
NJW-Spezial 2016, 197
Beschluss des OLG Zweibrücken vom 16.10.2015
2 UF 107/15
NZFam 2016, 33
Leichtsinnige Erbschaftsannahme
Werdender Vater muss nicht vor Gericht erscheinen
Ist der Nachlass überschuldet, wird der Erbe die
Erbschaft vernünftigerweise ausschlagen. Stellt
sich die Überschuldung des Nachlasses erst nach
der Annahme der Erbschaft durch ausdrückliche
Erklärung oder durch Ablauf der Ausschlagungsfrist heraus, kann der Erbe berechtigt sein, die
Erbschaftsannahme wegen Irrtums nachträglich
anzufechten. Eine solche Anfechtung setzt jedoch
voraus, dass sich der Erbe überhaupt ernsthaft mit
dem Nachlass auseinandergesetzt hat und von der
Werthaltigkeit des Nachlasses ausgegangen ist.
Die unmittelbar bevorstehende Niederkunft der
Ehefrau stellt, zumal wenn Komplikationen während
der Geburt drohen, für den werdenden Vater einen
anzuerkennenden Entschuldigungsgrund für das
Nichterscheinen in der gerichtlichen Hauptverhandlung in einem Bußgeldverfahren dar.
Ausgleichsansprüche nach Beendigung nicht ehelicher Lebensgemeinschaft
Auskunftsanspruch auch ohne Umgangsrecht
Hieran fehlt es, wenn dem Erben die Möglichkeit der
Überschuldung bewusst war, weil er selbst keine
genauen Vorstellungen vom Nachlassbestand hatte.
In dem vorliegenden Fall hätte der Erbe die Gelegenheit gehabt, sich bei dem Betreuer des Erblassers oder durch Einsicht in die Betreuungsakte über
den Vermögensbestand zu erkundigen. Da er dies
unterlassen hatte, lehnte das Oberlandesgericht
Schleswig die Anfechtung der Erbschaftsabnahme
ab. Der Erbe muss nun die Schulden des Erblassers
übernehmen.
Nach § 1686 BGB kann jeder Elternteil vom anderen bei berechtigtem Interesse Auskunft über die
persönlichen Verhältnisse (z.B. über schulische
Beschluss des OLG Schleswig vom 31.07.2015
3 Wx 120/14
FamRZ 2016, 492
Urteil des OLG Frankfurt vom 17.11.2015
12 U 16/14
jurisPR-VerkR 6/2016 Anm. 4
Kollision mit Radfahrer nach Linksabbiegevorgang
Nach § 9 Abs. 3 StVO trifft Linksabbieger eine besondere Sorgfaltspflicht. Ein Verstoß hiergegen
führt zu einer erhöhten Geldbuße. Diese Vorschrift
ist jedoch nicht anwendbar, wenn ein Pkw an einer
Kreuzung nach links in eine andere Straße einbiegt
und dort mit einem Radfahrer kollidiert, der die
Straße unter Missachtung einer für ihn Rotlicht zeigenden kombinierten Fußgänger-Radfahrer-Ampel
überquert. In diesem Fall nimmt das Oberlandesgericht Jena keinen Verstoß gegen die Wartepflicht
des Linksabbiegers nach § 9 Abs. 3 StVO, sondern
allenfalls eine Verletzung der allgemeinen Sorgfaltspflicht nach § 1 Abs. 2 StVO an.
Das Gericht hielt somit die Verhängung einer Regelgeldbuße (Nr. 1.4. BKat) für den Verkehrsverstoß für
angemessen und verringerte die in erster Instanz
verhängte Geldbuße von 70 Euro auf 35 Euro.
Beschluss des OLG Jena vom 07.09.2015
1 OLG 161 SsRs 53/15 (93)
jurisPR-VerkR 2/2016 Anm. 4
Familien- und Erbrecht
Beschluss des KG Berlin vom 30.09.2015
3 Ws (B) 427/15 - 162 Ss 89/15
jurisPR-VerkR 5/2016 Anm. 5
Dem Partner einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft stehen bei deren Beendigung Ausgleichsansprüche nur dann zu, wenn es sich um sog. „gemeinschaftsbezogene Zuwendungen“ gehandelt hat. Dies
sind solche Aufwendungen, die über die Leistungen
im Rahmen des täglichen Zusammenlebens hinausgehen und gerade in der Erwartung gemacht werden,
dass die Lebensgemeinschaft Bestand haben wird.
Kann der Anspruchsteller diese Voraussetzungen im
Prozess nicht nachweisen, ist davon auszugehen,
dass es sich bei den behaupteten Aufwendungen um
Schenkungen an den Partner gehandelt hat.
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Ausgabe: private Mandanten / Mai 2016
In dem vom Landgericht Coburg entschiedenen
Fall hatte ein Mann, der jahrelang mietfrei im Haus
seiner Partnerin gewohnt hatte, nach der Trennung
Aufwendungen für die Anschaffung von Mobiliar,
Gartengestaltung und die Erstellung einer Doppelgarage in Höhe von insgesamt 30.000 Euro geltend gemacht. Da er teilweise keine Rechnungen
vorlegen konnte, die Doppelgarage neben der bestehenden Garage ausschließlich für seine eigenen
Fahrzeuge errichtet hatte und er im Übrigen den
Nachweis „gemeinschaftsbezogener Zuwendungen“ nicht erbringen konnte, scheiterte er mit seiner Klage.
anwesend ist. Ferner wiesen die Richter darauf hin,
dass vor der Errichtung eines Nottestaments auch
samstags versucht werden muss, einen Notar zu
finden, der bereit ist, noch am selben Tag ein Testament im Krankenhaus zu beurkunden.
Urteil des LG Coburg vom 17.12.2015
22 O 400/15
Justiz Bayern online
Eltern schulden ihrem Kind im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Unterhalt für eine
Schul- und Berufsausbildung, die der Begabung
und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den
beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten
entspricht. Nach ständiger Rechtsprechung besteht
für ein unterhaltsberechtigtes Kind allerdings die
Obliegenheit, seine Ausbildung mit Fleiß und der
gebotenen Zielstrebigkeit zu betreiben oder durch
eigene Erwerbstätigkeit seinen Lebensunterhalt zu
sichern.
Anforderungen an Dreizeugentestament
Wer sich in so naher Todesgefahr befindet, dass
voraussichtlich auch die Errichtung eines Nottestaments vor einem Bürgermeister nach § 2249 BGB
nicht mehr möglich ist und kurzfristig auch kein
Notar zur Beurkundung zur Verfügung steht, kann
das Testament durch mündliche Erklärung vor drei
Zeugen errichten. Über den Inhalt der Erklärung
muss eine Niederschrift aufgenommen werden
(§ 2250 BGB). Diese Form des Nottestaments spielt
in der Praxis durchaus eine Rolle, wenn Sterbende
in Krankenhäusern oder Pflegeheimen nicht mehr
schreiben können und auch kein Notar für die Aufnahme des letzten Willens erreichbar ist.
Das Kammergericht hatte über die Wirksamkeit eines Dreizeugentestaments zu entscheiden, das von
einer erblindeten 82-Jährigen, deren Allgemeinzustand sich dramatisch verschlechtert hatte, in Anwesenheit eines Arztes und einer Pflegefachkraft
als Zeugen abgegeben wurde. Als das Nachlassgericht auf das Fehlen der Unterschrift eines dritten
Zeugens hingewiesen hatte, wurde das Testament
durch die Unterschrift eines dritten Zeugen ergänzt,
der gerade als Besucher neben dem Krankenbett
saß.
Das Gericht sah mit diesem Zeugen die gesetzlichen
Anforderungen nicht erfüllt. Bei der Errichtung eines
Dreizeugentestaments ist es erforderlich, dass die
Zeugen die Absicht und das Bewusstsein ihrer gemeinsamen Mitwirkung und Verantwortung haben.
Es ist nicht ausreichend, wenn - wie hier - eine Person bei der Errichtung des Testaments bloß zufällig
Beschluss des KG Berlin vom 29.12.2015
6 W 93/15
jurisPR-FamR 5/2016 Anm. 1
Ausbildungsunterhalt: Fiktive Einkünfte eines minderjährigen Kindes
Verweigert ein minderjähriger Unterhaltsberechtigter den Schulbesuch und bemüht er sich auch
nicht um ein Erwerbseinkommen, muss er sich
gegenüber dem unterhaltspflichtigen Elternteil
grundsätzlich als fiktives Einkommen das anrechnen lassen, was er bei der gebotenen Aufnahme
einer Erwerbstätigkeit als Einkommen erzielen
könnte. Dies gilt für das Oberlandesgericht Frankfurt jedoch dann nicht, wenn der betroffene Minderjährige noch der gesetzlichen Schulpflicht
unterliegt. Die Eltern sind dann uneingeschränkt
unterhaltspflichtig.
Beschluss des OLG Frankfurt vom 15.07.2015
5 UF 50/15
jurisPR-FamR 6/2016 Anm. 1
MDR 2016, 33
Betreuerbestellung bei zweifelhaftem Widerruf einer
Vorsorgevollmacht
Eine sogenannte Vorsorgevollmacht wird meist erteilt, um die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung zu verhindern, wenn der Betroffene nicht mehr
in der Lage ist, seine Angelegenheiten selbst zu
besorgen. Ist jedoch zweifelhaft, ob eine Vorsorgevollmacht wirksam widerrufen worden ist, kann das
zuständige Betreuungsgericht (Vormundschaftsgericht) wegen der mit dieser Unsicherheit verbundenen eingeschränkten Akzeptanz der Vollmacht im
Rechtsverkehr einen Betreuer bestellen.
Beschluss des BGH vom 19.08.2015
XII ZB 610/14
NotBZ 2016, 36
Miet-, WEG- und Immobilienrecht
Unzulässige Untervermietung an „Medizintouristen“
Ein Münchner mietete neben der von ihm bewohnten Wohnung eine weitere Wohnung zur angeblichen
Selbstnutzung an, in der sich in der Folgezeit immer
wieder wechselnde Personen aufhielten. Hierbei
handelte es sich fast ausschließlich um sogenannte Medizintouristen aus dem arabischen Raum, die
nur kurzzeitig zu ärztlichen Behandlungen in der
Stadt waren. Das Amtsgericht München sah darin
eine unzulässige Untervermietung und erklärte die
vom Vermieter ausgesprochene fristlose Kündigung
für gerechtfertigt. Durch diese Art der Nutzung
sind insbesondere eine erhöhte Abnutzung der
Wohnung und eine gesteigerte Beeinträchtigung
der Wohnungsnachbarn (z.B. durch Lärm) zu befürchten.
Urteil des AG München vom 29.09.2015
432 C 8687/15
Justiz Bayern online
Anforderungen an die Vereinbarung der Betriebskostentragungspflicht
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass bei
einem Wohnraummietverhältnis zur Übertragung
der Betriebskosten auf den Mieter die Vereinbarung
genügt, dass dieser „die Betriebskosten zu tragen“
hat. Zu einer wirksamen Umlage bedarf es daher
keiner Beifügung des Betriebskostenkatalogs oder
einer ausdrücklichen Bezugnahme auf § 556 Abs. 1
Satz 2 BGB und die Betriebskostenverordnung. Der
Mieter ist auch ohne diese Verweise zur Übernahme der in der Betriebskostenverordnung erläuterten
Betriebskosten verpflichtet.
Urteil des BGH vom 10.02.2016
VIII ZR 137/15
Grundeigentum 2016, 385
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Ausgabe: private Mandanten / Mai 2016
Wohnungseigentümergemeinschaft darf Grundstück
ankaufen
Eine Wohnungseigentümergemeinschaft ist als sogenannter (teil-)rechtsfähiger Verband grundsätzlich
berechtigt, mehrheitlich den Erwerb eines Grundstücks zu beschließen und zu vollziehen. In dem vor
dem Bundesgerichtshof verhandelten Fall entsprach
der Erwerb eines Nachbargrundstücks zur Schaffung zusätzlicher Kfz-Stellplätze auch den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Verwaltung. Die Anfechtung des Beschlusses durch einen überstimmten
Wohnungseigentümer blieb somit erfolglos.
Urteil des BGH vom 18.03.2016
V ZR 75/15
BGH online
Haftung des Immobilienverkäufers für Falschangaben seines Maklers
Der Verkäufer eines Wohnhauses haftet dann für
falsche Versprechungen im Exposé des von ihm
eingeschalteten Maklers, wenn er diesem die Fehlinformationen selbst gegeben hat oder der Makler
als sein Erfüllungsgehilfe gehandelt hat. Das ist der
Fall, wenn der Makler - zumindest im Wesentlichen
- die Verhandlungen mit dem Käufer geführt hat.
Dann muss sich der Verkäufer die unzutreffende Zusicherung des Maklers („komplette fachmännische
Trockenlegung des gesamten Hauses“) als eigene
zurechnen lassen. Er ist dem Käufer sodann schadensersatzpflichtig.
Beschluss des BGH vom 22.07.2015
V ZR 245/14
RdW 2016, 125
Anwendung des Mietspiegels bei vorhandenem,
aber nicht nutzbarem Balkon
Stützt der Vermieter sein Mieterhöhungsbegehren
auf einen Mietspiegel und sieht dieser das wohnwertmindernde Merkmal des „nicht vorhandenen Balkons“ vor, stellt sich die Frage, wie zu verfahren ist,
wenn zwar ein Balkon tatsächlich vorhanden, dessen
Nutzung jedoch aus baulichen und/oder rechtlichen
Gründen nicht möglich oder nicht zulässig ist.
Das Landgericht Berlin vertritt zu dieser Frage die
Auffassung, dass die Nichtnutzbarkeit bei der Bestimmung der ortsüblichen Miete keine Rolle spie-
len kann. In einem derartigen Fall hat der Mieter das
Recht, die Miete wegen der Unbenutzbarkeit des
Balkons angemessen zu mindern.
Urteil des LG Berlin vom 23.09.2015
65 S 175/15
jurisPR-MietR 7/2016 Anm. 2
Grundeigentum 2015, 1292
Anforderungen an Sachverständigengutachten im
Mieterhöhungsverfahren
Wird eine Mieterhöhung auf ein vom Vermieter vorgelegtes Sachverständigengutachten gestützt, genügt der Vermieter seiner Verpflichtung zur Begründung seines Mieterhöhungsverlangens, wenn das
Gutachten für den Mieter zumindest ansatzweise
selbst überprüfbare Angaben über Tatsachen enthält, aus denen die geforderte Mieterhöhung hergeleitet und die zu beurteilende Wohnung zutreffend in
das örtliche Preisgefüge eingeordnet wird. Etwaige
kleinere Mängel des Gutachtens führen - so der
Bundesgerichtshof - nicht zur Unwirksamkeit des
Mieterhöhungsverlangens aus formellen Gründen.
Urteil des BGH vom 03.02.2016
VIII ZR 69/15
Grundeigentum 2016, 388
Kein Wucher bei überhöhter Betriebskostenpauschale
Die Vereinbarung einer Betriebskostenpauschale in
einem Wohnraummietvertrag ist nicht bereits dann
wegen Wuchers unwirksam, wenn sie 40 Prozent
über dem stadtweiten Durchschnitt liegt.
Für das Landgericht Berlin war schon fraglich, ob
die vorgenommene Prognose der tatsächlichen
Betriebskosten und die sich zu den Durchschnittswerten ergebende Differenz von 40 Prozent überhaupt ein Missverhältnis zwischen Leistung und
Gegenleistung begründet hat. Zumindest war das
Missverhältnis - wie § 138 Abs. 2 BGB bei Wucher
fordert - nicht grob.
Beschluss des LG Berlin vom 10.11.2015
67 S 369/15
Grundeigentum 2016, 66
Mieter muss störendes Katzennetz beseitigen
Ein Vermieter kann von seinem Mieter die Beseitigung
eines von diesem auf dem Balkon der gemieteten Wohnung angebrachten Katzennetzes, das das Ent­laufen
seiner in der Wohnung gehaltenen Katze verhindern
soll, verlangen, wenn dadurch das Erscheinungsbild
der Hausfassade beeinträchtigt wird. Eine unzumutbare Beeinträchtigung nahm das Amtsgericht Augsburg an, wenn das Katzennetz an der Balkonbrüstung
mit deutlich sichtbaren Holzstangen befestigt wurde.
Hinzu kam in diesem Fall, dass der Vermieter selbst in
dem Haus wohnte und daher ein besonderes Interesse am Aussehen der Fassade hatte.
Urteil des AG Augsburg vom 21.12.2015
72 C 47/56/14
RdW Heft 4/2016, Seite IV
Sturz auf Zugangsweg zur Garage
Grundsätzlich ist der Vermieter eines Mehrfamilienhauses für den Zugang zu dem Gebäude und
den Garargenbereich verkehrssicherungspflichtig.
Er hat diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die im
Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren geeignet
sind, Gefahren von Dritten abzuwenden, die bei
bestimmungsgemäßer oder nicht ganz fernliegender bestimmungswidriger Benutzung drohen. Der
Verkehrssicherungspflichtige kann jedoch nicht
für alle denkbaren, auch entfernteren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorkehrungen treffen. Eine Sicherung, die jeden Unfall ausschließt,
ist praktisch nicht möglich. Es müssen daher nur
dann Vorsorgemaßnahmen getroffen werden, wenn
eine Gefahrenquelle trotz Anwendung der von den
Verkehrsteilnehmern zu erwartenden Eigensorgfalt
nicht rechtzeitig erkennbar ist oder sie sich auf die
Gefahrenlage nicht einstellen können.
Nach diesen Grundsätzen wies das Amtsgericht
Coesfeld die Schadensersatzklage einer Mieterin
ab, die auf dem Weg vom Haus zu der angemieteten
Garage an einer versandeten Vertiefung zwischen
den Pflastersteinen gestürzt war und sich dabei
verletzt hatte. Das Gericht ging davon aus, dass die
ortskundige Frau die Gefahrenstelle durchaus hätte erkennen können. Der Unfall war daher auf ihre
eigene Unaufmerksamkeit zurückzuführen. Für die
Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos kann
der Vermieter nicht haftbar gemacht werden.
Urteil des AG Coesfeld vom 13.01.2016
11 C 169/15
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Versicherungsrecht
Komplettaustausch der Frontscheinwerfer trotz Verwendbarkeit eines Reparatursatzes
Werden bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall
beide Frontscheinwerfer eines Pkws beschädigt,
kann der Fahrzeughalter von der gegnerischen
Haftpflichtversicherung den Komplettaustausch
beider Scheinwerfer verlangen. Er muss sich nicht
auf die Verwendung eines vom Hersteller angebotenen Reparatursatzes verweisen lassen, auch wenn
dies zu einer erheblichen Kosteneinsparung von hier
1.700 Euro führen würde.
Dies begründete das Amtsgericht Limburg damit,
dass dem Unfallgeschädigten insoweit gemäß
§ 249 Abs. 2 BGB ein uneingeschränkter Anspruch
auf Wiederherstellung des früheren unbeschädigten
Zustandes seines Kraftfahrzeugs zusteht.
Urteil des AG Limburg vom 05.08.2015
4 C 85/14 (11)
jurisPR-VerkR 7/2016 Anm. 2
Berücksichtigung ersparter Aufwendungen bei Verdienstausfallschaden
Kann ein bei einem Verkehrsunfall Verletzter einen
Verdienstausfallschaden geltend machen, hat er
sich die durch die verletzungsbedingte Nichtausübung seiner Tätigkeit ersparten Aufwendungen in
Abzug bringen zu lassen. Bei ersparten Fahrtkosten
kann an Hand der konkret ermittelten Wegstrecke
zwischen Wohnung und Arbeitsstätte eine angemessene Kilometerpauschale zugrunde gelegt werden, solange der Schädiger bzw. seine Haftpflichtversicherung keine höhere oder der Geschädigte
keine niedrigere Ersparnis im Einzelnen darlegen
und unter Beweis stellen.
Beschluss des OLG Saarbrücken vom 03.12.2015
4 U 157/14
NJW-Spezial 2016, 74
Pedelec-Fahrer haftet bei Unfall nach unachtsamem
Linksabbiegen
Fährt ein 80-jähriger Pedelec-Fahrer von einem von
der Fahrbahn durch eine durchgehende Linie abgetrennten Geh- und Radweg, ohne auf den rückwärtigen Verkehr zu achten und ohne ein Handzeichen
zu geben, unvermittelt schräg in die Fahrbahn ein,
um nach links abzubiegen, und verursacht er so einen Zusammenstoß mit einem Pkw, ist von seiner
alleinigen Haftung auszugehen. Musste der Fahrer
des nachfolgenden Pkws nicht mit dem Abbiegevorgang des Radlers rechnen und ist er mit angepasster Geschwindigkeit gefahren, scheidet auch
eine Mithaftung unter dem Gesichtspunkt der Betriebsgefahr aus.
bräuchlich. Gleiches galt für den Umstand, dass
sich der Versicherer erst auf das fehlende Sachverständigenverfahren berief, nachdem der Versicherte nach ebenso langwieriger wie ergebnisloser
Korrespondenz Zahlungsklage erhoben hatte.
Urteil des AG Lindau vom 01.07.2015
2 C 79/15
Schaden-Praxis 2016, 17
Urteil des OLG Hamm vom 09.02.2016
9 U 125/15
Seniorenrecht aktuell 2016, 62-
Arbeits- und Sozialrecht
Stundensatz bei Haushaltsführungsschaden
Volle Erwerbsminderung wegen starker Sehschwäche
Eine bei einem Unfall verletzte Person, die ganz
oder teilweise mit der Haushaltsführung betraut ist,
hat einen eigenen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung. Die Höhe des Schadens richtet sich nach
der tatsächlich zu leistenden Arbeit im Haushalt. Bei
der Bemessung des Stundensatzes für die Haushaltsführung legt das Landgericht Tübingen die für
Zeugen in Gerichtsverfahren geltende Entschädigungsnorm des § 21 JVEG (Justizvergütungs- und
-entschädigungsgesetz) zugrunde.
Nach dieser Bestimmung erhalten Zeugen, die
einen eigenen Haushalt für mehrere Personen
führen, „eine Entschädigung für Nachteile bei der
Haushaltsführung von 14 Euro je Stunde, wenn sie
nicht erwerbstätig sind oder wenn sie teilzeitbeschäftigt sind und außerhalb ihrer vereinbarten
regelmäßigen täglichen Arbeitszeit herangezogen
werden.“
Urteil des LG Tübingen vom 27.10.2015
5 O 155/14
Schaden-Praxis 2016, 117
Kaskoversicherung: Rechtsmissbräuchliches Berufen auf Sachverständigenverfahren bei Bagatellschaden
Eine Kaskoversicherung kann sich nicht auf die
mangelnde Fälligkeit eines vom Versicherten geltend gemachten Schadensersatzanspruches wegen
Fehlens eines Sachverständigengutachtens berufen, wenn sich die Reparaturkosten auf lediglich
knapp über 100 Euro belaufen. Das Amtsgericht
Lindau wertete dieses Verhalten als rechtsmiss-
Ein Versicherter, der aufgrund einer starken Sehstörung weder selbst Auto fahren noch ohne besondere Gefahr öffentliche Verkehrsmittel nutzen oder
mittlere Strecken zu Fuß zurücklegen kann, hat laut
Landessozialgericht Baden-Württemberg einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung,
da eine Arbeitsstelle nicht mehr zumutbar erreicht
werden kann.
Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 22.03.2016
L 13 R 2903/14
JURIS online
Keine „Sippenhaft“ des Arbeitnehmers
Nachdem der Ehemann einer bei einem Orthopäden beschäftigten Arzthelferin für die Arztpraxis
und das Privathaus des Arztes Handwerksarbeiten
durchgeführt hatte, kam es zwischen den Parteien
zu einem heftigen Streit über die Ausführung der
Arbeiten. Der Mediziner meinte, nach diesem Zerwürfnis nicht mehr mit der Ehefrau des Handwerkers zusammenarbeiten zu können und kündigte
das Arbeitsverhältnis.
Das Arbeitsgericht Aachen erklärte die Kündigung
für unwirksam. Ein mögliches, noch so schweres
Fehlverhalten des Ehemannes gegenüber dem Orthopäden konnte nicht die Kündigung seiner Ehefrau rechtfertigen. Das Arbeitsrecht kennt keine
„Sippenhaft“.
Urteil des ArbG Aachen vom 30.09.2015
2 Ca 1170/15
ArbuR 2016, 38
AA 2016, 43
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Ausgabe: private Mandanten / Mai 2016
Keine berufsbedingte Schwerhörigkeit durch Arbeit
im Großraumbüro
Die Arbeit in einem Großraumbüro kann, auch
wenn sie mit Lärmeinwirkung durch Mitarbeiter,
eine Klimaanlage, einen Kühlschrank und zeitweise
Bauarbeiten verbunden ist, nach Auffassung des
Landessozialgerichts Baden-Württemberg keine
Schwerhörigkeit auslösen.
Die Anerkennung der Berufskrankheit „Lärmschwerhörigkeit“ setzt laut Berufskrankheitenverordnung einen Dauerschallpegel von mehr als
85 Dezibel bei einem Acht-Stunden-Tag über viele
Arbeitsjahre hinweg voraus, was bei einer Arbeit in
einem Großraumbüro bei Weitem nicht erfüllt ist.
Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom
17.02.2016
L 6 U 4089/15
Wirtschaftswoche Heft 10/2016, Seite 83
Suspendierung eines Polizisten wegen rassistischer
Äußerungen
Ein Polizeibeamter auf Probe, der auf dem Kurznachrichtendienst „WhatsApp“ fremdenfeindliche Äußerungen verbreitet, kann vom Dienst suspendiert werden. Insbesondere die Versendung von Abbildungen
Adolf Hitlers, verbunden mit nachträglich eingefügten
Anmerkungen und Sprüchen zur Belustigung, rechtfertigte nach Auffassung des Verwaltungsgerichts
Augsburg die Annahme „zwingender dienstlicher
Gründe“ für die Beseitigung aus dem Polizeidienst.
Urteil des VG Augsburg vom 14.01.2016
Au 2 K 15.283
Justiz Bayern online
Kostenübernahme für höhenverstellbaren Schreibtisch bei Rückenproblemen
Das Landessozialgericht Mainz hat den Rentenversicherungsträger dazu verpflichtet, einem 196 cm
großen Versicherten, bei dem degenerative Veränderungen aller Wirbelsäulenabschnitte vorliegen,
die Kosten für die Anschaffung eines höhenverstellbaren Schreibtisches, auf dem Computer, Akten, Telefon und Schreibunterlagen Platz finden, zu
erstatten. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass
die Anschaffung zur Abwendung einer drohenden
Minderung der Erwerbsfähigkeit erforderlich war.
Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 02.03.2016
L 6 R 504/14
JURIS online
Verbraucherrecht
Mangelhafter Service bei Hochzeitsfeier
Bei einem Hochzeitsessen stellte der Gastwirt für
150 Gäste nur zwei Bedienungen bereit, sodass es
beim Service zu erheblichen Verzögerungen kam.
Allein das Servieren der Suppe dauerte 90 Minuten. Der weitere Ablauf des Festes konnte nur dadurch einigermaßen gerettet werden, dass einige
Hochzeitsgäste beim Bedienen einsprangen. Für
das Amtsgericht München stellte der unzureichende Service einen erheblichen Mangel der Bewirtungsleistung dar. Unter Berücksichtigung weiterer
Beanstandungen, wie fehlendes Kinderessen und
schlechte Fleischqualität, konnte das Hochzeitspaar
von der vereinbarten Vergütung in Höhe von 7.530
Euro einen Betrag von 2.590 Euro in Abzug bringen.
Der Umstand, dass nur 150 statt der dem Festpreis
zugrunde gelegten 170 Hochzeitsgäste erschienen
waren, rechtfertigte hingegen keine weitere Reduzierung des Gesamtpreises, da der Gastwirt sich auf
die angegebene Personenzahl vorbereiten musste
und entsprechend Speisen und Getränke bereitgestellt hatte.
Urteil des AG München vom 12.01.2016
159 C 601/15
Justiz Bayern online
Bezuschussung von Kindergartengebühren auch für
Waldorfkindergarten
Bezuschusst eine Kommune die städtischen Kindergärten, muss sie die Förderung auch Kindergärten
freier Träger zukommen lassen. Dies entschied der
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im
Falle eines Waldorfkindergartens in der Stadt Künzelsau.
Das Gericht begründete seine Entscheidung damit,
dass die Gemeinde mit der direkten Förderung des
Kindergartenbesuchs durch eine Zuwendung an
die Eltern nicht das gesetzliche Wahlrecht der Eltern und deren Erziehungsbestimmungsrecht unterlaufen darf. Die Kommune verstößt gegen das
Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG, wenn sie
Kinder, für welche die Eltern den Besuch eines freien Kindergartens vorsehen, von vornherein von der
einschlägigen freiwilligen kommunalen Fördermaßnahme ausschließt. Allerdings dürfen Unterschiede insbesondere in den Betreuungsangeboten der
städtischen Kindergärten einerseits und des Waldorfkindergartens andererseits bei der Bestimmung
der Höhe der Förderung berücksichtigt werden.
Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 23.02.2016
12 S 638/15
Pressemitteilung des VGH Baden-Württemberg
Erhebung von Rundfunkbeiträgen für private Wohnungen verfassungsgemäß
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
hat entschieden, dass die Erhebung von Rundfunkbeiträgen im privaten Bereich auf der Grundlage
des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags verfassungsgemäß ist und die gegenüber den Rundfunkteilnehmern, einem Ehepaar mit einer Haupt- und einer
Zweitwohnung, ergangenen Beitragsbescheide
rechtmäßig sind.
Die Anknüpfung der Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags an das Innehaben einer Wohnung
unabhängig von den Nutzungsgewohnheiten und
Nutzungsabsichten sah das Gericht durch die
technische Entwicklung neuartiger Rundfunk- und
Kommunikationsempfangsgeräte veranlasst und
im Hinblick auf die Gewährleistung der Rundfunkfreiheit als sachgerecht an. Wegen grundsätzlicher
Bedeutung wurde die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.
Urteile des VGH Mannheim vom 03.03.2016
2 S 312/15, 2 S 896/15, 2 S 2270/15
JURIS online
Reiserecht
Pflicht zur Zahlung des Flugpreises bei Buchung
rechtens
Die Klausel in den Allgemeinen Vertragsbedingungen
von Fluggesellschaften, in denen die Verpflichtung
des Fluggastes zur Zahlung des Flugpreises bereits
bei Vertragsschluss geregelt ist, stellt keine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers dar. Die-
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Ausgabe: private Mandanten / Mai 2016
se Regelung widerspricht nach Meinung des Bundesgerichtshofs nicht wesentlichen Grundgedanken des
Personenluftbeförderungsrechts. Die mit der Pflicht
zur sofortigen Vorauszahlung einhergehenden Nachteile des Fluggastes sind nicht von solchem Gewicht,
dass eine Umstellung der weltweit üblichen und einem einheitlichen Standard folgenden Abrechnungspraxis der Luftfahrtunternehmen geboten wäre.
che Änderung der Reiseleistung, die den Reisenden
zum Rücktritt von der Reise berechtigen würde.
Urteil des BGH vom 16.02.2016
X ZR 5/15
Pressemitteilung des BGH
Bank- und Anlegerrecht
Ratte im Hotelzimmer
Macht ein Kapitalanleger wegen Verletzung der
Aufklärungs- oder Beratungspflicht gegen ein
Wertpapierdienstleistungsunternehmen Schadensersatzansprüche geltend, ist für den Beginn der
dreijährigen Verjährungsfrist nicht der Zeitpunkt der
fehlerhaften Beratung, sondern der schuldrechtliche Erwerb der pflichtwidrig empfohlenen Wertpapiere maßgebend.
Urteil des AG Augsburg vom 05.02.2016
15 C 206/15
Wirtschaftswoche Heft 10/2016, Seite 83
Verjährungsbeginn für Schadensersatzansprüche
des Kapitalanlegers
Ein Hotelgast stellte fest, dass sich nach dem Lüften
des im Hochparterre gelegenen Zimmers eine Ratte
hinter dem Nachtkästchen verkrochen hatte. Das
Tier wurde umgehend vom Personal beseitigt. Die
Ratte war offensichtlich beim Öffnen der Balkontür
bei eingeschaltetem Licht in das Zimmer gelangt.
Das Amtsgericht Köln sah darin keinen Mangel und
wies die Klage des Hotelgastes auf Reisepreisminderung mit folgender Begründung ab: Zwar muss
eine Hotelunterkunft grundsätzlich frei von Ungeziefer sein. Das Auftreten von Ungeziefer ist indes noch
nicht per se ein Mangel, sondern nur dann, wenn in
Abhängigkeit von dem Ausmaß des Auftretens und
den landestypischen Besonderheiten die Beeinträchtigung nicht mehr nur geringfügig ist. So ist das
mehrfache Auftreten von landestypischem kleinerem Ungeziefer so lange kein Mangel wie kein „Befall“ der Unterkunft vorliegt. Auch das Auftreten von
größerem Ungeziefer - wie hier einer Ratte - stellt
eine einmalige kurzzeitige Beeinträchtigung und
keinen Mangel dar, wenn keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, die das Vorhandensein eines Ungezieferproblems als wahrscheinlich erscheinen lassen.
Urteil des BGH vom 24.03.2015
XI ZR 278/14
DB 2015, 1519
MDR 2015, 766
Urteil des AG Köln vom 07.09.2015
142 C 78/15
ZAP EN-Nr. 900/2015
Die Bausparkasse berief sich bei ihrer Kündigung
auf die Vorschrift des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB, nach
der ein Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzins
in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem
vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten gekündigt werden
kann. Das Oberlandesgericht Hamm wendet diese
Kündigungsregelung, obwohl sie in erster Linie den
Darlehensnehmer vor einer überlangen Bindung an
festgelegte Zinssätze schützen soll, auch auf den
Darlehensgeber an. Begründung: Die Kündigungsregelung enthält keine Einschränkung in personeller
Hinsicht.
Änderung eines Direktfluges durch Zwischenstopp
Das Amtsgericht Augsburg sieht in der dem Teilnehmer einer Pauschalflugreise nach Dubai zwei Wochen
vor dem Flugtermin mitgeteilten Änderung eines Direktfluges in einen Flug mit einem Zwischenstopp
und die Vorverlegung des Rückfluges um 12 Stunden
keinen erheblichen Reisemangel oder eine wesentli-
Bausparkasse darf Hochzinsvertrag kündigen
Ein Bausparer verzichtete trotz Zuteilungsreife auf
ein Bauspardarlehen und ließ das Guthaben weiter
„stehen“. Da die Verzinsung drei Prozent betrug, erwies sich die Geldanlage angesichts der zwischenzeitlichen Zinsentwicklung gegen Null als äußerst
vorteilhaft. Schließlich kündigte die Bausparkasse
ihrerseits den Vertrag zehn Jahre nach Zuteilungsreife. Die Klage des Bausparers hiergegen hatte
keinen Erfolg.
Beschluss des OLG Hamm vom 30.12.2015
I-31 U 191/15
ZIP 2016, 306
Bundesbank muss absichtlich zerschnittene Geldscheine ersetzen
Die Deutsche Bundesbank muss eine beschädigte
Banknote nur ersetzen, wenn die vorgelegten Teile
mindestens 50 Prozent einer Euro-Banknote darstellen oder - wenn die Banknotenteile 50 Prozent
oder weniger einer Euro-Banknote ergeben - die
Vernichtung der restlichen Banknotenteile nachgewiesen ist.
Für den Verwaltungsgerichtshof Kassel besteht
die Erstattungspflicht auch dann, wenn Banknoten ­
vorsätzlich vom Eigentümer zerrissen oder
zerschnitten werden, aber ausreichend Gründe
zu der Annahme bestehen, dass die Person dabei
gutgläubig i.S.d. „Beschlusses der Europäischen
Zentralbank über die Stückelung, Merkmale und
Reproduktion sowie den Umtausch und Einzug von
Euro-Banknoten“ vom 19. April 2013 gehandelt hat.
Das kann etwa der Fall sein, wenn - wie hier im Falle einer Seniorin - bei der Beschädigung der Banknoten ein krankheitsbedingter Zustand geistiger
Verwirrtheit vorgelegen hat. Die Bundesbank wurde
verurteilt, die zerstückelten Banknoten im Wert von
18.500 Euro zu erstatten. Die Revision wurde nicht
zugelassen.
Urteil des VGH Kassel vom 24.03.2016
6 A 682/15
Pressemitteilung des VGH Kassel
Medizinrecht
Zahnmedizinische Versorgung mit Amalgam unbedenklich
Das Oberlandesgericht Hamm hat entschieden, dass
die in früheren Jahren weit verbreitete Verwendung
von Amalgam bei Zahnfüllungen grundsätzlich unbedenklich ist und keine Schadensersatzansprüche
gegen den behandelnden Zahnarzt rechtfertigt,
wenn der Patient Jahre später über gesundheitliche
Probleme klagt, die nach seiner Auffassung von
dem bei einer Zahnkrone verwendeten Amalgam
herrührt. Auch eine fehlerhafte Aufklärung war dem
Dentisten in dem konkreten Fall nicht anzulasten,
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Ausgabe: private Mandanten / Mai 2016
da zum Behandlungszeitpunkt keine Amalgam­
allergie des Patienten feststellbar war.
Finanzamt an vertragliche Kaufpreisaufteilung von
Grundstück und Gebäude gebunden
Urteil des OLG Hamm vom 04.03.2016
26 U 16/15
JURIS online
Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass das Finanzamt an eine im notariellen Kaufvertrag vorgenommene Kaufpreisaufteilung von Grundstück und
Gebäude in der Regel gebunden ist und dies bei der
Berechnung der Abschreibung für Abnutzung (AfA)
zugrunde zu legen hat. Hiervon darf nur abgewichen
werden, wenn die Aufteilung zwischen Verkäufer und
Käufer lediglich zum Schein getroffen wurde und die
realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise
verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar erscheinen.
Steuerrecht
Kindergeld bei fortführendem Masterstudium
Eltern eines studierenden Kindes kann auch noch
während des Masterstudiums des Sprösslings das
staatliche Kindergeld zustehen, wenn der weiterführende Studiengang als Teil der Erstausbildung
angesehen werden kann (sogenanntes konsekutives Masterstudium). Ein Masterstudium ist jedenfalls dann Teil einer einheitlichen Erstausbildung,
wenn es zeitlich und inhaltlich auf den vorangegangenen Bachelorstudiengang abgestimmt ist und das
von den Eltern und dem Kind bestimmte Berufsziel
erst darüber erreicht werden kann.
Urteil des BFH vom 03.09.2015
VI R 9/15
FamRZ 2016, 128
DStZ 2016, 60
Urteil des BFH vom 16.09.2015
IX R 12/14
DStR 2016, 33
DB 2016, 207
Erbschaftsteuer: Berücksichtigung von Steuerschulden wegen Steuerhinterziehung durch Erblasser
Der Bundesfinanzhof hat entgegen seiner früheren
Rechtsprechung nunmehr entschieden, dass bei der
Bemessung der Erbschaftsteuer Steuerschulden,
die auf einer Steuerhinterziehung des Erblassers
beruhen, nur dann steuermindernd wirken, soweit
die hinterzogene Steuer nach dem Erbfall auch tat-
sächlich festgesetzt wird. Früher ist das Gericht davon ausgegangen, dass eine wirtschaftliche Belastung im Hinterziehungsfall auch gegeben sei, wenn
der Erbe das zuständige Finanzamt zeitnah über die
Steuerangelegenheit unterrichtet hat.
Urteil des BFH vom 28.10.2015
II R 46/13
DB 2016, 393
DStR 2016, 401
Berücksichtigung nachträglicher Schuldzinsen nach
Veräußerung einer Immobilie
Schuldzinsen, die im Rahmen der Erzielung von
Einkünften aus Vermietung und Verpachtung entstanden sind, können auch dann als (nachträgliche) Werbungskosten abgezogen werden, wenn
und soweit bei einem Verkauf der Immobilie die
Kreditverbindlichkeiten für das Objekt durch den
Veräußerungserlös nicht getilgt werden können und
der Steuerpflichtige die Differenz durch ein Refinanzierungs- oder Umschuldungsdarlehen ausgleichen
muss.
Urteil des BFH vom 16.09.2015
IX R 40/14
DStR 2016, 41
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