RECHTSANWÄLTE | NOTARE | FACHANWÄLTE SCHLEIFENBAUM & ADLER Partner der CONSULEGIS EWIV · An International Association of Law Firms Rechtsinformationsdienst Ausgabe: private Mandanten / Mai 2016 Verkehrsrecht Unzulässige Nutzung der Handy-Fotofunktion Der Begriff des Benutzens eines Mobiltelefons beim Führen eines Kraftfahrzeugs gemäß § 23 Abs. 1a StVO (Straßenverkehrsordnung) umfasst für das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg auch die Nutzung der Kamerafunktion. Ausreichend ist, dass die Handhabung einen Bezug zu einer der Funktionstasten des Handys hat. Beschluss des OLG Hamburg vom 28.12.2015 2 - 86/15 (RB) JurPC Web-Dok. 19/2016 K&R 2016, 202 Videoaufzeichnung durch Dash-Cam mit Ringspeicherung im Zivilprozess verwertbar Zunehmend müssen sich die Zivilgerichte bei Rechtsstreitigkeiten nach Verkehrsunfällen mit der Verwertbarkeit von mittels einer im Auto oder auf dem Helm eines Unfallbeteiligten installierten Kamera (Dash-Cam) gemachten Aufzeichnungen als Beweismittel befassen. Wie bereits eine Reihe anderer Gerichte stellte das Landgericht Landshut zunächst klar, dass die Verwertbarkeit der bei einem permanenten Betrieb erfolgten Aufnahme mit einer Dash-Cam im Zivilprozess über die Haftungsverteilung bei einem Verkehrsunfall von einer Abwägung der betroffenen Interessen abhängt. Der hier entschiedene Fall wies jedoch die Besonderheit auf, dass die zu Beweiszwecken vorgelegte Aufzeichnung mithilfe einer Kamera mit einer sogenannten Ringspeicherung gefertigt wurde, bei der die Aufnahmen regelmäßig wieder überspielt werden. In diesem Fall scheiden Bedenken gegen die Verwertung im Zivilprozess wegen eines Verstoßes gegen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) von vornherein aus. Ein mit dieser Technik aufgenommenes Video ist daher im Zivilprozess verwertbar. Beschluss des LG Landshut vom 01.12.2015 12 S 2603/ 15 jurisPR-VerkR 4/2016 Anm. 2 ZD 2016, 187 Willkürliches Abbremsen ist gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr Das grundlose Abbremsen eines Pkws aus hoher Geschwindigkeit, um den nachfolgenden Kraftfahrzeugführer zu einer scharfen Bremsung oder Vollbremsung zu zwingen, kann nach Einschätzung des Oberlandesgerichts Hamm einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr durch Hindernisbereiten im Sinne des § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB darstellen. Handelt der Täter mit der Absicht einen Unglücksfall herbeizuführen oder verursacht er durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen, ist eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe zu verhängen. Beschluss des OLG Hamm vom 15.12.2015 III-5 RVs 139/15 StRR 2016, Nr. 2, 3 Rotlichtverstoß bei „unsinniger“ Ampelschaltung Ein Autofahrer, der ein Rotlicht missachtet, kann sich nicht damit entschuldigen, dass die Ampelschaltung - aus seiner Sicht - völlig unsinnig ist und auch tatsächlich nicht der von der Straßenverkehrsbehörde gewollten entspricht. Auch subjektiv wie objektiv wenig sinnvolle Verkehrsregelungen sind von den Verkehrsteilnehmern unbedingt zu beachten. Urteil des AG Zeitz vom 04.08.2015 13 OWi 713 Js 204952/15 jurisPR-VerkR 7/2016 Anm. 5 „Berauschter“ E-Bike-Fahrer Ein E-Bike-Fahrer wurde von einer Polizeistreife in verkehrsuntüchtigem Zustand angehalten. Es stellte sich heraus, dass er vor Fahrtantritt mehrfach die Kräutermischung „After Dark“ geraucht hatte. Während der Verkehrskontrolle verfiel er in einen regelrechten Wahnzustand, bei dem er sich zeitweise völlig entkleidete. Die Polizei zog daraufhin seinen Führerschein der Klasse B für mehrere Stunden ein. Als die zuständige Straßenverkehrsbehörde von dem Vorfall erfuhr, ordnete sie die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU) über seine Fahreignung an. Da sich der Betroffene weigerte, wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen. Die Entscheidung wurde vom Verwaltungsgericht Neustadt (Weinstraße) bestätigt. Ein hinzugezoge- ner Gutachter stellte fest, dass in der entnommenen Blutprobe neben Cannabis auch die Aufnahme von synthetischen Cannabinoiden nachgewiesen werden konnte. Diese Substanzen rufen eine ähnliche Beeinflussung wie der Cannabiswirkstoff THC hervor. Die Wirkung dieser Substanzen ist in der Regel sogar noch deutlich ausgeprägter als bei THC selbst und stellt für den Straßenverkehr ein signifikant höheres Risiko dar, was regelmäßig den Verlust der Fahreignung zur Folge haben muss. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Betreffende unter dem Einfluss eines Betäubungsmittels als Kraftfahrer am Straßenverkehr teilgenommen hat. Beschluss des VG Neustadt (Weinstraße) vom 21.01.2016 3 L 1112/15.NW Pressemitteilung des VG Neustadt (Weinstraße) Verspätung bei Gerichtstermin wegen Staus Nach den Grundsätzen des fairen Verfahrens hat das Gericht, vor dem über einen Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid verhandelt wird, eine Wartezeit von mindestens 15 Minuten einzuhalten, bevor es das Rechtsmittel wegen Nichterscheinens des Betroffenen verwirft. Teilt der Betroffene während dieser Zeit mit, dass er sich wegen eines unvorhersehbaren Staus verspäten, aber noch in einer angemessenen Zeit bei Gericht eintreffen werde, ist die Wartezeit entsprechend zu verlängern. Beschluss des KG Berlin vom 08.05.2015 3 Ws (B) 126/15 - 122 Ss 40/15 jurisPR-VerkR 4/2016 Anm. 6 Widerlegbarer Anscheinsbeweis beim Sturz eines Fahrgastes eines Linienbusses Fahrgäste in Linienbussen haben sowohl beim Anfahren, während der Fahrt und auch beim Anhalten stets für die eigene Sicherheit zu sorgen und sich festen Halt zu verschaffen. Dies ergibt sich aus § 4 BefBedV (Verordnung über die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Busverkehr). Dem Fahrer ist es wegen der vorrangigen Verpflichtung, auf den Verkehr zu achten - von Ausnahmen abgesehen - weder möglich noch ist er verpflichtet zu überprüfen, ob die Fahrgäste über einen festen Halt verfügen oder ob ihre Steh- oder Sitzposition eine Gefährdung nahelegt. Hindenburgstraße 1 · 57072 Siegen · Telefon 0271 23270-0 · Fax 0271 21759 [email protected] · www.schleifenbaum-adler.de RECHTSANWÄLTE | NOTARE | FACHANWÄLTE SCHLEIFENBAUM & ADLER Partner der CONSULEGIS EWIV · An International Association of Law Firms Rechtsinformationsdienst Ausgabe: private Mandanten / Mai 2016 Insbesondere im innerörtlichen Busverkehr, bei dem stets mit ruckartigem Fahrverhalten oder starken Bremsmanövern zu rechnen ist, gilt der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Sturz eines Fahrgastes auf mangelhafte Sicherung der eigenen Person zurückzuführen ist. In dem vom Oberlandesgericht Frankfurt entschiedenen Fall jedoch konnte der durch eine Vollbremsung verletzte Fahrgast nachweisen, dass er sich zu diesem Zeitpunkt auf einem Sitzplatz befand. Da die Vollbremsung durch einen Fahrfehler des Busfahrers veranlasst worden war, konnte der Verletzte Ersatz des entstanden Schadens und ein angemessenes Schmerzensgeld verlangen. Entwicklung und Gesundheitszustand) des beim anderen lebenden Kindes verlangen, soweit dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht. Diese Regelung hat insbesondere dann Bedeutung, wenn das Umgangsrecht eines Elternteils ganz oder teilweise ausgeschlossen ist. Hierzu hat nun das Oberlandesgericht Hamm entschieden, dass ein leiblicher Vater, dem weder die elterliche Sorge noch ein Umgangsrecht zustehen, von der Kindesmutter in regelmäßigen Abständen Auskunft über die Entwicklung des Kindes verlangen kann. Ausbildungsunterhalt: Einsatz von Kindesvermögen Eltern schulden auch ihrem volljährigen, bedürftigen Kind im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Unterhalt für eine Schul- und Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht. Die Erteilung der verlangten Auskunft widersprach im konkreten Fall nicht dem Kindeswohl. Insoweit ist ein strenger Maßstab anzulegen. Gründe, die zur Versagung eines Umgangsrechts geführt haben, genügen hierfür nicht. Die verlangte Auskunft kann nur dann abgelehnt werden, wenn der antragstellende Elternteil mit der Auskunft rechtsmissbräuchliche Ziele verfolgt. Das Kind muss sich dabei nicht nur eigene (Neben-) Einkünfte, sondern auch eigenes Vermögen anrechnen lassen. Ein solches Vermögen ist sukzessive zur Deckung des Lebensbedarfs einzusetzen und darf nicht anderweitig für nicht zum allgemeinen Lebensbedarf zählende Aufwendungen verbraucht werden. Bei einem Verstoß gegen diese Obliegenheit muss sich das Unterhalt verlangende Kind so behandeln lassen, als ob noch Vermögen vorhanden wäre und bedarfsdeckend eingesetzt werden könnte. Urteil des OLG Hamm vom 24.11.2015 2 WF 191/15 NJW-Spezial 2016, 197 Beschluss des OLG Zweibrücken vom 16.10.2015 2 UF 107/15 NZFam 2016, 33 Leichtsinnige Erbschaftsannahme Werdender Vater muss nicht vor Gericht erscheinen Ist der Nachlass überschuldet, wird der Erbe die Erbschaft vernünftigerweise ausschlagen. Stellt sich die Überschuldung des Nachlasses erst nach der Annahme der Erbschaft durch ausdrückliche Erklärung oder durch Ablauf der Ausschlagungsfrist heraus, kann der Erbe berechtigt sein, die Erbschaftsannahme wegen Irrtums nachträglich anzufechten. Eine solche Anfechtung setzt jedoch voraus, dass sich der Erbe überhaupt ernsthaft mit dem Nachlass auseinandergesetzt hat und von der Werthaltigkeit des Nachlasses ausgegangen ist. Die unmittelbar bevorstehende Niederkunft der Ehefrau stellt, zumal wenn Komplikationen während der Geburt drohen, für den werdenden Vater einen anzuerkennenden Entschuldigungsgrund für das Nichterscheinen in der gerichtlichen Hauptverhandlung in einem Bußgeldverfahren dar. Ausgleichsansprüche nach Beendigung nicht ehelicher Lebensgemeinschaft Auskunftsanspruch auch ohne Umgangsrecht Hieran fehlt es, wenn dem Erben die Möglichkeit der Überschuldung bewusst war, weil er selbst keine genauen Vorstellungen vom Nachlassbestand hatte. In dem vorliegenden Fall hätte der Erbe die Gelegenheit gehabt, sich bei dem Betreuer des Erblassers oder durch Einsicht in die Betreuungsakte über den Vermögensbestand zu erkundigen. Da er dies unterlassen hatte, lehnte das Oberlandesgericht Schleswig die Anfechtung der Erbschaftsabnahme ab. Der Erbe muss nun die Schulden des Erblassers übernehmen. Nach § 1686 BGB kann jeder Elternteil vom anderen bei berechtigtem Interesse Auskunft über die persönlichen Verhältnisse (z.B. über schulische Beschluss des OLG Schleswig vom 31.07.2015 3 Wx 120/14 FamRZ 2016, 492 Urteil des OLG Frankfurt vom 17.11.2015 12 U 16/14 jurisPR-VerkR 6/2016 Anm. 4 Kollision mit Radfahrer nach Linksabbiegevorgang Nach § 9 Abs. 3 StVO trifft Linksabbieger eine besondere Sorgfaltspflicht. Ein Verstoß hiergegen führt zu einer erhöhten Geldbuße. Diese Vorschrift ist jedoch nicht anwendbar, wenn ein Pkw an einer Kreuzung nach links in eine andere Straße einbiegt und dort mit einem Radfahrer kollidiert, der die Straße unter Missachtung einer für ihn Rotlicht zeigenden kombinierten Fußgänger-Radfahrer-Ampel überquert. In diesem Fall nimmt das Oberlandesgericht Jena keinen Verstoß gegen die Wartepflicht des Linksabbiegers nach § 9 Abs. 3 StVO, sondern allenfalls eine Verletzung der allgemeinen Sorgfaltspflicht nach § 1 Abs. 2 StVO an. Das Gericht hielt somit die Verhängung einer Regelgeldbuße (Nr. 1.4. BKat) für den Verkehrsverstoß für angemessen und verringerte die in erster Instanz verhängte Geldbuße von 70 Euro auf 35 Euro. Beschluss des OLG Jena vom 07.09.2015 1 OLG 161 SsRs 53/15 (93) jurisPR-VerkR 2/2016 Anm. 4 Familien- und Erbrecht Beschluss des KG Berlin vom 30.09.2015 3 Ws (B) 427/15 - 162 Ss 89/15 jurisPR-VerkR 5/2016 Anm. 5 Dem Partner einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft stehen bei deren Beendigung Ausgleichsansprüche nur dann zu, wenn es sich um sog. „gemeinschaftsbezogene Zuwendungen“ gehandelt hat. Dies sind solche Aufwendungen, die über die Leistungen im Rahmen des täglichen Zusammenlebens hinausgehen und gerade in der Erwartung gemacht werden, dass die Lebensgemeinschaft Bestand haben wird. Kann der Anspruchsteller diese Voraussetzungen im Prozess nicht nachweisen, ist davon auszugehen, dass es sich bei den behaupteten Aufwendungen um Schenkungen an den Partner gehandelt hat. Hindenburgstraße 1 · 57072 Siegen · Telefon 0271 23270-0 · Fax 0271 21759 [email protected] · www.schleifenbaum-adler.de RECHTSANWÄLTE | NOTARE | FACHANWÄLTE SCHLEIFENBAUM & ADLER Partner der CONSULEGIS EWIV · An International Association of Law Firms Rechtsinformationsdienst Ausgabe: private Mandanten / Mai 2016 In dem vom Landgericht Coburg entschiedenen Fall hatte ein Mann, der jahrelang mietfrei im Haus seiner Partnerin gewohnt hatte, nach der Trennung Aufwendungen für die Anschaffung von Mobiliar, Gartengestaltung und die Erstellung einer Doppelgarage in Höhe von insgesamt 30.000 Euro geltend gemacht. Da er teilweise keine Rechnungen vorlegen konnte, die Doppelgarage neben der bestehenden Garage ausschließlich für seine eigenen Fahrzeuge errichtet hatte und er im Übrigen den Nachweis „gemeinschaftsbezogener Zuwendungen“ nicht erbringen konnte, scheiterte er mit seiner Klage. anwesend ist. Ferner wiesen die Richter darauf hin, dass vor der Errichtung eines Nottestaments auch samstags versucht werden muss, einen Notar zu finden, der bereit ist, noch am selben Tag ein Testament im Krankenhaus zu beurkunden. Urteil des LG Coburg vom 17.12.2015 22 O 400/15 Justiz Bayern online Eltern schulden ihrem Kind im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Unterhalt für eine Schul- und Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht. Nach ständiger Rechtsprechung besteht für ein unterhaltsberechtigtes Kind allerdings die Obliegenheit, seine Ausbildung mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit zu betreiben oder durch eigene Erwerbstätigkeit seinen Lebensunterhalt zu sichern. Anforderungen an Dreizeugentestament Wer sich in so naher Todesgefahr befindet, dass voraussichtlich auch die Errichtung eines Nottestaments vor einem Bürgermeister nach § 2249 BGB nicht mehr möglich ist und kurzfristig auch kein Notar zur Beurkundung zur Verfügung steht, kann das Testament durch mündliche Erklärung vor drei Zeugen errichten. Über den Inhalt der Erklärung muss eine Niederschrift aufgenommen werden (§ 2250 BGB). Diese Form des Nottestaments spielt in der Praxis durchaus eine Rolle, wenn Sterbende in Krankenhäusern oder Pflegeheimen nicht mehr schreiben können und auch kein Notar für die Aufnahme des letzten Willens erreichbar ist. Das Kammergericht hatte über die Wirksamkeit eines Dreizeugentestaments zu entscheiden, das von einer erblindeten 82-Jährigen, deren Allgemeinzustand sich dramatisch verschlechtert hatte, in Anwesenheit eines Arztes und einer Pflegefachkraft als Zeugen abgegeben wurde. Als das Nachlassgericht auf das Fehlen der Unterschrift eines dritten Zeugens hingewiesen hatte, wurde das Testament durch die Unterschrift eines dritten Zeugen ergänzt, der gerade als Besucher neben dem Krankenbett saß. Das Gericht sah mit diesem Zeugen die gesetzlichen Anforderungen nicht erfüllt. Bei der Errichtung eines Dreizeugentestaments ist es erforderlich, dass die Zeugen die Absicht und das Bewusstsein ihrer gemeinsamen Mitwirkung und Verantwortung haben. Es ist nicht ausreichend, wenn - wie hier - eine Person bei der Errichtung des Testaments bloß zufällig Beschluss des KG Berlin vom 29.12.2015 6 W 93/15 jurisPR-FamR 5/2016 Anm. 1 Ausbildungsunterhalt: Fiktive Einkünfte eines minderjährigen Kindes Verweigert ein minderjähriger Unterhaltsberechtigter den Schulbesuch und bemüht er sich auch nicht um ein Erwerbseinkommen, muss er sich gegenüber dem unterhaltspflichtigen Elternteil grundsätzlich als fiktives Einkommen das anrechnen lassen, was er bei der gebotenen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit als Einkommen erzielen könnte. Dies gilt für das Oberlandesgericht Frankfurt jedoch dann nicht, wenn der betroffene Minderjährige noch der gesetzlichen Schulpflicht unterliegt. Die Eltern sind dann uneingeschränkt unterhaltspflichtig. Beschluss des OLG Frankfurt vom 15.07.2015 5 UF 50/15 jurisPR-FamR 6/2016 Anm. 1 MDR 2016, 33 Betreuerbestellung bei zweifelhaftem Widerruf einer Vorsorgevollmacht Eine sogenannte Vorsorgevollmacht wird meist erteilt, um die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung zu verhindern, wenn der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, seine Angelegenheiten selbst zu besorgen. Ist jedoch zweifelhaft, ob eine Vorsorgevollmacht wirksam widerrufen worden ist, kann das zuständige Betreuungsgericht (Vormundschaftsgericht) wegen der mit dieser Unsicherheit verbundenen eingeschränkten Akzeptanz der Vollmacht im Rechtsverkehr einen Betreuer bestellen. Beschluss des BGH vom 19.08.2015 XII ZB 610/14 NotBZ 2016, 36 Miet-, WEG- und Immobilienrecht Unzulässige Untervermietung an „Medizintouristen“ Ein Münchner mietete neben der von ihm bewohnten Wohnung eine weitere Wohnung zur angeblichen Selbstnutzung an, in der sich in der Folgezeit immer wieder wechselnde Personen aufhielten. Hierbei handelte es sich fast ausschließlich um sogenannte Medizintouristen aus dem arabischen Raum, die nur kurzzeitig zu ärztlichen Behandlungen in der Stadt waren. Das Amtsgericht München sah darin eine unzulässige Untervermietung und erklärte die vom Vermieter ausgesprochene fristlose Kündigung für gerechtfertigt. Durch diese Art der Nutzung sind insbesondere eine erhöhte Abnutzung der Wohnung und eine gesteigerte Beeinträchtigung der Wohnungsnachbarn (z.B. durch Lärm) zu befürchten. Urteil des AG München vom 29.09.2015 432 C 8687/15 Justiz Bayern online Anforderungen an die Vereinbarung der Betriebskostentragungspflicht Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass bei einem Wohnraummietverhältnis zur Übertragung der Betriebskosten auf den Mieter die Vereinbarung genügt, dass dieser „die Betriebskosten zu tragen“ hat. Zu einer wirksamen Umlage bedarf es daher keiner Beifügung des Betriebskostenkatalogs oder einer ausdrücklichen Bezugnahme auf § 556 Abs. 1 Satz 2 BGB und die Betriebskostenverordnung. Der Mieter ist auch ohne diese Verweise zur Übernahme der in der Betriebskostenverordnung erläuterten Betriebskosten verpflichtet. Urteil des BGH vom 10.02.2016 VIII ZR 137/15 Grundeigentum 2016, 385 Hindenburgstraße 1 · 57072 Siegen · Telefon 0271 23270-0 · Fax 0271 21759 [email protected] · www.schleifenbaum-adler.de RECHTSANWÄLTE | NOTARE | FACHANWÄLTE SCHLEIFENBAUM & ADLER Partner der CONSULEGIS EWIV · An International Association of Law Firms Rechtsinformationsdienst Ausgabe: private Mandanten / Mai 2016 Wohnungseigentümergemeinschaft darf Grundstück ankaufen Eine Wohnungseigentümergemeinschaft ist als sogenannter (teil-)rechtsfähiger Verband grundsätzlich berechtigt, mehrheitlich den Erwerb eines Grundstücks zu beschließen und zu vollziehen. In dem vor dem Bundesgerichtshof verhandelten Fall entsprach der Erwerb eines Nachbargrundstücks zur Schaffung zusätzlicher Kfz-Stellplätze auch den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Verwaltung. Die Anfechtung des Beschlusses durch einen überstimmten Wohnungseigentümer blieb somit erfolglos. Urteil des BGH vom 18.03.2016 V ZR 75/15 BGH online Haftung des Immobilienverkäufers für Falschangaben seines Maklers Der Verkäufer eines Wohnhauses haftet dann für falsche Versprechungen im Exposé des von ihm eingeschalteten Maklers, wenn er diesem die Fehlinformationen selbst gegeben hat oder der Makler als sein Erfüllungsgehilfe gehandelt hat. Das ist der Fall, wenn der Makler - zumindest im Wesentlichen - die Verhandlungen mit dem Käufer geführt hat. Dann muss sich der Verkäufer die unzutreffende Zusicherung des Maklers („komplette fachmännische Trockenlegung des gesamten Hauses“) als eigene zurechnen lassen. Er ist dem Käufer sodann schadensersatzpflichtig. Beschluss des BGH vom 22.07.2015 V ZR 245/14 RdW 2016, 125 Anwendung des Mietspiegels bei vorhandenem, aber nicht nutzbarem Balkon Stützt der Vermieter sein Mieterhöhungsbegehren auf einen Mietspiegel und sieht dieser das wohnwertmindernde Merkmal des „nicht vorhandenen Balkons“ vor, stellt sich die Frage, wie zu verfahren ist, wenn zwar ein Balkon tatsächlich vorhanden, dessen Nutzung jedoch aus baulichen und/oder rechtlichen Gründen nicht möglich oder nicht zulässig ist. Das Landgericht Berlin vertritt zu dieser Frage die Auffassung, dass die Nichtnutzbarkeit bei der Bestimmung der ortsüblichen Miete keine Rolle spie- len kann. In einem derartigen Fall hat der Mieter das Recht, die Miete wegen der Unbenutzbarkeit des Balkons angemessen zu mindern. Urteil des LG Berlin vom 23.09.2015 65 S 175/15 jurisPR-MietR 7/2016 Anm. 2 Grundeigentum 2015, 1292 Anforderungen an Sachverständigengutachten im Mieterhöhungsverfahren Wird eine Mieterhöhung auf ein vom Vermieter vorgelegtes Sachverständigengutachten gestützt, genügt der Vermieter seiner Verpflichtung zur Begründung seines Mieterhöhungsverlangens, wenn das Gutachten für den Mieter zumindest ansatzweise selbst überprüfbare Angaben über Tatsachen enthält, aus denen die geforderte Mieterhöhung hergeleitet und die zu beurteilende Wohnung zutreffend in das örtliche Preisgefüge eingeordnet wird. Etwaige kleinere Mängel des Gutachtens führen - so der Bundesgerichtshof - nicht zur Unwirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens aus formellen Gründen. Urteil des BGH vom 03.02.2016 VIII ZR 69/15 Grundeigentum 2016, 388 Kein Wucher bei überhöhter Betriebskostenpauschale Die Vereinbarung einer Betriebskostenpauschale in einem Wohnraummietvertrag ist nicht bereits dann wegen Wuchers unwirksam, wenn sie 40 Prozent über dem stadtweiten Durchschnitt liegt. Für das Landgericht Berlin war schon fraglich, ob die vorgenommene Prognose der tatsächlichen Betriebskosten und die sich zu den Durchschnittswerten ergebende Differenz von 40 Prozent überhaupt ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung begründet hat. Zumindest war das Missverhältnis - wie § 138 Abs. 2 BGB bei Wucher fordert - nicht grob. Beschluss des LG Berlin vom 10.11.2015 67 S 369/15 Grundeigentum 2016, 66 Mieter muss störendes Katzennetz beseitigen Ein Vermieter kann von seinem Mieter die Beseitigung eines von diesem auf dem Balkon der gemieteten Wohnung angebrachten Katzennetzes, das das Entlaufen seiner in der Wohnung gehaltenen Katze verhindern soll, verlangen, wenn dadurch das Erscheinungsbild der Hausfassade beeinträchtigt wird. Eine unzumutbare Beeinträchtigung nahm das Amtsgericht Augsburg an, wenn das Katzennetz an der Balkonbrüstung mit deutlich sichtbaren Holzstangen befestigt wurde. Hinzu kam in diesem Fall, dass der Vermieter selbst in dem Haus wohnte und daher ein besonderes Interesse am Aussehen der Fassade hatte. Urteil des AG Augsburg vom 21.12.2015 72 C 47/56/14 RdW Heft 4/2016, Seite IV Sturz auf Zugangsweg zur Garage Grundsätzlich ist der Vermieter eines Mehrfamilienhauses für den Zugang zu dem Gebäude und den Garargenbereich verkehrssicherungspflichtig. Er hat diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren geeignet sind, Gefahren von Dritten abzuwenden, die bei bestimmungsgemäßer oder nicht ganz fernliegender bestimmungswidriger Benutzung drohen. Der Verkehrssicherungspflichtige kann jedoch nicht für alle denkbaren, auch entfernteren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorkehrungen treffen. Eine Sicherung, die jeden Unfall ausschließt, ist praktisch nicht möglich. Es müssen daher nur dann Vorsorgemaßnahmen getroffen werden, wenn eine Gefahrenquelle trotz Anwendung der von den Verkehrsteilnehmern zu erwartenden Eigensorgfalt nicht rechtzeitig erkennbar ist oder sie sich auf die Gefahrenlage nicht einstellen können. Nach diesen Grundsätzen wies das Amtsgericht Coesfeld die Schadensersatzklage einer Mieterin ab, die auf dem Weg vom Haus zu der angemieteten Garage an einer versandeten Vertiefung zwischen den Pflastersteinen gestürzt war und sich dabei verletzt hatte. Das Gericht ging davon aus, dass die ortskundige Frau die Gefahrenstelle durchaus hätte erkennen können. Der Unfall war daher auf ihre eigene Unaufmerksamkeit zurückzuführen. Für die Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos kann der Vermieter nicht haftbar gemacht werden. Urteil des AG Coesfeld vom 13.01.2016 11 C 169/15 Rechtsprechungsdatenbank des Landes NRW Hindenburgstraße 1 · 57072 Siegen · Telefon 0271 23270-0 · Fax 0271 21759 [email protected] · www.schleifenbaum-adler.de RECHTSANWÄLTE | NOTARE | FACHANWÄLTE SCHLEIFENBAUM & ADLER Partner der CONSULEGIS EWIV · An International Association of Law Firms Rechtsinformationsdienst Ausgabe: private Mandanten / Mai 2016 Versicherungsrecht Komplettaustausch der Frontscheinwerfer trotz Verwendbarkeit eines Reparatursatzes Werden bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall beide Frontscheinwerfer eines Pkws beschädigt, kann der Fahrzeughalter von der gegnerischen Haftpflichtversicherung den Komplettaustausch beider Scheinwerfer verlangen. Er muss sich nicht auf die Verwendung eines vom Hersteller angebotenen Reparatursatzes verweisen lassen, auch wenn dies zu einer erheblichen Kosteneinsparung von hier 1.700 Euro führen würde. Dies begründete das Amtsgericht Limburg damit, dass dem Unfallgeschädigten insoweit gemäß § 249 Abs. 2 BGB ein uneingeschränkter Anspruch auf Wiederherstellung des früheren unbeschädigten Zustandes seines Kraftfahrzeugs zusteht. Urteil des AG Limburg vom 05.08.2015 4 C 85/14 (11) jurisPR-VerkR 7/2016 Anm. 2 Berücksichtigung ersparter Aufwendungen bei Verdienstausfallschaden Kann ein bei einem Verkehrsunfall Verletzter einen Verdienstausfallschaden geltend machen, hat er sich die durch die verletzungsbedingte Nichtausübung seiner Tätigkeit ersparten Aufwendungen in Abzug bringen zu lassen. Bei ersparten Fahrtkosten kann an Hand der konkret ermittelten Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte eine angemessene Kilometerpauschale zugrunde gelegt werden, solange der Schädiger bzw. seine Haftpflichtversicherung keine höhere oder der Geschädigte keine niedrigere Ersparnis im Einzelnen darlegen und unter Beweis stellen. Beschluss des OLG Saarbrücken vom 03.12.2015 4 U 157/14 NJW-Spezial 2016, 74 Pedelec-Fahrer haftet bei Unfall nach unachtsamem Linksabbiegen Fährt ein 80-jähriger Pedelec-Fahrer von einem von der Fahrbahn durch eine durchgehende Linie abgetrennten Geh- und Radweg, ohne auf den rückwärtigen Verkehr zu achten und ohne ein Handzeichen zu geben, unvermittelt schräg in die Fahrbahn ein, um nach links abzubiegen, und verursacht er so einen Zusammenstoß mit einem Pkw, ist von seiner alleinigen Haftung auszugehen. Musste der Fahrer des nachfolgenden Pkws nicht mit dem Abbiegevorgang des Radlers rechnen und ist er mit angepasster Geschwindigkeit gefahren, scheidet auch eine Mithaftung unter dem Gesichtspunkt der Betriebsgefahr aus. bräuchlich. Gleiches galt für den Umstand, dass sich der Versicherer erst auf das fehlende Sachverständigenverfahren berief, nachdem der Versicherte nach ebenso langwieriger wie ergebnisloser Korrespondenz Zahlungsklage erhoben hatte. Urteil des AG Lindau vom 01.07.2015 2 C 79/15 Schaden-Praxis 2016, 17 Urteil des OLG Hamm vom 09.02.2016 9 U 125/15 Seniorenrecht aktuell 2016, 62- Arbeits- und Sozialrecht Stundensatz bei Haushaltsführungsschaden Volle Erwerbsminderung wegen starker Sehschwäche Eine bei einem Unfall verletzte Person, die ganz oder teilweise mit der Haushaltsführung betraut ist, hat einen eigenen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung. Die Höhe des Schadens richtet sich nach der tatsächlich zu leistenden Arbeit im Haushalt. Bei der Bemessung des Stundensatzes für die Haushaltsführung legt das Landgericht Tübingen die für Zeugen in Gerichtsverfahren geltende Entschädigungsnorm des § 21 JVEG (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz) zugrunde. Nach dieser Bestimmung erhalten Zeugen, die einen eigenen Haushalt für mehrere Personen führen, „eine Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung von 14 Euro je Stunde, wenn sie nicht erwerbstätig sind oder wenn sie teilzeitbeschäftigt sind und außerhalb ihrer vereinbarten regelmäßigen täglichen Arbeitszeit herangezogen werden.“ Urteil des LG Tübingen vom 27.10.2015 5 O 155/14 Schaden-Praxis 2016, 117 Kaskoversicherung: Rechtsmissbräuchliches Berufen auf Sachverständigenverfahren bei Bagatellschaden Eine Kaskoversicherung kann sich nicht auf die mangelnde Fälligkeit eines vom Versicherten geltend gemachten Schadensersatzanspruches wegen Fehlens eines Sachverständigengutachtens berufen, wenn sich die Reparaturkosten auf lediglich knapp über 100 Euro belaufen. Das Amtsgericht Lindau wertete dieses Verhalten als rechtsmiss- Ein Versicherter, der aufgrund einer starken Sehstörung weder selbst Auto fahren noch ohne besondere Gefahr öffentliche Verkehrsmittel nutzen oder mittlere Strecken zu Fuß zurücklegen kann, hat laut Landessozialgericht Baden-Württemberg einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, da eine Arbeitsstelle nicht mehr zumutbar erreicht werden kann. Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 22.03.2016 L 13 R 2903/14 JURIS online Keine „Sippenhaft“ des Arbeitnehmers Nachdem der Ehemann einer bei einem Orthopäden beschäftigten Arzthelferin für die Arztpraxis und das Privathaus des Arztes Handwerksarbeiten durchgeführt hatte, kam es zwischen den Parteien zu einem heftigen Streit über die Ausführung der Arbeiten. Der Mediziner meinte, nach diesem Zerwürfnis nicht mehr mit der Ehefrau des Handwerkers zusammenarbeiten zu können und kündigte das Arbeitsverhältnis. Das Arbeitsgericht Aachen erklärte die Kündigung für unwirksam. Ein mögliches, noch so schweres Fehlverhalten des Ehemannes gegenüber dem Orthopäden konnte nicht die Kündigung seiner Ehefrau rechtfertigen. Das Arbeitsrecht kennt keine „Sippenhaft“. Urteil des ArbG Aachen vom 30.09.2015 2 Ca 1170/15 ArbuR 2016, 38 AA 2016, 43 Hindenburgstraße 1 · 57072 Siegen · Telefon 0271 23270-0 · Fax 0271 21759 [email protected] · www.schleifenbaum-adler.de RECHTSANWÄLTE | NOTARE | FACHANWÄLTE SCHLEIFENBAUM & ADLER Partner der CONSULEGIS EWIV · An International Association of Law Firms Rechtsinformationsdienst Ausgabe: private Mandanten / Mai 2016 Keine berufsbedingte Schwerhörigkeit durch Arbeit im Großraumbüro Die Arbeit in einem Großraumbüro kann, auch wenn sie mit Lärmeinwirkung durch Mitarbeiter, eine Klimaanlage, einen Kühlschrank und zeitweise Bauarbeiten verbunden ist, nach Auffassung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg keine Schwerhörigkeit auslösen. Die Anerkennung der Berufskrankheit „Lärmschwerhörigkeit“ setzt laut Berufskrankheitenverordnung einen Dauerschallpegel von mehr als 85 Dezibel bei einem Acht-Stunden-Tag über viele Arbeitsjahre hinweg voraus, was bei einer Arbeit in einem Großraumbüro bei Weitem nicht erfüllt ist. Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 17.02.2016 L 6 U 4089/15 Wirtschaftswoche Heft 10/2016, Seite 83 Suspendierung eines Polizisten wegen rassistischer Äußerungen Ein Polizeibeamter auf Probe, der auf dem Kurznachrichtendienst „WhatsApp“ fremdenfeindliche Äußerungen verbreitet, kann vom Dienst suspendiert werden. Insbesondere die Versendung von Abbildungen Adolf Hitlers, verbunden mit nachträglich eingefügten Anmerkungen und Sprüchen zur Belustigung, rechtfertigte nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Augsburg die Annahme „zwingender dienstlicher Gründe“ für die Beseitigung aus dem Polizeidienst. Urteil des VG Augsburg vom 14.01.2016 Au 2 K 15.283 Justiz Bayern online Kostenübernahme für höhenverstellbaren Schreibtisch bei Rückenproblemen Das Landessozialgericht Mainz hat den Rentenversicherungsträger dazu verpflichtet, einem 196 cm großen Versicherten, bei dem degenerative Veränderungen aller Wirbelsäulenabschnitte vorliegen, die Kosten für die Anschaffung eines höhenverstellbaren Schreibtisches, auf dem Computer, Akten, Telefon und Schreibunterlagen Platz finden, zu erstatten. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass die Anschaffung zur Abwendung einer drohenden Minderung der Erwerbsfähigkeit erforderlich war. Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 02.03.2016 L 6 R 504/14 JURIS online Verbraucherrecht Mangelhafter Service bei Hochzeitsfeier Bei einem Hochzeitsessen stellte der Gastwirt für 150 Gäste nur zwei Bedienungen bereit, sodass es beim Service zu erheblichen Verzögerungen kam. Allein das Servieren der Suppe dauerte 90 Minuten. Der weitere Ablauf des Festes konnte nur dadurch einigermaßen gerettet werden, dass einige Hochzeitsgäste beim Bedienen einsprangen. Für das Amtsgericht München stellte der unzureichende Service einen erheblichen Mangel der Bewirtungsleistung dar. Unter Berücksichtigung weiterer Beanstandungen, wie fehlendes Kinderessen und schlechte Fleischqualität, konnte das Hochzeitspaar von der vereinbarten Vergütung in Höhe von 7.530 Euro einen Betrag von 2.590 Euro in Abzug bringen. Der Umstand, dass nur 150 statt der dem Festpreis zugrunde gelegten 170 Hochzeitsgäste erschienen waren, rechtfertigte hingegen keine weitere Reduzierung des Gesamtpreises, da der Gastwirt sich auf die angegebene Personenzahl vorbereiten musste und entsprechend Speisen und Getränke bereitgestellt hatte. Urteil des AG München vom 12.01.2016 159 C 601/15 Justiz Bayern online Bezuschussung von Kindergartengebühren auch für Waldorfkindergarten Bezuschusst eine Kommune die städtischen Kindergärten, muss sie die Förderung auch Kindergärten freier Träger zukommen lassen. Dies entschied der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Falle eines Waldorfkindergartens in der Stadt Künzelsau. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Gemeinde mit der direkten Förderung des Kindergartenbesuchs durch eine Zuwendung an die Eltern nicht das gesetzliche Wahlrecht der Eltern und deren Erziehungsbestimmungsrecht unterlaufen darf. Die Kommune verstößt gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG, wenn sie Kinder, für welche die Eltern den Besuch eines freien Kindergartens vorsehen, von vornherein von der einschlägigen freiwilligen kommunalen Fördermaßnahme ausschließt. Allerdings dürfen Unterschiede insbesondere in den Betreuungsangeboten der städtischen Kindergärten einerseits und des Waldorfkindergartens andererseits bei der Bestimmung der Höhe der Förderung berücksichtigt werden. Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 23.02.2016 12 S 638/15 Pressemitteilung des VGH Baden-Württemberg Erhebung von Rundfunkbeiträgen für private Wohnungen verfassungsgemäß Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat entschieden, dass die Erhebung von Rundfunkbeiträgen im privaten Bereich auf der Grundlage des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags verfassungsgemäß ist und die gegenüber den Rundfunkteilnehmern, einem Ehepaar mit einer Haupt- und einer Zweitwohnung, ergangenen Beitragsbescheide rechtmäßig sind. Die Anknüpfung der Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags an das Innehaben einer Wohnung unabhängig von den Nutzungsgewohnheiten und Nutzungsabsichten sah das Gericht durch die technische Entwicklung neuartiger Rundfunk- und Kommunikationsempfangsgeräte veranlasst und im Hinblick auf die Gewährleistung der Rundfunkfreiheit als sachgerecht an. Wegen grundsätzlicher Bedeutung wurde die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen. Urteile des VGH Mannheim vom 03.03.2016 2 S 312/15, 2 S 896/15, 2 S 2270/15 JURIS online Reiserecht Pflicht zur Zahlung des Flugpreises bei Buchung rechtens Die Klausel in den Allgemeinen Vertragsbedingungen von Fluggesellschaften, in denen die Verpflichtung des Fluggastes zur Zahlung des Flugpreises bereits bei Vertragsschluss geregelt ist, stellt keine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers dar. Die- Hindenburgstraße 1 · 57072 Siegen · Telefon 0271 23270-0 · Fax 0271 21759 [email protected] · www.schleifenbaum-adler.de RECHTSANWÄLTE | NOTARE | FACHANWÄLTE SCHLEIFENBAUM & ADLER Partner der CONSULEGIS EWIV · An International Association of Law Firms Rechtsinformationsdienst Ausgabe: private Mandanten / Mai 2016 se Regelung widerspricht nach Meinung des Bundesgerichtshofs nicht wesentlichen Grundgedanken des Personenluftbeförderungsrechts. Die mit der Pflicht zur sofortigen Vorauszahlung einhergehenden Nachteile des Fluggastes sind nicht von solchem Gewicht, dass eine Umstellung der weltweit üblichen und einem einheitlichen Standard folgenden Abrechnungspraxis der Luftfahrtunternehmen geboten wäre. che Änderung der Reiseleistung, die den Reisenden zum Rücktritt von der Reise berechtigen würde. Urteil des BGH vom 16.02.2016 X ZR 5/15 Pressemitteilung des BGH Bank- und Anlegerrecht Ratte im Hotelzimmer Macht ein Kapitalanleger wegen Verletzung der Aufklärungs- oder Beratungspflicht gegen ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen Schadensersatzansprüche geltend, ist für den Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist nicht der Zeitpunkt der fehlerhaften Beratung, sondern der schuldrechtliche Erwerb der pflichtwidrig empfohlenen Wertpapiere maßgebend. Urteil des AG Augsburg vom 05.02.2016 15 C 206/15 Wirtschaftswoche Heft 10/2016, Seite 83 Verjährungsbeginn für Schadensersatzansprüche des Kapitalanlegers Ein Hotelgast stellte fest, dass sich nach dem Lüften des im Hochparterre gelegenen Zimmers eine Ratte hinter dem Nachtkästchen verkrochen hatte. Das Tier wurde umgehend vom Personal beseitigt. Die Ratte war offensichtlich beim Öffnen der Balkontür bei eingeschaltetem Licht in das Zimmer gelangt. Das Amtsgericht Köln sah darin keinen Mangel und wies die Klage des Hotelgastes auf Reisepreisminderung mit folgender Begründung ab: Zwar muss eine Hotelunterkunft grundsätzlich frei von Ungeziefer sein. Das Auftreten von Ungeziefer ist indes noch nicht per se ein Mangel, sondern nur dann, wenn in Abhängigkeit von dem Ausmaß des Auftretens und den landestypischen Besonderheiten die Beeinträchtigung nicht mehr nur geringfügig ist. So ist das mehrfache Auftreten von landestypischem kleinerem Ungeziefer so lange kein Mangel wie kein „Befall“ der Unterkunft vorliegt. Auch das Auftreten von größerem Ungeziefer - wie hier einer Ratte - stellt eine einmalige kurzzeitige Beeinträchtigung und keinen Mangel dar, wenn keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, die das Vorhandensein eines Ungezieferproblems als wahrscheinlich erscheinen lassen. Urteil des BGH vom 24.03.2015 XI ZR 278/14 DB 2015, 1519 MDR 2015, 766 Urteil des AG Köln vom 07.09.2015 142 C 78/15 ZAP EN-Nr. 900/2015 Die Bausparkasse berief sich bei ihrer Kündigung auf die Vorschrift des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB, nach der ein Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzins in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten gekündigt werden kann. Das Oberlandesgericht Hamm wendet diese Kündigungsregelung, obwohl sie in erster Linie den Darlehensnehmer vor einer überlangen Bindung an festgelegte Zinssätze schützen soll, auch auf den Darlehensgeber an. Begründung: Die Kündigungsregelung enthält keine Einschränkung in personeller Hinsicht. Änderung eines Direktfluges durch Zwischenstopp Das Amtsgericht Augsburg sieht in der dem Teilnehmer einer Pauschalflugreise nach Dubai zwei Wochen vor dem Flugtermin mitgeteilten Änderung eines Direktfluges in einen Flug mit einem Zwischenstopp und die Vorverlegung des Rückfluges um 12 Stunden keinen erheblichen Reisemangel oder eine wesentli- Bausparkasse darf Hochzinsvertrag kündigen Ein Bausparer verzichtete trotz Zuteilungsreife auf ein Bauspardarlehen und ließ das Guthaben weiter „stehen“. Da die Verzinsung drei Prozent betrug, erwies sich die Geldanlage angesichts der zwischenzeitlichen Zinsentwicklung gegen Null als äußerst vorteilhaft. Schließlich kündigte die Bausparkasse ihrerseits den Vertrag zehn Jahre nach Zuteilungsreife. Die Klage des Bausparers hiergegen hatte keinen Erfolg. Beschluss des OLG Hamm vom 30.12.2015 I-31 U 191/15 ZIP 2016, 306 Bundesbank muss absichtlich zerschnittene Geldscheine ersetzen Die Deutsche Bundesbank muss eine beschädigte Banknote nur ersetzen, wenn die vorgelegten Teile mindestens 50 Prozent einer Euro-Banknote darstellen oder - wenn die Banknotenteile 50 Prozent oder weniger einer Euro-Banknote ergeben - die Vernichtung der restlichen Banknotenteile nachgewiesen ist. Für den Verwaltungsgerichtshof Kassel besteht die Erstattungspflicht auch dann, wenn Banknoten vorsätzlich vom Eigentümer zerrissen oder zerschnitten werden, aber ausreichend Gründe zu der Annahme bestehen, dass die Person dabei gutgläubig i.S.d. „Beschlusses der Europäischen Zentralbank über die Stückelung, Merkmale und Reproduktion sowie den Umtausch und Einzug von Euro-Banknoten“ vom 19. April 2013 gehandelt hat. Das kann etwa der Fall sein, wenn - wie hier im Falle einer Seniorin - bei der Beschädigung der Banknoten ein krankheitsbedingter Zustand geistiger Verwirrtheit vorgelegen hat. Die Bundesbank wurde verurteilt, die zerstückelten Banknoten im Wert von 18.500 Euro zu erstatten. Die Revision wurde nicht zugelassen. Urteil des VGH Kassel vom 24.03.2016 6 A 682/15 Pressemitteilung des VGH Kassel Medizinrecht Zahnmedizinische Versorgung mit Amalgam unbedenklich Das Oberlandesgericht Hamm hat entschieden, dass die in früheren Jahren weit verbreitete Verwendung von Amalgam bei Zahnfüllungen grundsätzlich unbedenklich ist und keine Schadensersatzansprüche gegen den behandelnden Zahnarzt rechtfertigt, wenn der Patient Jahre später über gesundheitliche Probleme klagt, die nach seiner Auffassung von dem bei einer Zahnkrone verwendeten Amalgam herrührt. Auch eine fehlerhafte Aufklärung war dem Dentisten in dem konkreten Fall nicht anzulasten, Hindenburgstraße 1 · 57072 Siegen · Telefon 0271 23270-0 · Fax 0271 21759 [email protected] · www.schleifenbaum-adler.de RECHTSANWÄLTE | NOTARE | FACHANWÄLTE SCHLEIFENBAUM & ADLER Partner der CONSULEGIS EWIV · An International Association of Law Firms Rechtsinformationsdienst Ausgabe: private Mandanten / Mai 2016 da zum Behandlungszeitpunkt keine Amalgam allergie des Patienten feststellbar war. Finanzamt an vertragliche Kaufpreisaufteilung von Grundstück und Gebäude gebunden Urteil des OLG Hamm vom 04.03.2016 26 U 16/15 JURIS online Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass das Finanzamt an eine im notariellen Kaufvertrag vorgenommene Kaufpreisaufteilung von Grundstück und Gebäude in der Regel gebunden ist und dies bei der Berechnung der Abschreibung für Abnutzung (AfA) zugrunde zu legen hat. Hiervon darf nur abgewichen werden, wenn die Aufteilung zwischen Verkäufer und Käufer lediglich zum Schein getroffen wurde und die realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar erscheinen. Steuerrecht Kindergeld bei fortführendem Masterstudium Eltern eines studierenden Kindes kann auch noch während des Masterstudiums des Sprösslings das staatliche Kindergeld zustehen, wenn der weiterführende Studiengang als Teil der Erstausbildung angesehen werden kann (sogenanntes konsekutives Masterstudium). Ein Masterstudium ist jedenfalls dann Teil einer einheitlichen Erstausbildung, wenn es zeitlich und inhaltlich auf den vorangegangenen Bachelorstudiengang abgestimmt ist und das von den Eltern und dem Kind bestimmte Berufsziel erst darüber erreicht werden kann. Urteil des BFH vom 03.09.2015 VI R 9/15 FamRZ 2016, 128 DStZ 2016, 60 Urteil des BFH vom 16.09.2015 IX R 12/14 DStR 2016, 33 DB 2016, 207 Erbschaftsteuer: Berücksichtigung von Steuerschulden wegen Steuerhinterziehung durch Erblasser Der Bundesfinanzhof hat entgegen seiner früheren Rechtsprechung nunmehr entschieden, dass bei der Bemessung der Erbschaftsteuer Steuerschulden, die auf einer Steuerhinterziehung des Erblassers beruhen, nur dann steuermindernd wirken, soweit die hinterzogene Steuer nach dem Erbfall auch tat- sächlich festgesetzt wird. Früher ist das Gericht davon ausgegangen, dass eine wirtschaftliche Belastung im Hinterziehungsfall auch gegeben sei, wenn der Erbe das zuständige Finanzamt zeitnah über die Steuerangelegenheit unterrichtet hat. Urteil des BFH vom 28.10.2015 II R 46/13 DB 2016, 393 DStR 2016, 401 Berücksichtigung nachträglicher Schuldzinsen nach Veräußerung einer Immobilie Schuldzinsen, die im Rahmen der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung entstanden sind, können auch dann als (nachträgliche) Werbungskosten abgezogen werden, wenn und soweit bei einem Verkauf der Immobilie die Kreditverbindlichkeiten für das Objekt durch den Veräußerungserlös nicht getilgt werden können und der Steuerpflichtige die Differenz durch ein Refinanzierungs- oder Umschuldungsdarlehen ausgleichen muss. Urteil des BFH vom 16.09.2015 IX R 40/14 DStR 2016, 41 Hindenburgstraße 1 · 57072 Siegen · Telefon 0271 23270-0 · Fax 0271 21759 [email protected] · www.schleifenbaum-adler.de
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