TAG 7: CUILLIN HILLS → ELGOL, 16 KM, 765 HM WWW.PATRICK-IN-SCHOTTLAND.DE W 6° 09.209' N 57° 15.426' 10°C Sonnenberge und Steinmeere Nach einer sehr stürmischen Nacht, in der ich glaubte gar zu hören, wie der Wind jedes Mal erst ordentlich zum Schlag ausholte, bevor er mein Zelt traf, wachte ich sehr spät am frühen Vormittag auf. Der Sonnenbrand und die Schmerzen im Knöchel machten die Nacht zu einer der bisher schlaflosesten. Glücklicherweise gab es noch genug Kaffee um mich für den nächsten Streckenabschnitt zu rüsten. Dieser allerdings sollte auch heute nicht wie geplant über das wundervolle Loch Coruisk führen, da mein Knöchel mehr schmerzte als gestern und ein normales Auftreten kaum möglich war. Freilich war es keine Option einfach liegen zu bleiben und die Bergrettung zu rufen. Unvernünftigerweise – wie sich noch herausstellen sollte – setzte ich meinen Weg durch die Cuillin Hills gen Süden, in Richtung der Schottischen See fort. Humpelnd aber immer noch glücklich. Rund 5 km in die andere Richtung und es hätte zumindest die Möglichkeit gegeben per Anhalter zurück in die Zivilisation zu gelangen. Das Wetter war kaiserlich. Die Sonne und der tiefblaue Himmel hatten eine so unglaubliche Kraft, dass selbst die schneebedeckten Gipfel der Black Cuillins das Blau des Himmels reflektierten und in einem schwachen Aquamarin leuchteten. Die Sonne allerdings war auch so stark, dass sie bereits nach kurzer Zeit begann auf der haut zu brennen. Den späten Vormittag über durchquerte ich sehr langsam die Tieflagen des Gebirges. Das lag nicht am lahmen Fuß allein. Vielmehr galt es die vielen Eindrücke, die Mischung aus braun-beigefarbener Graslandschaft und den majestätischen, teils sehr urigen Felsformationen, zu verarbeiten und natürlich auch auf digitales Zelluloid zu bannen. Laut GPS wechselte der Wanderweg alsbald zu einem Fußweg. Einen echten Unterschied gab es nicht – der Boden, die Steine, die Flüsse, nichts hatte sich verändert. Mit den voranschreitenden Kilometern erhoben sich immer neue Berge, die sich zuvor hinter jenen versteckten, die den nahen Horizont bildeten. Das war es: genau so konnte es ewig weitergehen. Wie viele Tage ich in den Cuillin Hills hätte verbringen können. Aber langsam näherte ich mich Loch na Creitheach, welches kaum mehr als einen Kilometer Luftlinie vom Meer entfernt das Ende der Cuillins bildet. Bereits aus weiter Ferne erkannte ich den in tiefem Königsblau leuchtenden, etwa 1,4 km langen See, an dessen linkem Ufer ein Wanderpfad zwischen den letzten Felsen der Red Cuillins angelegt war. Diesem folgte ich und entdeckte gar einen kleinen Sandstrand an der südlichen Stirnseite des Loch na Creitheach. Auf einer weiten Ebene angekommen, man möchte sie fast Berglichtung nennen, die sich bis zum Meer erstreckte, war am Horizont ein kleines Haus zu erspähen, das einsam am Camasunary Strand dem Küstenwind trotzte. Beim Nähern fiel ein zweites, ehemaliges und inzwischen verfallenes Gebäude auf. Ein altes Steinhaus, von denen ich auf Skye bereits so viele entdeckt hatte. Ein Schild neben dem einstigen Eingang der Ruine bat Wanderer und Besucher, keine Steine aus den Mauern zu entfernen. Offensichtlich war dies entweder eine beliebte Beschäftigung oder die schweren Steine galten als kreatives Urlaubsmitbringsel. Direkt hinter den beiden Gebäuden begann ein kleiner aber sehr schöner und durch die Berge auf der linken Seite teilweise sehr idyllisch anmutender Kieselstrand. Er maß kaum 700 m in seiner Breite, erschien aber endlos. Denn eines hatte sich kaum geändert: ich war nicht besonders gut zu Fuß unterwegs. Wenn überhaupt, dann war es nun schlimmer als noch am Morgen. Bald, am Ende des Strandes angelangt, traf ich wieder auf ein gewohntes und für mich inzwischen vertrautes und anders als noch am Anfang der Reise, freundliches Bild. Die im Wasser schwimmenden Gräser und Moose. Es war gewohnt schwierig, einen weiteren Weg zu finden und ich fragte mich, wo es danach wohl weitergeht. Das GPS hatte dazu eine ganz klare Meinung: der Weg führte direkt am Wasser entlang. Dort gab es einen knapp viereinhalb Kilometer langen Krippenpfad mit einigen sehr windigen exponierten Abschnitten und vier fast schon zu erkletternden Höhenunterschieden. Für meinen Fuß also genau das Gegenteil von gut und richtig. Aber nun war es der kürzeste Weg nach Elgol, der nächsten Ortschaft. Ohnehin schon sehr unsicher auf den Beinen, packte ich zum ersten Mal auf meiner bisher siebentägigen Trekkingtour die Kamera in den Rucksack. Es war ein ganz ungewohntes Gefühl. Bis heute zog ich lediglich eine Plastiktüte über Hand und Kamera, wenn es regnete. Der Pfad und das Wandern an den Klippen gestaltete sich sehr abenteuerlich und schwierig. Schon nach ein paar Hundert Metern konnte ich keine Gefälle mehr laufen und Abstiege wie Kletterpartien an höheren Felsen dauerten ihre Zeit. Streckenweise waren die Böen sehr stark, aber immer noch überwog die Freude über die einmalige schottische Natur. Für den größtenteils kaum 30cm breiten Pfad benötigte ich an diesem Nachmittag geschlagene drei Stunden. Auf seiner Hälfte entdeckte ich in weiter Entfernung im Wasser gar eine Robbe. Aber wie am ersten Tag, konnte ich nicht mit Sicherheit bestimmen, ob es sich nicht tatsächlich nur um potentielles Strandgut oder eine Boje handelte. Zum Ende hin führte der Track durch idyllische, enge mit kleinen Bäumen und Sträuchern überwachsene Abschnitte. Mehrfach blieb der große Rucksack an ihnen hängen. Letztlich aber erreichte ich eine offene Wiese ab der es lediglich 60 m aufzusteigen galt um Elgol zu erreichen. Durch ein kleines Weidegatter betrat ich nun wieder die Zivilisation und orientierte mich erst einmal. Ich wusste nämlich: von hier aus fuhr ein Bus bis Broadford, das ebenfalls auf meiner eigentlichen Route lag. Die Haltestelle zu finden war nicht schwer. Sie lag versteckt hinter einem Café mit angeschlossenem kleinen Lädchen. Und tatsächlich kam ich eine halbe Stunde später in den Genuss chauffiert zu werden. Etwas mehr als 20 Minuten dauerte die Fahrt bis ins 23 km entfernte Broadford. Dort angekommen bekam ich arge Probleme mit dem Aufstehen und Aussteigen. Ab hier war klar: die Tour ist erst einmal zu Ende. Nun hatte ich approximativ 60 km weniger auf dem Tacho, als es eigentlich zu laufen galt. Enttäuschung oder Unmut aber gab es nicht. Denn die Folgekilometer von Elgol bis Kyleakin, dem Ende meiner Reise, führten meist durch sehr ländliche und flache Regionen. Somit war mein Abenteuer doch ein voller Erfolg und es lagen immerhin 128 gelaufene Kilometer hinter mir. Voller Freude darüber und mit um die letzten Tage kreisenden Gedanken suchte ich mir zunächst einen kleinen Spar Markt unweit der Bushaltestelle und für die Nacht ein Hostel, in dem ich den siebten Tortag nach einer ausgiebigen Dusche ausklingen lies. Dort fand ich auch noch eine sinnvolle Verwendung für meine zweite mitgeführte und bisher nicht angebrochene Gaskartusche und verschenkte sie an eine Wandergruppe, die am nächsten Morgen aufbrach um Skye zu erkunden. Nur der Knöchel bereitete mir derweil große Sorgen, da selbst humpeln angesichts der starken Schmerzen kaum noch eine Option darstellte.
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