TAG 3: QUIRAING → BEINN EDRA, 11 KM, 1.130 HM WWW.PATRICK-IN-SCHOTTLAND.DE W 6° 16.279' N 57° 38.606' 8°C Keine Wege, keine Pfade Diesen Morgen erwachte ich müde nach einer unruhigen, sehr stürmischen und regengetränkten Nacht. Es war kurz nach Sechs und ich erfreute mich an einer unheimlichen Stille. Nicht das kleinste Lüftchen wehte und die eisige Kälte war der Gelassenheit des Morgens gewichen. Ich entschloss mich in aller Ruhe einen Kaffee zu trinken und dank dem mitgebrachten Milchpulver auch für ein ausgedehntes Müsli Frühstück. Hätte ich mich mit dem Frühstück und der anschließenden Katzenwäsche lieber etwas beeilt. Denn auf Skye gilt auch im Frühling: pack Deinen Kram zusammen, solange es trocken ist – Du hast nur wenige Minuten. Bereits vor Acht wich die Stille einem harten Sturm und ich belauschte das Gespräch zweier Wanderer, 50 m entfernt und 20 m weiter oben, als säßen sie direkt neben mir im Zelt. Auch später am Tage sollte ich immer wieder die Kraft dieses starken Windes erfahren, der Stimmen gar über mehrere Hundert Meter so nah erscheinen ließ. In fliegender Eile packte ich nun meine Sachen und verstaute das Zelt – es ging weiter und es galt noch so viele tolle Fleckchen zu entdecken und zu bewandern. Der anfängliche Weg auf dem Alpinen mit T2 ausgezeichneten Trail führte mich direkt durch zwei bekannte und sehr beeindruckende Steinformationen, genannt The Needle und The Prison. Die Nadel wäre durch einen T3 Trail gar direkt erreichbar gewesen, der aber nicht zu meinem Weg gehören sollte. So blieb mir nur der Blick mit gerecktem Hals auf die gut 80 m höher und im Nebel liegende Felsformation. Aber kurz darauf entschädigte die Aussicht für den gewollt verpassten Hotspot: der Quiraing Walk mit dem kleinen Berg Cleat, Loch Leum Na Luirginn und Loch Cleat im Panorama. Ein kurzer Blick auf das GPS verriet mir auch, dass die gewaltigen Klippen, die in 3 km Luftlinie zu erkennen waren bereits am Abend mein sein sollten. Denn dort ging es hin – ins Nirgendwo. In die unberührten Highlands, in denen es Anfang April weder einen Trampelpfad noch eine Spur davon gab, dass überhaupt schon einmal jemand dort gewesen ist. Aber nun der Reihe nach. Die Freude hielt zwar weiterhin an, doch galt es zunächst eine ärgerliche Gegebenheit zu schlucken: ich kam nicht weiter. Rund 600 m bevor der Alpine Tral die Straße kreuzte, die mich und das unberührte Hochland trennte, gab es ein für mich und den sperrigen Trekkingrucksack nicht überwindbares Hindernis. Der dritte Wasserfall, den es an diesem Tag zu überqueren galt, erforderte ein wenig Geschick und führte mit einem sehr großen Schritt über ungesicherte schmale Steinstufen – oder in einen tiefen Abgrund. Zwar näherten sich ein paar Wanderer von der anderen Seite, die aber ebenfalls vor diesem Hindernis Halt machten, das mit leichtem Gepäck oder mit einem verankerten Stahlseil eigentlich zu meistern wäre. Insofern konnte ich auch niemandem den Rucksack anreichen und nahm einen Umweg über rund 3 km in Kauf. Auf einer der durch die Nässe recht rutschig gewordenen Schafweiden stieg ich ab und wanderte die Quiraing Road, eine Bundesstraße, entlang bis zu einem Wanderparkplatz und der Stelle, an der es in die menschenleeren Highlands gehen sollte. Oben angekommen musste ich feststellen, dass es hier gar einen Kiosk gab und der Parkplatz nicht ausreichte um allen dort stehenden Autos einen Platz zu bieten. Der erste Schreck verflog aber und das in Windeseile. Das gut angenommene touristische Angebot beschränkte sich auf ein paar Hundert Meter um den Kiosk und so setzte ich meine Route gen Hochland fort. Zunächst führte sie mich noch auf einen matschigen Pfad, der aber mit den Metern immer schmaler wurde, bis er endlich ganz verschwand und mich der weglosen Natur überließ. Nun hieß es die erste Steigung von 180 m zu meistern, die mich über den Gipfel des Bioda Buidhe führte. Man stellt es sich sehr einfach vor – schließlich gehört dieser Part der Strecke zum bekannten Skye Trail und wird jährlich von einer nicht unerheblichen Zahl an Wanderern gelaufen. So kurz nach dem Winter allerdings existierte der Skye Trail nur auf dem GPS in Form einer Linie, die sich durch die hügelige und überall von heftigen Regenfällen unterspülte Landschaft zog. Eine weitestgehend trockene Strecke zu suchen war ein auswegloses Unterfangen und so lief ich querfeldein, rauf und runter über die unzähligen gras- und moosbewachsenen Hügel bis ich die mit 466 m für diesen Tag höchste Stelle erreichte und mir einen sicheren Abstiegsweg suchte. Auch das klang zunächst einfacher als es in der Umsetzung werden sollte – schließlich befand ich mich hier nicht im Harz oder dem Schwarzwald und selbst die steileren Hänge standen nicht unerheblich hoch unter Wasser. Nach weiteren Stunden des Auf und Ab über die zahlreichen kleinen Bergerhebungen erreichte ich eine tiefer gelegene Stelle, etwa 2 km vor dem Berg Beinn Edra, an der ich mich ich auf die Suche nach einem geeigneten und möglichst trockenen Platz für mein Zelt machte. Es dauerte seine Zeit. Aber einmal fündig geworden, stand zehn Minuten später auch bereits das mobile Zuhause und bot Schutz vor den immer wieder aufkommenden starken Winden und Böen nahe den Klippen und freilich auch vor dem inzwischen mit immer kürzeren Pausen gespickten Dauerregen. An diesem Tag schaffte ich rund 10 km weniger als ich es mir vorgenommen hatte, was aber, wie sich im späteren Verlauf der Tour herausstellte, nicht von großer Tragik war. Es sollte ohnehin alles anders kommen, als es einmal geplant war.
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