TAG 6: PORTREE → CUILLIN HILLS, 24 KM, 885 HM WWW.PATRICK-IN-SCHOTTLAND.DE W 6° 11.954' N 57° 24.000' 8°C Knick in den Cuillins Heute war ein ganz besonderer Tag. Heute sollte mich mein Weg in die Cuillin Hills führen. Ein märchenhaftes und wundervolles aber auch sehr schroffes und unwirkliches Mittelgebirge, das sich in die Red Cuillins und die Black Cuillins aufteilt. Noch vor dem Sonnenaufgang wurde ich vom Konzert der Möwen und anderer Seevögel geweckt. Und sogleich war es wieder gegenwärtig: das Rauschen der See und die Winde, die durch die kleine Bucht bei Portree eilten als wollten sie nicht zu spät erscheinen um mich zu begleiten. Es war der erste Tag an dem ich meinen morgendlichen Kaffee vor dem Zelt trank, da mich alles, die Gerüche und Geräusche, die relative Wärme und das Licht der aufgehenden Sonne, dazu animierte aufzubrechen oder wenigstens das Zelt frühzeitig zu verlassen. Gewollt, getan, getrunken. Nachdem im Anschluss auch meine Siebensachen schnell gepackt und im Trekkingrucksack verstaut waren, inzwischen auch die eine oder andere Muschel in meiner Tasche verschwunden war, machte ich mich auf, das Abenteuer fortzusetzen. Der Weg verlief entlang des Ufers, das mit angespültem Seegras, einigen Muscheln, ehemalig glücklichen Krabben und großen schwarzen, mit weißer Flechte besetzten Felsen gespickt war. Ein fantastischer Morgen, der mich durch kleine Wälder am Rande des Ufers und eine Niedermoor artige Landschaft führte. Aber Stopp! Was war das? Ich checkte das GPS und befand mich auf dem richtigen Weg. Der aber führte direkt durch eine etwa 10 m breite Meerwasser Schneise. Links die offene Bucht und rechts ein instabiler Zaun, den ich beim Überklettern wegen seiner Höhe sicherlich heruntergerissen hätte. Nun, Gewässer zu queren war ich ja bereits gewohnt und so ging es durch das nicht ganz kniehohe Wasser. Auf der anderen Seite angekommen, entdeckte ich im Rückblick über den Schlick und die fast hinter mir gelassene Bucht am Horizont auch mein eigentliches Highlight des gestrigen Tages, das ich aufgrund der harschen Wetterbedingungen umgehen musste: The Old Man of Storr. Dieses Panorama sollte mich noch eine Weile begleiten und ich war traurig, es nicht in voller Pracht bewundern zu können. Glücklich aber über den wunderschönen und gleichermaßen abenteuerlichen Start des heutigen Tages. Nach einem kurzen Wegstück durch ein waldartiges Gebiet mit hohen Sträuchern und viel Gestrüpp, erreichte ich die Bundesstraße 883. Anders als auf dem Festland im städtischen Bereich glich sie einer verlassenen, einspurigen Traktorroute. Sie führte durch schier nicht endendes Weideland auf dem es sich Schafe, Rinder und Kälber gutgehen ließen. Direkt vor mir verschwand der Ben Tianavaig in einem Meer aus Wolken. Dieser Berg sollte mir noch eine ganze Weile Modell stehen. Denn an der Küste angekommen, mit einem herrlichen Blick auf die Isle of Raasay, erhob er sich erneut unter den Wolken. Dieses Mal aber mit seiner unfreundlichen Seeseite, die viele spitz zulaufende Erhebungen aufzeigte und an die sagenhafte Landschaft des Quiraing Massivs erinnerte. Auf der Landstraße am Rande des Küstenstreifens kam ich an ein Haus, das von einer freundlichen Dame und ihren vier riesigen schwarzen Rottweilern bewohnt wurde. Offensichtlich war den schwarzen Hünen mein kontrastreicher blauer Regenschutz, den ich trotz des derweil hochsommerlichen Sonnenscheins noch über dem Rucksack trug, nicht ganz geheuer. Sodass sie mich auf eindrucksvolle Weise mit einem tiefen Bass in den Stimmen lautstark begrüßten. Die Route führte direkt über den Sligachan Campingplatz, auf dem ich aber nicht übernachten wollte. Auch die sechste Nacht galt es in der Wildnis zu verbringen. Besser noch: in den Cuillin Hills. Die Landstraße endete an einem Wendekreisel und dort war der Campingplatz bereits ausgeschildert. Der Wegweiser zeigte über einen kleinen Hügel auf den direkt am Wasser gelegenen schmalen Pfad, dem sich gegenüber auf der anderen Uferseite majestätisch die Berge An Coileach und Sgurr Mhairi, verbunden durch einen Kamm, erhoben. Ich folgte dem schmalen Pfad am Hang des Ben Lee etwa 5 km in südwestlicher Richtung. Vorbei an malerischen kleinen Wasserfällen sowie großzügigen Feldern aus Schlick am Ende der Bucht. Und dort waren sie wieder: die unterspülten Grasflächen, die mich vom Sligachan Campingplatz, dem gleichnamigen Hotel und der Skye Bergrettung trennten. Und somit auch vom dahinter gelegenen Eingang in die Cuillin Hills. Es war kaum möglich einen Weg durch die gräsernen Untiefen zu finden. Zwei Wanderer, die ich bereits aus der Ferne dabei beobachtete, wie sie ebenfalls versuchten sich zurecht zu finden, zeigten mir letztlich den besten Weg in Richtung der an der A87 gelegenen Wirtschaften und Übernachtungsmöglichkeiten. Dort angekommen bewunderte ich zunächst von der Brücke, die über den Sligachan River führte, die atemberaubende Aussicht in die vor mir liegende Gebirgslandschaft. Auf der linken Seite die beigefarbenen bis roten Berge, auf der rechten die bis ins Tiefschwarze gefärbten Black Cuillins. Unterdessen brannte die Sonne regelrecht in meinem Gesicht. Obschon es aufgrund der fehlenden Wälder seit dem frühen Vormittag kein schattiges Plätzchen mehr gab und Sonnencreme auch nicht zu meiner Ausrüstung zählte, verschwendete ich keinen einzigen Gedanken an diesen Umstand. Wie auch, bei diesem Ausblick? Ungeduldig prüfte ich die weitere Route und machte mich auf den Weg ins Gebirge. Die nächste Übernachtung war am Rande des Loch Coruisk geplant. Also sputete ich mich. Links, rechts, vor und hinter mir: ich konnte mich gar nicht sattsehen an den vielen weichen, teils auch schroffen und manchmal auch schneebedeckten Bergen und Gipfeln. Der Wanderweg war mit T1 gekennzeichnet und so freundlich verlief er auch. Er bestand größtenteils aus faustgroßen Steinen, die den Boden frei von Gras und Moos hielten. Auch führte er über einige breitere Gewässer, die ursprünglich als Wasserfälle von den Bergen aus hinunterflossen und mit großen Steinen und kleinen Felsbrocken begehbar gemacht wurden. Die Route führte parallel entlang des Sligachan Rivers, der nach den ersten drei Kilometern einem kleinen Amazonas glich, der sich durch das Tal schlängelte. Und genau dort passierte es: nach dem nicht enden wollenden Überspringen der kleinen Bäche am gestrigen Tage, knickte ich nun wohl einmal zu oft um oder rutschte von einem Stein ab – bewusst bemerkte ich es nicht. Nur das Gehen viel mir plötzlich schwerer und der linke Knöchel fing an zu schmerzen. Ausgerechnet jetzt, da ich noch einen Anstieg über 200 Höhenmeter vor mir hatte, bis ich Loch Coruisk erreichen konnte. Nun, das fiel für den heutigen Tag erst einmal aus. Das neue Tagesziel hieß einen Zeltplatz zu suchen. Das war allgemein keine verkehrte Idee, denn inzwischen bemerkte ich auch den Sonnenbrand, der auf dem gesamten Kopf schmerzte. Aber wie bereits erwähnt: man fliegt ja nicht nach Schottland um behütet im Hotel zu liegen. Über weitere anderthalb Kilometer humpelte ich durch die Berge. Immer auf der Suche nach einem nicht unter Wasser stehenden und ebenen Platz für das Zelt – und das über längere Zeit vergebens. Bis sich rechts des Wanderweges eine umgrabene und abgegraste, leicht erhöht gelegene Freifläche fand. Der perfekte Zeltplatz und das mitten im Nirgendwo. Ein kleines Manko bot die perfekte Grünfläche dann aber bei näherer Betrachtung schon. Das kurze Gras und den darunter liegenden festen Fels trennten keine 5 cm Erde. Bis alle Heringe im Boden versenkt waren, wechselte das bereits aufgebaute Zelt mehrfach seinen Standort und sicherlich verstrich auch die eine oder andere Viertelstunde. Etwas niedergeschlagen durch die Verletzung am Knöchel, der indes auch leicht geschwollen war, aß ich zu Abend und verweilte kurz darauf dennoch gut gelaunt und die Dämmerung erwartend am geöffneten Zelteingang. Immerhin sollte ich direkt gegenüber des am Fuße rot gefärbten und in Richtung des Gipfels in ein sattes Schwarz übergehenden, sehr beeindruckenden und Schnee bedeckten Sgùrr Nan Gillean nächtigen. Wer kann das schon? Und wenn, wie oft?
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