Programm Juni – Juli 2016 - Stiftung Lyrik Kabinett

Programm
Juni – Juli 2016
Dichter im Gespräch
Rüdiger Görner über Elisabeth Barrett-Browning
und Rainer Maria Rilke, Claire und Yvan Goll sowie
Thomas Hardy
Rezitation der Gedichte: Julia Cortis
Mittwoch, 1. Juni 2016
20 Uhr
Veranstaltungsort:
Lyrik Kabinett
Amalienstraße 83 a
Eintritt: 7,– € / 5,– €
Mitglieder: freier Eintritt
Abendkasse, freie Platzwahl
Dichter im Gespräch – welche Art der Verständigung entsteht
dabei? Über welche Zeitspannen? Sind nicht Rilkes Übersetzungen von Elisabeth Barrett-Browning ein poetisch-lebendiges
Gespräch mit einer Toten? Und sein Briefwechsel in Versen mit
Erika Mitterer eine späte Entsprechung dazu? Wie verhält es sich
mit Thomas Hardys Poems of 1912–13, elegische Gedichte, durch
die er (und sein schlechtes Gewissen) ein Gespräch mit seiner verstorbenen Frau Emma geradezu zu erzwingen suchte? Und wie
ist das Liebesgespräch zwischen Claire und Yvan Goll zu werten,
das mit gegenseitigen Vorwürfen nicht spart, aber zu einer Liebes­
poetik vordringt, die in der lyrischen Moderne ohne Beispiel ist?
Diesen Fragen stellt sich Rüdiger Görner, selbst Lyriker, Literaturwissenschaftler an der Queen Mary University of London
und Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Vorgestellt wird dabei auch seine Übertragung von Hardys
späten Liebesgedichten, die damit erstmals in deutscher Sprache
vorliegen. Die Gedichte werden rezitiert von Julia Cortis, die
nach einem Studium der Sprachwissenschaft und Psycholinguistik
ein Jahrzehnt für die Zentrale des Goethe-Instituts tätig war und
heute als Sprecherin für den BR arbeitet.
[…] If thou invite me forth,
I rise above abasement at the word.
Make thy love larger to enlarge my worth.
Elizabeth Barret-Browning, aus: Sonnets from the Portuguese, 1850
[…]
Dein Wort ist mächtig über mich gesetzt.
Was kann ich tun, wenn deine Liebe naht,
als wollen: daß sie wachsend mich vermehre.
Rainer Maria Rilke, aus: Sonette aus dem Portugiesischen, 1908
OMNIBUS
Lesung und Gespräch mit
Vladimir Đurišić (Montenegro)
Tsvetanka Elenkova (Bulgarien)
Kätlin Kaldmaa (Estland)
Samstag, 11. Juni 2016
20 Uhr
Moderation: Linde Nadiani
Amalienstraße 83 a
Eintritt frei, freie Platzwahl
In Kooperation mit dem Netzwerk
„CROWD – CReating Other Ways of
Dissemination“ im Rahmen der europa­
weiten Lese-Busreise OMNIBUS
(100 AutorInnen, 12 Wochen, 15 Länder).
Mit freundlicher Unterstützung des
­Creative-Europe-Programms der Europäischen Union, der Kulturstiftung des
Bundes, des Eesti Kultuurkapital, der
Norwegisch-­Deutschen Willy-Brandt-­
Stiftung und NORLA
Veranstaltungsort:
Lyrik Kabinett
Die Gedichte werden in
der Originalsprache und
teils in englischen, teils in
deutschen Übersetzungen
rezitiert!
Auf der von Nord nach Süd führenden europaweiten Lese-Busfahrt OMNIBUS reisen insgesamt hundert Autorinnen und
Autoren innerhalb von drei Monaten in wöchentlichen Gruppen
von acht Personen von Finnland nach Zypern. Die Tour führt
sie sowohl in städtische als auch in ländliche Regionen Europas.
Die auf der gesamten Strecke stattfindenden Lesungen, Diskussionen und Workshops ermöglichen einen intensiven Dialog
zwischen den Schriftstellern und dem Publikum vor Ort. Drei
Dichterinnen und Dichter der CROWD, Kätlin Kaldmaa,
Tsvetanka Elenkova und Vladimir Đurišić, nehmen das
­Publikum an diesem Abend ein Stück auf ihrer Reise durch das
literarische Europa der ­Gegenwart mit. Durch den Abend führt
Linde Nadiani von der Lettrétage Berlin.
PAIN IS SO CLOSE TO PLEASURE
The question of love and pain
has as much to do with physics
as with the teaching of Lao Tzu
For instance
communicating vessels are not just connected
they feed into each other
And it’s very important who is higher
where the flower pot is where the bucket of water
when you’re away
So the question of love and pain
has as much to do with Freddie Mercury
as it does with Christianity
Tsvetanka Elenkova, aus dem Bulgarischen von Jonathan Dunne
Zwiesprachen VIII
Mirko Bonné über John Keats
Gefördert durch die Arbeitsgemeinschaft
Literarischer Gesellschaften und Gedenkstätten (ALG) aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur
und Medien sowie durch das Kulturreferat der LH München
Mittwoch, 15. Juni 2016
20 Uhr
Veranstaltungsort:
Lyrik Kabinett
Amalienstraße 83 a
Eintritt: 7,– € / 5,– €
Mitglieder: freier Eintritt
Abendkasse, freie Platzwahl
„Anstatt zu studieren übersetzte ich ab 1990 fünf Jahre lang das
dichterische Werk von John Keats, Werke und Briefe erschienen
1995 bei Reclam. Balladen wie La Belle Dame sans Merci, Sonette
wie Bright Star sowie die sechs Oden, die Keats schrieb, und seine
Briefe, in denen Leben, Lieben und Dichten eins werden, haben
mein Schreiben und poetisches Denken tief geprägt. Keats verdanke ich die Öffnung meiner Gedichte in die Tiefe der Zeit,
durch ihn wurde ich Übersetzer: ,That which is creative must
create itself.‘“ So Mirko Bonné über seinen historischen Zwiesprachen-Partner. Bonné wurde 1965 in Tegernsee geboren und
lebt seit vier Jahrzehnten in Hamburg, er ist Lyriker, Erzähler
und Übersetzer. Zuletzt erschienen sein Roman Nie mehr Nacht
(2013), der Erzählband Feuerland (2015) sowie in Neuübersetzung
Robert Louis Stevensons Der merkwürdige Fall von Dr. Jekyll und
Mr. Hyde (2015).
„The Genius of Poetry must work out its own ­salvation
in a man: It cannot be matured by law and precept, but
by sensation and watchfulness in itself – That which is
creative must create itself.“
„Der Genius der Dichtung muss seine Erlösung in einem
Menschen selbst erwirken. Er kann nicht reifen durch
Regel und Maxime, sondern nur in sich selbst durch
Empfindung und Achtsamkeit – Das was schöpferisch
ist, muss sich selbst erschaffen.“
John Keats, Brief an James Augustus Hessey, 9. Oktober 1818,
­übersetzt von Mirko Bonné
Gä weida Dada. 100 Jahre Dada und München
Dada simultan
Ein Abend zu den Ursprüngen von
Mittwoch, 22. Juni 2016
Dada-Zürich mit Urs Allemann,
20 Uhr
Michael Braun und Norbert Lange
Veranstaltungsort:
Eine Initiative des Münchner Literatur­
archivs Monacensia und des Lyrik Kabinetts
in Kooperation mit dem Stadtarchiv
München und dem Valentin-KarlstadtMusäum.
Mit freundlicher Unterstützung der
­Kulturstiftung Stadtsparkasse München
Lyrik Kabinett
Amalienstraße 83 a
Eintritt: 7,– € / 5,– €
Mitglieder: freier Eintritt
Abendkasse, freie Platzwahl
Das „Simultangedicht“ ist 100 % dada! Stimmen überlagern sich,
Geräusche überlagern Stimmen – das Ganze ergibt den Sound,
den Dada haben will: Wirr-Sinn. Urs Allemann, Michael Braun
und Norbert Lange präsentieren Dada als „Gemeinschaftsunternehmen“. Texte von Prä-Dadaisten wie Jakob van Hoddis
und Klabund werden rezitiert. Die „Urszenen“ von Dada-Zürich werden rekonstruiert, dadaistische Nonsens- und Lautlyrik in
Szene gesetzt und ganz und gar dada-hymnisch wird es mit dem
Opus Null von Arp. Neben Arp, Ball, Hausmann, Huelsenbeck,
Schwitters und Walter Serner betreten die Dada-Damen Marietta
di Monaco und Elsa von Loringhoven die Bühne – in dadaeffigie,
versteht sich! Simuldadaner geht’s nicht!
das haben Sie gewaltet / eine verhornung
sehn wächsern aus, buchstabenkönig. scheinen erstarrt zu sein.
zerronnen erst und dann erstarrt zu erz, alleszerschwätzer.
Sie haften im raum, starrer schläfer. halten Sie die fleppen blank!
umsonst haben Sie an den eisentüren gerüttelt.
[….]
als Sie sich in himmelsdeifelsnamen
über den leichnam bückten den eigenen stachel zu lecken
weil den zerschlagenen Sie überglückten und ihn
mit windeln behangen. dadavon sind Sie sehr gelb.
[…]
nach hugo ball
Urs Allemann, in: Gä weida Dada. 100 Jahre Dada und München.
Herausgegeben von A. Trojan (Black Ink, 2016)
Gä weida Dada. 100 Jahre Dada und München
Dada today
Mit Christian Steinbacher,
Franz Josef Czernin,
Dagmara Kraus, Nikolai Vogel und
Christian Uetz
Eine Initiative des Münchner Literaturarchivs
Monacensia und des Lyrik Kabinetts
in Kooperation mit dem Stadtarchiv München
und dem Valentin-Karlstadt-Musäum.
Mit freundlicher Unterstützung der Kulturstiftung Stadtsparkasse München
Dienstag, 5. Juli 2016
20 Uhr
Veranstaltungsort:
Lyrik Kabinett
Amalienstraße 83 a
Eintritt: 7,– € / 5,– €
Mitglieder: freier Eintritt
Abendkasse, freie
Platzwahl
„Hält sich ein Enjambement versteckt im Sprung von 4 zu 5?
Eher nicht, wird dort kein Danebensein ausgestellt, sondern fungiert das zwei Zeilen nacheinander ausfädelnde ‚da‘ (oho: ‚da/ …
da/‘!)“, meint Christian Steinbacher und stampft dabei rhythmisch auf den Boden. Franz Josef Czernin geht es ruhiger an:
„Dada und die avantgardistischen Traditionen werden einmal
Moment einer Kräftekonstellation gewesen sein, die auch andere
Zeitalter und Literaturen einschließt.“ Dagmara Kraus singt
darauf ein gar schönes Dada-Lied: „Das Af ’teur-lè di zagte vîr
zint maoulzalât“. Nikolai Vogel greift sich an die Augen und
brüllt: „Die sich öffnende Pupille, weit, weit öffnende Pupille, das
All kommt, vergeblicher Versuch gar zu blinzeln, (Data=)Dada
Explosion, Dadanova: Superdada, Superdada, gleißendes (Licht=)
DADA!“ Christian Uetz schweigt – vorerst! Wie auch immer:
Dada ist da, ist munter wie ein Fisch in der scharf gewürzten
Bouillabaisse des Lebens! Davon zeugen und überzeugen an
diesem Abend die genannten Gegenwartsdichter.
die Kelten, Etrusker, Urnen, Särge, Staub auf der Bank, Veronesergrün und Terra di Siena, Blumenwiese! Anna, ­natürlich!
Buffets und Vitrinen, Jean Paul oder so Fußnotenjunkies,
und nirgends ein Ausweg, die Netzstrümpfe blickdicht, schon
wieder Spam, auf allen Vieren von hinten genommen, Vokale
aufwirbeln, ja, da! da! oh ja! so lala! […] in jedem Eck ein
Regenschirm vergessen, da! da bleibt einem die Spucke weg,
sagt niemand mehr was, stottert nur rum, da-da, alles gesagt!
na, na, nicht so hastig, erst da, ja das Gefängnis, nicht übertreiben! die Tür angelehnt, Marcel Proust, und jetzt riecht es
nach Spargel, preußischblau, noch so ein Pils!
Nikolai Vogel, in: Gä weida Dada. 100 Jahre Dada und München.
­Herausgegeben von A. Trojan (Black Ink, 2016).
Das Rätsel der Schlichtheit / Il segreto della semplicità
Sandro Penna (1906–1977) zum 110. Geburtstag
Ein Abend mit
Carolina Pini, Federico Italiano,
Florian Mehltretter und
Pia‑Elisabeth Leuschner
Eine Lesung im Rahmen der Tagung:
„e fuori / un mare tutto fresco di colore“:
die intermediale écriture Sandro Pennas
Nähere Informationen in Kürze unter:
­italianistik.uni-muenchen.de
Donnerstag, 7. Juli 2016
20 Uhr
Veranstaltungsort:
Lyrik Kabinett
Amalienstraße 83 a
Eintritt: 7,– € / 5,– €
Mitglieder: freier Eintritt
Abendkasse, freie Platzwahl
„Und wie eine Fliege / die im Honig festsitzt …“ – ein triftiger
Vergleich seines Lebens, aus einem der berühmtesten Gedichte
von Sandro Penna (1906–1977). Penna, der keinerlei Interesse an den sozialen oder politischen Regeln des 20. Jahrhunderts
zeigt, spinnt sich früh ein in das Netz einer ganz eigenen Lebens-­
Poesie, die in immer neuen Formen eine kleine Anzahl fragmentarischer und obsessiver Bilder gestaltet: magische Träume, denen
nichts und niemand ihn entreißen konnte, gebannt in rätselhaft
schlichten Momentaufnahmen, Blitzlichtern. Von Pasolini als
„eine der wichtigsten Stimmen des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet,
ist dieser poeta puro in den Worten Umberto Sabas „un piccolo
miracolo“, ein kleines Wunder. Florian Mehltretter, seit 2011
Lehrstuhlinhaber für Italianistik der LMU und Übersetzer von
Guarini, Verlaine, Leconte de Lisle, Byron u. a.; Carola Pini,
ehemalige italienische Damenfußball-Nationalspielerin, Übersetzerin deutscher Gegenwartsliteratur, promoviert über Renaissanceliteratur; Federico Italiano, Lyriker, Übersetzer ins Italienische, Herausgeber und Dozent für Komparatistik; Pia-Elisabeth
Leuschner ist Pressereferentin der Stiftung Lyrik Kabinett.
Il mare è tutto azzurro.
Il mare è tutto calmo.
Nel cuore è quasi un urlo
di gioa. E tutto è calmo.
Das Meer ist ganz blau.
Das Meer ist ganz ruhig.
Im Herzen fast ein Schrei
vor Freude. Und alles ist ruhig.
Sandro Penna, übersetzt von Carolina Pini
Peng! Du bist tot!
Nora Gomringer
und Philipp Scholz
Donnerstag, 14. Juli 2016
20 Uhr
präsentieren
Fatalyrische Momente
Veranstaltungsort:
Lyrik Kabinett
Amalienstraße 83 a
Eintritt: 7,– € / 5,– €
Mitglieder: freier Eintritt
Abendkasse, freie Platzwahl
Philipp Scholz lauscht, kombiniert, atmet und holt aus. Der
Leipziger Schlagzeuger beschlägt und pointiert die Silben, die
Nora Gomringer rezitiert. Mit seinem lebhaften, dynamischen
Spiel ergibt sich in bester Wort- und Klangtradition des Jazz ein
Zusammenspiel, das der Sprache nichts nimmt und der Musik
eine weitere Farbe schenkt. Die „Farbe Gomringer“ ist Humorvolles, weitreichend und tief. Scholz und Gomringer machen
etwas mit Klang und Sprache und das machen sie … gleich.
Sie müssen nur dabei bleiben, wenn sie – ja, sie könnten sagen
– zaubern. So etwas wie Magie liefern mit Klang und Sprache.
Nora Gomringer, geboren 1980, hat eine Vergangenheit in
Spoken Word und eine Gegenwart im weiten Feld der Lyrik und
der Rezitation. Für ihr Werk wurde sie mit zahlreichen Stipendien und Preisen bedacht. Seit 2010 leitet sie das staatliche Künstlerhaus Villa Concordia in Bamberg. Philipp Scholz, Jahrgang
1990, ist Jazz-Schlagzeuger. Er spielt in zahlreichen Bands und
veröffentlichte 2015 mit seinem Trio PLOT die CD Tightrope.
[…]
wer 13 ist der liebt doch noch nicht
da ist doch das hirn, das herz
noch nicht in gänze
was na
sie wissen schon
warum wird eigentlich immer nur darum
herum
weil eben
na
na
egal
wichtig ist tobias so ein unglück
ungück, ja
wenn ein 13-jähriger junge
zum vogel wird
[…]
Nora Gomringer, aus dem Gedicht „tobias“, in:
achduje. Sprechtexte (edition spoken skript 2015), S. 89 f.
Fotos © www.panobilder.de
Die Stiftung Lyrik Kabinett München will der Poesie quer durch
alle Zeiten und Nationalliteraturen ein beständiges Forum zur
Verfügung stellen. Die Stiftung unterhält die zweitgrößte auf
Lyrik spezialisierte ­Präsenz-Bibliothek Europas (mit ca. 55.000
Medien), darunter zahlreiche hochwertige Künstlerbücher, und
richtet regelmäßig Veranstaltungen aus. Historisch reicht das
Spektrum der Poesie, die in den Lesungen zu erleben war und ist,
vom Gilgamesch-Epos bis zu zeitgenössischen Stimmen.
Bitte besuchen Sie uns:
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(U3 und U6: Haltestelle Universität)
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Bibliothek:
Montag, Mittwoch 10–13 Uhr
Dienstag, Donnerstag 15–21 Uhr
(an Veranstaltungstagen nur bis 18 Uhr)
Samstag 12–18 Uhr
„Jeder gesunde
Mensch kann
leicht zwei Tage
ohne Nahrung
leben – ohne
Poesie – niemals!“
Baudelaire, 1846