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Energiewende
EPEX-perten für den Strom
Das Strommengen-Wachstum am Spotmarkt der zentraleuropäischen Strombörse kommt einer
Explosion gleich. Doch wem nutzt das – und helfen aktuelle Reformbemühungen?
Handelten im Jahr 2014 die damals 224 an der
Epex in Paris angemeldeten Unternehmen 382
Terawattstunden (TWh), bewegten im Folgejahr
286 Handelsteilnehmer 566 TWh. Für den Han­
delsplatz war es eine Explosion um 67 Prozent.
Allerdings ging ihr das Zusammengehen der
bisherigen Epex-Märkte Deutschland, Österreich,
Luxemburg, Frankreich und Schweiz mit den
Neulingen Niederlande, Belgien und Großbritan­
nien unterm Epex-Dach voraus.
Der Trend der Handelsplattform für kurzfristig
georderte Strommengen reicht aber tiefer. Beide
Epex-Segmente für Einspeisungen, die entweder
schon 30 Minuten nach dem Verkauf stattfinden
können oder wo Strom erst in 24 Stunden fließt
– Intraday und Day-Ahead –, schwollen auch in
einzelnen Ländern an. So nahm in der Epex-Kern­
region Deutschland, Österreich und Luxemburg
das Volumen aller Spot-Geschäfte um weitere vier
Prozent von 290 auf 302 TWh zu. Dabei garan­
tiert das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)
von 2012 in Deutschland, dass fast sämtlicher
EEG-Strom gehandelt werden muss. Davon gab es
2015 rund 200 TWh. Vor allem der tages­aktuelle
Handel nahm in dem Teilmarkt zu: Der Intraday,
wo zum Ausgleich nicht eingetroffener Einspeise­
prognosen für erneuerbare Energien Stromvolu­
men nachgehandelt werden, wuchs von 26,4 auf
37,5 TWh, ein Plus von 70 Prozent.
Die Größenordnung ist bedeutend: Bevor die bis­
herige britische Handelsplattform APX mitsamt
der belgischen Belpex im April schrittweise in das
Handelsgeschäft der Epex überging, deckte der
Epex-Spotmarkt bereits ein Drittel des Strom­
verbrauchs seiner Länder ab.
Das wachsende Volumengeschäft dient laut
derer, die an die gute Wirkung von Strombörsen
glauben, einer zunehmenden Flexibilisierung der
Stromversorgung – im Sinne der Energiewende.
Diese Strombörsenversteher wollen den Strom­
markt dank der Börsen so sehr flexibilisiert sehen,
dass darin die moderne, aber vom Wind- und
Sonnenaufkommen abhängige und schwankende
Grünstromerzeugung mit dem nicht minder
volatilen Verbrauch in Einklang kommt. Dafür
führt die Leipziger Strombörse European Energy
Exchange (EEX) als Epex-Mutterkonzern immer
kürzere Handelsprodukte ein. Denn je kurzfristi­
26 ger Strommengen am Day-Ahead-Markt verkauft
werden, desto genauer können die Prognosen
zum Grünstrom sein. Und umso weniger müssen
Stromzwischenhändler für Lieferlücken am Intradaymarkt einkaufen. Zielgenauere Vermittlung
von Bedarf und Lieferung aber macht den Börsen­
strom billiger – und die Dringlichkeit zum teuren
Netzausbau nimmt ab, weil Erzeuger von Wind-,
Solar- und Biomassestrom zum zeitweisen Stopp
der Anlagen bei wenig Bedarf ermutigt werden.
Schneller Handel stimmt Bedarf ab
566
TERAWATT­
STUNDEN handelten die gelisteten
286 Handelsteilnehmer im Jahr 2015
am Spotmarkt Epex.
Was davon Theorie und was Praxis ist, lässt sich
an der rasanten Entwicklung des Spotmarkts gut
ablesen: Tatsächlich nehmen die Stromhandels­
preise seit 2011 ab. So fiel der Durchschnittspreis
pro Kilowattstunde (kWh) auf allen Epex-Spot­
märkten von 2013 bis 2015 von 3,9 auf 3,16 Cent.
2011 hatte er für Deutschland, Österreich oder
Frankreich noch über fünf Cent betragen, für
die Schweiz sogar noch knapp sechs Cent. Nur:
Bekanntlich profitieren nur Großverbraucher,
die an der Börse billigen Strom direkt kaufen. An
ihre Kunden geben die Versorger den Preisvorteil
nicht weiter. Und wie ist es mit der Abstimmung
von Verbrauch und Erzeugung?
Statkraft ist der größte Händler von EEG-Strom
an der Epex. 7.700 Megawatt Windkraft hat das
Unternehmen unter Vertrag. 281 TWh handelte es
im vergangenen Jahr. Als „Schwerpunkt“ seines
Handelsinteresses nennt der Direktvermarkter
die „bestmögliche Bilanzkreisbewirtschaftung
durch kontinuierlichen Handel mit Stunden- und
insbesondere Viertelstundenprodukten“. Also:
im Dienste von Stromversorgern die Einspei­
sung exakt auf die schwankende Abnahme ihrer
Kunden einzustellen. Und durch geschicktes
Intraday-Handeln den Ausgleichsstrom günstig zu
besorgen oder zu viel übernommenen Strom gut
zu verkaufen. Zudem setzt Statkraft darauf, bald
Windenergie als sekundäre Regelenergie an län­
gerfristigen Terminmärkten zu verkaufen. Dazu
hatten die Übertragungsnetzbetreiber kürzlich
den Abrechnungsmodus genehmigt.
Nicht undenkbar aber, dass die Börsen im End­
effekt nur den Wettbewerb um des Wettbewerbs
willen fördern. Denn nicht nur der Strompreis
sinkt dort scheinbar unaufhörlich, was regenerati­
Erneuerbare Energien 03/2016
FOTO: EEX
Energiewende
Die EEX ist der Terminmarkt für Strommengen-Kontrakte, die zu Lieferungen bis nach mehreren Jahren führen. EEX-Tochter Epex ist hingegen der
Spotmarkt für Stromlieferungen noch am selben oder am Folgetag.
ver Erzeugung in Zeiten von Ausschreibungen an
Attraktivität nimmt. Auch der Wettbewerb unter
den Direktvermarktern nimmt zu.
„Viele Direktvermarkter haben bereits die Bewirt­
schaftung ihres Portfolios, also die Einspeisevor­
hersage, den 24-Stunden-/7-Tage-Handel und das
Balancing an andere Unternehmen ausgelagert“,
sagt Statkraft-Sprecherin Judith Tranninger. Im
eigenen Haus führten solche Konkurrenten oft
nur noch den Kundenvertrieb. Auf noch zehn bis
zwölf vollständige Player taxieren andere Beob­
achter die Szene. Klassische Grünstromhändler
müssten sich vor dem Untergang retten, wie das
Unternehmen Grundgrün. Es hat Teile seiner
Geschäftsaktivitäten an Energiekonzern EnBW
verkauft. Konkurrent Next Kraftwerke unter­
stellte sich schon Ende 2014 Statkraft.
Clean Energy Sourcing (Clens) aus Leipzig hat im
Februar ein Joint Venture mit dem italienischen
Pendant Innowatio angekündigt. Zuletzt hatten
die Leipziger jährlich acht TWh EEG-Strom an
die Börse gebracht und zwei TWh für Stromver­
sorger gekauft. Damit es „Spaß macht, braucht es
volatilere Preise“, sagt Daniel Hölder. Hölder ist
einer der Geschäftsführer von Clens. Er wünscht
deutliche Ausschläge für Hochpreisphasen bei
viel Stromverbrauch und geringer Wind- oder
Solarstromerzeugung sowie Tiefpreisphasen bei
wenig Verbrauch. Dann sendete die Börse richtige
Erneuerbare Energien 03/2016
„Damit es Spaß
macht, braucht
es volatilere
Preise.“
Daniel Hölder,
Geschäftsführer Clean
Energy Sourcing in Leipzig
Signale, glaubt er – etwa um Erneuerbare-Ener­
gien-Anlagen gezielt an Orten mit Wetterphäno­
menen zu betreiben, die gegenläufig zu vorherr­
schenden Wind- und Sonnentrends im Land sind.
Börse entwickelt Steuerungs-Produkte
Immerhin führte die EEX zuletzt in schneller
Folge neue Stromprodukte ein, die das Risiko des
Handels abmildern sollen und das Handelstempo
weiter erhöhen. Dazu gehören seit Herbst 2015
die Cap-Futures. Sie mildern das Risiko von Preis­
spitzen am Intraday-Markt, die fünf Prozent der
Handelszeit ausmachen. Cap-Futures dienen als
Versicherung. Direktvermarkter kaufen sie vom
Clearinghaus ECC, über das Stromversorger sie
verkaufen. Sie gelten immer für eine Woche. Für
bestimmte von einem Cap abgedeckte Strommen­
gen bekommen deren Käufer das zurück, was sie
an der Börse über sechs Cent pro kWh gezahlt
haben. Das bewahrt beim Kauf von Ausgleichs­
strom vor Preisspitzen, die es 2015 immerhin 194
Mal gab. Und es verleiht Stromversorgern mehr
Planungssicherheit.
Nun steht die Einführung von Futures für ganze
Tage und Wochenenden an sowie eines Wind­
energie-Futures. Unternehmen wie Statkraft wün­
schen sich noch kürzere Lieferperioden für Intra­
day-Produkte von zum Beispiel fünf Minuten.
TILMAN WEBER W
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