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SÜDWESTRUNDFUNK
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Liebe Kolleginnen und Kollegen,
nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an.
Dr. Anton Hofreiter, MdB, Fraktionsvorsitzender von
Bündnis90/die Grünen im Bundestag gab heute, 28.04.16,
dem Südwestrundfunk ein Interview zum Thema:
„VW-Jahrespressekonferenz - Abgasaffäre.“
Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Florian Rudolph.
Mit freundlichen Grüßen
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Datum:
28.04.2016
"Erwarte klares Signal in der VW-Abgasaffäre"
Baden-Baden: Grünen-Fraktionschef Hofreiter erwartet von der VW-Spitze heute auf der
Jahres-PK in Wolfsburg ein klares Signal in der Abgas-Affäre. Im SWR-Tagesgespräch sagte
Hofreiter, er habe nicht den Eindruck, dass Schluss sei mit Gemauschel und Vertuschen.
Geprellte Diesel-Kunden in Europa müssten gleich entschädigt werden wie die in den USA.
Außerdem müsse der Konzern aufhören, auf den Verbrennungsmotor zu setzen.
Am Vormittag informieren Grüne und Linke über den gemeinsamen Untersuchungsausschuss
zu VW-Abgasaffäre. Zum Vorgehen sagte Hofreiter im SWR-Tagesgespräch, im Mittepunkt
stehe nicht allein der aktuelle Verkehrsminister Dobrindt. Seit 2007 gäbe es die klaren
Abgasrichtlinien der EU. Deshalb werde es auch um frühere Verkehrsminister gehen. Das
Kraftfahrtbundesamt müsse erklären, warum es das gesamte testen aufgegeben habe.
Hofreiter sieht auch Fragen an das Umweltbundesamt. Hier habe man gewusst, dass die
Schadstoffbelastung in den Städten nicht sinkt. Hofreiter hofft, dass der
Untersuchungsausschuss so schnell wie möglich starten kann. Er hoffe, dass die Große
Koalition den Untersuchungsausschuss nicht verzögere.
Wortlaut des Live-Gesprächs:
Rudolph: In ein paar Stunden, um 10 Uhr, muss die VW-Spitze also vor die FinanzAnalysten und Medienvertreter treten. Welchen Rat geben sie Konzernchef Müller und Co
für diesen doch sicherlich für die schweren Gang aufs Podium?
Hofreiter: Ich würde ihnen den Rat geben klar zu signalisieren, dass sie jetzt wirklich
verstanden haben. Ich habe nicht den Eindruck, dass sie diesen Rat befolgen wollen und zwar
verstanden in vielerlei Hinsicht. Erstens verstanden dahin, dass sie jetzt endlich aufhören
müssen mit dem Gemauschel und dass sie aufhören müssen mit dem Vertuschen, dass sie
aufhören müssen mit der unterschiedlichen Behandlung der Verbraucher. Davon sind sie ganz
weit weg. Da in den USA die Behörden beim Abgasskandal viel schärfer sind als unsere
luschigen Behörden, als unser luschiger Verkehrsminister bekommen da die Verbraucher
entsprechende Entschädigung. Da wird ganz anders agiert, da werden auch Fahrzeuge
zurückgezogen. Bei uns bekommen die Verbraucher gar nichts. Der nächste Rat wäre, dass sie
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
aufhören sollen, auf die Optimierung des Verbrennungsmotors zu setzen, sondern endlich
einsteigen in die Sprunginnovationen. Wenn sie so weiter machen, dann geht es ihnen wie Eon
und RWE, die auch immer gesagt haben, wir haben doch ein tolles Produkt, wir haben tolle
Atomkraftwerke, tolle Kohlekraftwerke, die machen wir immer noch ein bisschen besser und
haben gar nicht gemerkt, wie um sie herum neue Industrien entstanden sind. Die moderne
Windkraftanlagen gebaut haben, die Photovoltaik gebaut haben und so weiter, und so fort.
Rudolph: Gerade in der Zeit wo die Branche ja angesichts E-Mobilität und
Digitalisierungen im Umbruch steht, also Rekordverlust und Millardenstrafen. Wie groß
ist ihre Sorge um die Jobs?
Hofreiter: Meine Sorgen um die Jobs sind sehr, sehr groß. Deswegen ist ja dieser Rat ganz
entscheidend, dass sie jetzt erkennen, dass sie entsprechend auf Sprunginnovationen setzen.
Das problematische war, dass im Kern unsere Bundesregierung eine Mitschuld daran trägt. Die
haben immer geglaubt, dass man die Arbeitsplätze am besten schützen kann, wenn man eben
nicht auf Innovation setzt. Wenn man die Unternehmen beschützt. Wenn man sie vor
strengeren Abgasgrenzwerten beschützt. Wenn man sie vor Klimaschutz beschützt und so
dachten die Unternehmen, dass sie, insbesondere auch das größte Unternehmen, unangreifbar
sind und letztendlich im Zweifelsfalle ihre Probleme immer mit Hilfe der Bundesregierung aus
der Welt schaffen können. In Europa war das auch immer der Fall. Da haben sie mit Hilfe der
Bundeskanzlerin die Co2-Grenzwerte ausgeräumt, ohne dabei zu erkennen, dass sie
mittelfristig damit ihren eigenen Bestand und damit die Arbeitsplätze massiv gefährden.
Rudolph: Immerhin müssten ihnen doch gefallen, dass die Bundesregierung jetzt im
Zuge der Affäre den Verkauf von Elektroautos mit milliardenschweren Hilfen anschiebt.
Wird sie damit Erfolg haben?
Hofreiter: Ich glaube, dass das Programm, so wie es gestrickt ist, aus unterschiedlicher
Hinsicht problematisch ist. Wir halten Kaufprämien für richtig, aber ich glaube es ist
problematisch erstens, weil das Programm relativ kurzlebig ist. Es gibt Geld für einige
zehntausend Elektrofahrzeuge. Dann ist das Geld wieder weg. Das heißt, es kann sein, dass
einfach nur ein Strohfeuer entfacht wird und nicht wirklich nachhaltig auf größere, auf
Massenproduktion für emissionsarme Autos umgestellt wird. Zweitens, es wird als ungerecht
empfunden, weil es nämlich, das Geld das vom Bund kommt, aus einem allgemeinen
Steuertopf genommen wird. Unser Vorschlag wäre gewesen, man nimmt das Geld aus einem
Aufschlag für die KFZ-Steuer für diejenigen Fahrern, die besonders teure Spritschlucker kaufen,
also die großen SUV, so was wie Q7, so was wie Porsche Cayenne. Drittens wird es auch
deshalb problematisch werden, weil Elektromobilität, weil moderne Mobilität, im Kern im
Verbund funktioniert. In großen Städten, in der jüngeren Generation, nimmt Carsharing ganz
stark zu und dass heißt, man muss das Elektroauto einbinden in eine Verkehrswende, in eine
moderne Mobilität, wo ÖPNV, wo Eisenbahnen eine Rolle spielt. Wo Carsharing eine ganz
große Rolle spielt und da sehe ich überhaupt keinen strategischen Ansatz von Seiten der
Bundesregierung, sondern so ein kurzfristiges Programm, das einfach mal reingeworfen wird.
Wo man hofft, dass es dann am Ende alle Probleme löst. Aber ich glaube davon sind wir ganz
weit entfernt.
Rudolph: Gehen wir zurück zur Abgasaffäre. Sie haben gemeinsam mit der Linken einen
Untersuchungsausschuss initiiert, über den sie heute auch informieren wollen. Sagen
Sie uns, wie wollen sie da vorgehen?
Hofreiter: Hauptziel des Untersuchungsausschuss ist aufzuklären, was war zwischen
Behörden und Unternehmen. Was wussten die Behörden entsprechend, warum haben sie,
wenn sie was wussten nicht reagiert? Wie konnte es sein, dass da letztendlich auf Glaube und
Vertrauen agiert worden ist? Wie konnte es sein, dass letztendlich überhaupt keine eigenen
Tests mehr durchgeführt worden sind. Sie müssten sich vorstellen, man hat sich komplett
verlassen auf die Angaben der Unternehmen. Wie konnte es sein, dass so Vorschriften, wie
eben die Abgasrichtlinien der Europäischen Union von 2007 so völlig anders interpretiert
werden, als sie wörtlich gemeint sind. Also aufklären, was war eigentlich da los in der
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Bundesregierung, was wusste die, was wussten die Behörden und warum haben sie so agiert
wie sie agieren.
Rudolph: Zielen sie da allein auf den Verkehrsminister oder gehen sie noch viel tiefer?
Hofreiter: Wir wollen nicht alleine auf den jetzigen Verkehrsminister zielen, sondern wir wollen
im Kern auf die ganze Problematik ab 2007 zielen. Nämlich seit 2007 gibt es die klaren
Abgasrichtlinien von Seiten der EU-Kommission oder der Europäischen Union. Da geht es um
den Verkehrsminister, da geht es um vergangene Verkehrsminister, da geht es um das
Kraftfahrtbundesamt, das nach und nach das gesamte Testen aufgegeben hat. Da stellen sich
auch Fragen ans Umweltbundesamt, das ja wusste, dass die Schadstoffe in unseren Städten
nicht runtergehen und man sich immer gefragt hat, woran liegt das eigentlich. Wir haben
Umweltzonen, wir haben grünen Plaketten, wir haben immer schärfere Grenzwerte. Offiziell
werden die Fahrzeuge immer sauberer, aber die Werte in den Städten werden nicht besser. Die
Gesundheitsbelastung für die Menschen steigt sogar eher. Da richten sich auch Fragen in die
Richtung.
Rudolph: Ganz kurz letzte Frage, wann soll das losgehen? Zeitplan?
Hofreiter: Zeitplan unserer Meinung nach so schnell wie möglich. Wir können da nur an die
große Koalition appellieren, dies nicht zu verzögern. Denn ich glaube die Gesundheit der
Menschen, die Verbraucher und auch die Arbeitsplätze in Deutschland in der Autoindustrie, all
diese Bereiche haben ein großes Interesse daran, dass wir diese Affäre möglichst schnell
aufklären.
- Ende Wortlaut -
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)