Katrin Göring-Eckardt Dr. Anton Hofreiter Dr. FSimone Peter RAKTIONSVORSITZENDE BÜNDNIS 90/D IE GRÜNEN Cem Özdemir PARTEIVORSITZENDE BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN DR. SIMONE PETER CEM ÖZDEMIR KATRIN GÖRING-ECKARDT DR. ANTON HOFREITER Katrin Göring-Eckardt Dr. Anton Hofreiter FRAKTIONSVORSITZENDE BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN IM BUNDESTAG Berlin, 25. September 2015 Liebe Freundinnen und Freunde, Deutschland steht vor einer großen humanitären Herausforderung, die schnelles Handeln erfordert. Wir wollen, können und werden das schaffen. Bund, Länder und Kommunen und nicht zuletzt die Zivilgesellschaft stehen gemeinsam in der Verantwortung, die ankommenden Flüchtlinge gut zu versorgen und zu integrieren. Viele tausend freiwillige Helferinnen und Helfer unterstützen sie dabei in beeindruckender Weise. Es offenbart sich aber, dass die Bundesregierung es monatelang versäumt hat die nötigen Vorkehrungen zu treffen, beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, bei der finanziellen Entlastung von Ländern und Kommunen und bei den Integrationsmaßnahmen. Wir sind froh, dass die Menschen vor Ort sich weder von fremdenfeindlichen Krawallen vor Flüchtlingsunterkünften noch von den rechtspopulistischen Äußerungen der CSU beirren lassen und jeden Tag versuchen, den Flüchtlingen mit allen Kräften zu helfen. Es geht darum über Parteigrenzen hinweg der unmittelbaren Situation schnell gerecht zu werden. Wir Grüne übernehmen diese Verantwortung. In diesem Sinne haben sich die grün mitregierten Länder in den Verhandlungen mit der Bundesregierung intensiv dafür eingesetzt, echte Verbesserungen für die Flüchtlinge und die Kommunen durchzusetzen und Symbolpolitik und Schikanen seitens der Großen Koalition zurückzuweisen. Wir unterstützen alles was den Flüchtlingen hilft, alles was Verfahren verkürzt und die hauptund ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer entlastet. Dabei haben wir großen Wert auf eine enge Abstimmung zwischen Bundespartei und Landesverbänden, Fraktionen und Landesregierungen gelegt. Das jetzt vorliegende Paket ist ein schwieriger Kompromiss, um den wir hart mit der Großen Koalition gerungen haben. Der Kompromiss enthält reale Verbesserungen für Flüchtlinge und Kommunen, aber auch einige für uns sehr kritische Punkte. Er ist in der akuten Situation entstanden, gemeinsame Verantwortung zu übernehmen. Vor diesem Hintergrund halten wir das Paket für eine tragfähige Grundlage für die weiteren Beratungen. Der wichtigste Erfolg: Viele Versuche das Grundrecht auf Asyl anzutasten oder auszuhöhlen sind abgewehrt. Durch grünen Druck wurde den Entwürfen von Innenminister de Maizière einige der gravierendsten Giftzähne seiner Abschreckungsliste gezogen. Es wurde erreicht, dass unsinnige Verschärfungen und Leistungskürzungen aus dem Gesetzentwurf der Bundesregierung gestrichen wurden. Vorgeschlagen worden war beispielsweise ein Verfahren an Landesgrenzen analog zum Flughafenverfahren einzuführen. Dafür hätte man riesige Transitbereiche errichten müssen, in dem die Flüchtlinge bis zur Entscheidung über ihr Asylverfahren hätten warten müssen. Aber auch: Haft zur Durchführung des Asylverfahrens, das vollständigen Streichen von Leistungen für Asylbewerber, für die nach dem Dublin-Verfahren andere EU-Mitgliedsländer zuständig sind. In einer Zeit, in der das Dublin-System nicht funktioniert, ist das eine völlig unsinnige Forderung. Ein weiterer grüner Erfolg ist, dass die Gesundheitsversorgung für Flüchtlinge nun durch eine bundesweite gesetzliche Regelung zur Gesundheitskarte verbessert wird. Der dafür erforderliche Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt endlich vor. Die Länder können auch Leistungen über das Asylbewerberleistungsgesetz hinaus vereinbaren. Der Zuzug von Arbeitssuchenden aus den Staaten des Westbalkans wird deutlich erleichtert und es gibt Programme für Roma, die Diskriminierung und Ausgrenzung bekämpfen sollen. Die gesetzliche Begrenzung der Asylverfahren auf 3 Monate und die Finanzzusagen des Bundes versprechen eine echte strukturelle und dauerhafte Entlastung für Länder und Kommunen. Das sind Punkte, für die wir Grüne seit Langem kämpfen. Wir werden darauf achten, dass sie in der konkreten Ausgestaltung auch tatsächlich die angestrebten Vorteile bringen. Das zeigt, grüne Beteiligung an den Verhandlungen macht einen Unterschied. Auf der anderen Seite enthält der Kompromiss bittere Punkte, die der grünen Vorstellung von Flüchtlingspolitik zuwiderlaufen. Das gilt für die Möglichkeit für eine verlängerte Unterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen und für die gesetzliche Vorgabe, das „Taschengeld“ als Sachleistung auszugeben. Immerhin ist es gelungen durchzusetzen, dass Länder weiter Geldleistungen gewähren können, wenn der Verwaltungsaufwand für Sachleistungen zu hoch wird. Das dürfte in vielen Ländern dazu führen, dass es hier weiterhin Geldleistungen gibt. Die Ausweitung der Liste der so genannten „sicheren Herkunftsstaaten“ bleibt problematisch, gerade der Kosovo, für den noch vor kurzem ein NATO-Einsatz verlängert wurde, kann kaum als sicher gelten. Zudem blendet das Konstrukt tatsächliche Diskriminierung vor Ort aus, etwa die massive Ausgrenzung von Roma. Eine relevante Auswirkung auf die Zahl der Anträge oder Dauer der Verfahren ist nicht erwiesen. Die geplanten Kürzung von Leistungen für definitiv Ausreisepflichtige bleibt schwierig, auch wenn andere Gruppen, wie die Dublinflüchtlinge davon nun doch nicht betroffen sind. Auch wenn wir diese und andere Schikanen der Großen Koalition diesmal nicht abwenden konnten, halten wir unsere Kritik an den genannten Punkten aufrecht. Neben dieser ersten Bewertung werden wir euch auf dem Laufenden halten, wenn der Gesetzentwurf vorliegt und wir sehen, wie die Verabredungen tatsächlich umgesetzt werden. Wir werden den weiteren Prozess eng begleiten. Der Gesetzentwurf wird in den nächsten zwei Wochen im Bundestag beraten und beschlossen und wird am 16. Oktober im Bundesrat abschließend behandelt. Gemeinsam kämpfen wir weiter für effektive Lösungen zugunsten von Flüchtlingen und Kommunen, für ein modernes Einwanderungsrecht und sichere Wege für Flüchtlinge nach Europa. Und für ein Land, in dem Willkommenskultur nicht nur ein Wort ist, sondern das Willkommenskultur auch wirklich auf allen Ebenen lebt. Auf der grünen Flüchtlingskonferenz am 9. Oktober in Berlin und auf der BDK in Halle im November wollen wir deshalb gemeinsam nach vorne schauen. Denn mit einem Gipfel im Kanzleramt allein sind die Herausforderungen noch nicht bewältigt. Sie beginnen erst. Wir sehen in den Herausforderungen riesige Chancen für unser Land. Es wird sich verändern. Es wird bunter, es wird vielfältiger, es wird auch Konflikte und Reibungen geben, aber die können wir meistern. Das wird für uns alle viel Arbeit sein, die sich aber lohnen wird. Vor allem müssen wir dem Druck von CSU bis ganz rechts entgegenstehen und Fremdenfeindlichkeit und Rassismus entschieden bekämpfen. Mit freundlichen Grüßen Simone Peter Katrin Göring-Eckardt Cem Özdemir Toni Hofreiter
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