* MONTAG, 25. APRIL 2016 KUNDENSERVICE 0 8 0 0 / 9 3 5 8 5 3 7 * Asylbehörde steckt weiter in Personalnot Zippert zappt F THEMEN 2000 Mitarbeiter fehlen. Anträge bleiben liegen F AFP/JOHN MACDOUGALL; DPA/FILIP SINGER ür Eltern ist es ein Albtraum, wenn sie erfahren, dass ihr Kind Hacker werden will. Denn der Hacker ist die größte Bedrohung der Menschheit. Gerade erst warnt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, dass durch die zunehmende Digitalisierung auch Autos und Flugzeuge ins Visier von Hackern geraten können. Wahrscheinlich haben die Autohersteller also gar nicht betrogen, sondern wurden Opfer eines Hackerangriffs. Hacker können sich nämlich überall reinhacken, wo digital draufsteht. Keiner kann mehr sicher sein, dass seine Digitaluhr die richtige Zeit anzeigt, und auch die Digitalwaage im Badezimmer ist mit Sicherheit gehackt worden. Anders lassen sich die 95 Kilo auch kaum erklären. Toaster spucken nur noch verbrannte Brote aus, Kühlschränke tauen dauernd ab und bestellen Du-darfst-Leberwurst im Internet, weil der Hacker es so will. Fernseher werden permanent gehackt, vor allem das Vormittags- und Vorabendprogramm, von dem man sonst kaum sagen könnte, woher die ganzen Hackfressen auf dem Bildschirm stammen. Barack Obamas fünfte Dienstreise nach Deutschland führt ihn nicht etwa nach Berlin, sondern Hannover. Vor Schloss Herrenhausen hauchte er einen Kuss auf die Wange von Kanzlerin Angela Merkel und dankte ihr für die gute Zusammenarbeit „Wichtigste Freundschaft in meiner Amtszeit“ Barack Obama besucht zum wohl letzten Mal als US-Präsident Deutschland. Er lobt die Bundeskanzlerin und wirbt für das Freihandelsabkommen TTIP POLITIK Rechtspopulist bei Präsidentenwahl in Österreich weit vorne Kommentar Seite 3, Seite 6 POLITIK Sarrazin rechnet mal wieder ab Seite 6 LESERAKTION Experten helfen beim Immobilienkauf Seite 13 SPORT Hannover 96 steigt aus der Bundesliga ab U S-Präsident Barack Obama hat bei seinem wohl letzten Deutschlandbesuch in Hannover Kanzlerin Angela Merkel überschwänglich gelobt. Gleichzeitig warb er für das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) und betonte die Verantwortung Deutschlands und anderer europäischer Länder in der Nato. „Es ist die wichtigste Beziehung, die wichtigste Freundschaft, die ich in meiner Amtszeit hatte“, sagte Obama über sein Verhältnis zur deutschen Regierungschefin. Besonders in der Flüchtlingskrise habe sie großes Durchhaltevermögen bewiesen. „Ich will Angela noch einmal für ihre mutige Führungsrolle loben, die sie in Deutschland und Europa eingenommen hat, als verzweifelte Flüchtlinge aus dem syrischen Konflikt und Konflikten anderswo in der Region kamen“, sagte Obama. Gleichzeitig stellte er klar, dass er froh sei, nicht ebenso lang wie Merkel regieren zu müssen. „Ich liebe diesen Job, er ist ein außergewöhnliches Privileg.“ Aber, fügte Obama hinzu: „Ich beneide Merkel nicht darum, dass es für sie keine Begrenzung der Amtszeiten gibt.“ Für ein großes Land wie die USA sei es „gesund“, wenn es Wechsel an der Regierungsspitze gebe. Nach zwei Amtszeiten kann Obama nicht mehr US-Präsident werden. Neben wehmütigen Abschiedsworten ging es in Hannover auch um handfeste politische Interessen. Obama und Merkel hoffen beide auf ein schnelles und erfolgreiches Ende der Verhandlungen zum Freihan- delsabkommen TTIP. „Ich gehe nicht davon aus, dass wir die Ratifizierung bis Ende des Jahres schaffen“, sagte Obama. Er habe aber die Hoffnung, dass bis dahin zumindest die Inhalte des Abkommens so weit abgearbeitet seien, damit Parlamente sich damit befassen können. Auch Merkel sprach sich für einen schnellen Abschluss der Verhandlungen aus. „Wir sollten uns sputen“, sagte sie. Sie glaube, dass das Freihandelsabkommen aus europäischer Perspektive „absolut hilfreich ist, um die Wirtschaft in Europa besser wachsen zu lassen. Das ist für die deutsche Wirtschaft und die gesamte euro- päische Wirtschaft gut.“ Obama warb für mehr Vertrauen auf beiden Seiten des Atlantiks. Er glaube, viele Menschen seien durch die Globalisierung beunruhigt, obwohl die amerikanische und die europäische Volkswirtschaft davon gleichermaßen profitierten. Rund 200 Menschen demonstrieren am Rande des Besuchs von Obama in Hannover gegen TTIP. Die Organisatoren hatten deutlich mehr erwartet. Bereits am Samstag hatten im Vorfeld des Besuchs nach Angaben der Polizei etwa 35.000 Menschen gegen das geplante Abkommen protestiert. Die Gegner befürchten eine Senkung von Standards und kritisieren mangelnde Transparenz bei den Verhandlungen. Zweieinhalb Monate vor dem Nato-Gipfel in Warschau drängte US-Präsident Barack Obama die Bündnispartner, ihre Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. „Es ist wichtig für alle Nato-Mitglieder, zu versuchen, dieses Ziel zu erreichen“, sagte er in Hannover. Obama erkannte zwar an, dass Deutschland sehr viel mehr leiste als früher, pochte aber generell auf die Einhaltung der Nato-Kriterien. „Wir wissen, dass wir unsere Verteidigungsanstrengungen erhöhen müssen, auch was die materielle Ausstattung anbelangt“, sagte er mit Blick auf Russland. „Wir wissen, dass wir unsere Verteidigungsanstrengungen erhöhen müssen, auch was die materielle Ausstattung anbelangt“, entgegnete Merkel. Michelle Obama bekommt Hannover nicht zu Gesicht US-Präsident Barack Obama ist ohne Gattin Michelle nach Deutschland gekommen. Als der aus London einfliegende Obama in Hannover landete, war die First Lady schon wieder in den USA. Michelle Obama hatte ihren Mann zuvor in Großbritannien begleitet. Grund für die Abwesenheit: Michelle Obama hatte einen Termin. Am Samstagabend hielt sie eine Rede vor Absolventen der Jackson State University im US-Bundesstaat Mississippi. Siehe Kommentar und Seite 4 ür die Bearbeitung von Asylanträgen fehlen bundesweit viele Mitarbeiter. Das zeigt eine vertrauliche Aufstellung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), die der „Welt“ vorliegt. Demnach sollen in den Bundesländern rund 5500 Mitarbeiter eingesetzt werden. Bis zu diesem Monat haben aber erst 3500 ihren Dienst angetreten. VON MANUEL BEWARDER Insgesamt sollen in den Ländern sowie am BAMF-Hauptsitz in Nürnberg 7300 Stellen besetzt werden, derzeit sind es aber nur 5000. Aushilfsweise erhält das BAMF Unterstützung durch Personal von der Post, der Bundeswehr oder der Agentur für Arbeit. Manche Bundesländer trifft der Personalmangel besonders deutlich: In SchleswigHolstein haben laut der Aufstellung von den 190 versprochenen BAMF-Mitarbeitern bislang erst 61 angefangen. Damit sind nur 32 Prozent der versprochenen Stellen besetzt. In Hamburg sollen in der Zukunft 141 Stellen mit BAMF-Personal besetzt sein. Laut der internen Aufstellung sind es jedoch nur 81. Auch im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen sieht es schlecht aus: Von 1197 versprochenen Mitarbeitern befinden sich gerade einmal 620 im Einsatz. Selbst wenn man die vom BAMF bereits ausgesprochenen Einstellungszusagen einrechnet, fehlen in den 16 Bundesländern noch immer rund 1000 Mitarbeiter, die dringend gebraucht werden. Mit Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und dem Saar- LEDIGLICH IN VIER LÄNDERN WURDEN DIE ZUSAGEN DES BAMF ÜBERTROFFEN land tauchen in der Statistik lediglich vier Länder auf, in denen die Zusagen des BAMF übertroffen werden. Für Beunruhigung sorgen die Zahlen in der Nürnberger Zentrale offenbar nicht. Rund 1200 Bewerber hätten eine Einstellungszusage erhalten. Sie sollen über die kommenden Wochen ihren Dienst antreten. In den Ländern hält man diese Ankündigung für überaus ehrgeizig, wie die „Welt“ erfuhr. Dabei verweist man darauf, dass auch in der Vergangenheit Zusagen verschoben wurden. Jedenfalls gerät das ehrgeizige Ziel der Bundesregierung in Gefahr, den Berg von Asylanträgen abzubauen und die Bearbeitungsdauer zu reduzieren. Weil die Zahl der Flüchtlinge 2015 so hoch war, sind 400.000 Asylgesuche unbearbeitet. 300.000 Personen warten auf einen Termin, um einen Antrag stellen zu können. D 2,50 EURO B Nr. 96 KOMMENTAR Obamas Stabilitätsanker CLEMENS WERGIN E s liegen Welten zwischen dem Barack Obama, der als Kandidat vor acht Jahren in Berlin euphorisch gefeiert wurde, und dem, der in Hannover von Zehntausenden Demonstranten begrüßt wurde, die das Freihandelsabkommen TTIP für eine amerikanische Verschwörung halten. Die Last der Verantwortung hat sich tief in sein Gesicht eingegraben und seine Haare weiß werden lassen. Und das Verhältnis der Deutschen zu Obama ist seit dem NSASkandal merklich abgekühlt. Tatsächlich kommt einem die Euphorie am Anfang von Obamas Amtszeit heute wie ein großes Missverständnis vor. Die Europäer sahen ihn als jemanden, der Amerika demütiger und europäischer machen würde. Obama jedoch verstand sich als den ersten pazifischen Präsidenten, dessen Biografie enger mit Asien als mit dem alten Kontinent verknüpft ist. Seine Hinwendung zu Asien war der Versuch, die Ressourcen einer müde gewordenen Supermacht umzudirigieren, weg von Europa und Nahost. Wir wissen, wie das endete. Das Zerbröseln des nahöstlichen Staatensystems hat die Amerikaner wieder zurückgesaugt in die Problemregion. Und der wiedererwachte russische Imperialismus hat die USA gezwungen, wieder mehr Militärkapazitäten und intellektuelle Energien für die Verteidigung Europas vorzuhalten. Die abfälligen Bemerkungen, die Obama vor Kurzem im „Atlantic“ über die europäischen Verbündeten und ihre Trittbrettfahrerei gemacht hat, zeigen, wie frustriert Obama ist, dass Europa sicherheitspolitisch noch immer nicht erwachsen ist und weiter amerikanischer Fürsorge bedarf. Deshalb hat er sich in London auch so vehement gegen den Brexit ausgesprochen und an den Blutzoll im Zweiten Weltkrieg erinnert, den Amerika entrichtet hat, um den Kontinent zu retten. In Washington ist man jedenfalls immer wieder überrascht über das Talent der Europäer zur strategischen Selbstverletzung. Dazu zählt auch die vehemente TTIP-Gegnerschaft in Deutschland, das wie kaum ein anderes Land in der Welt vom Freihandel profitiert. Ansonsten gehört Deutschland jedoch zu den Aktivposten im distanzierter gewordenen europäisch-amerikanischen Verhältnis. Die Deutschen sind gefragte Gesprächspartner in Washington, und Angela Merkel bekommt als Erste einen Anruf aus dem Weißen Haus, wenn es Probleme zu lösen gilt in oder mit Europa. Obamas Abschiedsbesuch in Deutschland ist so auch ein Zeichen des Respekts für eine Kanzlerin, die für die Amerikaner in den vergangenen Jahren zu einem einsamen Stabilitätsanker in einem von Krisen geschüttelten Europa geworden ist. [email protected] Seite 16 AUS ALLER WELT Die enthemmte Liebe der Deutschen Erdogan knöpft sich die Dresdner Sinfoniker vor Der türkische Präsident ist wütend über ein Konzertprojekt, das vom Völkermord an den Armeniern handelt. Die EU beugt sich dem Druck Seite 23 LOTTO: 8 – 15 – 16 – 17 – 27 – 35 Superzahl: 4 Spiel77: 9 3 3 2 0 8 7 Super6: 8 2 5 5 0 2 ohne Gewähr ANZEIGE „Börse am Mittag“ und „Börse am Abend“ mit Dietmar Deffner Um 12.45 und 18.15 Uhr Wir twittern Diskutieren live aus dem Sie mit uns Newsroom: auf Facebook: twitter.com/welt facebook.com/welt „Die Welt“ digital Lesen Sie „Die Welt“ digital auf allen Kanälen – mit der „Welt“-App auf dem Smartphone oder Tablet. Attraktive Angebote finden Sie auf welt.de/digital oder auch mit den neuesten Tablets auf welt.de/bundle H umor ist nicht die Sache von Recep Tayyip Erdogan. Das wissen wir allerspätestens seit der Diskussion über das putzige „Extra 3“-Lied „Erdowie, Erdowo, Erdogan“ und dem folgenden Schmähgedicht von Jan Böhmermann. VON THOMAS SCHMOLL Auch bei einem anderen Thema hat der türkische Präsident noch nie Spaß verstanden: beim Völkermord an den Armeniern. Hier drohen Erdogan und seine Mannen gerne mit schwerwiegenden Folgen, wenn offiziell der Begriff Genozid benutzt wird. Die Dresdner Sinfoniker bekommen das gerade zu spüren. Weil sie den Völkermord in den Mittelpunkt eines Konzertprogramms gerückt haben, scheut sich die offizielle Türkei – wie im Satirestreit – nicht, diplomatische Hebel in Bewegung zu setzen, ein ihr nicht genehmes Projekt und die Protagonisten dahinter zu torpedieren. Wie in der Causa Böhmermann versucht Erdogan, seine beschränkte Auffassung von Meinungsfreiheit in Kunst und Medien zu exportieren. Das von der EU geförderte Konzertprojekt „Aghet“ befasst sich mit dem Massaker an den Armeniern vor über 100 Jahren. Und der Programmname zeigt, warum Erdogan das Konzept missfällt. „Aghet“ bedeutet im Armenischen „Katastrophe“. Der Begriff steht für den Mord an bis zu 1,5 Millionen Armeniern. „Agit“ steht im Türkischen auch für „Klagelied“. Die Uraufführung unter Beteiligung deutscher, türkischer und armenischer Musiker war im November in Berlin. Ein darin intoniertes Werk stammt von dem Brandenburger Helmut Oehring. Allein dessen Titel ist Signalton: „Massaker, hört ihr MASSAKER! (an: Racep Tayyip Erdogan)“, gewidmet „dem Gesindel vom Gezi-Park“. In der Komposition werden Originalzitate eingespielt, etwa Erdogans Aussage: „So etwas wie ein Genozid liegt unserer Gesellschaft fern. Wir werden einen solchen Vorwurf niemals akzeptieren.“ Gleich zu Beginn deklamiert ein Frauenchor einen Auszug aus dem im Frühjahr 2015 diskutierten Entwurf des Entschließungsantrags des Bundestages zum 100. Jahrestag des Völkermords an den Armeniern. Das Parlament hat ihn bis heute nicht verabschiedet – aus Rücksicht auf Erdogan. „Seit zwei Wochen übt die Türkei nun Druck auf die EU-Kommission aus. Das hat von Tag zu Tag sukzessive zugenommen“, beschwert sich der Intendant des Orchesters, Markus Rindt. Laut Orchester forderte die türkische Botschaft bei der EU die Kommission auf, Subventionen in Höhe von 200.000 Euro für das Projekt wieder einzukassieren. Zwar sei es bei der finanziellen Unterstützung geblieben, teilte Orchesterchef Rindt mit. Die EU-Kommission habe das Orchester jedoch gebeten, die entsprechenden Textstellen abzumildern und das Wort „Genozid“ zu streichen. Die EU selbst nahm den Hinweis auf das Projekt von ihren Websites. Man kann das getrost als Erfolg für Erdogan werten. DIE WELT, Axel-Springer-Straße 65, 10888 Berlin, Redaktion: Brieffach 2410 Täglich weltweit in über 130 Ländern verbreitet. Pflichtblatt an allen deutschen Wertpapierbörsen. Telefon: 030 / 2 59 10 Fax 030 / 259 17 16 06 E-Mail: [email protected] Anzeigen: 030 / 58 58 90 Fax 030 / 58 58 91 E-Mail [email protected] Kundenservice: DIE WELT, Brieffach 2440, 10867 Berlin Telefon: 0800 / 9 35 85 37 Fax: 0800 / 9 35 87 37 E-Mail [email protected] A 3,20 & / B 3,20 & / CH 5,00 CHF / CZ 95 CZK / CY 3,40 & / DK 25 DKR / E 3,20 & / I.C. 3,20 & / F 3,20 & / GB 3,00 GBP / GR 3,40 & / I 3,20 & / IRL 3,20 & / L 3,20 & / MLT 3,20 & / NL 3,20 & / P 3,20 & (Cont.) / PL 15 PLN / SK 3,20 € + ISSN 0173-8437 96-17 ZKZ 7109
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