Perspektiven Mai 2016 Wohnungsbauinvestitionen steigen weiter – Neubaubedarf wird aber noch immer nicht gedeckt Kaum Wachstum der deutschen Bauwirtschaft im Jahr 2015 2016 wird aber stark Wohnungsbauinvestitionen dürften um 3,5% zulegen Neubauaktivitäten trotz weiteren Anstiegs immer noch zu gering Anstieg der Immobilienpreise erfasst verstärkt den Bestand EWU-Konjunktur: Fortsetzung der ruhigen Erholung Industrieproduktion treibt Wachstum im Euroraum zu Jahresbeginn Keine Anzeichen für Zunahme der grundlegenden Dynamik Noch keine Trendwende bei der EWU-Inflationsrate US-Konjunktur: Hoffnung auf Belebung im weiteren Jahresverlauf Harte Konjunkturdaten malen ein trübes Bild Stimmungsindikatoren schaffen die Trendwende Inflationsrate fällt zwischenzeitlich wieder zurück Rentenmarkt: Besser kein Helikoptergeld EWU-Renditen: Wiederholt sich das Muster aus dem Vorjahr? Wachsende Zweifel an der Wirksamkeit der EZB-Maßnahmen Grenzen und Risiken des Helikoptergeldes US-Notenbank: Noch keine klaren Hinweise auf nächsten Zinsschritt Aktienmarkt: Schaukelbörse dauert noch an Seit dem Jahreswechsel 15/16 gerechnet, ist nur der S&P 500 im Plus Ölpreis ist der Chef im Ring Berichtssaison kann (Konjunktur-)Sorgen nicht vertreiben Beruhigung ab Sommer erwartet Postbank Research Seite 1 Perspektiven Mai 2016 Team Postbank Research Dr. Marco Bargel Chefvolkswirt [email protected] Heinrich Bayer [email protected] Dr. Lucas Kramer [email protected] Heinz-Gerd Sonnenschein [email protected] www.postbank.de Redaktionsschluss: 27. April 2016 Deutsche Postbank AG Zentrale Friedrich-Ebert-Allee 114-126 53113 Bonn Telefon: (0228)920-0 Disclaimer: Alle hier veröffentlichten Angaben erfolgen unverbindlich und stellen Informationsmaterial dar, also weder eine Anlageberatung noch eine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf irgendeines Wertpapiers. Die Informationen in diesem Dokument wurden aus Daten erarbeitet, von deren Richtigkeit ausgegangen wurde; die Deutsche Postbank AG garantiert diese jedoch nicht. Die Angaben dienen ausschließlich zur Information, die dem Investor eine selbständige Anlageentscheidung erleichtern soll. Postbank Research Seite 2 Perspektiven Mai 2016 Wohnungsbauinvestitionen steigen weiter – Neubaubedarf wird aber noch immer nicht gedeckt Deutlich zunehmender Optimismus in der Baubranche Kaum Wachstum der deutschen Bauwirtschaft im Jahr 2015 Die Entwicklung der Bauinvestitionen enttäuschte im vergangenen Jahr. In realer Rechnung stiegen sie lediglich um 0,3%. Dies lag vor allem an den öffentlichen und gewerblichen Investitionen. Beide erlebten im 2. Quartal einen deutlichen Einbruch, den sie im weiteren Jahresverlauf nicht mehr ausgleichen konnten. Die öffentlichen Bauinvestitionen gaben 2015 um 1,5% nach, die gewerblichen um 1,4%. Dagegen setzte sich der Aufwärtstrend bei den Wohnungsbauinvestitionen fort, auch wenn sich der Zuwachs mit 1,6% gegenüber 2014 halbierte. 2016 wird aber stark Trotz der insgesamt schwachen Entwicklung zeigten sich gegen Ende 2015 aber deutliche Erholungstendenzen auf allen Ebenen. Die öffentlichen Bauinvestitionen zogen bereits im 3. Quartal wieder an und legten in der darauffolgenden Periode weiter zu. Der Gewerbebau machte im 4. Quartal einen kräftigen Sprung nach oben. Auch die Wohnungsbauinvestitionen, die zwischenzeitlich ebenfalls einen Dämpfer erlitten hatten, nahmen gegen Jahresende wieder Fahrt auf. Insgesamt wurden die Bauinvestitionen im 4. Quartal um 2,2% gegenüber der Vorperiode ausgeweitet. Bauinvestitionen dürften in diesem Jahr erneut kräftig steigen % ggü. Vj. 2015 2016e Bauinvestitionen insgesamt 0,3 3,0 Wohnungsbau 1,6 3,5 Gewerbebau -1,4 2,4 Öffentlicher Bau -1,5 2,5 Quellen: Destatis; Prognosen Postbank Postbank Research Diesen Schwung hat die Baubranche mit ins laufende Jahr genommen. So ist deren Produktion im Januar und Februar kräftig gestiegen und lässt für das 1. Quartal einen weiteren Zuwachs der Bauinvestitionen um rund 2% im Vorquartalsvergleich erwarten. Dabei wurde die Entwicklung zu Jahresbeginn sicherlich durch die milde Witterung begünstigt, sodass nachfolgend erneut mit einem Rücksetzer gerechnet werden muss. Dieser dürfte aber weit weniger stark ausfallen als im letzten Jahr, als die Produktion zu Jahresbeginn ebenfalls von einem ungewöhnlich milden Winter profitiert hatte. Optimistisch stimmt uns diesbezüglich vor allem die in den letzten Monaten sehr starke Entwicklung der Auftragseingänge. Aufgrund der Vielzahl der positiven Anzeichen rechnen wir für dieses Jahr mit einer Zunahme der Bauinvestitionen um 3,0%. Spürbare Impulse sollten dabei von den öffentlichen Bauinvestitionen ausgehen. Infolge des starken Jahresauftakts in Verbindung mit einem außergewöhnlichen Schub bei den Auftragseingängen im Tiefbau erwarten wir für 2016 einen Zuwachs um 2,5%. Die gewerblichen Bauinvestitionen sollten dem mit einem Plus von 2,4% kaum nachstehen, worauf vor allem ein ebenfalls deutlicher Zuwachs bei den Aufträgen im Hochbau (ohne Wohnungsbau) hindeutet. Seite 3 Perspektiven Mai 2016 Auftragseingänge ziehen auf breiter Front kräftig an % gg. Vj., 6-M-Gl. 20 Starke Beschleunigung des Aufwärtstrends im Wohnungsbau 20 10 10 0 0 -10 -10 -20 -20 -30 -30 06 08 10 12 14 16 Auftragseing. im Hochbau Auftragseing. im Tiefbau Quelle: Thomson Reuters Datastream Wohnungsbauinvestitionen dürften um 3,5% zulegen Noch günstiger sind die Aussichten für den Wohnungsbau. Nachdem der trendmäßige Anstieg der Baugenehmigungen in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres nahezu zum Erliegen gekommen war, hat er sich nachfolgend massiv beschleunigt. In den letzten drei Monaten, für die Daten zur Verfügung stehen (November 2015 bis Januar 2016), wurde das entsprechende Vorjahresniveau im Durchschnitt um 30% übertroffen. Die Neubauaktivitäten sollten deshalb in den kommenden Monaten einen kräftigen Schub erleben. Rund 70% der Wohnungsbauinvestitionen entfallen aber auf Investitionen in den Bestand, bei denen die Dynamik derzeit deutlich niedriger ist. Deshalb kann die Entwicklung der Auftragseingänge im Wohnungsbau mit den Baugenehmigungen nicht mithalten. Jedoch liegt der Orderzuwachs immerhin klar im zweistelligen Prozentbereich. Wir halten vor diesem Hintergrund für dieses Jahr ein Wachstum der realen Wohnungsbauinvestitionen von 3,5% für realistisch. Neubauaktivitäten trotz weiteren Anstiegs immer noch zu gering Auch über das laufende Jahr hinaus sehen wir weiteres Aufwärtspotenzial für den Wohnungsbau. Erhebliche Reserven sehen wir noch bei den Investitionen in den Bestand. Wichtige Treiber sind hier die Alterung des Wohnungsbestandes, die energetische Sanierung sowie die Postbank Research altersgerechte Umgestaltung von Wohnungen oder auch kompletten Gebäuden. Aber auch bei den Neubauaktivitäten zeichnet sich eine Fortsetzung des Aufwärtstrends über 2016 hinaus ab. So hinkt die Zahl der Fertigstellungen den Genehmigungen seit Beginn des Aufschwungs beim Wohnungsneubau deutlich hinterher. Wurden 2014 rund 285 Tsd. Genehmigungen erteilt, so belief sich die Zahl der Baufertigstellungen (neuere Daten liegen hierfür noch nicht vor) auf lediglich 245 Tsd. Im vergangenen Jahr dürfte die Lücke sogar noch etwas größer geworden sein. Da der Anstieg der Baugenehmigungen um rund 24 Tsd. auf ca. 309 Tsd. fast ausschließlich auf eine sehr positive Entwicklung in der 2. Jahreshälfte zurückzuführen ist, dürfte er sich in den Fertigstellungen kaum niedergeschlagen haben, für die wir denn auch nur eine leichte Zunahme auf gut 250 Tsd. veranschlagen. Im laufenden Jahr allerdings sollten aber sowohl die Fertigstellungen als auch die Genehmigungen dynamisch zulegen. Erstere dürften von dem kräftigen Aufwärtstrend bei den Genehmigungen im 2. Halbjahr 2015 sowie zu Beginn dieses Jahres profitieren und 2016 auf rund 300 Tsd. steigen. Bei den Baugenehmigungen erwarten wir sogar eine Steigerung auf 360 Tsd. Dies würde dann klar darauf hindeuten, dass die Fertigstellungen 2017 erneut kräftig auf deutlich über 300 Tsd. steigen. Dies wird aber noch nicht ausreichen, um die Knappheit am Wohnungsbau, die sich in den vergangenen Jahren insbesondere in den Ballungsräumen aufgebaut hat, zu Seite 4 Perspektiven Mai 2016 Zunahme der Baufertigstellungen klar vorgezeichnet in Tsd. 400 350 400 350 300 300 250 200 150 250 200 150 100 100 50 0 50 0 16 14 12 10 08 06 04 Baufertigst. Sehr niedrige Zinsen begünstigen Anstieg der Immobilienpreise Genehmig. Quelle: Thomson Reuters Datastream; Prognosen Postbank verringern. Diese dürfte zunächst sogar noch weiter zunehmen. So wird der Bedarf an neuen Wohnungen zumeist auf 350 bis 400 Tsd. pro Jahr veranschlagt. Unserer Einschätzung liegt er eher am oberen Rand dieser Spanne. So kommen wir auf Basis der Bevölkerungsvorausberechnung von Destatis und des trendmäßigen, zum Teil alterungsbedingten, Rückgangs der durchschnittlichen Haushaltsgröße zu dem Ergebnis, dass bis 2030 die Zahl der Privathaushalte in Deutschland um 2 bis 3 Mio. zunehmen wird. Bei der aktuellen Vorausberechnung konnte der Zustrom an Flüchtlingen aber noch nicht berücksichtigt werden. Dieser ändert das grundlegende Bild zwar nicht, führt jedoch dazu, dass der Zusatzbedarf eher in der oberen Hälfte dieser Spanne anzusiedeln ist. Zu berücksichtigen sind auch die Abgänge von Wohnungen sowie die anhaltende Wanderungsbewegung in die Städte, die gerade in Ballungsgebieten für einen zusätzlichen Bedarf an neuem Wohnraum sorgen, während gleichzeitig in ländlichen Gebieten, die abseits der präferierten Siedlungsgebiete liegen, die Leerstände weiter zunehmen dürften. Anstieg der Immobilienpreise erfasst verstärkt den Bestand Die zunächst noch zunehmende Knappheit an Wohnungen wird den Aufwärtstrend bei den Preisen für Wohnimmobilien, der vor etwa sechs Jahren einsetzte, weiter unterfüttern. Seit Ende 2009 sind nach Angaben von Europace die Preise für Postbank Research Neubauten um rund 28% gestiegen. Die Preise für Altbauten haben sich im gleichen Zeitraum sogar um 34% erhöht. Diese Lücke zugunsten der Bestandsimmobilien hat sich aber erst im Verlauf des letzten Jahres aufgetan. Aktuell sticht der Preisauftrieb bei Altbauten den für Neubauten sogar klar aus. Die Steigerungsrate gegenüber dem entsprechenden Vorjahresmonat lag im März bei 7,2% vs. 2,8%. Eine wichtige Triebfeder dieser Entwicklung war das nochmals deutlich gesunkene Zinsniveau für Hypothekarkredite, das offensichtlich viele Kaufinteressierte veranlasst hat zuzuschlagen. Sichtbar wird dies in dem Neugeschäftsvolumen bei Wohnungsbaukrediten, das 2015 um 22% auf 244 Mrd. Euro in die Höhe geschnellt ist. Gegenwind für die Preisentwicklung bei Immobilien ist von dieser Seite aus vorläufig noch nicht zu erwarten. Wir gehen zwar davon aus, dass das Zinsniveau am deutschen Kapitalmarkt, das für die Konditionengestaltung bei Hypothekarkrediten eine wichtige Rolle spielt, von seinem aktuellen Niveau tendenziell steigen wird. Dieser Anstieg sollte aber zunächst sehr eng begrenzt bleiben. Die Preisparty am deutschen Immobilienmarkt sollte sich damit noch eine Weile fortsetzen. Auch wenn wir noch keine breit angelegte Blasenbildung erkennen können, beinhaltet dies durchaus das Risiko, dass die Überhitzungserscheinungen in einzelnen Regionen oder Marktsegmenten zunehmen könnten. Heinrich Bayer Seite 5 Perspektiven Mai 2016 EWU-Konjunktur: Fortsetzung der ruhigen Erholung Industrieproduktion treibt Wachstum im Euroraum zu Jahresbeginn Die EWU-Industrie hat ihre Produktion im Februar um 0,8% gegenüber dem Vormonat reduziert. Dies kam aber nicht unerwartet, nachdem der Ausstoß im Januar kräftig um 1,9% gesteigert worden war, wozu Kalender- und Sondereffekte beigetragen hatten. In der Summe ist die Entwicklung zu Jahresbeginn immer noch als sehr positiv zu werten. Sollte die Produktion im März auf dem Vormonatsniveau stagniert haben, ergäbe sich im 1. Quartal im Vergleich zur Vorperiode eine Steigerung um 1,0%. Die Industrie dürfte damit einen erheblichen Beitrag zum BIP-Wachstum geleistet haben. Für Deutschland gilt dies sogar in gesteigertem Ausmaß. Hier zeichnet sich für das 1. Quartal eine Zunahme der Industrieproduktion (ohne Bau) um etwa 1,5% ab. Hinzu kommt ein regelrechter Schub bei der Bauproduktion. Im Januar/Februar lag diese um 4,7% über dem Durchschnittsniveau des 4. Quartals. Zwar wirkte sich dabei die milde Witterung begünstigend aus. Aber selbst wenn es im März zu dem erwarteten Rücksetzer gekommen sein sollte, dürfte auf Quartalsbasis immer noch ein ausgesprochen starker Zuwachs verbleiben. Auf der Nachfrageseite kamen die Impulse weiterhin von der Binnennachfrage, insbesondere vom privaten Verbrauch. Hierauf deuten jedenfalls die Einzelhandelsumsätze hin, die in der EWU im Januar/Februar um 0,8% höher lagen als im Durchschnitt des 4. Quartals. In Deutschland ergibt sich bei dem entsprechenden Vergleich immer noch ein Plus von 0,6%. Positiv entwickelten sich auch die PKW-Zulassungen. In der gesamten EWU übertrafen diese im 1. Quartal ihr entsprechendes Vorjahresniveau um 8,8%, in Deutschland um 4,5%. Vom Außenhandel dagegen dürften keine größeren Wachstumsimpulse ausgegangen sein. Für Deutschland kann man diesbezüglich jedoch eine positive Überraschung Postbank Research Stimmungsindikatoren weisen auf leichte Wachstumsabschwächung hin Index 56 Index 112 54 110 52 108 50 106 48 104 46 102 44 100 2013 2014 2015 EWU PMI Dienstleistungen (li. S.) EWU PMI Verarb. Gewerbe (li. S.) ifo-Geschäftsklimaindex (re. S.) Quelle: Thomson Reuters Datastream nicht ausschließen. So weist die Bundesbank auf Basis von Monatsdaten einen zu Jahresbeginn deutlich gestiegenen realen Handelsbilanzüberschuss aus. Sollte sich dies bestätigen, hätte die deutsche Konjunktur im 1. Quartal seitens des Außenhandels zusätzliche Schubkraft erhalten. Insgesamt sehen wir durch die jüngsten Daten unsere Erwartung untermauert, dass sich das BIP-Wachstum in der EWU und in Deutschland zu Jahresbeginn beschleunigt hat. Für den Euroraum rechnen wir mit einem Zuwachs gegenüber dem Vorquartal um 0,4%, für Deutschland erwarten wir ein Plus von 0,5%. Dabei erscheint es aber auch durchaus möglich, dass diese Werte übertroffen werden. Keine Anzeichen für Zunahme der grundlegenden Dynamik Daraus lässt sich aber noch kein Trend zu einer grundlegend höheren Wachstumsdynamik ableiten. So stagnierten die EWUEinkaufsmanagerindizes im April weitgehend auf dem Vormonatsniveau. Während der Index für das Verarbeitende Gewerbe um 0,1 auf 51,5 Punkte nachgab, erhöhte sich der EWU-Serviceindex im gleichen Ausmaß auf 53,2 Punkte. Beide Indizes Seite 6 Perspektiven Mai 2016 liegen damit deutlich unter den Niveaus, die um den Jahreswechsel herum zu verzeichnen waren. Entsprechendes gilt auch für den ifo-Geschäftsklimaindex für Deutschland, der im April um 0,1 Punkte gesunken ist. Dabei hat sich zwar der für den konjunkturellen Ausblick maßgeblichere Teilindex für die Geschäftserwartungen zum zweiten Mal in Folge auf nunmehr 100,4 Punkte verbessert. Vier Monate zuvor hatte er aber noch 4,2 Punkte höher gelegen. Dies deutet darauf hin, dass das Wachstumstempo im laufenden Quartal schon wieder nachlassen sollte. Wir sehen deshalb keine Veranlassung, unsere BIP-Prognosen für 2016 zu ändern. Für Deutschland rechnen wir weiterhin mit einem Zuwachs um 1,8%. Für die EWU erwarten wir ein Plus von 1,5%. Im kommenden Jahr dürften die Wachstumsraten leicht auf 1,5% bzw. 1,4% sinken. Noch keine Trendwende bei der EWUInflationsrate Die EWU-Inflationsrate ist im März von -0,2% auf 0,0% gestiegen. Dabei hat sich allerdings der von den Energiepreisen ausgehende Abwärtsimpuls nochmals verstärkt. Die Veränderungsrate der Energiekomponente fiel von -8,1% auf -8,7%. Im Gegenzug erhöhte sich die Kerninflationsrate von 0,8% auf 1,0%. Moderater Inflationsanstieg erst in der 2. Jahreshälfte Prozent 5 5 4 4 3 3 2 2 1 1 0 0 -1 -1 08 10 12 14 16 Inflationsrate Kerninflationsrate Quelle: Thomson Reuters Datastream; Prognosen Postbank Verantwortlich hierfür waren die Dienstleistungspreise, die im Vorjahresvergleich um 1,4% anzogen, nach lediglich 0,9% im Februar. Hier ist aber ein temporärer Effekt zu berücksichtigen, der sich insbesondere in Deutschland bemerkbar gemacht hat. Durch die frühe Lage des Osterfestes und damit auch der Osterferien sind die Preise für Pauschalreisen und Hotelübernachtungen bereits im März deutlich gestiegen. Dies lässt für April eine Gegenbewegung erwarten. Der jüngste Anstieg der EWUInflationsrate ist damit noch nicht der Einstieg in eine Trendwende nach oben. Diese erwarten wir erst in der 2. Jahreshälfte. Unsere Inflationsprognose für 2016 bleibt damit unverändert bei 0,2%. Für 2017 rechnen wir mit einem Anstieg auf 1,3%. Heinrich Bayer Prognosen Postbank Deutschland Euroraum 2015 2016e 2017e 2015 2016e 2017e 1,7 1,8 1,5 1,5 1,5 1,4 Privater Verbrauch Bruttoanlageinvestitionen 1,9 2,2 1,9 2,8 1,5 2,1 1,7 2,6 1,6 2,5 1,5 2,3 Staatsverbrauch Exporte Importe 2,4 5,4 5,8 2,5 2,6 4,1 1,2 4,2 5,2 1,3 4,9 5,6 1,5 3,0 4,1 1,2 3,8 4,5 Außenbeitrag* Lagerinvestitionen* 0,2 -0,5 -0,5 0,2 -0,1 0,2 -0,1 -0,1 -0,3 0,1 -0,1 0,0 Arbeitslosenquote (in %) 6,4 6,3 6,7 10,9 10,0 9,6 Inflation (in %) 0,3 0,5 1,5 0,0 0,2 1,3 Staatl. Finanzierungssaldo (in % des BIP) 0,6 0,0 0,0 -2,1 -2,0 -1,7 Reales BIP (% ggü. Vj.) * Wachstumsbeiträge in % des BIP Postbank Research Seite 7 Perspektiven Mai 2016 US-Konjunktur: Hoffnung auf Belebung im weiteren Jahresverlauf Harte Konjunkturdaten malen ein trübes Bild ISM-Indizes legen spürbar zu Index Die in den letzten Wochen veröffentlichten US-Konjunkturdaten sind überwiegend enttäuschend ausgefallen. Allerdings waren sie auch weit davon entfernt, Rezessionsrisiken anzudeuten. Schwach entwickelte sich vor allem die Industrieproduktion. Diese fiel im Februar und im März jeweils um 0,6%, nachdem ein spürbarer Anstieg im Januar noch leise Hoffnungen auf eine allmähliche Trendwende zum Besseren gemacht hatte. Die jüngste Schwächephase basierte vor allem aus einer rückläufigen Förderung der Bergbauunternehmen (Fracking!) sowie einer sinkenden Produktion der Versorgungsunternehmen, während das Verarbeitende Gewerbe seinen Ausstoß im 1. Quartal sogar minimal steigern konnte. Von Dynamik war hier aber bislang weit und breit nichts zu sehen. Dies dürfte auf kurze Sicht auch so bleiben, denn die Auftragseingänge ließen bis zuletzt Besserungstendenzen nicht einmal im Ansatz erkennen. Auch die Einzelhandelsumsätze blieben hinter den Erwartungen zurück. Im März gaben sie um 0,3% nach, nachdem sie im Februar stagniert hatten. Dies lag zwar vor allem an rückläufigen Autoverkäufen, aber auch die Umsätze ohne Autos, die im Februar ebenfalls stagniert hatten, legten nur sehr mäßig um 0,2% zu. Aufgrund dessen gehen wir nunmehr davon aus, dass das Wachstum des privaten Verbrauchs im 1. Quartal deutlich unter annualisiert 2% gelegen hat. Auch seitens der Bauinvestitionen sind zuletzt keine nennenswerten Impulse mehr ausgegangen. Die Zahl der Baubeginne stagnierte im 1. Quartal gegenüber der Vorperiode weitgehend. In der Summe zeichnet sich ab, dass sich das BIP-Wachstum zu Jahresbeginn im Vergleich zu dem bereits sehr mäßigen 4. Quartal 2015 weiter abgeschwächt hat. Postbank Research 60 60 58 58 56 56 54 54 52 52 50 50 48 48 2012 2013 2014 2015 ISM-Index Verarb. Gew. ISM-Serviceindex Quelle: Thomson Reuters Datastream Stimmungsindikatoren schaffen die Trendwende Allerdings gab es auch positive Nachrichten. So wurden im März 215 Tsd. zusätzliche Stellen geschaffen. Das Stellenplus konzentrierte sich, wie üblich, auf den privaten Dienstleistungssektor. Dort erhöhte sich die Zahl der Beschäftigungsverhältnisse um 199 Tsd., während sich das Stellenplus im öffentlichen Sektor auf 20 Tsd. belief. Im Baugewerbe wurden netto 37 Tsd. Stellen geschaffen, was den grundlegenden Aufwärtstrend in diesem Sektor bestätigt. Dagegen wurden im Verarbeitenden Gewerbe 29 Tsd. Jobs gestrichen. Dies war bereits das zweite Minus in Folge. Die dort seit einiger Zeit anhaltende Schwächephase scheint sich nun mit Verzögerung auch negativ in der Beschäftigung niederzuschlagen. Trotz des insgesamt soliden Beschäftigungsaufbaus stieg die Arbeitslosenquote von 4,9% auf 5,0%. Dies ist allerdings kein Grund zur Besorgnis, da die Zunahme aus einer deutlich um 396 Tsd. Personen steigenden Zahl an Erwerbspersonen (Beschäftigte plus Arbeitssuchende) resultierte, während sich gleichzeitig die Zahl der Personen, die angaben, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, lediglich um 246 Tsd. erhöhte. Damit setzte sich der Trend der vergangenen Monate fort, wonach sich immer mehr USBürger aktiv um eine Stelle bemühen. Dies Seite 8 Perspektiven Mai 2016 ist üblicherweise der Fall, wenn die Erwartung zunimmt, dabei auch erfolgreich zu sein, und somit ein gutes Zeichen. Zudem deutet die Trendwende bei den Einkaufsmanagerindizes darauf hin, dass die US-Wirtschaft in den kommenden Monaten wieder stärker Tritt fassen sollte. Der ISM-Index für das Verarbeitende Gewerbe ist im März von 49,5 auf 51,8 Punkte angestiegen und befindet sich damit erstmals seit September 2015 wieder im expansiven Bereich. Dabei entwickelten sich die produktionsnahen Subindizes noch wesentlich besser als der Gesamtindex. Die Produktionskomponente kletterte um 2,5 auf 55,3 Punkte. Die Orderkomponente sprang sogar um 6,8 auf 58,3 Punkte. Auch die Stimmung im Dienstleistungssektor hat sich im März verbessert. Der ISM-Serviceindex stieg nach zuvor vier Rückgängen in Folge von 53,4 auf 54,5 Punkte. Dabei erhöhte sich der Subindex für die Geschäftsaktivitäten um 2,0 auf recht hohe 59,8 Punkte. Der Orderindex kletterte um 1,2 auf 56,7 Punkte. Insbesondere die Anstiege der beiden Auftragseingangskomponenten deuten eine konjunkturelle Belebung an. Allerdings befinden sich die ISM-Indizes immer noch auf einem eher mäßigen Niveau und lassen somit kein kurzfristiges Durchstarten erwarten. Vorläufig halten wir an unserer 2016er Wachstumsprognose von 2,0% fest. Die Abwärtsrisiken haben aber weiter zugenommen. Für 2017 erwarten wir weiterhin eine Wachstumsbeschleunigung auf 2,4%. Prognosen Postbank USA % ggü. Vj. 2015 2016e 2017e Reales BIP 2,4 2,0 2,4 Privater Verbrauch Bruttoanlageinvestitionen Staatsverbrauch Exporte Importe 3,1 4,0 0,7 1,1 5,0 2,6 3,9 1,5 -0,5 2,3 2,4 5,4 1,6 2,3 4,0 Außenbeitrag* Lagerinvestitionen* -0,6 0,2 -0,4 -0,5 -0,4 -0,1 Inflation 0,1 1,4 2,3 Kerninflationsrate sollte sich weitgehend seitwärts bewegen % gg. Vj 6 5 4 3 2 1 0 -1 -2 2008 % gg. Vj. 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 2010 2012 2014 2016 Verbraucherpreise insg. (li. S.) Kernverbraucherpreise (re. S.) Quelle: Thomson Reuters Datastream; Prognosen Postbank Inflationsrate fällt zwischenzeitlich wieder zurück Die US-Verbraucherpreise sind im März lediglich um 0,1% gegenüber dem Vormonat gestiegen. Dabei hatten die Energiepreise mit 0,9% erstmals seit November letzten Jahres wieder einen Anstieg zu verzeichnen. Auch die Preise für Transportdienstleistungen legten vor dem Hintergrund des zuletzt wieder gestiegenen Ölpreises nach zuletzt drei Rückgängen in Folge um 0,4% zu. Belastet wurde die Preisentwicklung hingegen von den Preisen für Nahrungsmittel (-0,2%) und Bekleidung (-1,1%), wobei die Kernverbraucherpreise (ex Nahrungsmittel und Energie) wie die Preise insgesamt um 0,1% stiegen. Angesichts des nur mäßigen Anstiegs im März gingen sowohl Inflationsrate als auch Kerninflationsrate um jeweils 0,1 Prozentpunkte auf 0,9% beziehungsweise 2,2% zurück. In den kommenden Monaten dürfte die Inflationsrate noch um die Ein-Prozent-Marke pendeln, bevor sie in der 2. Jahreshälfte deutlich steigt. Im Durchschnitt des Jahres 2016 rechnen wir unverändert mit einer Inflationsrate von 1,4%. Im kommenden Jahr dürfte diese auf 2,3% steigen. Die Kerninflationsrate sollte 2016 und 2017 jeweils bei 2,2% liegen. Heinrich Bayer * Wachstumsbeiträge in % des BIP Postbank Research Seite 9 Perspektiven Mai 2016 Rentenmarkt: Besser kein Helikoptergeld EWU-Renditen: Wiederholt sich das Muster aus dem Vorjahr? Nachdem sich die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen Anfang April dem vor ziemlich genau einem Jahr erreichten Rekordtief zunächst stark angenähert hatte, setzte in den darauffolgenden Wochen eine deutliche Aufwärtskorrektur ein. Mit aktuell 0,29% liegt sie rund 13 Basispunkte über Vormonatsniveau. Der Renditeverlauf weist damit starke Ähnlichkeiten zur Entwicklung im April 2015 auf. Damals hatten die Renditen kurz nach Beginn des Staatsanleiheankaufs durch die Notenbanken aus Sorge vor einer Angebotsverknappung massiv nachgegeben. Als sich diese Ängste als übertrieben herausstellten, setzte am Rentenmarkt eine starke Korrektur ein, wobei die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen bis auf gut 1% anstieg. Auch wenn die aktuelle Entwicklung Parallelen aufweist – ein vergleichbarer Anstieg der Rendite ist aus heutiger Sicht nicht zu erwarten. Die Entwicklung vor einem Jahr war von einem deutlichen Anstieg der Inflationsrate sowie der Inflationserwartungen des Marktes begleitet. Im Unterschied dazu dürfte sich die EWUInflation in den kommenden Monaten nicht signifikant verändern, sondern weiterhin nahe an der Nulllinie verharren. Dafür spricht der nach wie vor vorhandene Angebotsüberhang am Rohölmarkt, der nachhaltige Preisanstiege beim „schwarzen Gold“ zunächst verhindern sollte. Hinzu kommt, dass die EZB ihr monatliches Ankaufvolumen an Anleihen ab April auf 80 Mrd. Euro erhöht. Um diesen Betrag zu erreichen, wird sie auch mehr Staatsanleihen ankaufen, was den Nachfrageüberhang am Markt tendenziell weiter vergrößern dürfte. Dementsprechend sind die Renditen wegen der massiven Marktinterventionen der Notenbank quasi gedeckelt. Erst wenn das Ende der Anleihekäufe naht, halten wir einen signifikanten und nachhaltigen Renditeanstieg im Euroraum für wahrscheinlich. Postbank Research Wenig Aufwärtspotenzial für EUR-Renditen Prozent 5,0 Prognose 5,0 4,0 4,0 3,0 3,0 2,0 2,0 1,0 1,0 0,0 2008 0,0 2010 2012 2014 2016 10-j. Bundrendite 10-j. Treasury-Rendite Quelle: Thomson Reuters Datastream Aktuell ist noch nicht abzusehen, ob die EZB das Programm mit Ablauf der Mindestlaufzeit im März 2017 tatsächlich beenden wird. Dies hängt entscheidend vom künftigen Verlauf der Inflation im Euroraum ab. Wir rechnen zwar, ausgehend von einem Ölpreis im Bereich von 40 bis 45 US-Dollar je Barrel, mit einem Anstieg der Inflation im späteren Jahresverlauf. Die Zielmarke einer Inflation von knapp 2% dürfte aber so schnell nicht erreicht werden. Insofern gehen wir davon aus, dass sich die EZB nicht für eine abrupte Beendingung des Ankaufs, sondern eher für ein Tapering entscheiden wird, die Anleihekäufe beginnend im April 2017 also sukzessive reduzieren dürfte. In einem solchen Szenario ist nur mit einem moderaten Anstieg der Renditen zu rechnen. Wir erwarten daher, dass die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen in 12 Monaten mit 0,4% immer noch auf einem sehr niedrigen Niveau liegen wird. Es ist aber auch nicht auszuschließen, dass die EZB die Mindestlaufzeit des Programms weiter in die Zukunft verschiebt, falls die Inflation noch einmal deutlich in den negativen Bereich fallen sollte. Auch eine Ausweitung der Ankäufe auf Bankanleihen oder die Erhöhung des monatlichen Ankaufvolumens stellen in diesem Fall eine wahrscheinliche Option dar. In einem solchen Szenario ist ein Rückgang der Renditen auf neue Rekordtiefs nicht unwahrscheinlich. Seite 10 Perspektiven Mai 2016 Wachsende Zweifel an der Wirksamkeit der EZB-Maßnahmen Anders als vor einem Jahr haben die jüngsten Maßnahmen der EZB bisher nicht zu einer Aufwärtskorrektur der Inflationserwartungen im Euroraum geführt. Der von der Notenbank verwendete Indikator für die mittelfristigen Inflationserwartungen am Markt, die aus inflationsindexierten Forwards Swaps mit einer Laufzeit von 5 Jahren in 5 Jahren abgeleitet werden, hat sich seit der EZB-Entscheidung im März sogar noch einmal leicht reduziert und liegt mit aktuell knapp 1,4% deutlich unterhalb der Inflationsziels. Diese Entwicklung hat eine Debatte um die Wirksamkeit der jüngsten Maßnahmen und den weiteren geldpolitischen Spielraum der EZB ausgelöst. Dabei wurde von verschiedenen Seiten auch das Instrument des sogenannten Helikoptergeldes ins Spiel gebracht. EZB-Präsident Draghi hat in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass es sich um ein interessantes Instrument handele, im Rat über eine solche Maßnahme aber bisher nicht gesprochen worden sei. Mit Helikoptergeld wird im Allgemeinen eine monetäre Finanzierung von Privathaushalten, Unternehmen oder öffentlichen Gebietskörperschaften unter Umgehung des Finanzsektors bezeichnet. Auf diesem Wege soll die Geldmenge im realen Sektor erhöht und die Inflation angeheizt werden. In der Theorie werden verschiedene Arten des Helikoptergeldes diskutiert, deren Umsetzung teilweise mit rechtlichen, aber auch mit praktischen Schwierigkeiten verbunden ist. Eine sehr unkonventionelle Maßnahme, die in der Öffentlichkeit eine hitzige Debatte erzeugt hat, ist der Versand von Schecks durch die Notenbank, die von Privathaushalten dann zur Finanzierung ihres Konsums eingesetzt werden könnten. Eine weniger unkonventionelle Maßnahme wäre die Finanzierung des Staatshaushaltes oder staatlicher Infrastrukturinvestitionen durch die EZB. Mit dem Ankauf von Staatsanleihen hat die EZB zwar bereits einen großen Schritt in diese Richtung getan. Da sie wegen des Verbots der monetären Staatsfinanzierung aber nur Anleihen am Sekundärmarkt ankaufen darf, kann nicht verhindert Postbank Research werden, dass ein Großteil der zusätzlichen Liquidität im Finanzsektor verbleibt und die Maßnahme somit im Hinblick auf eine Ankurbelung der Inflation weitgehend wirkungslos bleibt. Ohnehin haben die EWU-Staaten wegen der Begrenzung der Neuverschuldung und des Schuldenstands im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes trotz der vergleichsweise günstigen Finanzierungskonditionen nur wenig Spielraum zur Ausweitung ihrer Ausgaben. Grenzen und Risiken des Helikoptergeldes Angesichts der besonderen rechtlichen Beschränkungen im Euroraum müssten daher alternative Wege eingeschlagen werden. Ein solcher könnte bspw. darin bestehen, dass die Notenbank staatlichen Förderbanken zinslose Kredite mit unendlicher (oder einer sehr langen) Laufzeit zur Verfügung stellt und die Mittel dann zur Finanzierung von Infrastrukturinvestitionen verwendet werden. Auch die direkte monetäre Finanzierung von Privathaushalten oder Unternehmen dürfte im Euroraum rechtlich einfacher durchzusetzen sein als die von Staaten. Eine Garantie dafür, dass Helikoptergeld Wachstum und Inflation in einer Volkswirtschaft nachhaltig ankurbelt, gibt es indes nicht. Es ist sogar eher davon auszugehen, dass die monetäre Expansion nicht mehr als ein konjunkturelles Strohfeuer auslöst. Eine nachhaltige Inflationserwartungen trotz EZBMaßnahmen rückläufig Seite 11 Perspektiven Mai 2016 Erhöhung des Wachstums in einer Volkswirtschaft ist nur durch strukturelle Reformen möglich. Am nachhaltigsten könnte noch die monetäre Finanzierung von Infrastrukturinvestitionen wirken, wenn dabei ökonomisch sinnvolle Projekte gefördert werden, die einen positiven Einfluss auf die private Investitionstätigkeit ausüben und die gesamtwirtschaftliche Produktivität erhöhen. Neben den rechtlichen Grenzen und der mangelnden Effektivität sprechen auch die Risiken gegen eine solch drastische geldpolitische Maßnahme wie das Helikoptergeld. So kann das zusätzliche Geld, von der Notenbank einmal in Umlauf gebracht, in der Regel nicht mehr eingesammelt werden. Das kann die Geldpolitik vor größere Probleme stellen, wenn die Inflation plötzlich stark ansteigt und dann eine Zielverfehlung droht. Die Notenbank könnte dann nur versuchen, durch entsprechend gegenläufige Offenmarktgeschäfte (z.B. den Verkauf von Anleihen aus ihrem Bestand) oder eine verringerte Liquiditätszufuhr für Banken einen Teil der bereitgestellten Liquidität wieder zurückzuholen. Dies dürfte indes kaum ohne größere Marktverwerfungen möglich sein. Helikoptergeld hätte zudem auf lange Sicht erhebliche Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte im Euroraum. Denn im Zuge der monetären Finanzierung würden in der Bilanz der EZB Verluste entstehen, die zu einer vollständigen Aufzehrung des Eigenkapitals führen können. Zwar kann eine Notenbank ihre Aufgaben, anders als privatwirtschaftliche Banken oder Unternehmen, theoretisch auch ohne oder mit negativem Eigenkapital noch wahrnehmen. Allerdings würden dann wohl auch keine Gewinnausschüttungen an die Staatshaushalte mehr stattfinden. Im Kern bedeutet monetäre Finanzierung einen Verzicht auf die mit der Geldschöpfung üblicherweise verbundenen Zinseinnahmen. Insofern würden durch Helikoptergeld für eine sehr lange Zeit die Staatshaushalte und damit letztendlich die Steuerzahler belastet. Extreme geldpolitische Maßnahmen sollten daher auch nur im Falle einer echten Deflation und dann auch nur als letztes Mittel eingesetzt werden. Postbank Research US-Notenbank: Noch keine klaren Hinweise auf nächsten Zinsschritt Die US-Notenbank hat die Leitzinsen auf ihrer letzten Sitzung wie erwartet nicht verändert. Allerdings hat sie die Tür für eine Zinserhöhung im Juni nicht ganz verschlossen. Sichtbar wurde das darin, dass der Hinweis auf "Risiken in der globalen Wirtschaft und den Finanzmärkten" im begleitenden Statement zur Entscheidung fallen gelassen wurde. Dies dürfte auf die Erholung der Märkte sowie die zuletzt besseren Makrodaten aus China zurückzuführen sein. Auf der anderen Seite weist die Fed auf den schwächeren Konsum hin, sieht aber günstige Fundamentaldaten für die privaten Haushalte und rechnet mit einer wieder stärkeren Expansion des Verbrauchs im weiteren Jahresverlauf. Die aktuell niedrige Inflation führen die Währungshüter im Wesentlichen auf den Energiepreisverfall zurück und erwarten auf mittlere Sicht eine Rückkehr der Inflation auf das Zielniveau von 2%. Trotz der leicht geänderten Einschätzung der US-Notenbank halten wir einen Zinsschritt bereits auf der kommenden Sitzung dennoch für unwahrscheinlich. Aktuelle Frühindikatoren lassen für die kommenden Quartale ein eher moderates Wachstum in den USA erwarten. Die Lohnkostendynamik hat zuletzt wieder leicht nachgegeben und deutet noch nicht auf signifikante Inflationsrisiken hin. Wir rechnen daher unverändert mit einer moderaten Zinserhöhung erst gegen Jahresende. Dr. Marco Bargel Prognosen Postbank 27.04. in 3 M in 12 M Leitzinsen Euroraum % 0,00 0,00 0,00 USA % 0,25-0,50 0,25-0,50 0,75-1,00 Japan % -0,10 -0,10 -0,10 Großbritannien % 0,50 0,50 0,75 Renditen 10 Jahre Bundesanleihen % 0,29 0,20 0,40 US-Treasuries % 1,85 1,90 2,20 Japanische JGB's % -0,05 -0,10 0,10 Britische Gilts % 1,63 1,60 2,00 Spreads ggü. Bunds 10j. Swap Bp 39 30 30 EWU-Corporates Bp 90 80 80 Quelle: Bloomberg, Thomson Reuters Datastream Seite 12 Perspektiven Mai 2016 Aktienmarkt: Schaukelbörse dauert noch an Nur S&P 500 mit stabilem Trend Ölpreis gibt die Richtung vor Index 11,5 Ölpreis je Barrel 50 11,0 45 10,5 40 10,0 35 9,5 30 9,0 8,5 25 Nov Dez Jan 2015 DAX (l. S.) WTI (r. S.) Feb Mrz Apr 2016 Brent (r. S.) Quelle: Thomson Reuters Datastream Seit dem Jahreswechsel 15/16 gerechnet, ist nur der S&P 500 im Plus DAX, Euro Stoxx 50 und Topix weisen für diesen Zeitraum unverändert Kursrückgänge aus. Sie haben sich aber seit unseren letzten ‘Perspektiven’ der Nulllinie weiter angenähert. Während der Standard & Poor’s 500 seit seinem bisherigen Jahrestief am 11. Februar vergleichsweise gelassen einen Erholungspfad beschreitet, sind die Kursverläufe der drei übrigen von uns analysierten Indizes bis zuletzt von deutlichen Kursschwankungen gekennzeichnet. Aber auch sie haben sich wieder deutlich von ihren bisherigen Jahrestiefständen, die sie am 11. bzw. 12. Februar markierten, gelöst. Von den jeweiligen Jahrestiefständen bis zum 26. April gerechnet, haben sie sogar eine bessere Performance als der S&P 500 erzielt. Während der US-Leitindex in diesem Zeitraum 14,4% zulegen konnte, sind es bei DAX, Euro Stoxx 50 und Topix 17,2%, 16,5% sowie 16,3%. Nach unserer Ansicht liegt der Grund für die bessere Perfomance und weniger volatile Kursentwicklung des S&P 500 im Vergleich zu den drei übrigen Indizes in der Psyche der Anleger. Während viele Investoren in der Eurozone und Japan den deutlichen Ölpreisverfall und jedes Zucken des “Schwarzen Goldes” als Vorboten einer schwachen konjunkturellen Entwicklung deuten, reagieren die Bösianer an der Wall Street vergleichsweise gelassen. Nach Postbank Research unserer Einschätzung macht die unterschiedliche Notenbankpolitik von EZB und Bank of Japan auf der einen und der Fed auf der anderen Seite den Unterschied. Während die beiden erstgenannten weiter das Gaspedal einer ultralockeren Geldpolitik bis zum Anschlag durchtreten, betätigt die Fed behutsam das Bremspedal und beendet langsam ihre ultralockere Geldpolitik. Die Investoren an der Wall Street vertrauen ihrer Notenbank, dass die konjunkturelle Entwicklung in der größten Volkswirtschaft der Welt reif für diesen Ausstieg ist. Ölpreis ist der Chef im Ring Zumindest was DAX, Euro Stoxx 50 und Topix angeht. Dies veranschaulichen die Kursverläufe von DAX, Brent (Nordseeöl) sowie WTI (West Texas Intermediate) eindrucksvoll. Steigt der Ölpreis, macht der deutsche Leitindex - und auch die beiden anderen genannten - es ihm gleich und entsprechend umgekehrt. Eine nachhaltige deutliche Preiserholung beim “Schwarzen Gold” ist nach unserer Einschätzung kurzfristig aber noch nicht in Sicht, denn das Angebot übersteigt deutlich die Nachfrage. Die Ursache ist in den USA zu finden. Hier sind Fracking-Unternehmen wie Pilze aus dem Boden geschossen und binnen kurzer Zeit wandelte sich die größte Volkswirtschaft der Welt von einem Im- zu einem Exporteur von Öl. Allein an dieser Tatsache wird deutlich, welches Volumen seitens der Seite 13 Perspektiven Mai 2016 Fracking-Unternehmen gefördert und auf den Markt gebracht wurde. Da die konventionellen Förderer ihre Produktion aber nicht drosselten, war die logische Folge, dass die Schere zwischen Ölnachfrage und -angebot sich immer weiter öffnete. Da Fracking eine im Vergleich zur konventionellen Förderung aufwendigere und teurere Fördermethode ist, wird das immer noch im Markt befindliche Überangebot erst langsam durch eine sukzessive „natürliche“ Reduzierung der Anzahl der Fracking-Förderstellen und somit auch deren Ölförderung verringert werden. Bis dahin wird der Ölpreis auf nahezu jede das „Schwarze Gold“ betreffende Nachricht reagieren. Hierzu zählt beispielsweise auch die wöchentliche Veröffentlichung der USRohöllagerbestände. In normalen Zeiten ist diese eher unbedeutend. Aber aktuell sind keine normalen Zeiten. Dies zeigt auch die deutliche Reaktion der Ölpreise auf die verpasste Chance der großen Ölförderländer, sich auf dem Treffen in Doha am 17. April auf eine Fördermengenbegrenzung zu verständigen. Die Ölpreise gaben wieder nach. Erst ab dem Sommer erwarten wir eine langsame Entspannung und damit auch einen abnehmenden Einfluss der Ölpreisbewegungen auf die Aktienkursentwicklungen . Berichtssaison kann (Konjunktur-) Sorgen nicht vertreiben Die aktuelle Berichtssaison der Unternehmen zu ihrem Geschäftserfolg im 1. Kalenderquartal liefert bisher wenig positive Nachrichten um die Sorgen der Investoren vor einer schwächeren konjunkturellen Entwicklung zu lindern. Zwar schlagen beispielsweise in den USA vier von fünf Firmen die Konsensprognose der Analysten für ihren Gewinn je Aktie und deutlich mehr als die Hälfte von ihnen übertrifft die Umsatzerwartungen. Diese Quoten übertreffen jeweils deutlich die langfristigen Mittelwerte. Allerdings ist dies nicht der Güte der Quartalszahlen geschuldet, sondern zeigt lediglich, dass die Vorstände die Analysten gut auf die Quartalszahlen „vorbereitet“ hatten. Die harten Fakten sprechen dagegen eine andere Sprache. Hier zählen für uns die Umsatz- und Postbank Research Gewinnveränderungen der einzelnen Unternehmen im Vergleich zu ihrem Vorjahresquartal. Umsatz- und Gewinnrückgänge überwiegen mit Ausnahme Nippons bei dieser Betrachtung deutlich. In Japan steigen auf aggregierter Basis für den Topix zumindest die Umsätze im Vorjahresvergleich um drei Prozent. Die Gewinne reduzieren sich gleichzeitig um deutliche dreizehn Prozent. Nachdem fast ein Viertel der im S&P 500 gelisteten Unternehmen ihre Bilanzen präsentiert haben, steht für den US-Leitindex ein Gewinnrückgang von acht Prozent bei einem Umsatzminus von einem Prozent aktuell zu Buche. Für den gesamteuropäischen Stoxx 600 fällt die Analyse nicht besser aus. Gewinne und Umsätze fallen um jeweils sieben Prozent. Beruhigung ab Sommer erwartet Der Blick auf die aggregierten Prognosen der Bottom Up-Analysten zeigt, dass sie erst ab dem 3. Quartal eine nachhaltige Besserung bei der Umsatz- und Gewinnentwicklung der Firmen erwarten. Dies steht im Einklang mit unseren eigenen Berechnungen. Ab dem Sommer sollte sich zum einen das Geschehen an der Ölpreisfront beruhigen und die von uns erwartete konjunkturelle Entwicklung vielen Unternehmen wieder zu Umsatz- und Gewinnsteigerungen im Vergleich zu ihrem jeweiligen Vorjahresquartal verhelfen. Dann dürften alle vier von uns analysierten Indizes in einen moderaten Aufwärtstrend wechseln. Die im historischen Vergleich attraktiven Bewertungen auf Basis der Kurs-Gewinn-Verhältnisse sollten diese Entwicklung unterstützen. Auf Jahressicht stehen die Chancen gut, dass beispielsweise der DAX bis in den Bereich von 12.000 Punkten vordringt. Heinz-Gerd Sonnenschein Prognosen Postbank 27.04. in 3 M in 12 M DAX 10.300 10250-10450 11900-12100 Euro Stoxx 50 S&P 500 3.130 2.095 3050-3250 2050-2150 Topix 1.384 1340-1440 1500-1600 Quelle: Bloomberg 3500-3700 2225-2325 Seite 14 Perspektiven Mai 2016 Marktprognosen Mai 2016 Zinsen in % Euroraum Refisatz 3-Monats-Euribor 2-j. Bunds 10-j. Bunds USA Fed Funds Rate 3-Monats-Libor 2-j. Treasuries 10-j. Treasuries EUR/USD-Spreads in Basispunkten 3-M-Geld: Euribor ./. USD-Libor 10 J.: Bunds ./. Treasuries Japan Overnight Call Rate 10-j. Staatsanleihen (JGB’s) UK Base Rate 10-j. Staatsanleihen (Gilts) 27.04.16 in 3 Monaten in 6 Monaten in 9 Monaten in 12 Monaten 0,00 -0,25 -0,49 0,29 0,00 -0,25 -0,50 0,20 0,00 -0,25 -0,50 0,25 0,00 -0,25 -0,50 0,30 0,00 -0,25 -0,50 0,40 0,25-0,50 0,64 0,82 1,85 0,25-0,50 0,65 0,80 1,90 0,25-0,50 0,70 0,90 2,00 0,50-0,75 0,95 1,15 2,10 0,75-1,00 1,20 1,40 2,20 -89 -156 -90 -170 -95 -175 -120 -180 -145 -180 -0,10 -0,05 -0,10 -0,10 -0,10 -0,10 -0,10 0,00 -0,10 0,10 0,50 1,63 0,50 1,60 0,50 1,70 0,50 1,90 0,75 2,00 39 -5 90 470 in 3 Monaten 30 -5 80 470 in 6 Monaten 30 -5 80 470 in 9 Monaten 30 -5 70 460 in 12 Monaten 30 -5 80 450 Wechselkurse US-Dollar (EUR/USD) Japanischer Yen (EUR/JPY) Britisches Pfund (EUR/GBP) Schweizer Franken (EUR/CHF) 1,1324 126,05 0,7780 1,0996 in 3 Monaten 1,10 120 0,77 1,10 in 6 Monaten 1,10 118 0,76 1,10 in 9 Monaten 1,05 116 0,75 1,10 in 12 Monaten 1,00 115 0,74 1,10 Commodities Rohöl Brent Spot ($/Barrel) Gold Spot ($/Feinunze) 45,99 1.246 in 3 Monaten 40 1.200 in 6 Monaten 40 1.150 in 9 Monaten 45 1.100 in 12 Monaten 50 1.100 10.300 3.130 2.095 1.384 KGV 2016e 13,0 14,1 17,9 13,2 Swap/Credit Spreads in Basispunkten 10-j. Swaps ./. Bunds 5-j. Pfandbriefe ./. Swaps EWU Corporates A-Rated ./. Bunds US Corporates B-BB-Rated ./. Treasuries Aktien DAX Euro Stoxx 50 Standard & Poor's 500 * Topix * KGV mit operativen Gewinnen gerechnet KGV Kursziel Kursziel 2017e in 3 Monaten in 12 Monaten 11,8 10250-10450 11900-12100 12,6 3050-3250 3500-3700 15,7 2050-2150 2225-2325 12,3 1340-1440 1500-1600 Quelle: Bloomberg, Thomson Reuters Datastream, IBES Konjunkturprognosen Mai 2016 2016e BIP in % YoY 2017e Inflation in % YoY BIP, real in % QoQ, sa Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 2015 2016e 2017e 2015 2016e 2017e Deutschland Euroraum USA Japan 0,5 0,4 0,2 -0,3 0,4 0,3 0,5 -0,2 0,5 0,4 0,7 0,2 0,5 0,4 0,7 0,4 0,4 0,4 0,6 0,7 0,4 0,3 0,6 -1,4 0,4 0,3 0,5 0,7 0,4 0,3 0,5 0,6 1,7 1,5 2,4 0,4 1,8 1,5 2,0 -0,4 1,5 1,4 2,4 0,5 0,3 0,0 0,1 0,8 0,5 0,2 1,4 0,1 1,5 1,3 2,3 1,8 Postbank Research Seite 15
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