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Sonderthema
Mai 2016
Wohnungsbauinvestitionen steigen weiter – Neubaubedarf wird aber noch immer
nicht gedeckt
Kaum Wachstum der deutschen Bauwirtschaft im Jahr 2015
2016 wird aber stark
Wohnungsbauinvestitionen dürften um 3,5% zulegen
Neubauaktivitäten trotz weiteren Anstiegs immer noch zu gering
Anstieg der Immobilienpreise erfasst verstärkt den Bestand
Postbank Research
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Sonderthema Mai 2016
Team Postbank Research
Dr. Marco Bargel
Chefvolkswirt
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Heinrich Bayer
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Heinz-Gerd Sonnenschein
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Redaktionsschluss: 27. April 2016
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Sonderthema Mai 2016
Wohnungsbauinvestitionen steigen weiter – Neubaubedarf
wird aber noch immer nicht gedeckt
Deutlich zunehmender Optimismus in
der Baubranche
Kaum Wachstum der deutschen
Bauwirtschaft im Jahr 2015
Die Entwicklung der Bauinvestitionen enttäuschte im vergangenen Jahr. In realer
Rechnung stiegen sie lediglich um 0,3%.
Dies lag vor allem an den öffentlichen und
gewerblichen Investitionen. Beide erlebten
im 2. Quartal einen deutlichen Einbruch,
den sie im weiteren Jahresverlauf nicht
mehr ausgleichen konnten. Die öffentlichen Bauinvestitionen gaben 2015 um
1,5% nach, die gewerblichen um 1,4%.
Dagegen setzte sich der Aufwärtstrend bei
den Wohnungsbauinvestitionen fort, auch
wenn sich der Zuwachs mit 1,6% gegenüber 2014 halbierte.
2016 wird aber stark
Trotz der insgesamt schwachen Entwicklung zeigten sich gegen Ende 2015 aber
deutliche Erholungstendenzen auf allen
Ebenen. Die öffentlichen Bauinvestitionen
zogen bereits im 3. Quartal wieder an und
legten in der darauffolgenden Periode
weiter zu. Der Gewerbebau machte im 4.
Quartal einen kräftigen Sprung nach oben.
Auch die Wohnungsbauinvestitionen, die
zwischenzeitlich ebenfalls einen Dämpfer
erlitten hatten, nahmen gegen Jahresende
wieder Fahrt auf. Insgesamt wurden die
Bauinvestitionen im 4. Quartal um 2,2%
gegenüber der Vorperiode ausgeweitet.
Bauinvestitionen dürften in diesem
Jahr erneut kräftig steigen
% ggü. Vj.
2015
2016e
Bauinvestitionen insgesamt
0,3
3,0
Wohnungsbau
1,6
3,5
Gewerbebau
-1,4
2,4
Öffentlicher Bau
-1,5
2,5
Quellen: Destatis; Prognosen Postbank
Postbank Research
Diesen Schwung hat die Baubranche mit
ins laufende Jahr genommen. So ist deren
Produktion im Januar und Februar kräftig
gestiegen und lässt für das 1. Quartal
einen weiteren Zuwachs der Bauinvestitionen um rund 2% im Vorquartalsvergleich
erwarten. Dabei wurde die Entwicklung zu
Jahresbeginn sicherlich durch die milde
Witterung begünstigt, sodass nachfolgend
erneut mit einem Rücksetzer gerechnet
werden muss. Dieser dürfte aber weit
weniger stark ausfallen als im letzten Jahr,
als die Produktion zu Jahresbeginn ebenfalls von einem ungewöhnlich milden
Winter profitiert hatte. Optimistisch
stimmt uns diesbezüglich vor allem die in
den letzten Monaten sehr starke Entwicklung der Auftragseingänge. Aufgrund der
Vielzahl der positiven Anzeichen rechnen
wir für dieses Jahr mit einer Zunahme der
Bauinvestitionen um 3,0%.
Spürbare Impulse sollten dabei von den
öffentlichen Bauinvestitionen ausgehen.
Infolge des starken Jahresauftakts in
Verbindung mit einem außergewöhnlichen
Schub bei den Auftragseingängen im
Tiefbau erwarten wir für 2016 einen
Zuwachs um 2,5%. Die gewerblichen
Bauinvestitionen sollten dem mit einem
Plus von 2,4% kaum nachstehen, worauf
vor allem ein ebenfalls deutlicher Zuwachs
bei den Aufträgen im Hochbau (ohne
Wohnungsbau) hindeutet.
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Sonderthema Mai 2016
Auftragseingänge ziehen auf breiter
Front kräftig an
% gg. Vj., 6-M-Gl.
20
Starke Beschleunigung des
Aufwärtstrends im Wohnungsbau
20
10
10
0
0
-10
-10
-20
-20
-30
-30
06
08
10
12
14
16
Auftragseing. im Hochbau
Auftragseing. im Tiefbau
Quelle: Thomson Reuters Datastream
Wohnungsbauinvestitionen dürften
um 3,5% zulegen
Noch günstiger sind die Aussichten für den
Wohnungsbau. Nachdem der trendmäßige
Anstieg der Baugenehmigungen in der
ersten Hälfte des vergangenen Jahres
nahezu zum Erliegen gekommen war, hat
er sich nachfolgend massiv beschleunigt. In
den letzten drei Monaten, für die Daten
zur Verfügung stehen (November 2015 bis
Januar 2016), wurde das entsprechende
Vorjahresniveau im Durchschnitt um 30%
übertroffen. Die Neubauaktivitäten sollten
deshalb in den kommenden Monaten
einen kräftigen Schub erleben. Rund 70%
der Wohnungsbauinvestitionen entfallen
aber auf Investitionen in den Bestand, bei
denen die Dynamik derzeit deutlich niedriger ist. Deshalb kann die Entwicklung der
Auftragseingänge im Wohnungsbau mit
den Baugenehmigungen nicht mithalten.
Jedoch liegt der Orderzuwachs immerhin
klar im zweistelligen Prozentbereich. Wir
halten vor diesem Hintergrund für dieses
Jahr ein Wachstum der realen Wohnungsbauinvestitionen von 3,5% für realistisch.
Neubauaktivitäten trotz weiteren
Anstiegs immer noch zu gering
Auch über das laufende Jahr hinaus sehen
wir weiteres Aufwärtspotenzial für den
Wohnungsbau. Erhebliche Reserven sehen
wir noch bei den Investitionen in den
Bestand. Wichtige Treiber sind hier die
Alterung des Wohnungsbestandes, die
energetische Sanierung sowie die
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altersgerechte Umgestaltung von Wohnungen oder auch kompletten Gebäuden.
Aber auch bei den Neubauaktivitäten
zeichnet sich eine Fortsetzung des Aufwärtstrends über 2016 hinaus ab. So hinkt
die Zahl der Fertigstellungen den Genehmigungen seit Beginn des Aufschwungs beim
Wohnungsneubau deutlich hinterher. Wurden 2014 rund 285 Tsd. Genehmigungen
erteilt, so belief sich die Zahl der Baufertigstellungen (neuere Daten liegen hierfür
noch nicht vor) auf lediglich 245 Tsd. Im
vergangenen Jahr dürfte die Lücke sogar
noch etwas größer geworden sein. Da der
Anstieg der Baugenehmigungen um rund
24 Tsd. auf ca. 309 Tsd. fast ausschließlich
auf eine sehr positive Entwicklung in der 2.
Jahreshälfte zurückzuführen ist, dürfte er
sich in den Fertigstellungen kaum niedergeschlagen haben, für die wir denn auch
nur eine leichte Zunahme auf gut 250 Tsd.
veranschlagen. Im laufenden Jahr allerdings sollten aber sowohl die Fertigstellungen als auch die Genehmigungen dynamisch zulegen. Erstere dürften von dem
kräftigen Aufwärtstrend bei den Genehmigungen im 2. Halbjahr 2015 sowie zu
Beginn dieses Jahres profitieren und 2016
auf rund 300 Tsd. steigen. Bei den Baugenehmigungen erwarten wir sogar eine
Steigerung auf 360 Tsd. Dies würde dann
klar darauf hindeuten, dass die Fertigstellungen 2017 erneut kräftig auf deutlich
über 300 Tsd. steigen.
Dies wird aber noch nicht ausreichen, um
die Knappheit am Wohnungsbau, die sich
in den vergangenen Jahren insbesondere in
den Ballungsräumen aufgebaut hat, zu
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Zunahme der Baufertigstellungen klar
vorgezeichnet
in Tsd.
400
350
400
350
300
300
250
200
150
250
200
150
100
100
50
0
50
0
16
14
12
10
08
06
04
Baufertigst.
Sehr niedrige Zinsen begünstigen
Anstieg der Immobilienpreise
Genehmig.
Quelle: Thomson Reuters Datastream; Prognosen Postbank
verringern. Diese dürfte zunächst sogar
noch weiter zunehmen. So wird der Bedarf
an neuen Wohnungen zumeist auf 350 bis
400 Tsd. pro Jahr veranschlagt. Unserer
Einschätzung liegt er eher am oberen Rand
dieser Spanne. So kommen wir auf Basis
der Bevölkerungsvorausberechnung von
Destatis und des trendmäßigen, zum Teil
alterungsbedingten, Rückgangs der durchschnittlichen Haushaltsgröße zu dem
Ergebnis, dass bis 2030 die Zahl der Privathaushalte in Deutschland um 2 bis 3 Mio.
zunehmen wird. Bei der aktuellen Vorausberechnung konnte der Zustrom an Flüchtlingen aber noch nicht berücksichtigt
werden. Dieser ändert das grundlegende
Bild zwar nicht, führt jedoch dazu, dass der
Zusatzbedarf eher in der oberen Hälfte
dieser Spanne anzusiedeln ist. Zu berücksichtigen sind auch die Abgänge von Wohnungen sowie die anhaltende Wanderungsbewegung in die Städte, die gerade
in Ballungsgebieten für einen zusätzlichen
Bedarf an neuem Wohnraum sorgen, während gleichzeitig in ländlichen Gebieten,
die abseits der präferierten Siedlungsgebiete liegen, die Leerstände weiter zunehmen dürften.
Anstieg der Immobilienpreise erfasst
verstärkt den Bestand
Die zunächst noch zunehmende Knappheit
an Wohnungen wird den Aufwärtstrend
bei den Preisen für Wohnimmobilien, der
vor etwa sechs Jahren einsetzte, weiter
unterfüttern. Seit Ende 2009 sind nach
Angaben von Europace die Preise für
Postbank Research
Neubauten um rund 28% gestiegen. Die
Preise für Altbauten haben sich im gleichen
Zeitraum sogar um 34% erhöht. Diese
Lücke zugunsten der Bestandsimmobilien
hat sich aber erst im Verlauf des letzten
Jahres aufgetan. Aktuell sticht der Preisauftrieb bei Altbauten den für Neubauten
sogar klar aus. Die Steigerungsrate gegenüber dem entsprechenden Vorjahresmonat
lag im März bei 7,2% vs. 2,8%. Eine wichtige Triebfeder dieser Entwicklung war das
nochmals deutlich gesunkene Zinsniveau
für Hypothekarkredite, das offensichtlich
viele Kaufinteressierte veranlasst hat
zuzuschlagen. Sichtbar wird dies in dem
Neugeschäftsvolumen bei Wohnungsbaukrediten, das 2015 um 22% auf 244 Mrd.
Euro in die Höhe geschnellt ist. Gegenwind
für die Preisentwicklung bei Immobilien ist
von dieser Seite aus vorläufig noch nicht zu
erwarten. Wir gehen zwar davon aus, dass
das Zinsniveau am deutschen Kapitalmarkt,
das für die Konditionengestaltung bei
Hypothekarkrediten eine wichtige Rolle
spielt, von seinem aktuellen Niveau
tendenziell steigen wird. Dieser Anstieg
sollte aber zunächst sehr eng begrenzt
bleiben.
Die Preisparty am deutschen Immobilienmarkt sollte sich damit noch eine Weile
fortsetzen. Auch wenn wir noch keine
breit angelegte Blasenbildung erkennen
können, beinhaltet dies durchaus das
Risiko, dass die Überhitzungserscheinungen in einzelnen Regionen oder Marktsegmenten zunehmen könnten.
Heinrich Bayer
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