Sonderthema Mai 2016 Wohnungsbauinvestitionen steigen weiter – Neubaubedarf wird aber noch immer nicht gedeckt Kaum Wachstum der deutschen Bauwirtschaft im Jahr 2015 2016 wird aber stark Wohnungsbauinvestitionen dürften um 3,5% zulegen Neubauaktivitäten trotz weiteren Anstiegs immer noch zu gering Anstieg der Immobilienpreise erfasst verstärkt den Bestand Postbank Research Seite 1 Sonderthema Mai 2016 Team Postbank Research Dr. Marco Bargel Chefvolkswirt [email protected] Heinrich Bayer [email protected] Dr. Lucas Kramer [email protected] Heinz-Gerd Sonnenschein [email protected] www.postbank.de Redaktionsschluss: 27. April 2016 Deutsche Postbank AG Zentrale Friedrich-Ebert-Allee 114-126 53113 Bonn Telefon: (0228)920-0 Disclaimer: Alle hier veröffentlichten Angaben erfolgen unverbindlich und stellen Informationsmaterial dar, also weder eine Anlageberatung noch eine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf irgendeines Wertpapiers. Die Informationen in diesem Dokument wurden aus Daten erarbeitet, von deren Richtigkeit ausgegangen wurde; die Deutsche Postbank AG garantiert diese jedoch nicht. Die Angaben dienen ausschließlich zur Information, die dem Investor eine selbständige Anlageentscheidung erleichtern soll. Postbank Research Seite 2 Sonderthema Mai 2016 Wohnungsbauinvestitionen steigen weiter – Neubaubedarf wird aber noch immer nicht gedeckt Deutlich zunehmender Optimismus in der Baubranche Kaum Wachstum der deutschen Bauwirtschaft im Jahr 2015 Die Entwicklung der Bauinvestitionen enttäuschte im vergangenen Jahr. In realer Rechnung stiegen sie lediglich um 0,3%. Dies lag vor allem an den öffentlichen und gewerblichen Investitionen. Beide erlebten im 2. Quartal einen deutlichen Einbruch, den sie im weiteren Jahresverlauf nicht mehr ausgleichen konnten. Die öffentlichen Bauinvestitionen gaben 2015 um 1,5% nach, die gewerblichen um 1,4%. Dagegen setzte sich der Aufwärtstrend bei den Wohnungsbauinvestitionen fort, auch wenn sich der Zuwachs mit 1,6% gegenüber 2014 halbierte. 2016 wird aber stark Trotz der insgesamt schwachen Entwicklung zeigten sich gegen Ende 2015 aber deutliche Erholungstendenzen auf allen Ebenen. Die öffentlichen Bauinvestitionen zogen bereits im 3. Quartal wieder an und legten in der darauffolgenden Periode weiter zu. Der Gewerbebau machte im 4. Quartal einen kräftigen Sprung nach oben. Auch die Wohnungsbauinvestitionen, die zwischenzeitlich ebenfalls einen Dämpfer erlitten hatten, nahmen gegen Jahresende wieder Fahrt auf. Insgesamt wurden die Bauinvestitionen im 4. Quartal um 2,2% gegenüber der Vorperiode ausgeweitet. Bauinvestitionen dürften in diesem Jahr erneut kräftig steigen % ggü. Vj. 2015 2016e Bauinvestitionen insgesamt 0,3 3,0 Wohnungsbau 1,6 3,5 Gewerbebau -1,4 2,4 Öffentlicher Bau -1,5 2,5 Quellen: Destatis; Prognosen Postbank Postbank Research Diesen Schwung hat die Baubranche mit ins laufende Jahr genommen. So ist deren Produktion im Januar und Februar kräftig gestiegen und lässt für das 1. Quartal einen weiteren Zuwachs der Bauinvestitionen um rund 2% im Vorquartalsvergleich erwarten. Dabei wurde die Entwicklung zu Jahresbeginn sicherlich durch die milde Witterung begünstigt, sodass nachfolgend erneut mit einem Rücksetzer gerechnet werden muss. Dieser dürfte aber weit weniger stark ausfallen als im letzten Jahr, als die Produktion zu Jahresbeginn ebenfalls von einem ungewöhnlich milden Winter profitiert hatte. Optimistisch stimmt uns diesbezüglich vor allem die in den letzten Monaten sehr starke Entwicklung der Auftragseingänge. Aufgrund der Vielzahl der positiven Anzeichen rechnen wir für dieses Jahr mit einer Zunahme der Bauinvestitionen um 3,0%. Spürbare Impulse sollten dabei von den öffentlichen Bauinvestitionen ausgehen. Infolge des starken Jahresauftakts in Verbindung mit einem außergewöhnlichen Schub bei den Auftragseingängen im Tiefbau erwarten wir für 2016 einen Zuwachs um 2,5%. Die gewerblichen Bauinvestitionen sollten dem mit einem Plus von 2,4% kaum nachstehen, worauf vor allem ein ebenfalls deutlicher Zuwachs bei den Aufträgen im Hochbau (ohne Wohnungsbau) hindeutet. Seite 3 Sonderthema Mai 2016 Auftragseingänge ziehen auf breiter Front kräftig an % gg. Vj., 6-M-Gl. 20 Starke Beschleunigung des Aufwärtstrends im Wohnungsbau 20 10 10 0 0 -10 -10 -20 -20 -30 -30 06 08 10 12 14 16 Auftragseing. im Hochbau Auftragseing. im Tiefbau Quelle: Thomson Reuters Datastream Wohnungsbauinvestitionen dürften um 3,5% zulegen Noch günstiger sind die Aussichten für den Wohnungsbau. Nachdem der trendmäßige Anstieg der Baugenehmigungen in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres nahezu zum Erliegen gekommen war, hat er sich nachfolgend massiv beschleunigt. In den letzten drei Monaten, für die Daten zur Verfügung stehen (November 2015 bis Januar 2016), wurde das entsprechende Vorjahresniveau im Durchschnitt um 30% übertroffen. Die Neubauaktivitäten sollten deshalb in den kommenden Monaten einen kräftigen Schub erleben. Rund 70% der Wohnungsbauinvestitionen entfallen aber auf Investitionen in den Bestand, bei denen die Dynamik derzeit deutlich niedriger ist. Deshalb kann die Entwicklung der Auftragseingänge im Wohnungsbau mit den Baugenehmigungen nicht mithalten. Jedoch liegt der Orderzuwachs immerhin klar im zweistelligen Prozentbereich. Wir halten vor diesem Hintergrund für dieses Jahr ein Wachstum der realen Wohnungsbauinvestitionen von 3,5% für realistisch. Neubauaktivitäten trotz weiteren Anstiegs immer noch zu gering Auch über das laufende Jahr hinaus sehen wir weiteres Aufwärtspotenzial für den Wohnungsbau. Erhebliche Reserven sehen wir noch bei den Investitionen in den Bestand. Wichtige Treiber sind hier die Alterung des Wohnungsbestandes, die energetische Sanierung sowie die Postbank Research altersgerechte Umgestaltung von Wohnungen oder auch kompletten Gebäuden. Aber auch bei den Neubauaktivitäten zeichnet sich eine Fortsetzung des Aufwärtstrends über 2016 hinaus ab. So hinkt die Zahl der Fertigstellungen den Genehmigungen seit Beginn des Aufschwungs beim Wohnungsneubau deutlich hinterher. Wurden 2014 rund 285 Tsd. Genehmigungen erteilt, so belief sich die Zahl der Baufertigstellungen (neuere Daten liegen hierfür noch nicht vor) auf lediglich 245 Tsd. Im vergangenen Jahr dürfte die Lücke sogar noch etwas größer geworden sein. Da der Anstieg der Baugenehmigungen um rund 24 Tsd. auf ca. 309 Tsd. fast ausschließlich auf eine sehr positive Entwicklung in der 2. Jahreshälfte zurückzuführen ist, dürfte er sich in den Fertigstellungen kaum niedergeschlagen haben, für die wir denn auch nur eine leichte Zunahme auf gut 250 Tsd. veranschlagen. Im laufenden Jahr allerdings sollten aber sowohl die Fertigstellungen als auch die Genehmigungen dynamisch zulegen. Erstere dürften von dem kräftigen Aufwärtstrend bei den Genehmigungen im 2. Halbjahr 2015 sowie zu Beginn dieses Jahres profitieren und 2016 auf rund 300 Tsd. steigen. Bei den Baugenehmigungen erwarten wir sogar eine Steigerung auf 360 Tsd. Dies würde dann klar darauf hindeuten, dass die Fertigstellungen 2017 erneut kräftig auf deutlich über 300 Tsd. steigen. Dies wird aber noch nicht ausreichen, um die Knappheit am Wohnungsbau, die sich in den vergangenen Jahren insbesondere in den Ballungsräumen aufgebaut hat, zu Seite 4 Sonderthema Mai 2016 Zunahme der Baufertigstellungen klar vorgezeichnet in Tsd. 400 350 400 350 300 300 250 200 150 250 200 150 100 100 50 0 50 0 16 14 12 10 08 06 04 Baufertigst. Sehr niedrige Zinsen begünstigen Anstieg der Immobilienpreise Genehmig. Quelle: Thomson Reuters Datastream; Prognosen Postbank verringern. Diese dürfte zunächst sogar noch weiter zunehmen. So wird der Bedarf an neuen Wohnungen zumeist auf 350 bis 400 Tsd. pro Jahr veranschlagt. Unserer Einschätzung liegt er eher am oberen Rand dieser Spanne. So kommen wir auf Basis der Bevölkerungsvorausberechnung von Destatis und des trendmäßigen, zum Teil alterungsbedingten, Rückgangs der durchschnittlichen Haushaltsgröße zu dem Ergebnis, dass bis 2030 die Zahl der Privathaushalte in Deutschland um 2 bis 3 Mio. zunehmen wird. Bei der aktuellen Vorausberechnung konnte der Zustrom an Flüchtlingen aber noch nicht berücksichtigt werden. Dieser ändert das grundlegende Bild zwar nicht, führt jedoch dazu, dass der Zusatzbedarf eher in der oberen Hälfte dieser Spanne anzusiedeln ist. Zu berücksichtigen sind auch die Abgänge von Wohnungen sowie die anhaltende Wanderungsbewegung in die Städte, die gerade in Ballungsgebieten für einen zusätzlichen Bedarf an neuem Wohnraum sorgen, während gleichzeitig in ländlichen Gebieten, die abseits der präferierten Siedlungsgebiete liegen, die Leerstände weiter zunehmen dürften. Anstieg der Immobilienpreise erfasst verstärkt den Bestand Die zunächst noch zunehmende Knappheit an Wohnungen wird den Aufwärtstrend bei den Preisen für Wohnimmobilien, der vor etwa sechs Jahren einsetzte, weiter unterfüttern. Seit Ende 2009 sind nach Angaben von Europace die Preise für Postbank Research Neubauten um rund 28% gestiegen. Die Preise für Altbauten haben sich im gleichen Zeitraum sogar um 34% erhöht. Diese Lücke zugunsten der Bestandsimmobilien hat sich aber erst im Verlauf des letzten Jahres aufgetan. Aktuell sticht der Preisauftrieb bei Altbauten den für Neubauten sogar klar aus. Die Steigerungsrate gegenüber dem entsprechenden Vorjahresmonat lag im März bei 7,2% vs. 2,8%. Eine wichtige Triebfeder dieser Entwicklung war das nochmals deutlich gesunkene Zinsniveau für Hypothekarkredite, das offensichtlich viele Kaufinteressierte veranlasst hat zuzuschlagen. Sichtbar wird dies in dem Neugeschäftsvolumen bei Wohnungsbaukrediten, das 2015 um 22% auf 244 Mrd. Euro in die Höhe geschnellt ist. Gegenwind für die Preisentwicklung bei Immobilien ist von dieser Seite aus vorläufig noch nicht zu erwarten. Wir gehen zwar davon aus, dass das Zinsniveau am deutschen Kapitalmarkt, das für die Konditionengestaltung bei Hypothekarkrediten eine wichtige Rolle spielt, von seinem aktuellen Niveau tendenziell steigen wird. Dieser Anstieg sollte aber zunächst sehr eng begrenzt bleiben. Die Preisparty am deutschen Immobilienmarkt sollte sich damit noch eine Weile fortsetzen. Auch wenn wir noch keine breit angelegte Blasenbildung erkennen können, beinhaltet dies durchaus das Risiko, dass die Überhitzungserscheinungen in einzelnen Regionen oder Marktsegmenten zunehmen könnten. Heinrich Bayer Seite 5
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